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Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689.

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Arminius und Thußnelda.
[Spaltenumbruch] te; Aber die Priesterliche Würde so enge einzu-
sperren/ oder vielmehr sie gar unter die Füsse zu
treten/ schiene ihm nicht rathsam zu seyn. Sie
wären die Boten und Ausleger des göttlichen
Willens/ ja gleichsam die Unterhändler und
Friedens-Stiffter zwischen GOtt und den
Menschen; Sie wären Schutzsäulen der Rei-
che/ nichts minder als die Könige/ welche das
Volck mit ihrer Andacht/ Gebete und Fasten
beschirmeten/ als Könige mit den Waffen. Die
Aufhebung ihrer Hand hätte wol ehe unter den
hochmüthigen Feinden eine grössere Niederla-
ge verursacht/ als viel tausend Lantzen und ge-
harnschte Helden-Armen. Jhre Hirtenstäbe
hätten wol ehe Meere zertheilet/ Mauern nie-
der gerissen/ Erdbeben/ Blitz und Hagel aus
den Wolcken erreget; Wie der wütende Bren-
nus mit seinen Galliern bey dem Delphischen
Tempel erfahren. Wie viel mal hätte eines
einigen Priesters blosses Ansehen dem grim-
migsten Feinde den Muth genommen/ und sei-
ne Rachgier in Sanfftmuth verwandelt? Wie
offt hätte ihre Aufmunterung den allerverzag-
testen ein Hertze gemacht? Jhre bewegliche
Einredung zwistige Fürsten mit einander ver-
söhnet. Ja den unbändigen Pöfel/ für welchen
die grösseste Macht kein genungsamer Kap-
zaum wäre/ vermöge ein Priester gleichsam mit
einem Nasen-Bande zu leiten/ wohin er wolle.
Daher könne er der Cappadocier alles Herkom-
men so sehr nicht verdammen/ daß sie dem Co-
manischen Priester so grosse Gewalt eingeräu-
met hätten. Die benachbarten Königreiche/
Albanien/ Jberien und Cappadocien verehre-
ten seine Hoheit/ erholeten sich bey ihm/ wie bey
einer göttlichen Wahrsagerey Rathes/ liessen
ihnen auch von ihm alle ihre Priester benennen/
oder zum minsten bestätigen. Diese Vereh-
rung der Priester wäre fast allen andern Völ-
ckern gemein. Bey denen Egyptiern wären
die Priester alleine der geheimen Weißheit wür-
dig geschätzt worden. Sie hätten für allem an-
[Spaltenumbruch] dern Volcke eine absondere Schrifft und Spra-
che. Zu der Königlichen Hohheit hätte daselbst
niemand gelangen können/ der nicht vorher ein
Priester gewest wäre. Die Könige richteten
sich nach ihren Maßgebungen/ und es hätte
Darius/ als gleich die Persen Egypten unter
ihre Botmäßigkeit gebracht/ sich nicht erkühnen
dörffen wider eines Priesters Willen sein Bild
über die Säule des Sesostris zu setzen. Ja die
Egyptier trauten ihren Priestern zu/ daß sie ü-
ber die Götter selbst nicht geringe Gewalt hät-
ten/ und diese auf ihre Beschwer- und Dräuun-
gen/ daß sie die Geheimnüsse der Jsis verrathen/
die zerfleischten Glieder des Osiris dem Tiphon
fürstreuen wolten/ nicht geringes Absehen ha-
ben müsten. Wie viel Völcker/ und so gar die
durchtriebenen Römer glaubten/ daß der ober-
ste der Priester auch der oberste unter den Men-
schen sey/ weßwegen er nicht nur keiner Miß-
gunst/ keinem Hasse/ keiner Eigennützigkeit/
sondern auch alleine dem Verhängnüsse unter-
worffen wäre/ und die Sternen über sein Thun
keine Gewalt hätten. Bey den Egyptiern/
Persen und Griechen/ zu Sparta und ander-
wärts sey nichts minder die Priesterliche Wür-
de der Königlichen gleich. Die Römer hielten
den Priester des Jupiters für ein lebendig und
heiliges Ebenbild seiner Gottheit/ für eine Zu-
flucht aller Bedrängten; also/ daß wenn ein
Ubelthäter zu seinen Füssen sincke/ müsse er sei-
ner Fessel erlediget/ und er dörffe selbigen Tag
weder geschlagen noch getödtet werden. Bey
den Mohren habe nicht nur König Sabacus
auf der Priester Befehl Zepter und Krone weg
gelegt/ sondern alle ihre Herrscher entäuserten
sich solcher Gewalt/ wenn es ihr oberster Prie-
ster für gut befindete. Diesemnach hätten die
Juden/ die Egyptier/ und letzlich die Römischen
Käyser die königliche Gewalt mit der Priester-
lichen Würde als einem festen Pfeiler unterstü-
tzet. Auch wäre ihm anders nicht wissend/ als daß
wie bey den Britann- und Galliern die Druyden/

also

Arminius und Thußnelda.
[Spaltenumbruch] te; Aber die Prieſterliche Wuͤrde ſo enge einzu-
ſperren/ oder vielmehr ſie gar unter die Fuͤſſe zu
treten/ ſchiene ihm nicht rathſam zu ſeyn. Sie
waͤren die Boten und Ausleger des goͤttlichen
Willens/ ja gleichſam die Unterhaͤndler und
Friedens-Stiffter zwiſchen GOtt und den
Menſchen; Sie waͤren Schutzſaͤulen der Rei-
che/ nichts minder als die Koͤnige/ welche das
Volck mit ihrer Andacht/ Gebete und Faſten
beſchirmeten/ als Koͤnige mit den Waffen. Die
Aufhebung ihrer Hand haͤtte wol ehe unter den
hochmuͤthigen Feinden eine groͤſſere Niederla-
ge verurſacht/ als viel tauſend Lantzen und ge-
harnſchte Helden-Armen. Jhre Hirtenſtaͤbe
haͤtten wol ehe Meere zertheilet/ Mauern nie-
der geriſſen/ Erdbeben/ Blitz und Hagel aus
den Wolcken erreget; Wie der wuͤtende Bren-
nus mit ſeinen Galliern bey dem Delphiſchen
Tempel erfahren. Wie viel mal haͤtte eines
einigen Prieſters bloſſes Anſehen dem grim-
migſten Feinde den Muth genommen/ und ſei-
ne Rachgier in Sanfftmuth verwandelt? Wie
offt haͤtte ihre Aufmunterung den allerverzag-
teſten ein Hertze gemacht? Jhre bewegliche
Einredung zwiſtige Fuͤrſten mit einander ver-
ſoͤhnet. Ja den unbaͤndigen Poͤfel/ fuͤr welchen
die groͤſſeſte Macht kein genungſamer Kap-
zaum waͤre/ vermoͤge ein Prieſter gleichſam mit
einem Naſen-Bande zu leiten/ wohin er wolle.
Daher koͤnne er der Cappadocier alles Herkom-
men ſo ſehr nicht verdammen/ daß ſie dem Co-
maniſchen Prieſter ſo groſſe Gewalt eingeraͤu-
met haͤtten. Die benachbarten Koͤnigreiche/
Albanien/ Jberien und Cappadocien verehre-
ten ſeine Hoheit/ erholeten ſich bey ihm/ wie bey
einer goͤttlichen Wahrſagerey Rathes/ lieſſen
ihnen auch von ihm alle ihre Prieſter benennen/
oder zum minſten beſtaͤtigen. Dieſe Vereh-
rung der Prieſter waͤre faſt allen andern Voͤl-
ckern gemein. Bey denen Egyptiern waͤren
die Prieſter alleine der geheimen Weißheit wuͤr-
dig geſchaͤtzt worden. Sie haͤtten fuͤr allem an-
[Spaltenumbruch] dern Volcke eine abſondere Schrifft und Spra-
che. Zu der Koͤniglichen Hohheit haͤtte daſelbſt
niemand gelangen koͤnnen/ der nicht vorher ein
Prieſter geweſt waͤre. Die Koͤnige richteten
ſich nach ihren Maßgebungen/ und es haͤtte
Darius/ als gleich die Perſen Egypten unter
ihre Botmaͤßigkeit gebracht/ ſich nicht erkuͤhnen
doͤrffen wider eines Prieſters Willen ſein Bild
uͤber die Saͤule des Seſoſtris zu ſetzen. Ja die
Egyptier trauten ihren Prieſtern zu/ daß ſie uͤ-
ber die Goͤtter ſelbſt nicht geringe Gewalt haͤt-
ten/ und dieſe auf ihre Beſchwer- und Draͤuun-
gen/ daß ſie die Geheimnuͤſſe der Jſis verrathen/
die zerfleiſchten Glieder des Oſiris dem Tiphon
fuͤrſtreuen wolten/ nicht geringes Abſehen ha-
ben muͤſten. Wie viel Voͤlcker/ und ſo gar die
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ſte der Prieſter auch der oberſte unter den Men-
ſchen ſey/ weßwegen er nicht nur keiner Miß-
gunſt/ keinem Haſſe/ keiner Eigennuͤtzigkeit/
ſondern auch alleine dem Verhaͤngnuͤſſe unter-
worffen waͤre/ und die Sternen uͤber ſein Thun
keine Gewalt haͤtten. Bey den Egyptiern/
Perſen und Griechen/ zu Sparta und ander-
waͤrts ſey nichts minder die Prieſterliche Wuͤr-
de der Koͤniglichen gleich. Die Roͤmer hielten
den Prieſter des Jupiters fuͤr ein lebendig und
heiliges Ebenbild ſeiner Gottheit/ fuͤr eine Zu-
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Ubelthaͤter zu ſeinen Fuͤſſen ſincke/ muͤſſe er ſei-
ner Feſſel erlediget/ und er doͤrffe ſelbigen Tag
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den Mohren habe nicht nur Koͤnig Sabacus
auf der Prieſter Befehl Zepter und Krone weg
gelegt/ ſondern alle ihre Herrſcher entaͤuſerten
ſich ſolcher Gewalt/ wenn es ihr oberſter Prie-
ſter fuͤr gut befindete. Dieſemnach haͤtten die
Juden/ die Egyptier/ und letzlich die Roͤmiſchen
Kaͤyſer die koͤnigliche Gewalt mit der Prieſter-
lichen Wuͤꝛde als einem feſten Pfeiler unterſtuͤ-
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wie bey den Britañ- und Gallieꝛn die Druyden/

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Zitationshilfe: Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689, S. 559. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lohenstein_feldherr01_1689/615>, abgerufen am 23.11.2024.