Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689.

Bild:
<< vorherige Seite

Vierdtes Buch
[Spaltenumbruch] bedacht seyn; übrigens aber derogestalt an mich
halten solte/ daß die nichts minder rachgierige
als alles sehende Diana ihren Grimm über mich
aus zuschütten/ wie auch die Priester mich nach
ihren heiligen aber scharffen Gesetzen zu straffen
nicht gezwungen würden. Als ich dem Priester
mit Ehrerbietung gedanckt/ fing die beängstig-
te Dido an: Verzeihe mir/ Flavius/ daß mein
itziger Zustand den/ welchen ich mehr als mich
selbst geliebt/ so kaltsinnig willkommen heist.
Dämpffe in deinem Hertzen die vor süssen/ nun-
mehr aber nur mir eitele Pein gebährende Flam-
men. Denn die Unmögligkeit stehet unser Lie-
be selbst im Lichten/ und die Göttin dieses Ortes
befiehlet in selbte mehr und kälteres Wasser zu
giessen/ als diß Bild allhier ausspritzet. Dieses
redete sie mit einer solchen Empfindligkeit/ daß
ich nicht wuste/ ob in mir die Liebe oder das Mit-
leiden hestiger wäre. Gleichwol konte ich mich
nicht bereden lassen/ daß es Didons gantzer
Ernst wäre mir die Liebe gantz auszureden; weil
mir ein gantz widriges die in dem Lorberkrantze
gefundene Schrifft andeutete/ und so wohl der
Ort/ als die Anwesenheit des Priesters mir die-
sen Vortrag verdächtig machte/ daß Dido mit
gebundener Zunge redete. Daher fing ich an:
Unver gleichliche Dido/ machet mich denn ihre
Verstossung/ oder die Mißgunst einer Göttin
so unglückselig? Jch kan wol dencken/ daß du
nicht ohne Gelübde der Diane Priesterin wor-
den bist. Aber hast du mir nicht ehe/ als ihr eines
gethan/ nemlich mich ewig zu lieben? Müssen
mir also die Götter dieses Ortes/ wo sie anders
gerecht sind/ nicht selbst das Vorrecht über dich
zuerkennen? Der Priester entrüstete sich über
diesen Worten/ gebot mir zu schweigen/ und fing
an: Wilst du thörichter an der Gerechtigkeit
Dianens zweiffeln/ welche am gerechtesten ist/
wenn es die alberen Menschen am wenigsten
glauben? Wilst du ohnmächtiger Mensch mit
den Göttern ums Vorrecht kämpffen/ welche
über dich die Gewalt des Lebens und des Todes/
[Spaltenumbruch] als über ihren Leibeigenen haben? Jch entschul-
digte meinen Jrrthum mit tieffer Demüthi-
gung/ so gut ich konte/ und bat nur/ daß mir Di-
do doch nur zu meinem Troste erzehlen möchte/
wie sie zu Vergessung des mir/ und zu Beschlüs-
sung des der Diane angelobten Gelüb des käme.
Als der Priester diß durch ein Zeichen willigte/
fing Dido an: Wenige Zeit nach seinem Ab-
schiede von Rom erhielt ich die traurige aber nun
leider zu spat falsch erscheinende Zeitung/ daß
Flavius mit seinem Schiffe/ und allen Men-
schen darauf/ zu Grunde gegangen wäre. Dieses
Schrecknüß setzte alle meine Vernunft aus ih-
ren Angeln; also/ daß ich weiter weder um mich
einige Bekümmernüß zu führen ver gaß/ ob mir
schon von meinem Herrn Vater die Erlaubnüß
von Rom zu verreisen und wieder nach Africa zu
kehren einlief. Als aber Lucius mich mit neuen
Versuchungen beunruhigte/ fing ich an wieder
an meine Heimreise zu gedencken/ schickte mich
auch derogestalt darzu/ daß ich den siebenden
Tag von Ostia abzusegeln gedachte. Jch hat-
te kaum an drey oder vier Orten Abschied ge-
nommen/ als unvermuthet heraus brach/ daß in
zweyen Tagen Lucius mit dreyen Schiffen in
Spanien segeln/ und das Römische Krieges-
Heer wider die Cantabrer führen solte/ welche
wider die Römer mit einer verzweiffelten Ver-
bitterung die Waffen ergriffen hatten/ weil ih-
re Gesandten zu Rom lange Zeit mit Bestäti-
gung ihrer Freyheit geäffet/ hernach von einan-
der in gewisse Städte abgesondert/ und endlich
so schimpflich gehandelt worden waren/ daß sie
ihnen selbst aus Verdruß vom Leben geholffen
hatten. Des Lucius Reise erreichte auch den drit-
ten Tag ihren Fortgang/ und ließ er bey mir
noch alle mir zugezogene Verdrüßligkeiten ent-
schuldigen. Den 3. Tag darauf schied ich in Be-
gleitung vieler edlen Frauen von Rom biß nach
Ostia/ den 4. aber fuhr ich von dar an der Thuß-
kischen und Ligustischen Küste hin biß nach Mas-
silien; theils weil ich die weltberühmte Anmuth

des-

Vierdtes Buch
[Spaltenumbruch] bedacht ſeyn; uͤbrigens aber derogeſtalt an mich
halten ſolte/ daß die nichts minder rachgierige
als alles ſehende Diana ihren Grimm uͤber mich
aus zuſchuͤtten/ wie auch die Prieſter mich nach
ihren heiligen aber ſcharffen Geſetzen zu ſtraffen
nicht gezwungen wuͤrden. Als ich dem Prieſter
mit Ehrerbietung gedanckt/ fing die beaͤngſtig-
te Dido an: Verzeihe mir/ Flavius/ daß mein
itziger Zuſtand den/ welchen ich mehr als mich
ſelbſt geliebt/ ſo kaltſinnig willkommen heiſt.
