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Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689.

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Fünfftes Buch
[Spaltenumbruch] noch übrig. Die andern Amazonen pflegten
meist im Frühlinge auf die Gräntzen ihres Rei-
ches sich zu verfügen/ und alldar den Albanern/
Jberiern/ Gargarensern und Scythen beyzu-
wohnen. Die Amazonen hätten auch noch
dem Mithridates wider den Lucullus ansehnli-
che Hülffe geleistet unter seinem Feld-Haupt-
manne Taxiles/ und dem grossen Pompejus
nebst dem Jberischen Könige Artocus/ und dem
Albanischen Orezes nicht geringen Abbruch ge-
than.

Die Fürstin Thußnelda fiel dem Zeno in die
Rede: Jch höre wol/ es habe Zeno sich so sehr in
die Tugend der streitbaren Amazonen verliebet/
daß sein Gedächtnüß nicht eines von den Ge-
schichten ihrer Tapfferkeit ihm entfallen lassen.
Denn/ ob schon Freundschafft und Liebe einan-
der so gar nahe verwand sind/ daß selbte offt Ge-
schwister abgeben/ jene auch gegen dieser mehr-
mals Mutterstelle vertrit; so sind sie doch/ was
das Andencken betrifft/ einander insgemein
himmelweit entfernet/ indem die Freundschafft
ihre der Ewigkeit würdige Wohlthaten nur in
leichten Staub/ die Liebe aber ihre ungefährli-
che Handlungen in den Marmel der Unver geß-
ligkeit eingräbet. Aber/ warum vergisset
Fürst Zeno den Uhrsprung seiner geliebten E-
rato auch denen Amazonen zuzurechnen/ nach-
dem ihre gegen mich ausgeübte Thaten schon
ihr Geschlechte verrathen hat. Die Königin
Erato färbte sich über diesem Lobe/ und versetzte:
Sie könte nicht leugnen/ daß ihre Vor-Eltern
von mütterlicher Seite ihren Stamm von A-
mazonen herrechneten/ und es wäre in Mor-
genland fast kein Fürstliches Hauß/ welches
nicht etliche Amazonische Schilde zwischen ih-
ren Geschlechts-Kleinoden zeigete. Aber sie
würde durch das Andencken ihres Zweykampfs
nicht allein ihrer Unfähigkeit halber beschämt/
also/ daß sie entweder an so streitbarer Ankunfft
zweiffeln/ oder/ ob sie nicht als eine Mißgeburt
[Spaltenumbruch] ihres Uhrsprungs Tugenden nicht geerbet hät-
te/ sich über das Verhängnüß beklagen müste/
sondern würde zugleich gezwungen in ihrem
Hertzen der tugendhafften Thußnelda einen sol-
chen Siegs-Krantz aufzusetzen/ dessen keine be-
hertzte Tamyris würdig wäre; weil sie mit ih-
ren Waffen sich zwar ihrer Glieder bemächti-
get/ durch ihre gegen eine überwundene Fein-
din aber gebrauchte Sanfftmuth sich zu der Ge-
bieterin ihrer durch euserliche Gewalt unzwing-
baren Seele gemacht hätte. Diese ihre Tu-
genden beglaubigten ihr mehr/ als das Zeugnüß
der bewährtesten Geschichtschreiber/ daß die A-
mazonen aus deutschem Geblüte entsprossen.
Denn in ihren Augen wäre Thußnelda zwar
nicht an Grausamkeit/ wol aber an Tapfferkeit
die vollkommenste Amazone. Thußnelda be-
gegnete der Königin: Es hätten alle irrdische
Dinge zweyerley Farben/ nachdem man selbte
entweder gegen dem Schatten/ oder ans Licht
stellte; alles menschliche Beginnen aber zweyer-
ley Gesichter/ also/ daß sie uns bald schön/ bald
ungestalt fürkämen/ nachdem nehmlich entwe-
der die Klugheit/ oder die Zuneigung der Men-
schen/ oder auch wol gar der blosse Zufall eines
für dem andern hervor zeigte. Diesem letztern
alleine/ nicht eigener Geschickligkeit habe sie
beyzumessen/ daß sie von einer so vollkommenen
Königin nicht wäre überwunden worden.
Das Glücke habe die Gewohnheit/ daß es die-
selben/ welche es ohne Schuld mit vielen Ubeln
drücket/ zuweilen mit Zuwerffung eines unver-
dienten Obsieges von gäntzlicher Verzweiffe-
lung zurück ziehe. Oder/ daß ihre Unglücks-
Wolcke durch einen entgegen gesetzten Son-
nenschein so viel mehr scheinbar werde. Ja ein
Loth des Glückes überwiege einen Zentner der
Geschickligkeit. Also wäre es eine Ubermaß
ihrer Gewogenheit/ nicht ein Verdienst eigener
Wercke/ daß man Thußnelden nur mit dem
Titel einer Amazonin würdigen wolte. Nein/
nein/ Durchlauchte Fürstin/ fing Rhemetalces

an;

Fuͤnfftes Buch
[Spaltenumbruch] noch uͤbrig. Die andern Amazonen pflegten
meiſt im Fruͤhlinge auf die Graͤntzen ihres Rei-
ches ſich zu verfuͤgen/ und alldar den Albanern/
Jberiern/ Gargarenſern und Scythen beyzu-
wohnen. Die Amazonen haͤtten auch noch
dem Mithridates wider den Lucullus anſehnli-
che Huͤlffe geleiſtet unter ſeinem Feld-Haupt-
manne Taxiles/ und dem groſſen Pompejus
nebſt dem Jberiſchen Koͤnige Artocus/ und dem
Albaniſchen Orezes nicht geringen Abbruch ge-
than.

Die Fuͤrſtin Thußnelda fiel dem Zeno in die
Rede: Jch hoͤre wol/ es habe Zeno ſich ſo ſehr in
die Tugend der ſtreitbaren Amazonen verliebet/
daß ſein Gedaͤchtnuͤß nicht eines von den Ge-
ſchichten ihrer Tapfferkeit ihm entfallen laſſen.
Denn/ ob ſchon Freundſchafft und Liebe einan-
der ſo gar nahe verwand ſind/ daß ſelbte offt Ge-
ſchwiſter abgeben/ jene auch gegen dieſer mehr-
mals Mutterſtelle vertrit; ſo ſind ſie doch/ was
das Andencken betrifft/ einander insgemein
himmelweit entfernet/ indem die Freundſchafft
ihre der Ewigkeit wuͤrdige Wohlthaten nur in
leichten Staub/ die Liebe aber ihre ungefaͤhrli-
che Handlungen in den Marmel der Unver geß-
ligkeit eingraͤbet. Aber/ warum vergiſſet
Fuͤrſt Zeno den Uhrſprung ſeiner geliebten E-
rato auch denen Amazonen zuzurechnen/ nach-
dem ihre gegen mich ausgeuͤbte Thaten ſchon
ihr Geſchlechte verrathen hat. Die Koͤnigin
Erato faͤrbte ſich uͤber dieſem Lobe/ und verſetzte:
Sie koͤnte nicht leugnen/ daß ihre Vor-Eltern
von muͤtterlicher Seite ihren Stamm von A-
mazonen herrechneten/ und es waͤre in Mor-
genland faſt kein Fuͤrſtliches Hauß/ welches
nicht etliche Amazoniſche Schilde zwiſchen ih-
ren Geſchlechts-Kleinoden zeigete. Aber ſie
wuͤrde durch das Andencken ihres Zweykampfs
nicht allein ihrer Unfaͤhigkeit halber beſchaͤmt/
alſo/ daß ſie entweder an ſo ſtreitbarer Ankunfft
zweiffeln/ oder/ ob ſie nicht als eine Mißgeburt
[Spaltenumbruch] ihres Uhrſprungs Tugenden nicht geerbet haͤt-
te/ ſich uͤber das Verhaͤngnuͤß beklagen muͤſte/
ſondern wuͤrde zugleich gezwungen in ihrem
Hertzen der tugendhafften Thußnelda einen ſol-
chen Siegs-Krantz aufzuſetzen/ deſſen keine be-
hertzte Tamyris wuͤrdig waͤre; weil ſie mit ih-
ren Waffen ſich zwar ihrer Glieder bemaͤchti-
get/ durch ihre gegen eine uͤberwundene Fein-
din aber gebrauchte Sanfftmuth ſich zu der Ge-
bieterin ihrer durch euſerliche Gewalt unzwing-
baren Seele gemacht haͤtte. Dieſe ihre Tu-
genden beglaubigten ihr mehr/ als das Zeugnuͤß
der bewaͤhrteſten Geſchichtſchreiber/ daß die A-
mazonen aus deutſchem Gebluͤte entſproſſen.
Denn in ihren Augen waͤre Thußnelda zwar
nicht an Grauſamkeit/ wol aber an Tapfferkeit
die vollkommenſte Amazone. Thußnelda be-
gegnete der Koͤnigin: Es haͤtten alle irrdiſche
Dinge zweyerley Farben/ nachdem man ſelbte
entweder gegen dem Schatten/ oder ans Licht
ſtellte; alles menſchliche Beginnen aber zweyer-
ley Geſichter/ alſo/ daß ſie uns bald ſchoͤn/ bald
ungeſtalt fuͤrkaͤmen/ nachdem nehmlich entwe-
der die Klugheit/ oder die Zuneigung der Men-
ſchen/ oder auch wol gar der bloſſe Zufall eines
fuͤr dem andern hervor zeigte. Dieſem letztern
alleine/ nicht eigener Geſchickligkeit habe ſie
beyzumeſſen/ daß ſie von einer ſo vollkommenen
Koͤnigin nicht waͤre uͤberwunden worden.
Das Gluͤcke habe die Gewohnheit/ daß es die-
ſelben/ welche es ohne Schuld mit vielen Ubeln
druͤcket/ zuweilen mit Zuwerffung eines unver-
dienten Obſieges von gaͤntzlicher Verzweiffe-
lung zuruͤck ziehe. Oder/ daß ihre Ungluͤcks-
Wolcke durch einen entgegen geſetzten Son-
nenſchein ſo viel mehr ſcheinbar werde. Ja ein
Loth des Gluͤckes uͤberwiege einen Zentner der
Geſchickligkeit. Alſo waͤre es eine Ubermaß
ihrer Gewogenheit/ nicht ein Verdienſt eigener
Wercke/ daß man Thußnelden nur mit dem
Titel einer Amazonin wuͤrdigen wolte. Nein/
nein/ Durchlauchte Fuͤrſtin/ fing Rhemetalces

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[532/0588] Fuͤnfftes Buch noch uͤbrig. Die andern Amazonen pflegten meiſt im Fruͤhlinge auf die Graͤntzen ihres Rei- ches ſich zu verfuͤgen/ und alldar den Albanern/ Jberiern/ Gargarenſern und Scythen beyzu- wohnen. Die Amazonen haͤtten auch noch dem Mithridates wider den Lucullus anſehnli- che Huͤlffe geleiſtet unter ſeinem Feld-Haupt- manne Taxiles/ und dem groſſen Pompejus nebſt dem Jberiſchen Koͤnige Artocus/ und dem Albaniſchen Orezes nicht geringen Abbruch ge- than. Die Fuͤrſtin Thußnelda fiel dem Zeno in die Rede: Jch hoͤre wol/ es habe Zeno ſich ſo ſehr in die Tugend der ſtreitbaren Amazonen verliebet/ daß ſein Gedaͤchtnuͤß nicht eines von den Ge- ſchichten ihrer Tapfferkeit ihm entfallen laſſen. Denn/ ob ſchon Freundſchafft und Liebe einan- der ſo gar nahe verwand ſind/ daß ſelbte offt Ge- ſchwiſter abgeben/ jene auch gegen dieſer mehr- mals Mutterſtelle vertrit; ſo ſind ſie doch/ was das Andencken betrifft/ einander insgemein himmelweit entfernet/ indem die Freundſchafft ihre der Ewigkeit wuͤrdige Wohlthaten nur in leichten Staub/ die Liebe aber ihre ungefaͤhrli- che Handlungen in den Marmel der Unver geß- ligkeit eingraͤbet. Aber/ warum vergiſſet Fuͤrſt Zeno den Uhrſprung ſeiner geliebten E- rato auch denen Amazonen zuzurechnen/ nach- dem ihre gegen mich ausgeuͤbte Thaten ſchon ihr Geſchlechte verrathen hat. Die Koͤnigin Erato faͤrbte ſich uͤber dieſem Lobe/ und verſetzte: Sie koͤnte nicht leugnen/ daß ihre Vor-Eltern von muͤtterlicher Seite ihren Stamm von A- mazonen herrechneten/ und es waͤre in Mor- genland faſt kein Fuͤrſtliches Hauß/ welches nicht etliche Amazoniſche Schilde zwiſchen ih- ren Geſchlechts-Kleinoden zeigete. Aber ſie wuͤrde durch das Andencken ihres Zweykampfs nicht allein ihrer Unfaͤhigkeit halber beſchaͤmt/ alſo/ daß ſie entweder an ſo ſtreitbarer Ankunfft zweiffeln/ oder/ ob ſie nicht als eine Mißgeburt ihres Uhrſprungs Tugenden nicht geerbet haͤt- te/ ſich uͤber das Verhaͤngnuͤß beklagen muͤſte/ ſondern wuͤrde zugleich gezwungen in ihrem Hertzen der tugendhafften Thußnelda einen ſol- chen Siegs-Krantz aufzuſetzen/ deſſen keine be- hertzte Tamyris wuͤrdig waͤre; weil ſie mit ih- ren Waffen ſich zwar ihrer Glieder bemaͤchti- get/ durch ihre gegen eine uͤberwundene Fein- din aber gebrauchte Sanfftmuth ſich zu der Ge- bieterin ihrer durch euſerliche Gewalt unzwing- baren Seele gemacht haͤtte. Dieſe ihre Tu- genden beglaubigten ihr mehr/ als das Zeugnuͤß der bewaͤhrteſten Geſchichtſchreiber/ daß die A- mazonen aus deutſchem Gebluͤte entſproſſen. Denn in ihren Augen waͤre Thußnelda zwar nicht an Grauſamkeit/ wol aber an Tapfferkeit die vollkommenſte Amazone. Thußnelda be- gegnete der Koͤnigin: Es haͤtten alle irrdiſche Dinge zweyerley Farben/ nachdem man ſelbte entweder gegen dem Schatten/ oder ans Licht ſtellte; alles menſchliche Beginnen aber zweyer- ley Geſichter/ alſo/ daß ſie uns bald ſchoͤn/ bald ungeſtalt fuͤrkaͤmen/ nachdem nehmlich entwe- der die Klugheit/ oder die Zuneigung der Men- ſchen/ oder auch wol gar der bloſſe Zufall eines fuͤr dem andern hervor zeigte. Dieſem letztern alleine/ nicht eigener Geſchickligkeit habe ſie beyzumeſſen/ daß ſie von einer ſo vollkommenen Koͤnigin nicht waͤre uͤberwunden worden. Das Gluͤcke habe die Gewohnheit/ daß es die- ſelben/ welche es ohne Schuld mit vielen Ubeln druͤcket/ zuweilen mit Zuwerffung eines unver- dienten Obſieges von gaͤntzlicher Verzweiffe- lung zuruͤck ziehe. Oder/ daß ihre Ungluͤcks- Wolcke durch einen entgegen geſetzten Son- nenſchein ſo viel mehr ſcheinbar werde. Ja ein Loth des Gluͤckes uͤberwiege einen Zentner der Geſchickligkeit. Alſo waͤre es eine Ubermaß ihrer Gewogenheit/ nicht ein Verdienſt eigener Wercke/ daß man Thußnelden nur mit dem Titel einer Amazonin wuͤrdigen wolte. Nein/ nein/ Durchlauchte Fuͤrſtin/ fing Rhemetalces an;

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Zitationshilfe: Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689, S. 532. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lohenstein_feldherr01_1689/588>, abgerufen am 29.11.2024.