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Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689.

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Fünfftes Buch
[Spaltenumbruch] chen in vier Circkeln vier Sternen umblieffen/
den sechsten Saturn/ umb den in zwey Circkeln
zwey Sterne umbeileten/ inne. Mein Vor-
witz trieb mich dem Priester einzuhalten/ daß
es ja wider den Augenschein lieffe/ wenn man
die täglich auf- und nieder gehende Sonne
unbeweglich machen/ die Erde aber/ ausser
dem Mittel-Puncte der Welt/ welches aus
denen rings herumb darauf fallenden schwe-
ren Dingen zu ermessen wäre/ rücken wolte.
Wie solten auch auf der wanckenden Erde
Menschen und Thiere sicher stehen/ oder dar-
aus so viel Bäume und Pflantzen wachsen/ da
sie sich bewegen solte/ nachdem das Wesen/ in
welches die Kräfften aller Gestirne einflüssen
solten/ ja ruhig seyn müste? Der Priester ant-
wortete mir lächelnde: Jch solte meinen blöden
Augen nicht zutrauen/ das Mittel des uner-
mäßlichen Welt-Gebäues zu erkiesen/ welches
sie ohne ein Circkel-Maaß in keinem Kreisse
eines Fingers lang so genau treffen könten.
Meinen falschen Augenschein die Bewegung
der Dinge zu unterscheiden/ solte ich aus ei-
nem Schiffe wahrnehmen/ da mich bedüncken
würde: Das Ufer fliehe für mir/ und ich nicht
für ihm. So geschehe auch die Bewegung
der Erde in viel mehrer Gleichheit/ als eines
Schiffes bey dem besten Winde/ darinnen
alles so unverrückt bliebe/ wenn es auf der
See fort segelte/ als wenn es im Hafen an-
gebunden stünde/ ob schon die Erde wohl
mehrmals sich erschütterte/ offtmals nicht nur
Berge einbrächen/ sondern auch an einen
fernen Ort gar fortgesetzet würden. Und
die/ welche gantze Jahre auf dem Meere sich
herumb schüttelten/ würden sich über keinen
Abgang der einflüssenden Sterne zu beschwe-
ren/ vielmehr aber zu bezeugen haben/ daß
in denen darauf stehenden Gefässen die irren-
den Pflantzen nichts minder als die in der
grossen Erdkugel eingewurtzelt wären/ wüchsen.
[Spaltenumbruch] Uber dis hätte nicht nur die Erde/ sondern
auch die Sonne und alle Sternen ihren ab-
sonderen Mittel-Punct/ in welchen alles zu-
rück fiele/ was aus ihr empor kommen wäre.
Hingegen wäre es nicht allein möglicher und
der Vernunfft gemässer/ daß die Erdkugel
alle vier und zwantzig Stunden sich umb sei-
nen Würbel umbwendete/ alle Jahre aber ein-
mal umb die Sonne herumb lieffe; als daß
dieses unbegreifflich-grosse Geschöpfe und so
viel tausend unmäßliche Gestirne sich so ge-
schwinde/ als es menschlicher Verstand nicht
fassen kan/ umbrennen solten; sondern es wür-
de nach fortgesetztem Grunde/ daß die Welt
hier wahrhaftig abgebildet wäre/ die Rech-
nung mit der Bewegung der Sternen/ der
Mond- und Sonnen-Finsternüsse viel genauer
eintreffen.

Wie wir nun/ sagte Zeno/ mit unser Ver-
wunderug dieses Priesters Unterricht für eine
unzweifelbare Wahrheit anzunehmen schie-
nen/ gab er uns Anlaß das Gewölbe des
Tempels genauer zu betrachten/ und zu schau-
en: Ob das daran gebildete Gestirne mit un-
sern gestirnten Himmels - Kugeln überein
treffe? Jch ward aber bald gewahr/ daß die
mir bekandten 48. oder 50. himmlischen Bilder
unzehlich viel mehr Sternen in sich hatten/ in-
dem meine Lehrmeister mit dem Ptolemeus ihrer
nur 1022. gezehlet. Jnsonderheit nahm ich
in dem neblichten Theile des Orions ihrer
zwölff/ zwischen seinem Gürtel und Degen
achzig/ zwischen seinen Schenckeln mehr als
fünf hundert/ in der Krippe sechs und dreissig/
umb das Sieben-Gestirne vierzig/ und in
allen Zeichen eine grosse Menge neuer Ster-
nen wahr; in der Milch-Strasse war die
Zahl unzehlbar/ und der Priester versi-
cherte mich/ daß im einigen Orion mehr
Sternen/ als man ihrer ins gemein

