Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689.Fünfftes Buch [Spaltenumbruch]
Zustand aber ließ er sich heraus: Es müsseDeutschland einen viel gnädigern Himmel als andere Länder haben; Denn über die grosse Sorgfalt/ welche der Fürstliche Hoff seiner Genesung halber fürkehrete/ hätte er diese Nacht in einer überaus sanfften Ruhe erfah- ren/ daß die Götter selbst um seine Gesund- heit bekümmert wären/ nachdem ihm gegen Morgen eigentlich geträumet hätte: Wie ein Frauenzimmer ihm die Binden von den Wun- den aufgemacht/ selbte besichtiget/ und/ nach- dem sie daran eine übermäßige Geschwulst und Jucken verspüret/ gemeldet hätte: Es wäre der Degen mit Ziger-Kraute vergifftet gewest. Daher wären die Wunden mit andern/ als zeither gebrauchten Mitteln zu heilen; sie sey auch alsofort weggegangen/ habe gestossene Raute gebracht/ und sie ihm aufgelegt. Sie verwunderten sich über dieser Erzehlung nicht wenig/ Salonine aber fing an: Sie hielte die- sen Traum in allewege für eine göttliche Of- fenbahrung/ und hätte sie ihr nicht allein er- zehlen lassen/ daß/ als Ptolomäus für der Stadt Hamatelia durch ein gifftig Geschoß verwundet/ und nunmehr an seinem Leben ge- zweiffelt worden/ dem für diesen tapfferen Krie- ges-Obristen so sehr bekümmertem Alexander zu seiner Genesung ein dienliches Kraut eben- fals im Traume gewiesen worden sey/ sondern sie hätte auch in Syrien in einem Seraphi- schen Tempel gesehen/ daß krancke Leute dar- innen nach verrichtetem Gebete eingeschlaf- fen/ und eine Artzney im Schlaffe zu verneh- men gehoffet. Rhemetalces fiel ihr bey/ und meldete: Es hätten die Syrer nicht allein die- sen Glauben/ sondern die Griechen verehrten den Esculapius nichts minder für einen GOtt der Wahrsagungen/ als der Artzney. Die Egyptier erzehlten für eine unfehlbare War- heit/ daß Jsis ihren Krancken durch Träume ihre Artzneyen offenbarte. Die Carier rühm- ten sich/ daß sie eben diß von ihrer angebeteten [Spaltenumbruch] Hemithea im Schlaffe erführen. Hiermit gieng Salonine unverrückten Fusses in Gar- ten/ brachte zerqvetschte Raute/ und Erato leg- te nach vorher erhaltener Genehmhabung des Wund-Artztes/ welcher dieses Kraut rühmte/ und/ daß die wenigsten Eigenschafften der Kräu- ter noch unergründet wären/ zugestand/ sol- ches selbst auf des Fürsten Zeno Wunden. Die- ser fing hierüber schertzweise an: Er hätte dar- zu ein grosses Vertrauen. Denn zu Rom hät- te man gantzer sechs hundert Jahr alle ihre Kranckheiten auch nur mit einem Kraute/ nehmlich mit Kohle glücklicher/ als hernach mit theurer Vermischung vieler ausländischer Ge- wächse geheilet. Wie viel heilsame Artzneyen wären auch nicht dem Menschen von Thieren gewiesen worden? Wenn aber auch schon sein Traum ein eiteler Wahn/ und diß Kraut für sich selbst zu seinen Wunden nicht dienlich wäre/ müste es doch von so schönen Händen/ und einem so mitleidendem Hertzen eine neue Krafft em- pfangen. Die Königin Erato färbte sich über diesem Lobe/ und versetzte: Sie wüste zwar wol/ daß die Natur ihren Gliedern keine Würckung der Wund-Kräuter verliehen hätte/ da aber hertzliche Liebe die Krafft zu heilen/ oder Wun- der zu thun hätte/ wolte sie an nichts weniger/ als an der Würckung dieses gemeinen Krautes/ und an des Fürsten Genesung zweiffeln. Hier- über netzte sie die Pflaster mit einem Strome voll Thränen/ gleich als wenn ihre zarte Seele auch ein Theil zu dieser Artzney beytragen mü- ste. Hertzog Jubil fing hierüber an: Das Glü- cke eine so vollkommene Fürstin zu seiner Aertztin zu haben/ und nichts minder von so schönen Hän- den verbunden/ als von so himmlischen Augen bethauet zu werden / solte einen lüstern machen kranck zu werden. Rhemetalces pflichtete ihm bey/ und sagte: Bey Aertzten von solcher Be- schaffenheit könte er so viel leichter anderer Aertz- te Meinung annehmen/ daß wie die bunte Far- ben-Vermengung der Tulipanen von ihren Kranck-
Fuͤnfftes Buch [Spaltenumbruch]
Zuſtand aber ließ er ſich heraus: Es muͤſſeDeutſchland einen viel gnaͤdigern Himmel als andere Laͤnder haben; Denn uͤber die groſſe Sorgfalt/ welche der Fuͤrſtliche Hoff ſeiner Geneſung halber fuͤrkehrete/ haͤtte er dieſe Nacht in einer uͤberaus ſanfften Ruhe erfah- ren/ daß die Goͤtter ſelbſt um ſeine Geſund- heit bekuͤmmert waͤren/ nachdem ihm gegen Morgen eigentlich getraͤumet haͤtte: Wie ein Frauenzimmer ihm die Binden von den Wun- den aufgemacht/ ſelbte beſichtiget/ und/ nach- dem ſie daran eine uͤbermaͤßige Geſchwulſt und Jucken verſpuͤret/ gemeldet haͤtte: Es waͤre der Degen mit Ziger-Kraute vergifftet geweſt. Daher waͤren die Wunden mit andern/ als zeither gebrauchten Mitteln zu heilen; ſie ſey auch alſofort weggegangen/ habe geſtoſſene Raute gebracht/ und ſie ihm aufgelegt. Sie verwunderten ſich uͤber dieſer Erzehlung nicht wenig/ Salonine aber fing an: Sie hielte die- ſen Traum in allewege fuͤr eine goͤttliche Of- fenbahrung/ und haͤtte ſie ihr nicht allein er- zehlen laſſen/ daß/ als Ptolomaͤus fuͤr der Stadt Hamatelia durch ein gifftig Geſchoß verwundet/ und nunmehr an ſeinem Leben ge- zweiffelt worden/ dem fuͤr dieſen tapfferen Krie- ges-Obriſten ſo ſehr bekuͤmmertem Alexander zu ſeiner Geneſung ein dienliches Kraut eben- fals im Traume gewieſen worden ſey/ ſondern ſie haͤtte auch in Syrien in einem Seraphi- ſchen Tempel geſehen/ daß krancke Leute dar- innen nach verrichtetem Gebete eingeſchlaf- fen/ und eine Artzney im Schlaffe zu verneh- men gehoffet. Rhemetalces fiel ihr bey/ und meldete: Es haͤtten die Syrer nicht allein die- ſen Glauben/ ſondern die Griechen verehrten den Eſculapius nichts minder fuͤr einen GOtt der Wahrſagungen/ als der Artzney. Die Egyptier erzehlten fuͤr eine