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Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689.

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Arminius und Thußnelda.
[Spaltenumbruch] Egyptier wüsten: Daß wer nur sich die Ge-
heimnüsse der Jsis zu schauen gelüsten liesse/ als-
bald stürbe/ und Appius/ welcher nur die Frey-
gelassenen zu des Hercules Gottes-Dienste zu-
gelassen/ wäre blind worden. Wie viel ärgere
Straffe würde nun seine Gewalt-That und
Jungfrauen-Raub ihm auf den Hals ziehen?
Zumal der Römer/ welcher bey Eroberung der
Stadt Carthago dem Apollo nur den Mantel
abgenommen/ die Hand/ und Flavius Flaccus/
weil er die von der Lacinischen Juno Tempel ab-
gerissene Zügel auf das Heiligthum des reitenden
Glückes decken lassen/ beyde Söhne und sein
Leben eingebüsset. Lucius lachte zwar nur zu
allem dem/ sagte dem Rathe/ daß sie dem Kayser
Julius als Uberwundene sich ergeben/ und aus
Geferten zu Unterthanen gemacht hätten. Die
Priester höhnete er mit dem Beyspiele des Dio-
nysius/ welcher mit dem Raube der Locrischen
Proserpina glücklich nach Hause geschifft wäre/
des Olympischen Jupiters göldenen Mantel mit
grossem Wucher um einen wöllenen eingetauscht/
und zu Epidaur den Esculapius seines göldenen
Bartes beraubet hätte. Die Priester seufzeten
hierüber/ und nahmen mit diesen Worten ihren
Abschied: Gott ersetze mit der Grösse die Lang-
samkeit seiner Rache! Welche Worte doch beym
Lucius einen solchen Nachdruck hatten/ daß er 3. Ta-
ge sich gantz stille hielt/ und iedermann nun das
Ungewitter vorbey gegangen zu seyn glaubte. All-
dieweil aber die Furcht für Gott/ wo sie nicht eine
andächtige Liebe zum Grunde hat/ als eine seich-
te Pfütze von der Hitze böser Begierden leicht
ausgetrocknet wird; unterstand er sich in der
vierdten Nacht mit dreyhundert reichlich be-
schenckten Römischen Kriegs-Knechten der Di-
anen Tempel heimlich zu ersteigen. Weil aber
alle Nacht hundert Jungfrauen in selbtem/ und
hundert Hunde in dem Vorhofe wachen/ ent-
stund alsofort ein heftiger Lermen im Tempel/
und die Priesterin befahl von den Zinnen Stei-
ne und brennende Fackeln auf die Stürmen-
[Spaltenumbruch] den zu werffen. Lucius ward hiervon selbst ge-
troffen/ stürtzte also von einer hohen Leiter hinab/
und brach neben noch zwölffen den Hals. Die
übrigen wurden mit solchem Schrecken befallen/
daß sie ihre todte Geferten im Stiche liessen/ und
nur alleine die Leiche des Lucius mit sich nahmen.
Etliche erzehlten hernach/ daß sie auf der Spitze
des Tempels die mit Schwefel und Pech wider
sie kämpfende Diana gesehen hätten. Welches/
ob es wahr gewest/ oder aus Furcht geglaubet
worden/ ich nicht zu erörtern weiß. Ob nun
zwar der Rath zu Massilien/ umb den Käyser
nicht zu erbittern/ die Todten in aller Stille auf
die Seite bringen ließ/ und der Römer Vor-
wand/ daß Lucius an einem Schlagflusse gestor-
ben wäre/ möglichst bestärckte; so machten doch
die Massilier ein grosses Wunderwerck daraus/
zohen selbtes auch demselben weit für/ da ihre
Minerva dem Könige Catumand im Traume
erschienen war/ und ihn die Belägerung der
Stadt Massilien aufzuheben gezwungen hatte.
Jch selbst ward dardurch in meinem Gelübde
nicht wenig bestärcket/ und blieb daselbst/ biß
mein Herr Vater auf erlangte Nachricht von
meinem Geistlichen Stande mich von der Ober-
Priesterin zu einer Priesterin unser Getulischen
Diana ausbitten/ und anher abholen ließ. Dido
beschloß hiermit und einem Beysatze vieler tau-
send Thränen ihre Erzehlung/ welche verursach-
ten/ daß mein Hertz inwendig blutete/ und ich im
Eifer heraus brach: Der Dido Gelübde und
Priesterthum ist von keiner Giltigkeit/ weil es
den Jrrthum zum Vater/ und die Furcht zur
Mutter gehabt. Sintemal sie das von meinem
Tode falsch erschollene Gerüchte darzu verleitet/
und die Furcht für dem wütenden Lucius ihr ihr
Angelöbnüß abgezwungen hat. Der Priester
widersprach mir/ und sagte: Die den Göttern
geschehende Versprechungen wären nicht nach
den Handlungen der Menschen zu urtheilen.
Sie blieben unauflößlich/ denn sie gereichten al-
lezeit den Menschen zum Besten. Daher

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Arminius und Thußnelda.
[Spaltenumbruch] Egyptier wuͤſten: Daß wer nur ſich die Ge-
heimnuͤſſe der Jſis zu ſchauen geluͤſten lieſſe/ als-
bald ſtuͤrbe/ und Appius/ welcher nur die Frey-
gelaſſenen zu des Hercules Gottes-Dienſte zu-
gelaſſen/ waͤre blind worden. Wie viel aͤrgere
Straffe wuͤrde nun ſeine Gewalt-That und
Jungfrauen-Raub ihm auf den Hals ziehen?
Zumal der Roͤmer/ welcher bey Eroberung der
Stadt Carthago dem Apollo nur den Mantel
abgenommen/ die Hand/ und Flavius Flaccus/
weil er die von der Laciniſchen Juno Tempel ab-
geriſſene Zuͤgel auf das Heiligthum des reitendẽ
Gluͤckes decken laſſen/ beyde Soͤhne und ſein
Leben eingebuͤſſet. Lucius lachte zwar nur zu
allem dem/ ſagte dem Rathe/ daß ſie dem Kayſer
Julius als Uberwundene ſich ergeben/ und aus
Geferten zu Unterthanen gemacht haͤtten. Die
Prieſter hoͤhnete er mit dem Beyſpiele des Dio-
nyſius/ welcher mit dem Raube der Locriſchen
Proſerpina gluͤcklich nach Hauſe geſchifft waͤre/
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und zu Epidaur den Eſculapius ſeines goͤldenen
Bartes beraubet haͤtte. Die Prieſter ſeufzeten
hieruͤber/ und nahmen mit dieſen Worten ihren
Abſchied: Gott erſetze mit der Groͤſſe die Lang-
ſamkeit ſeiner Rache! Welche Worte doch beym
Lucius einẽ ſolchẽ Nachdruck hattẽ/ daß er 3. Ta-
ge ſich gantz ſtille hielt/ und iedermann nun das
Ungewitter vorbey gegangẽ zu ſeyn glaubte. All-
dieweil aber die Furcht fuͤr Gott/ wo ſie nicht eine
andaͤchtige Liebe zum Grunde hat/ als eine ſeich-
te Pfuͤtze von der Hitze boͤſer Begierden leicht
ausgetrocknet wird; unterſtand er ſich in der
vierdten Nacht mit dreyhundert reichlich be-
ſchenckten Roͤmiſchen Kriegs-Knechten der Di-
anen Tempel heimlich zu erſteigen. Weil aber
alle Nacht hundert Jungfrauen in ſelbtem/ und
hundert Hunde in dem Vorhofe wachen/ ent-
ſtund alſofort ein heftiger Lermen im Tempel/
und die Prieſterin befahl von den Zinnen Stei-
ne und brennende Fackeln auf die Stuͤrmen-
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troffen/ ſtuͤrtzte alſo von einer hohen Leiter hinab/
und brach neben noch zwoͤlffen den Hals. Die
uͤbrigen wurden mit ſolchem Schrecken befallen/
daß ſie ihre todte Geferten im Stiche lieſſen/ und
nur alleine die Leiche des Lucius mit ſich nahmen.
