Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689.Fünfftes Buch [Spaltenumbruch]
men könte. Dieses wäre der Adler/ welcherihm täglich sein Eingeweide gefressen zu haben gedichtet würde. Hier habe Prometheus nicht nur durch den Augenschein/ wie in denen nie- drigern Wolcken aus dem Dampffe der schwef- lichten Dünste und salpetrichten Feuchtigkeiten Donner und Blitz gezeuget würde/ sondern auch durch sein tieffes Nachsinnen und künstli- che Schau-Gläser die Eigenschafften der Ster- nen/ und den Abgrund der hellen Himmels- Lichter erforschet/ und andern Menschen ent- decket. Deßhalben hätte die Nachwelt fürge- geben: Er wäre durch Hülffe der Minerva in Himmel gestiegen/ hätte an dem Wagen der Sonne eine Ruthe angezündet/ und hiermit das Feuer auf den Erdbodem bracht. Uber dieser Unterred- und Betrachtung des an:
Fuͤnfftes Buch [Spaltenumbruch]
men koͤnte. Dieſes waͤre der Adler/ welcherihm taͤglich ſein Eingeweide gefreſſen zu haben gedichtet wuͤrde. Hier habe Prometheus nicht nur durch den Augenſchein/ wie in denen nie- drigern Wolcken aus dem Dampffe der ſchwef- lichten Duͤnſte und ſalpetrichten Feuchtigkeiten Donner und Blitz gezeuget wuͤrde/ ſondern auch durch ſein tieffes Nachſinnen und kuͤnſtli- che Schau-Glaͤſer die Eigenſchafften der Ster- nen/ und den Abgrund der hellen Himmels- Lichter erforſchet/ und andern Menſchen ent- decket. Deßhalben haͤtte die Nachwelt fuͤrge- geben: Er waͤre durch Huͤlffe der Minerva in Himmel geſtiegen/ haͤtte an dem Wagen der Sonne eine Ruthe angezuͤndet/ und hiermit das Feuer auf den Erdbodem bracht. Uber dieſer Unterred- und Betrachtung des an:
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0634" n="578"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Fuͤnfftes Buch</hi></fw><lb/><cb/> men koͤnte. Dieſes waͤre der Adler/ welcher<lb/> ihm taͤglich ſein Eingeweide gefreſſen zu haben<lb/> gedichtet wuͤrde. Hier habe Prometheus nicht<lb/> nur durch den Augenſchein/ wie in denen nie-<lb/> drigern Wolcken aus dem Dampffe der ſchwef-<lb/> lichten Duͤnſte und ſalpetrichten Feuchtigkeiten<lb/> Donner und Blitz gezeuget wuͤrde/ ſondern<lb/> auch durch ſein tieffes Nachſinnen und kuͤnſtli-<lb/> che Schau-Glaͤſer die Eigenſchafften der Ster-<lb/> nen/ und den Abgrund der hellen Himmels-<lb/> Lichter erforſchet/ und andern Menſchen ent-<lb/> decket. Deßhalben haͤtte die Nachwelt fuͤrge-<lb/> geben: Er waͤre durch Huͤlffe der Minerva in<lb/> Himmel geſtiegen/ haͤtte an dem Wagen der<lb/> Sonne eine Ruthe angezuͤndet/ und hiermit das<lb/> Feuer auf den Erdbodem bracht.</p><lb/> <p>Uber dieſer Unterred- und Betrachtung des<lb/> Tempels/ war der Abend nahe herbey kommen/<lb/> und wir haͤtten daruͤber ſchier des Eſſens ver-<lb/> geſſen/ wenn uns der Prieſter nicht ein gutes<lb/> Theil den Berg hinab in eine zu ſeinem Auf-<lb/> fenthalt dienende Hoͤle/ zu ſeiner gewoͤhnlichen<lb/> Kraͤuter-Speiſe eingeladen/ und mit dem koͤſt-<lb/> lichen Waſſer eines daſelbſt aus einem rothen<lb/> Felſen entſpringenden Brunnens erqvicket<lb/> haͤtte; welches uns in Warheit beſſer ſchmeckte/<lb/> als das Waſſer aus dem Fluſſe Lynceſtis/ das<lb/> wie der Wein truncken machen ſoll; oder auch<lb/> aus dem Brunnen des Bacchus ſelbſt/ wenn es<lb/> ſchon den ſiebenden Tag geweſt waͤre/ da er alle-<lb/> mahl mit Wein qvellen ſoll. Hertzog Herr-<lb/> mann fing an: Es iſt gleich Zeit/ daß wir auch<lb/> unſer deutſches Waſſer koſten. Denn der Graf<lb/> von