unfehlbare War- heit/ daß Jſis ihren Krancken durch Traͤume ihre Artzneyen offenbarte. Die Carier ruͤhm- ten ſich/ daß ſie eben diß von ihrer angebeteten [Spaltenumbruch] Hemithea im Schlaffe erfuͤhren. Hiermit gieng Salonine unverruͤckten Fuſſes in Gar- ten/ brachte zerqvetſchte Raute/ und Erato leg- te nach vorher erhaltener Genehmhabung des Wund-Artztes/ welcher dieſes Kraut ruͤhmte/ und/ daß die wenigſten Eigenſchafften der Kraͤu- ter noch unergruͤndet waͤren/ zugeſtand/ ſol- ches ſelbſt auf des Fuͤrſten Zeno Wunden. Die- ſer fing hieruͤber ſchertzweiſe an: Er haͤtte dar- zu ein groſſes Vertrauen. Denn zu Rom haͤt- te man gantzer ſechs hundert Jahr alle ihre Kranckheiten auch nur mit einem Kraute/ nehmlich mit Kohle gluͤcklicher/ als hernach mit theurer Vermiſchung vieler auslaͤndiſcher Ge- waͤchſe geheilet. Wie viel heilſame Artzneyen waͤren auch nicht dem Menſchen von Thieren gewieſen worden? Wenn aber auch ſchon ſein Traum ein eiteler Wahn/ und diß Kraut fuͤr ſich ſelbſt zu ſeinen Wunden nicht dienlich waͤre/ muͤſte es doch von ſo ſchoͤnen Haͤnden/ und einem ſo mitleidendem Hertzen eine neue Krafft em- pfangen. Die Koͤnigin Erato faͤrbte ſich uͤber dieſem Lobe/ und verſetzte: Sie wuͤſte zwar wol/ daß die Natur ihren Gliedern keine Wuͤrckung der Wund-Kraͤuter verliehen haͤtte/ da aber hertzliche Liebe die Krafft zu heilen/ oder Wun- der zu thun haͤtte/ wolte ſie an nichts weniger/ als an der Wuͤrckung dieſes gemeinen Krautes/ und an des Fuͤrſten Geneſung zweiffeln. Hier- uͤber netzte ſie die Pflaſter mit einem Strome voll Thraͤnen/ gleich als wenn ihre zarte Seele auch ein Theil zu dieſer Artzney beytragen muͤ- ſte. Hertzog Jubil fing hieruͤber an: Das Gluͤ- cke eine ſo vollkommene Fuͤrſtin zu ſeineꝛ Aertztin zu haben/ und nichts mindeꝛ von ſo ſchoͤnen Haͤn- den verbunden/ als von ſo himmliſchen Augen bethauet zu werden / ſolte einen luͤſtern machen kranck zu werden. Rhemetalces pflichtete ihm bey/ und ſagte: Bey Aertzten von ſolcher Be- ſchaffenheit koͤnte er ſo viel leichter anderer Aertz- te Meinung annehmen/ daß wie die bunte Far- ben-Vermengung der Tulipanen von ihren Kranck-
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Fuͤnfftes Buch
Zuſtand aber ließ er ſich heraus: Es muͤſſe
Deutſchland einen viel gnaͤdigern Himmel als
andere Laͤnder haben; Denn uͤber die groſſe
Sorgfalt/ welche der Fuͤrſtliche Hoff ſeiner
Geneſung halber fuͤrkehrete/ haͤtte er dieſe
Nacht in einer uͤberaus ſanfften Ruhe erfah-
ren/ daß die Goͤtter ſelbſt um ſeine Geſund-
heit bekuͤmmert waͤren/ nachdem ihm gegen
Morgen eigentlich getraͤumet haͤtte: Wie ein
Frauenzimmer ihm die Binden von den Wun-
den aufgemacht/ ſelbte beſichtiget/ und/ nach-
dem ſie daran eine uͤbermaͤßige Geſchwulſt und
Jucken verſpuͤret/ gemeldet haͤtte: Es waͤre
der Degen mit Ziger-Kraute vergifftet geweſt.
Daher waͤren die Wunden mit andern/ als
zeither gebrauchten Mitteln zu heilen; ſie ſey
auch alſofort weggegangen/ habe geſtoſſene
Raute gebracht/ und ſie ihm aufgelegt. Sie
verwunderten ſich uͤber dieſer Erzehlung nicht
wenig/ Salonine aber fing an: Sie hielte die-
ſen Traum in allewege fuͤr eine goͤttliche Of-
fenbahrung/ und haͤtte ſie ihr nicht allein er-
zehlen laſſen/ daß/ als Ptolomaͤus fuͤr der
Stadt Hamatelia durch ein gifftig Geſchoß
verwundet/ und nunmehr an ſeinem Leben ge-
zweiffelt worden/ dem fuͤr dieſen tapfferen Krie-
ges-Obriſten ſo ſehr bekuͤmmertem Alexander
zu ſeiner Geneſung ein dienliches Kraut eben-
fals im Traume gewieſen worden ſey/ ſondern
ſie haͤtte auch in Syrien in einem Seraphi-
ſchen Tempel geſehen/ daß krancke Leute dar-
innen nach verrichtetem Gebete eingeſchlaf-
fen/ und eine Artzney im Schlaffe zu verneh-
men gehoffet. Rhemetalces fiel ihr bey/ und
meldete: Es haͤtten die Syrer nicht allein die-
ſen Glauben/ ſondern die Griechen verehrten
den Eſculapius nichts minder fuͤr einen GOtt
der Wahrſagungen/ als der Artzney. Die
Egyptier erzehlten fuͤr eine unfehlbare War-
heit/ daß Jſis ihren Krancken durch Traͤume
ihre Artzneyen offenbarte. Die Carier ruͤhm-
ten ſich/ daß ſie eben diß von ihrer angebeteten
Hemithea im Schlaffe erfuͤhren. Hiermit
gieng Salonine unverruͤckten Fuſſes in Gar-
ten/ brachte zerqvetſchte Raute/ und Erato leg-
te nach vorher erhaltener Genehmhabung des
Wund-Artztes/ welcher dieſes Kraut ruͤhmte/
und/ daß die wenigſten Eigenſchafften der Kraͤu-
ter noch unergruͤndet waͤren/ zugeſtand/ ſol-
ches ſelbſt auf des Fuͤrſten Zeno Wunden. Die-
ſer fing hieruͤber ſchertzweiſe an: Er haͤtte dar-
zu ein groſſes Vertrauen. Denn zu Rom haͤt-
te man gantzer ſechs hundert Jahr alle ihre
Kranckheiten auch nur mit einem Kraute/
nehmlich mit Kohle gluͤcklicher/ als hernach mit
theurer Vermiſchung vieler auslaͤndiſcher Ge-
waͤchſe geheilet. Wie viel heilſame Artzneyen
waͤren auch nicht dem Menſchen von Thieren
gewieſen worden? Wenn aber auch ſchon ſein
Traum ein eiteler Wahn/ und diß Kraut fuͤr
ſich ſelbſt zu ſeinen Wunden nicht dienlich waͤre/
muͤſte es doch von ſo ſchoͤnen Haͤnden/ und einem
ſo mitleidendem Hertzen eine neue Krafft em-
pfangen. Die Koͤnigin Erato faͤrbte ſich uͤber
dieſem Lobe/ und verſetzte: Sie wuͤſte zwar wol/
daß die Natur ihren Gliedern keine Wuͤrckung
der Wund-Kraͤuter verliehen haͤtte/ da aber
hertzliche Liebe die Krafft zu heilen/ oder Wun-
der zu thun haͤtte/ wolte ſie an nichts weniger/
als an der Wuͤrckung dieſes gemeinen Krautes/
und an des Fuͤrſten Geneſung zweiffeln. Hier-
uͤber netzte ſie die Pflaſter mit einem Strome
voll Thraͤnen/ gleich als wenn ihre zarte Seele
auch ein Theil zu dieſer Artzney beytragen muͤ-
ſte. Hertzog Jubil fing hieruͤber an: Das Gluͤ-
cke eine ſo vollkommene Fuͤrſtin zu ſeineꝛ Aertztin
zu haben/ und nichts mindeꝛ von ſo ſchoͤnen Haͤn-
den verbunden/ als von ſo himmliſchen Augen
bethauet zu werden / ſolte einen luͤſtern machen
kranck zu werden. Rhemetalces pflichtete ihm
bey/ und ſagte: Bey Aertzten von ſolcher Be-
ſchaffenheit koͤnte er ſo viel leichter anderer Aertz-
te Meinung annehmen/ daß wie die bunte Far-
ben-Vermengung der Tulipanen von ihren
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Zitationshilfe: | Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689, S. 506. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lohenstein_feldherr01_1689/562>, abgerufen am 16.07.2024. |