Daͤmpffe in deinem Hertzen die vor ſuͤſſen/ nun-
mehr aber nuꝛ miꝛ eitele Pein gebaͤhrende Flam-
men. Denn die Unmoͤgligkeit ſtehet unſer Lie-
be ſelbſt im Lichten/ und die Goͤttin dieſes Ortes
befiehlet in ſelbte mehr und kaͤlteres Waſſer zu
gieſſen/ als diß Bild allhier ausſpritzet. Dieſes
redete ſie mit einer ſolchen Empfindligkeit/ daß
ich nicht wuſte/ ob in mir die Liebe oder das Mit-
leiden heſtiger waͤre. Gleichwol konte ich mich
nicht bereden laſſen/ daß es Didons gantzer
Ernſt waͤre mir die Liebe gantz auszureden; weil
mir ein gantz widriges die in dem Lorberkrantze
gefundene Schrifft andeutete/ und ſo wohl der
Ort/ als die Anweſenheit des Prieſters mir die-
ſen Vortrag verdaͤchtig machte/ daß Dido mit
gebundener Zunge redete. Daher fing ich an:
Unver gleichliche Dido/ machet mich denn ihre
Verſtoſſung/ oder die Mißgunſt einer Goͤttin
ſo ungluͤckſelig? Jch kan wol dencken/ daß du
nicht ohne Geluͤbde der Diane Prieſterin wor-
den biſt. Aber haſt du mir nicht ehe/ als ihr eines
gethan/ nemlich mich ewig zu lieben? Muͤſſen
mir alſo die Goͤtter dieſes Ortes/ wo ſie anders
gerecht ſind/ nicht ſelbſt das Vorrecht uͤber dich
zuerkennen? Der Prieſter entruͤſtete ſich uͤber
dieſen Worten/ gebot mir zu ſchweigen/ und fing
an: Wilſt du thoͤrichter an der Gerechtigkeit
Dianens zweiffeln/ welche am gerechteſten iſt/
wenn es die alberen Menſchen am wenigſten
glauben? Wilſt du ohnmaͤchtiger Menſch mit
den Goͤttern ums Vorrecht kaͤmpffen/ welche
uͤber dich die Gewalt des Lebens und des Todes/
[Spaltenumbruch] als uͤber ihren Leibeigenen haben? Jch entſchul-
digte meinen Jrrthum mit tieffer Demuͤthi-
gung/ ſo gut ich konte/ und bat nur/ daß mir Di-
do doch nur zu meinem Troſte erzehlen moͤchte/
wie ſie zu Vergeſſung des mir/ und zu Beſchluͤſ-
ſung des der Diane angelobten Geluͤb des kaͤme.