Leuningen hatte dem Feldherrn gleich an-<lb/> gemeldet/ daß auff ſeinen Befehl in des Zeno<lb/> Vorgemach die Taffel/ und zwar dem noch<lb/> ſchwachen Zeno zu Liebe auf Roͤmiſche Art be-<lb/> reitet waͤre/ daß ieder Gaſt ſich zur Taffel auff<lb/> einem Bette legte. Hier mit verfuͤgte ſich die<lb/> ſaͤmtliche Verſammlung dahin. Der Feld-<lb/> herr entſchuldigte bald anfangs/ daß zwar der<lb/> Tiſch/ aber nicht die Geruͤchte nach Roͤmiſchem/<lb/><cb/> weniger nach Aſiatiſchem Uberfluſſe bereitet<lb/> ſeyn wuͤrde. Sintemal er ſelbſt zu Rom geſe-<lb/> hen/ daß bey einer Mahlzeit zweytauſend ſeltza-<lb/> me Fiſche/ und ſieben tauſend Voͤgel aufgeſetzet<lb/> worden waͤren. Die Perſiſchen Koͤnige aber<lb/> ſolten auf ein Abend-Eſſen viertzig Talent auf-<lb/> wenden/ und tauſend Thiere abſchlachten laſſen.<lb/> Denn die Deutſchen waͤren nicht gewohnt/ wie<lb/> dieſe wolluͤſtige Fuͤrſten/ in die Welt Ausſpuͤrer<lb/> niedlicher Speiſen auszuſenden/ noch groſſe<lb/> Silber-Preiſſe fuͤr die Erfinder neuer Wolluͤſte<lb/> aufzuſetzen/ ſondern hielten vielmehr dafuͤr/ daß<lb/> der Geruͤchte Uberfluß Eckel verurſachte/ und<lb/> das Eſſen hinderte. Hierauf ward zum erſten<lb/> von friſchen Neun-Augen vor gelegt; Erato/<lb/> welche ihr Lebtage keine ſolche Fiſche geſehen/<lb/> hatte Bedencken ſie anzunehmen/ und fing an:<lb/> was ſie mit dieſen Wuͤrmen machen ſolte? Rhe-<lb/> metalces/ ob ſie ihm gleich eben ſo fremde waren/<lb/> fing laͤchelnde an: Es waͤre nichts ungemei-<lb/> nes/ daß man Wuͤrmer aͤſſe. Seine Nach-<lb/> baꝛn/ die Thracier/ hielten die weiſſen Holtzwuͤr-<lb/> mer mit den ſchwartzen Koͤpffen fuͤr Leckerbiß-<lb/> lein. Flavius ſetzte bey: Und die Africaner<lb/> nicht nur die Heuſchrecken/ ſondern auch die<lb/> gruͤnen Heydaͤchſen. Zeno beſtaͤtigte es/ und<lb/> meldete/ daß ſie um den Berg Athos die Nat-<lb/> tern aͤſſen/ und deßhalben insgemein biß hun-<lb/> dert und viertzig Jahr zu leben glaubten. Die<lb/> Candeer in Africa ſpeiſeten auch meiſtentheils<lb/> Schlangen. Nachdem aber der Feldherr die<lb/> Fremden verſicherte/ daß die Neun-Augen Fi-<lb/> ſche waͤren; genaſſen ſie ſelbte mit ſonderbarem<lb/> Vergnuͤgen. Noch vielmehr aber hielten ſich<lb/> Zeno und Erato an die aufgeſetzten Biber-<lb/> Schwaͤntze und Klauen/ welche ſie fuͤr die koͤſt-<lb/> lichſte Speiſe des Euxiniſchen Meeres/<lb/> Deutſchland aber fuͤr das rechte Vaterland der<lb/> ſeltzamſten Koͤſtligkeiten hielten; als ſie Aeſchen/<lb/> uñ ein Stuͤcke von einem Stoͤr auftragen ſahen/<lb/> und ſelbten aus denen gegen den Kopf gekehrten<lb/> Schupffen erkenneten. Rhemetalces fing auch<lb/> <fw place="bottom" type="catch">an:</fw><lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [578/0634]
Fuͤnfftes Buch
men koͤnte. Dieſes waͤre der Adler/ welcher
ihm taͤglich ſein Eingeweide gefreſſen zu haben
gedichtet wuͤrde. Hier habe Prometheus nicht
nur durch den Augenſchein/ wie in denen nie-
drigern Wolcken aus dem Dampffe der ſchwef-
lichten Duͤnſte und ſalpetrichten Feuchtigkeiten
Donner und Blitz gezeuget wuͤrde/ ſondern
auch durch ſein tieffes Nachſinnen und kuͤnſtli-
che Schau-Glaͤſer die Eigenſchafften der Ster-
nen/ und den Abgrund der hellen Himmels-
Lichter erforſchet/ und andern Menſchen ent-
decket. Deßhalben haͤtte die Nachwelt fuͤrge-
geben: Er waͤre durch Huͤlffe der Minerva in
Himmel geſtiegen/ haͤtte an dem Wagen der
Sonne eine Ruthe angezuͤndet/ und hiermit das
Feuer auf den Erdbodem bracht.