am

Fuͤnfftes Buch
[Spaltenumbruch] chen in vier Circkeln vier Sternen umblieffen/
den ſechſten Saturn/ umb den in zwey Circkeln
zwey Sterne umbeileten/ inne. Mein Vor-
witz trieb mich dem Prieſter einzuhalten/ daß
es ja wider den Augenſchein lieffe/ wenn man
die taͤglich auf- und nieder gehende Sonne
unbeweglich machen/ die Erde aber/ auſſer
dem Mittel-Puncte der Welt/ welches aus
denen rings herumb darauf fallenden ſchwe-
ren Dingen zu ermeſſen waͤre/ ruͤcken wolte.
Wie ſolten auch auf der wanckenden Erde
Menſchen und Thiere ſicher ſtehen/ oder dar-
aus ſo viel Baͤume und Pflantzen wachſen/ da
ſie ſich bewegen ſolte/ nachdem das Weſen/ in
welches die Kraͤfften aller Geſtirne einfluͤſſen
ſolten/ ja ruhig ſeyn muͤſte? Der Prieſter ant-
wortete mir laͤchelnde: Jch ſolte meinen bloͤden
Augen nicht zutrauen/ das Mittel des uner-
maͤßlichen Welt-Gebaͤues zu erkieſen/ welches
ſie ohne ein Circkel-Maaß in keinem Kreiſſe
eines Fingers lang ſo genau treffen koͤnten.
Meinen falſchen Augenſchein die Bewegung
der Dinge zu unterſcheiden/ ſolte ich aus ei-
nem Schiffe wahrnehmen/ da mich beduͤncken
wuͤrde: Das Ufer fliehe fuͤr mir/ und ich nicht
fuͤr ihm. So geſchehe auch die Bewegung
der Erde in viel mehrer Gleichheit/ als eines
Schiffes bey dem beſten Winde/ darinnen
alles ſo unverruͤckt bliebe/ wenn es auf der
See fort ſegelte/ als wenn es im Hafen an-
gebunden ſtuͤnde/ ob ſchon die Erde wohl
mehrmals ſich erſchuͤtterte/ offtmals nicht nur
Berge einbraͤchen/ ſondern auch an einen
fernen Ort gar fortgeſetzet wuͤrden. Und
die/ welche gantze Jahre auf dem Meere ſich
herumb ſchuͤttelten/ wuͤrden ſich uͤber keinen
Abgang der einfluͤſſenden Sterne zu beſchwe-
ren/ vielmehr aber zu bezeugen haben/ daß
in denen darauf ſtehenden Gefaͤſſen die irren-
den Pflantzen nichts minder als die in der
groſſen Erdkugel eingewurtzelt waͤren/ wuͤchſen.
[Spaltenumbruch] Uber dis haͤtte nicht nur die Erde/ ſondern
auch die Sonne und alle Sternen ihren ab-
ſonderen Mittel-Punct/ in welchen alles zu-
ruͤck fiele/ was aus ihr empor kommen waͤre.
Hingegen waͤre es nicht allein moͤglicher und
der Vernunfft gemaͤſſer/ daß die Erdkugel
alle vier und zwantzig Stunden ſich umb ſei-
nen Wuͤrbel umbwendete/ alle Jahre aber ein-
mal umb die Sonne herumb lieffe; als daß
dieſes unbegreifflich-groſſe Geſchoͤpfe und ſo
viel tauſend unmaͤßliche Geſtirne ſich ſo ge-
ſchwinde/ als es menſchlicher Verſtand nicht
faſſen kan/ umbrennen ſolten; ſondern es wuͤr-
de nach fortgeſetztem Grunde/ daß die Welt
hier wahrhaftig abgebildet waͤre/ die Rech-
nung mit der Bewegung der Sternen/ der
Mond- und Sonnen-Finſternuͤſſe viel genauer
eintreffen.

Wie wir nun/ ſagte Zeno/ mit unſer Ver-
wunderug dieſes Prieſters Unterricht fuͤr eine
unzweifelbare Wahrheit anzunehmen ſchie-
nen/ gab er uns Anlaß das Gewoͤlbe des
Tempels genauer zu betrachten/ und zu ſchau-
en: Ob das daran gebildete Geſtirne mit un-
ſern geſtirnten Himmels - Kugeln uͤberein
treffe? Jch ward aber bald gewahr/ daß die
mir bekandten 48. oder 50. him̃liſchen Bilder
unzehlich viel mehr Sternen in ſich hatten/ in-
dem meine Lehrmeiſter mit dem Ptolemeus ihreꝛ
nur 1022. gezehlet. Jnſonderheit nahm ich
in dem neblichten Theile des Orions ihrer
zwoͤlff/ zwiſchen ſeinem Guͤrtel und Degen
achzig/ zwiſchen ſeinen Schenckeln mehr als
fuͤnf hundert/ in der Krippe ſechs und dreiſſig/
umb das Sieben-Geſtirne vierzig/ und in
allen Zeichen eine groſſe Menge neuer Ster-
nen wahr; in der Milch-Straſſe war die
Zahl unzehlbar/ und der Prieſter verſi-
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Sternen/ als man ihrer ins gemein

am
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[576/0632] Fuͤnfftes Buch chen in vier Circkeln vier Sternen umblieffen/ den ſechſten Saturn/ umb den in zwey Circkeln zwey Sterne umbeileten/ inne. Mein Vor- witz trieb mich dem Prieſter einzuhalten/ daß es ja wider den Augenſchein lieffe/ wenn man die taͤglich auf- und nieder gehende Sonne unbeweglich machen/ die Erde aber/ auſſer dem Mittel-Puncte der Welt/ welches aus denen rings herumb darauf fallenden ſchwe- ren Dingen zu ermeſſen waͤre/ ruͤcken wolte. Wie ſolten auch auf der wanckenden Erde Menſchen und Thiere ſicher ſtehen/ oder dar- aus ſo viel Baͤume und Pflantzen wachſen/ da ſie ſich bewegen ſolte/ nachdem das Weſen/ in welches die Kraͤfften aller Geſtirne einfluͤſſen ſolten/ ja ruhig ſeyn muͤſte? Der Prieſter ant- wortete mir laͤchelnde: Jch ſolte meinen bloͤden Augen nicht zutrauen/ das Mittel des uner- maͤßlichen Welt-Gebaͤues zu erkieſen/ welches ſie ohne ein Circkel-Maaß in keinem Kreiſſe eines Fingers lang ſo genau treffen koͤnten. Meinen falſchen Augenſchein die Bewegung der Dinge zu unterſcheiden/ ſolte ich aus ei- nem Schiffe wahrnehmen/ da mich beduͤncken wuͤrde: Das Ufer fliehe fuͤr mir/ und ich nicht fuͤr ihm. So geſchehe auch die Bewegung der Erde in viel mehrer Gleichheit/ als eines Schiffes bey dem beſten Winde/ darinnen alles ſo unverruͤckt bliebe/ wenn es auf der See fort ſegelte/ als wenn es im Hafen an- gebunden ſtuͤnde/ ob ſchon die Erde wohl mehrmals ſich erſchuͤtterte/ offtmals nicht nur Berge einbraͤchen/ ſondern auch an einen fernen Ort gar fortgeſetzet wuͤrden. Und die/ welche gantze Jahre auf dem Meere ſich herumb ſchuͤttelten/ wuͤrden ſich uͤber keinen Abgang der einfluͤſſenden Sterne zu beſchwe- ren/ vielmehr aber zu bezeugen haben/ daß in denen darauf ſtehenden Gefaͤſſen die irren- den Pflantzen nichts minder als die in der groſſen Erdkugel eingewurtzelt waͤren/ wuͤchſen. Uber dis haͤtte nicht nur die Erde/ ſondern auch die Sonne und alle Sternen ihren ab- ſonderen Mittel-Punct/ in welchen alles zu- ruͤck fiele/ was aus ihr empor kommen waͤre. Hingegen waͤre es nicht allein moͤglicher und der Vernunfft gemaͤſſer/ daß die Erdkugel alle vier und zwantzig Stunden ſich umb ſei- nen Wuͤrbel umbwendete/ alle Jahre aber ein- mal umb die Sonne herumb lieffe; als daß dieſes unbegreifflich-groſſe Geſchoͤpfe und ſo viel tauſend unmaͤßliche Geſtirne ſich ſo ge- ſchwinde/ als es menſchlicher Verſtand nicht faſſen kan/ umbrennen ſolten; ſondern es wuͤr- de nach fortgeſetztem Grunde/ daß die Welt hier wahrhaftig abgebildet waͤre/ die Rech- nung mit der Bewegung der Sternen/ der Mond- und Sonnen-Finſternuͤſſe viel genauer eintreffen. Wie wir nun/ ſagte Zeno/ mit unſer Ver- wunderug dieſes Prieſters Unterricht fuͤr eine unzweifelbare Wahrheit anzunehmen ſchie- nen/ gab er uns Anlaß das Gewoͤlbe des Tempels genauer zu betrachten/ und zu ſchau- en: Ob das daran gebildete Geſtirne mit un- ſern geſtirnten Himmels - Kugeln uͤberein treffe? Jch ward aber bald gewahr/ daß die mir bekandten 48. oder 50. him̃liſchen Bilder unzehlich viel mehr Sternen in ſich hatten/ in- dem meine Lehrmeiſter mit dem Ptolemeus ihreꝛ nur 1022. gezehlet. Jnſonderheit nahm ich in dem neblichten Theile des Orions ihrer zwoͤlff/ zwiſchen ſeinem Guͤrtel und Degen achzig/ zwiſchen ſeinen Schenckeln mehr als fuͤnf hundert/ in der Krippe ſechs und dreiſſig/ umb das Sieben-Geſtirne vierzig/ und in allen Zeichen eine groſſe Menge neuer Ster- nen wahr; in der Milch-Straſſe war die Zahl unzehlbar/ und der Prieſter verſi- cherte mich/ daß im einigen Orion mehr Sternen/ als man ihrer ins gemein am

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Zitationshilfe: Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689, S. 576. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lohenstein_feldherr01_1689/632>, abgerufen am 27.05.2024.