Etliche erzehlten hernach/ daß ſie auf der Spitze
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ob es wahr geweſt/ oder aus Furcht geglaubet
worden/ ich nicht zu eroͤrtern weiß. Ob nun
zwar der Rath zu Maſſilien/ umb den Kaͤyſer
nicht zu erbittern/ die Todten in aller Stille auf
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wand/ daß Lucius an einem Schlagfluſſe geſtor-
ben waͤre/ moͤglichſt beſtaͤrckte; ſo machten doch
die Maſſilier ein groſſes Wunderwerck daraus/
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Jch ſelbſt ward dardurch in meinem Geluͤbde
nicht wenig beſtaͤrcket/ und blieb daſelbſt/ biß
mein Herr Vater auf erlangte Nachricht von
meinem Geiſtlichen Stande mich von der Ober-
Prieſterin zu einer Prieſterin unſer Getuliſchen
Diana ausbitten/ und anher abholen ließ. Dido
beſchloß hiermit und einem Beyſatze vieler tau-
ſend Thraͤnen ihre Erzehlung/ welche verurſach-
ten/ daß mein Hertz inwendig blutete/ und ich im
Eifer heraus brach: Der Dido Geluͤbde und
Prieſterthum iſt von keiner Giltigkeit/ weil es
den Jrrthum zum Vater/ und die Furcht zur
Mutter gehabt. Sintemal ſie das von meinem
Tode falſch erſchollene Geruͤchte darzu verleitet/
und die Furcht fuͤr dem wuͤtenden Lucius ihr ihr
Angeloͤbnuͤß abgezwungen hat. Der Prieſter
widerſprach mir/ und ſagte: Die den Goͤttern
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den Handlungen der Menſchen zu urtheilen.
Sie blieben unaufloͤßlich/ denn ſie gereichten al-
lezeit den Menſchen zum Beſten. Daher

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[483/0537] Arminius und Thußnelda. Egyptier wuͤſten: Daß wer nur ſich die Ge- heimnuͤſſe der Jſis zu ſchauen geluͤſten lieſſe/ als- bald ſtuͤrbe/ und Appius/ welcher nur die Frey- gelaſſenen zu des Hercules Gottes-Dienſte zu- gelaſſen/ waͤre blind worden. Wie viel aͤrgere Straffe wuͤrde nun ſeine Gewalt-That und Jungfrauen-Raub ihm auf den Hals ziehen? Zumal der Roͤmer/ welcher bey Eroberung der Stadt Carthago dem Apollo nur den Mantel abgenommen/ die Hand/ und Flavius Flaccus/ weil er die von der Laciniſchen Juno Tempel ab- geriſſene Zuͤgel auf das Heiligthum des reitendẽ Gluͤckes decken laſſen/ beyde Soͤhne und ſein Leben eingebuͤſſet. Lucius lachte zwar nur zu allem dem/ ſagte dem Rathe/ daß ſie dem Kayſer Julius als Uberwundene ſich ergeben/ und aus Geferten zu Unterthanen gemacht haͤtten. Die Prieſter hoͤhnete er mit dem Beyſpiele des Dio- nyſius/ welcher mit dem Raube der Locriſchen Proſerpina gluͤcklich nach Hauſe geſchifft waͤre/ des Olympiſchen Jupiters goͤldenẽ Mantel mit groſſem Wucher um einẽ woͤllenen eingetauſcht/ und zu Epidaur den Eſculapius ſeines goͤldenen Bartes beraubet haͤtte. Die Prieſter ſeufzeten hieruͤber/ und nahmen mit dieſen Worten ihren Abſchied: Gott erſetze mit der Groͤſſe die Lang- ſamkeit ſeiner Rache! Welche Worte doch beym Lucius einẽ ſolchẽ Nachdruck hattẽ/ daß er 3. Ta- ge ſich gantz ſtille hielt/ und iedermann nun das Ungewitter vorbey gegangẽ zu ſeyn glaubte. All- dieweil aber die Furcht fuͤr Gott/ wo ſie nicht eine andaͤchtige Liebe zum Grunde hat/ als eine ſeich- te Pfuͤtze von der Hitze boͤſer Begierden leicht ausgetrocknet wird; unterſtand er ſich in der vierdten Nacht mit dreyhundert reichlich be- ſchenckten Roͤmiſchen Kriegs-Knechten der Di- anen Tempel heimlich zu erſteigen. Weil aber alle Nacht hundert Jungfrauen in ſelbtem/ und hundert Hunde in dem Vorhofe wachen/ ent- ſtund alſofort ein heftiger Lermen im Tempel/ und die Prieſterin befahl von den Zinnen Stei- ne und brennende Fackeln auf die Stuͤrmen- den zu werffen. Lucius ward hiervon ſelbſt ge- troffen/ ſtuͤrtzte alſo von einer hohen Leiter hinab/ und brach neben noch zwoͤlffen den Hals. Die uͤbrigen wurden mit ſolchem Schrecken befallen/ daß ſie ihre todte Geferten im Stiche lieſſen/ und nur alleine die Leiche des Lucius mit ſich nahmen. Etliche erzehlten hernach/ daß ſie auf der Spitze des Tempels die mit Schwefel und Pech wider ſie kaͤmpfende Diana geſehen haͤtten. Welches/ ob es wahr geweſt/ oder aus Furcht geglaubet worden/ ich nicht zu eroͤrtern weiß. Ob nun zwar der Rath zu Maſſilien/ umb den Kaͤyſer nicht zu erbittern/ die Todten in aller Stille auf die Seite bringen ließ/ und der Roͤmer Vor- wand/ daß Lucius an einem Schlagfluſſe geſtor- ben waͤre/ moͤglichſt beſtaͤrckte; ſo machten doch die Maſſilier ein groſſes Wunderwerck daraus/ zohen ſelbtes auch demſelben weit fuͤr/ da ihre Minerva dem Koͤnige Catumand im Traume erſchienen war/ und ihn die Belaͤgerung der Stadt Maſſilien aufzuheben gezwungen hatte. Jch ſelbſt ward dardurch in meinem Geluͤbde nicht wenig beſtaͤrcket/ und blieb daſelbſt/ biß mein Herr Vater auf erlangte Nachricht von meinem Geiſtlichen Stande mich von der Ober- Prieſterin zu einer Prieſterin unſer Getuliſchen Diana ausbitten/ und anher abholen ließ. Dido beſchloß hiermit und einem Beyſatze vieler tau- ſend Thraͤnen ihre Erzehlung/ welche verurſach- ten/ daß mein Hertz inwendig blutete/ und ich im Eifer heraus brach: Der Dido Geluͤbde und Prieſterthum iſt von keiner Giltigkeit/ weil es den Jrrthum zum Vater/ und die Furcht zur Mutter gehabt. Sintemal ſie das von meinem Tode falſch erſchollene Geruͤchte darzu verleitet/ und die Furcht fuͤr dem wuͤtenden Lucius ihr ihr Angeloͤbnuͤß abgezwungen hat. Der Prieſter widerſprach mir/ und ſagte: Die den Goͤttern geſchehende Verſprechungen waͤren nicht nach den Handlungen der Menſchen zu urtheilen. Sie blieben unaufloͤßlich/ denn ſie gereichten al- lezeit den Menſchen zum Beſten. Daher koͤnten P p p 2

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Zitationshilfe: Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689, S. 483. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lohenstein_feldherr01_1689/537>, abgerufen am 19.05.2024.