Uber dieſer Unterred- und Betrachtung des
Tempels/ war der Abend nahe herbey kommen/
und wir haͤtten daruͤber ſchier des Eſſens ver-
geſſen/ wenn uns der Prieſter nicht ein gutes
Theil den Berg hinab in eine zu ſeinem Auf-
fenthalt dienende Hoͤle/ zu ſeiner gewoͤhnlichen
Kraͤuter-Speiſe eingeladen/ und mit dem koͤſt-
lichen Waſſer eines daſelbſt aus einem rothen
Felſen entſpringenden Brunnens erqvicket
haͤtte; welches uns in Warheit beſſer ſchmeckte/
als das Waſſer aus dem Fluſſe Lynceſtis/ das
wie der Wein truncken machen ſoll; oder auch
aus dem Brunnen des Bacchus ſelbſt/ wenn es
ſchon den ſiebenden Tag geweſt waͤre/ da er alle-
mahl mit Wein qvellen ſoll. Hertzog Herr-
mann fing an: Es iſt gleich Zeit/ daß wir auch
unſer deutſches Waſſer koſten. Denn der Graf
von Leuningen hatte dem Feldherrn gleich an-
gemeldet/ daß auff ſeinen Befehl in des Zeno
Vorgemach die Taffel/ und zwar dem noch
ſchwachen Zeno zu Liebe auf Roͤmiſche Art be-
reitet waͤre/ daß ieder Gaſt ſich zur Taffel auff
einem Bette legte. Hier mit verfuͤgte ſich die
ſaͤmtliche Verſammlung dahin. Der Feld-
herr entſchuldigte bald anfangs/ daß zwar der
Tiſch/ aber nicht die Geruͤchte nach Roͤmiſchem/
weniger nach Aſiatiſchem Uberfluſſe bereitet
ſeyn wuͤrde. Sintemal er ſelbſt zu Rom geſe-
hen/ daß bey einer Mahlzeit zweytauſend ſeltza-
me Fiſche/ und ſieben tauſend Voͤgel aufgeſetzet
worden waͤren. Die Perſiſchen Koͤnige aber
ſolten auf ein Abend-Eſſen viertzig Talent auf-
wenden/ und tauſend Thiere abſchlachten laſſen.
Denn die Deutſchen waͤren nicht gewohnt/ wie
dieſe wolluͤſtige Fuͤrſten/ in die Welt Ausſpuͤrer
niedlicher Speiſen auszuſenden/ noch groſſe
Silber-Preiſſe fuͤr die Erfinder neuer Wolluͤſte
aufzuſetzen/ ſondern hielten vielmehr dafuͤr/ daß
der Geruͤchte Uberfluß Eckel verurſachte/ und
das Eſſen hinderte. Hierauf ward zum erſten
von friſchen Neun-Augen vor gelegt; Erato/
welche ihr Lebtage keine ſolche Fiſche geſehen/
hatte Bedencken ſie anzunehmen/ und fing an:
was ſie mit dieſen Wuͤrmen machen ſolte? Rhe-
metalces/ ob ſie ihm gleich eben ſo fremde waren/
fing laͤchelnde an: Es waͤre nichts ungemei-
nes/ daß man Wuͤrmer aͤſſe. Seine Nach-
baꝛn/ die Thracier/ hielten die weiſſen Holtzwuͤr-
mer mit den ſchwartzen Koͤpffen fuͤr Leckerbiß-
lein. Flavius ſetzte bey: Und die Africaner
nicht nur die Heuſchrecken/ ſondern auch die
gruͤnen Heydaͤchſen. Zeno beſtaͤtigte es/ und
meldete/ daß ſie um den Berg Athos die Nat-
tern aͤſſen/ und deßhalben insgemein biß hun-
dert und viertzig Jahr zu leben glaubten. Die
Candeer in Africa ſpeiſeten auch meiſtentheils
Schlangen. Nachdem aber der Feldherr die
Fremden verſicherte/ daß die Neun-Augen Fi-
ſche waͤren; genaſſen ſie ſelbte mit ſonderbarem
Vergnuͤgen. Noch vielmehr aber hielten ſich
Zeno und Erato an die aufgeſetzten Biber-
Schwaͤntze und Klauen/ welche ſie fuͤr die koͤſt-
lichſte Speiſe des Euxiniſchen Meeres/
Deutſchland aber fuͤr das rechte Vaterland der
ſeltzamſten Koͤſtligkeiten hielten; als ſie Aeſchen/
uñ ein Stuͤcke von einem Stoͤr auftragen ſahen/
und ſelbten aus denen gegen den Kopf gekehrten
Schupffen erkenneten. Rhemetalces fing auch
an:
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |