Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689.

Bild:
<< vorherige Seite

Arminius und Thußnelda.
[Spaltenumbruch] anziehen/ und nur zu Fusse unsere Reise fortse-
tzen/ ja uns mit Wurtzeln/ Kräutern und Milch
etliche Tage behelffen musten. Nach dem wir
zehn Tage über die höchsten Gebürge/ und un-
serm Bedüncken nach offtmals durch die Wol-
cken gestiegen waren/ auch unterweges aus den
Brunnen der berühmten Flüsse Abascus/ Corax
und Astelephus zu trincken das Glücke gehabt
hatten/ kamen wir endlich in ein sehr fruchtba-
res/ und zu unserer höchsten Verwunderung
mit Reben und Oelbäumen überdecktes Thal/
darinnen ein einfältiges Volck wohnhaft ist/
welches uns mit allerhand Erfrischungen er-
quickte/ und diesen Winckel der Welt für das
glückseligste Land preisete/ darein von undenckli-
cher Zeit die Begierde der Menschen keinen
Feind geführet hätte. Wir traffen über die in
unsern Landen bekanten herrlichen Früchte und
Thiere allerhand uns unbekante Arten/ und un-
ter andern einen mit unzehlbaren Farben Fe-
dern geschmückten und einen Purpur-rothen
Schnabel habenden Vogel an/ welcher von einer
Blume wächst/ und nicht länger lebet/ als die
Blume tauret/ also/ daß er gleichsam für eine
fliegende Blume zu halten ist. Gleicher Ge-
stalt fanden wir ein Gewächse in Gestalt eines
Lammes/ das auf einem Stengel wuchs; eine
den Jaßminen im Geruch gleich kommende/ an
Grösse und Vielheit der Blätter sie aber weit
übertreffende Blume Mogorin/ derer eine ein
gantz Haus einzubisamen genung ist; Rosen/
welche ihre Farben bald in Schnee/ bald in Pur-
pur verwandeln; eine Frucht/ da Citronen und
Pomerantzen streiffweise sich in einem Apfel ver-
mählen; und endlich ein Kraut/ dessen Genüs-
sung traurige lustig macht/ ja die Tieger-Thie-
re/ die es allhier gab/ waren gantz zahm/ und die
Schlangen eben so wohl von keinem Gifte/ als
die Einwohner/ ausser der Liebe/ von den schäd-
lichsten Gemüths-Regungen/ nehmlich/ Ehr-
sucht/ Geitz und Rachgier nicht eingenommen/
also/ daß diese Landschafft mit Rechte der Garten
[Spaltenumbruch] der Welt/ und ein Meister-Stücke der Natur
genennet zu werden verdiente. Auch Oropa-
stes und Syrmanis daselbst so gar ihr Leben zu-
zubringen schlüssig wurden; mir auch/ welchem
ohne diß der Himmel meines Vaterlandes so
ungütig gewest war/ und dem in Abwesenheit
meiner Erato alle Gestirne finster und schrecklich
fürkamen/ leicht die übrige gantze Welt vergället
haben würde/ wenn mich der innerliche Magnet
nicht gezogen hätte meine Sonne auch
unter dem eysichten Wirbel-Sterne aufzusu-
chen. Gleichwol schlug ich nicht aus mich in diesen
Paradise von meinen überstandenen Verdrüß-
ligkeiten ein wenig zu erholen. Denn wo wir
hinkamen/ waren wir angenehme Gäste/ die
Gärten und Aecker waren so wenig durch
Gräntzmale/ als alle Bedürftigkeiten durchs
Eigenthum unterschieden/ sondern der Uberfluß
aller Dinge machte hier alles gemein/ diese
Gemeinschafft aber stellte die Wahrheit der er-
tichteten güldenen Zeit/ das von Milch und Ho-
nig flüssende Land der glückseligen Jnseln oder
des so sehr beruffenen Eylands Taprobane für;
also/ daß wir seines Reichthums halber derselben
Vorwitz verlachten/ die umb die unnützen
Spitz-Thürme Egyptens zu sehen/ oder ei-
nen güldenen Widder zu holen alle Unlust
und Gefahr des Meeres ausstünden/ wegen
seiner Einwohner aber es uns nicht anders als
jenem von Corinth nach Sparta kommenden
fürkam/ daß wir alldar die ersten rechten Men-
schen sehen. Die Einwohner wusten wenig
von unsern Göttern/ sondern stunden wegen
etlicher von andern Völckern erfahrner Nach-
richten in denen Gedancken/ daß/ ausser ihnen/
die gantze Welt das Glücke für seinen Gott
anbetete/ und ieder Mensch nach dem Triebe
des blinden Glückes insgemein aus seiner thö-
richten Einbildung/ offtmals auch aus schänd-
licher Mißgeburt ihm einen Abgott/ die meisten
Laster aber zu einem Gottes-Dienste machte.
Es ist wunder/ sagte Hertzog Herrmann/ daß

diese

Arminius und Thußnelda.
[Spaltenumbruch] anziehen/ und nur zu Fuſſe unſere Reiſe fortſe-
tzen/ ja uns mit Wurtzeln/ Kraͤutern und Milch
etliche Tage behelffen muſten. Nach dem wir
zehn Tage uͤber die hoͤchſten Gebuͤrge/ und un-
ſerm Beduͤncken nach offtmals durch die Wol-
cken geſtiegen waren/ auch unterweges aus den
Brunnen der beruͤhmten Fluͤſſe Abaſcus/ Corax
und Aſtelephus zu trincken das Gluͤcke gehabt
hatten/ kamen wir endlich in ein ſehr fruchtba-
res/ und zu unſerer hoͤchſten Verwunderung
mit Reben und Oelbaͤumen uͤberdecktes Thal/
darinnen ein einfaͤltiges Volck wohnhaft iſt/
welches uns mit allerhand Erfriſchungen er-
quickte/ und dieſen Winckel der Welt fuͤr das
gluͤckſeligſte Land preiſete/ darein von undenckli-
cher Zeit die Begierde der Menſchen keinen
Feind gefuͤhret haͤtte. Wir traffen uͤber die in
unſern Landen bekanten herrlichen Fruͤchte und
Thiere allerhand uns unbekante Arten/ und un-
ter andern einen mit unzehlbaren Farben Fe-
dern geſchmuͤckten und einen Purpur-rothen
Schnabel habendẽ Vogel an/ welcher von einer
Blume waͤchſt/ und nicht laͤnger lebet/ als die
Blume tauret/ alſo/ daß er gleichſam fuͤr eine
fliegende Blume zu halten iſt. Gleicher Ge-
ſtalt fanden wir ein Gewaͤchſe in Geſtalt eines
Lammes/ das auf einem Stengel wuchs; eine
den Jaßminen im Geruch gleich kommende/ an
Groͤſſe und Vielheit der Blaͤtter ſie aber weit
uͤbertreffende Blume Mogorin/ derer eine ein
gantz Haus einzubiſamen genung iſt; Roſen/
welche ihre Farben bald in Schnee/ bald in Pur-
pur verwandeln; eine Frucht/ da Citronen und
Pomerantzen ſtreiffweiſe ſich in einem Apfel ver-
maͤhlen; und endlich ein Kraut/ deſſen Genuͤſ-
ſung traurige luſtig macht/ ja die Tieger-Thie-
re/ die es allhier gab/ waren gantz zahm/ und die
Schlangen eben ſo wohl von keinem Gifte/ als
die Einwohner/ auſſer der Liebe/ von den ſchaͤd-
lichſten Gemuͤths-Regungen/ nehmlich/ Ehr-
ſucht/ Geitz und Rachgier nicht eingenommen/
alſo/ daß dieſe Landſchafft mit Rechte der Garten
[Spaltenumbruch] der Welt/ und ein Meiſter-Stuͤcke der Natur
genennet zu werden verdiente. Auch Oropa-
ſtes und Syrmanis daſelbſt ſo gar ihr Leben zu-
zubringen ſchluͤſſig wurden; mir auch/ welchem
ohne diß der Himmel meines Vaterlandes ſo
unguͤtig geweſt war/ und dem in Abweſenheit
meiner Erato alle Geſtirne finſter und ſchrecklich
fuͤrkamen/ leicht die uͤbrige gantze Welt vergaͤllet
haben wuͤrde/ wenn mich der innerliche Magnet
nicht gezogen haͤtte meine Sonne auch
unter dem eyſichten Wirbel-Sterne aufzuſu-
chen. Gleichwol ſchlug ich nicht aus mich in dieſẽ
Paradiſe von meinen uͤberſtandenen Verdruͤß-
ligkeiten ein wenig zu erholen. Denn wo wir
hinkamen/ waren wir angenehme Gaͤſte/ die
Gaͤrten und Aecker waren ſo wenig durch
Graͤntzmale/ als alle Beduͤrftigkeiten durchs
Eigenthum unterſchieden/ ſondern der Uberfluß
aller Dinge machte hier alles gemein/ dieſe
Gemeinſchafft aber ſtellte die Wahrheit der er-
tichteten guͤldenen Zeit/ das von Milch und Ho-
nig fluͤſſende Land der gluͤckſeligen Jnſeln oder
des ſo ſehr beruffenen Eylands Taprobane fuͤr;
alſo/ daß wir ſeines Reichthums halber derſelben
Vorwitz verlachten/ die umb die unnuͤtzen
Spitz-Thuͤrme Egyptens zu ſehen/ oder ei-
nen guͤldenen Widder zu holen alle Unluſt
und Gefahr des Meeres ausſtuͤnden/ wegen
ſeiner Einwohner aber es uns nicht anders als
jenem von Corinth nach Sparta kommenden
fuͤrkam/ daß wir alldar die erſten rechten Men-
ſchen ſehen. Die Einwohner wuſten wenig
von unſern Goͤttern/ ſondern ſtunden wegen
etlicher von andern Voͤlckern erfahrner Nach-
richten in denen Gedancken/ daß/ auſſer ihnen/
die gantze Welt das Gluͤcke fuͤr ſeinen Gott
anbetete/ und ieder Menſch nach dem Triebe
des blinden Gluͤckes insgemein aus ſeiner thoͤ-
richten Einbildung/ offtmals auch aus ſchaͤnd-
licher Mißgeburt ihm einen Abgott/ die meiſten
Laſter aber zu einem Gottes-Dienſte machte.
Es iſt wunder/ ſagte Hertzog Herrmann/ daß

dieſe
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0607" n="551"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Arminius und Thußnelda.</hi></fw><lb/><cb/>
anziehen/ und nur zu Fu&#x017F;&#x017F;e un&#x017F;ere Rei&#x017F;e fort&#x017F;e-<lb/>
tzen/ ja uns mit Wurtzeln/ Kra&#x0364;utern und Milch<lb/>
etliche Tage behelffen mu&#x017F;ten. Nach dem wir<lb/>
zehn Tage u&#x0364;ber die ho&#x0364;ch&#x017F;ten Gebu&#x0364;rge/ und un-<lb/>
&#x017F;erm Bedu&#x0364;ncken nach offtmals durch die Wol-<lb/>
cken ge&#x017F;tiegen waren/ auch unterweges aus den<lb/>
Brunnen der beru&#x0364;hmten Flu&#x0364;&#x017F;&#x017F;e Aba&#x017F;cus/ Corax<lb/>
und A&#x017F;telephus zu trincken das Glu&#x0364;cke gehabt<lb/>
hatten/ kamen wir endlich in ein &#x017F;ehr fruchtba-<lb/>
res/ und zu un&#x017F;erer ho&#x0364;ch&#x017F;ten Verwunderung<lb/>
mit Reben und Oelba&#x0364;umen u&#x0364;berdecktes Thal/<lb/>
darinnen ein einfa&#x0364;ltiges Volck wohnhaft i&#x017F;t/<lb/>
welches uns mit allerhand Erfri&#x017F;chungen er-<lb/>
quickte/ und die&#x017F;en Winckel der Welt fu&#x0364;r das<lb/>
glu&#x0364;ck&#x017F;elig&#x017F;te Land prei&#x017F;ete/ darein von undenckli-<lb/>
cher Zeit die Begierde der Men&#x017F;chen keinen<lb/>
Feind gefu&#x0364;hret ha&#x0364;tte. Wir traffen u&#x0364;ber die in<lb/>
un&#x017F;ern Landen bekanten herrlichen Fru&#x0364;chte und<lb/>
Thiere allerhand uns unbekante Arten/ und un-<lb/>
ter andern einen mit unzehlbaren Farben Fe-<lb/>
dern ge&#x017F;chmu&#x0364;ckten und einen Purpur-rothen<lb/>
Schnabel habende&#x0303; Vogel an/ welcher von einer<lb/>
Blume wa&#x0364;ch&#x017F;t/ und nicht la&#x0364;nger lebet/ als die<lb/>
Blume tauret/ al&#x017F;o/ daß er gleich&#x017F;am fu&#x0364;r eine<lb/>
fliegende Blume zu halten i&#x017F;t. Gleicher Ge-<lb/>
&#x017F;talt fanden wir ein Gewa&#x0364;ch&#x017F;e in Ge&#x017F;talt eines<lb/>
Lammes/ das auf einem Stengel wuchs; eine<lb/>
den Jaßminen im Geruch gleich kommende/ an<lb/>
Gro&#x0364;&#x017F;&#x017F;e und Vielheit der Bla&#x0364;tter &#x017F;ie aber weit<lb/>
u&#x0364;bertreffende Blume Mogorin/ derer eine ein<lb/>
gantz Haus einzubi&#x017F;amen genung i&#x017F;t; Ro&#x017F;en/<lb/>
welche ihre Farben bald in Schnee/ bald in Pur-<lb/>
pur verwandeln; eine Frucht/ da Citronen und<lb/>
Pomerantzen &#x017F;treiffwei&#x017F;e &#x017F;ich in einem Apfel ver-<lb/>
ma&#x0364;hlen; und endlich ein Kraut/ de&#x017F;&#x017F;en Genu&#x0364;&#x017F;-<lb/>
&#x017F;ung traurige lu&#x017F;tig macht/ ja die Tieger-Thie-<lb/>
re/ die es allhier gab/ waren gantz zahm/ und die<lb/>
Schlangen eben &#x017F;o wohl von keinem Gifte/ als<lb/>
die Einwohner/ au&#x017F;&#x017F;er der Liebe/ von den &#x017F;cha&#x0364;d-<lb/>
lich&#x017F;ten Gemu&#x0364;ths-Regungen/ nehmlich/ Ehr-<lb/>
&#x017F;ucht/ Geitz und Rachgier nicht eingenommen/<lb/>
al&#x017F;o/ daß die&#x017F;e Land&#x017F;chafft mit Rechte der Garten<lb/><cb/>
der Welt/ und ein Mei&#x017F;ter-Stu&#x0364;cke der Natur<lb/>
genennet zu werden verdiente. Auch Oropa-<lb/>
&#x017F;tes und Syrmanis da&#x017F;elb&#x017F;t &#x017F;o gar ihr Leben zu-<lb/>
zubringen &#x017F;chlu&#x0364;&#x017F;&#x017F;ig wurden; mir auch/ welchem<lb/>
ohne diß der Himmel meines Vaterlandes &#x017F;o<lb/>
ungu&#x0364;tig gewe&#x017F;t war/ und dem in Abwe&#x017F;enheit<lb/>
meiner Erato alle Ge&#x017F;tirne fin&#x017F;ter und &#x017F;chrecklich<lb/>
fu&#x0364;rkamen/ leicht die u&#x0364;brige gantze Welt verga&#x0364;llet<lb/>
haben wu&#x0364;rde/ wenn mich der innerliche Magnet<lb/>
nicht gezogen ha&#x0364;tte meine Sonne auch<lb/>
unter dem ey&#x017F;ichten Wirbel-Sterne aufzu&#x017F;u-<lb/>
chen. Gleichwol &#x017F;chlug ich nicht aus mich in die&#x017F;e&#x0303;<lb/>
Paradi&#x017F;e von meinen u&#x0364;ber&#x017F;tandenen Verdru&#x0364;ß-<lb/>
ligkeiten ein wenig zu erholen. Denn wo wir<lb/>
hinkamen/ waren wir angenehme Ga&#x0364;&#x017F;te/ die<lb/>
Ga&#x0364;rten und Aecker waren &#x017F;o wenig durch<lb/>
Gra&#x0364;ntzmale/ als alle Bedu&#x0364;rftigkeiten durchs<lb/>
Eigenthum unter&#x017F;chieden/ &#x017F;ondern der Uberfluß<lb/>
aller Dinge machte hier alles gemein/ die&#x017F;e<lb/>
Gemein&#x017F;chafft aber &#x017F;tellte die Wahrheit der er-<lb/>
tichteten gu&#x0364;ldenen Zeit/ das von Milch und Ho-<lb/>
nig flu&#x0364;&#x017F;&#x017F;ende Land der glu&#x0364;ck&#x017F;eligen Jn&#x017F;eln oder<lb/>
des &#x017F;o &#x017F;ehr beruffenen Eylands Taprobane fu&#x0364;r;<lb/>
al&#x017F;o/ daß wir &#x017F;eines Reichthums halber der&#x017F;elben<lb/>
Vorwitz verlachten/ die umb die unnu&#x0364;tzen<lb/>
Spitz-Thu&#x0364;rme Egyptens zu &#x017F;ehen/ oder ei-<lb/>
nen gu&#x0364;ldenen Widder zu holen alle Unlu&#x017F;t<lb/>
und Gefahr des Meeres aus&#x017F;tu&#x0364;nden/ wegen<lb/>
&#x017F;einer Einwohner aber es uns nicht anders als<lb/>
jenem von Corinth nach Sparta kommenden<lb/>
fu&#x0364;rkam/ daß wir alldar die er&#x017F;ten rechten Men-<lb/>
&#x017F;chen &#x017F;ehen. Die Einwohner wu&#x017F;ten wenig<lb/>
von un&#x017F;ern Go&#x0364;ttern/ &#x017F;ondern &#x017F;tunden wegen<lb/>
etlicher von andern Vo&#x0364;lckern erfahrner Nach-<lb/>
richten in denen Gedancken/ daß/ au&#x017F;&#x017F;er ihnen/<lb/>
die gantze Welt das Glu&#x0364;cke fu&#x0364;r &#x017F;einen Gott<lb/>
anbetete/ und ieder Men&#x017F;ch nach dem Triebe<lb/>
des blinden Glu&#x0364;ckes insgemein aus &#x017F;einer tho&#x0364;-<lb/>
richten Einbildung/ offtmals auch aus &#x017F;cha&#x0364;nd-<lb/>
licher Mißgeburt ihm einen Abgott/ die mei&#x017F;ten<lb/>
La&#x017F;ter aber zu einem Gottes-Dien&#x017F;te machte.<lb/>
Es i&#x017F;t wunder/ &#x017F;agte Hertzog Herrmann/ daß<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">die&#x017F;e</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[551/0607] Arminius und Thußnelda. anziehen/ und nur zu Fuſſe unſere Reiſe fortſe- tzen/ ja uns mit Wurtzeln/ Kraͤutern und Milch etliche Tage behelffen muſten. Nach dem wir zehn Tage uͤber die hoͤchſten Gebuͤrge/ und un- ſerm Beduͤncken nach offtmals durch die Wol- cken geſtiegen waren/ auch unterweges aus den Brunnen der beruͤhmten Fluͤſſe Abaſcus/ Corax und Aſtelephus zu trincken das Gluͤcke gehabt hatten/ kamen wir endlich in ein ſehr fruchtba- res/ und zu unſerer hoͤchſten Verwunderung mit Reben und Oelbaͤumen uͤberdecktes Thal/ darinnen ein einfaͤltiges Volck wohnhaft iſt/ welches uns mit allerhand Erfriſchungen er- quickte/ und dieſen Winckel der Welt fuͤr das gluͤckſeligſte Land preiſete/ darein von undenckli- cher Zeit die Begierde der Menſchen keinen Feind gefuͤhret haͤtte. Wir traffen uͤber die in unſern Landen bekanten herrlichen Fruͤchte und Thiere allerhand uns unbekante Arten/ und un- ter andern einen mit unzehlbaren Farben Fe- dern geſchmuͤckten und einen Purpur-rothen Schnabel habendẽ Vogel an/ welcher von einer Blume waͤchſt/ und nicht laͤnger lebet/ als die Blume tauret/ alſo/ daß er gleichſam fuͤr eine fliegende Blume zu halten iſt. Gleicher Ge- ſtalt fanden wir ein Gewaͤchſe in Geſtalt eines Lammes/ das auf einem Stengel wuchs; eine den Jaßminen im Geruch gleich kommende/ an Groͤſſe und Vielheit der Blaͤtter ſie aber weit uͤbertreffende Blume Mogorin/ derer eine ein gantz Haus einzubiſamen genung iſt; Roſen/ welche ihre Farben bald in Schnee/ bald in Pur- pur verwandeln; eine Frucht/ da Citronen und Pomerantzen ſtreiffweiſe ſich in einem Apfel ver- maͤhlen; und endlich ein Kraut/ deſſen Genuͤſ- ſung traurige luſtig macht/ ja die Tieger-Thie- re/ die es allhier gab/ waren gantz zahm/ und die Schlangen eben ſo wohl von keinem Gifte/ als die Einwohner/ auſſer der Liebe/ von den ſchaͤd- lichſten Gemuͤths-Regungen/ nehmlich/ Ehr- ſucht/ Geitz und Rachgier nicht eingenommen/ alſo/ daß dieſe Landſchafft mit Rechte der Garten der Welt/ und ein Meiſter-Stuͤcke der Natur genennet zu werden verdiente. Auch Oropa- ſtes und Syrmanis daſelbſt ſo gar ihr Leben zu- zubringen ſchluͤſſig wurden; mir auch/ welchem ohne diß der Himmel meines Vaterlandes ſo unguͤtig geweſt war/ und dem in Abweſenheit meiner Erato alle Geſtirne finſter und ſchrecklich fuͤrkamen/ leicht die uͤbrige gantze Welt vergaͤllet haben wuͤrde/ wenn mich der innerliche Magnet nicht gezogen haͤtte meine Sonne auch unter dem eyſichten Wirbel-Sterne aufzuſu- chen. Gleichwol ſchlug ich nicht aus mich in dieſẽ Paradiſe von meinen uͤberſtandenen Verdruͤß- ligkeiten ein wenig zu erholen. Denn wo wir hinkamen/ waren wir angenehme Gaͤſte/ die Gaͤrten und Aecker waren ſo wenig durch Graͤntzmale/ als alle Beduͤrftigkeiten durchs Eigenthum unterſchieden/ ſondern der Uberfluß aller Dinge machte hier alles gemein/ dieſe Gemeinſchafft aber ſtellte die Wahrheit der er- tichteten guͤldenen Zeit/ das von Milch und Ho- nig fluͤſſende Land der gluͤckſeligen Jnſeln oder des ſo ſehr beruffenen Eylands Taprobane fuͤr; alſo/ daß wir ſeines Reichthums halber derſelben Vorwitz verlachten/ die umb die unnuͤtzen Spitz-Thuͤrme Egyptens zu ſehen/ oder ei- nen guͤldenen Widder zu holen alle Unluſt und Gefahr des Meeres ausſtuͤnden/ wegen ſeiner Einwohner aber es uns nicht anders als jenem von Corinth nach Sparta kommenden fuͤrkam/ daß wir alldar die erſten rechten Men- ſchen ſehen. Die Einwohner wuſten wenig von unſern Goͤttern/ ſondern ſtunden wegen etlicher von andern Voͤlckern erfahrner Nach- richten in denen Gedancken/ daß/ auſſer ihnen/ die gantze Welt das Gluͤcke fuͤr ſeinen Gott anbetete/ und ieder Menſch nach dem Triebe des blinden Gluͤckes insgemein aus ſeiner thoͤ- richten Einbildung/ offtmals auch aus ſchaͤnd- licher Mißgeburt ihm einen Abgott/ die meiſten Laſter aber zu einem Gottes-Dienſte machte. Es iſt wunder/ ſagte Hertzog Herrmann/ daß dieſe

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/lohenstein_feldherr01_1689
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/lohenstein_feldherr01_1689/607
Zitationshilfe: Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689, S. 551. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lohenstein_feldherr01_1689/607>, abgerufen am 22.11.2024.