Als der Prieſter diß durch ein Zeichen willigte/
fing Dido an: Wenige Zeit nach ſeinem Ab-
ſchiede von Rom erhielt ich die traurige aber nun
leider zu ſpat falſch erſcheinende Zeitung/ daß
Flavius mit ſeinem Schiffe/ und allen Men-
ſchen darauf/ zu Grunde gegangen waͤre. Dieſes
Schrecknuͤß ſetzte alle meine Vernunft aus ih-
ren Angeln; alſo/ daß ich weiter weder um mich
einige Bekuͤmmernuͤß zu fuͤhren ver gaß/ ob mir
ſchon von meinem Herrn Vater die Erlaubnuͤß
von Rom zu verreiſen und wieder nach Africa zu
kehren einlief. Als aber Lucius mich mit neuen
Verſuchungen beunruhigte/ fing ich an wieder
an meine Heimreiſe zu gedencken/ ſchickte mich
auch derogeſtalt darzu/ daß ich den ſiebenden
Tag von Oſtia abzuſegeln gedachte. Jch hat-
te kaum an drey oder vier Orten Abſchied ge-
nommen/ als unvermuthet heraus brach/ daß in
zweyen Tagen Lucius mit dreyen Schiffen in
Spanien ſegeln/ und das Roͤmiſche Krieges-
Heer wider die Cantabrer fuͤhren ſolte/ welche
wider die Roͤmer mit einer verzweiffelten Ver-
bitterung die Waffen ergriffen hatten/ weil ih-
re Geſandten zu Rom lange Zeit mit Beſtaͤti-
gung ihrer Freyheit geaͤffet/ hernach von einan-
der in gewiſſe Staͤdte abgeſondert/ und endlich
ſo ſchimpflich gehandelt worden waren/ daß ſie
ihnen ſelbſt aus Verdruß vom Leben geholffen
hatten. Des Lucius Reiſe erreichte auch den drit-
ten Tag ihren Fortgang/ und ließ er bey mir
noch alle mir zugezogene Verdruͤßligkeiten ent-
ſchuldigen. Den 3. Tag darauf ſchied ich in Be-
gleitung vieler edlen Frauen von Rom biß nach
Oſtia/ den 4. aber fuhr ich von dar an der Thuß-
kiſchen und Liguſtiſchen Kuͤſte hin biß nach Maſ-
ſilien; theils weil ich die weltberuͤhmte Anmuth

deſ-
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0534" n="480"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Vierdtes Buch</hi></fw><lb/><cb/>
bedacht &#x017F;eyn; u&#x0364;brigens aber deroge&#x017F;talt an mich<lb/>
halten &#x017F;olte/ daß die nichts minder rachgierige<lb/>
als alles &#x017F;ehende Diana ihren Grimm u&#x0364;ber mich<lb/>
aus zu&#x017F;chu&#x0364;tten/ wie auch die Prie&#x017F;ter mich nach<lb/>
ihren heiligen aber &#x017F;charffen Ge&#x017F;etzen zu &#x017F;traffen<lb/>
nicht gezwungen wu&#x0364;rden. Als ich dem Prie&#x017F;ter<lb/>
mit Ehrerbietung gedanckt/ fing die bea&#x0364;ng&#x017F;tig-<lb/>
te Dido an: Verzeihe mir/ Flavius/ daß mein<lb/>
itziger Zu&#x017F;tand den/ welchen ich mehr als mich<lb/>
&#x017F;elb&#x017F;t geliebt/ &#x017F;o kalt&#x017F;innig willkommen hei&#x017F;t.<lb/>
Da&#x0364;mpffe in deinem Hertzen die vor &#x017F;u&#x0364;&#x017F;&#x017F;en/ nun-<lb/>
mehr aber nu&#xA75B; mi&#xA75B; eitele Pein geba&#x0364;hrende Flam-<lb/>
men. Denn die Unmo&#x0364;gligkeit &#x017F;tehet un&#x017F;er Lie-<lb/>
be &#x017F;elb&#x017F;t im Lichten/ und die Go&#x0364;ttin die&#x017F;es Ortes<lb/>
befiehlet in &#x017F;elbte mehr und ka&#x0364;lteres Wa&#x017F;&#x017F;er zu<lb/>
gie&#x017F;&#x017F;en/ als diß Bild allhier aus&#x017F;pritzet. Die&#x017F;es<lb/>
redete &#x017F;ie mit einer &#x017F;olchen Empfindligkeit/ daß<lb/>
ich nicht wu&#x017F;te/ ob in mir die Liebe oder das Mit-<lb/>
leiden he&#x017F;tiger wa&#x0364;re. Gleichwol konte ich mich<lb/>
nicht bereden la&#x017F;&#x017F;en/ daß es Didons gantzer<lb/>
Ern&#x017F;t wa&#x0364;re mir die Liebe gantz auszureden; weil<lb/>
mir ein gantz widriges die in dem Lorberkrantze<lb/>
gefundene Schrifft andeutete/ und &#x017F;o wohl der<lb/>
Ort/ als die Anwe&#x017F;enheit des Prie&#x017F;ters mir die-<lb/>
&#x017F;en Vortrag verda&#x0364;chtig machte/ daß Dido mit<lb/>
gebundener Zunge redete. Daher fing ich an:<lb/>
Unver gleichliche Dido/ machet mich denn ihre<lb/>
Ver&#x017F;to&#x017F;&#x017F;ung/ oder die Mißgun&#x017F;t einer Go&#x0364;ttin<lb/>
&#x017F;o unglu&#x0364;ck&#x017F;elig? Jch kan wol dencken/ daß du<lb/>
nicht ohne Gelu&#x0364;bde der Diane Prie&#x017F;terin wor-<lb/>
den bi&#x017F;t. Aber ha&#x017F;t du mir nicht ehe/ als ihr eines<lb/>
gethan/ nemlich mich ewig zu lieben? Mu&#x0364;&#x017F;&#x017F;en<lb/>
mir al&#x017F;o die Go&#x0364;tter die&#x017F;es Ortes/ wo &#x017F;ie anders<lb/>
gerecht &#x017F;ind/ nicht &#x017F;elb&#x017F;t das Vorrecht u&#x0364;ber dich<lb/>
zuerkennen? Der Prie&#x017F;ter entru&#x0364;&#x017F;tete &#x017F;ich u&#x0364;ber<lb/>
die&#x017F;en Worten/ gebot mir zu &#x017F;chweigen/ und fing<lb/>
an: Wil&#x017F;t du tho&#x0364;richter an der Gerechtigkeit<lb/>
Dianens zweiffeln/ welche am gerechte&#x017F;ten i&#x017F;t/<lb/>
wenn es die alberen Men&#x017F;chen am wenig&#x017F;ten<lb/>
glauben? Wil&#x017F;t du ohnma&#x0364;chtiger Men&#x017F;ch mit<lb/>
den Go&#x0364;ttern ums Vorrecht ka&#x0364;mpffen/ welche<lb/>
u&#x0364;ber dich die Gewalt des Lebens und des Todes/<lb/><cb/>
als u&#x0364;ber ihren Leibeigenen haben? Jch ent&#x017F;chul-<lb/>
digte meinen Jrrthum mit tieffer Demu&#x0364;thi-<lb/>
gung/ &#x017F;o gut ich konte/ und bat nur/ daß mir Di-<lb/>
do doch nur zu meinem Tro&#x017F;te erzehlen mo&#x0364;chte/<lb/>
wie &#x017F;ie zu Verge&#x017F;&#x017F;ung des mir/ und zu Be&#x017F;chlu&#x0364;&#x017F;-<lb/>
&#x017F;ung des der Diane angelobten Gelu&#x0364;b des ka&#x0364;me.<lb/>
Als der Prie&#x017F;ter diß durch ein Zeichen willigte/<lb/>
fing Dido an: Wenige Zeit nach &#x017F;einem Ab-<lb/>
&#x017F;chiede von Rom erhielt ich die traurige aber nun<lb/>
leider zu &#x017F;pat fal&#x017F;ch er&#x017F;cheinende Zeitung/ daß<lb/>
Flavius mit &#x017F;einem Schiffe/ und allen Men-<lb/>
&#x017F;chen darauf/ zu Grunde gegangen wa&#x0364;re. Die&#x017F;es<lb/>
Schrecknu&#x0364;ß &#x017F;etzte alle meine Vernunft aus ih-<lb/>
ren Angeln; al&#x017F;o/ daß ich weiter weder um mich<lb/>
einige Beku&#x0364;mmernu&#x0364;ß zu fu&#x0364;hren ver gaß/ ob mir<lb/>
&#x017F;chon von meinem Herrn Vater die Erlaubnu&#x0364;ß<lb/>
von Rom zu verrei&#x017F;en und wieder nach Africa zu<lb/>
kehren einlief. Als aber Lucius mich mit neuen<lb/>
Ver&#x017F;uchungen beunruhigte/ fing ich an wieder<lb/>
an meine Heimrei&#x017F;e zu gedencken/ &#x017F;chickte mich<lb/>
auch deroge&#x017F;talt darzu/ daß ich den &#x017F;iebenden<lb/>
Tag von O&#x017F;tia abzu&#x017F;egeln gedachte. Jch hat-<lb/>
te kaum an drey oder vier Orten Ab&#x017F;chied ge-<lb/>
nommen/ als unvermuthet heraus brach/ daß in<lb/>
zweyen Tagen Lucius mit dreyen Schiffen in<lb/>
Spanien &#x017F;egeln/ und das Ro&#x0364;mi&#x017F;che Krieges-<lb/>
Heer wider die Cantabrer fu&#x0364;hren &#x017F;olte/ welche<lb/>
wider die Ro&#x0364;mer mit einer verzweiffelten Ver-<lb/>
bitterung die Waffen ergriffen hatten/ weil ih-<lb/>
re Ge&#x017F;andten zu Rom lange Zeit mit Be&#x017F;ta&#x0364;ti-<lb/>
gung ihrer Freyheit gea&#x0364;ffet/ hernach von einan-<lb/>
der in gewi&#x017F;&#x017F;e Sta&#x0364;dte abge&#x017F;ondert/ und endlich<lb/>
&#x017F;o &#x017F;chimpflich gehandelt worden waren/ daß &#x017F;ie<lb/>
ihnen &#x017F;elb&#x017F;t aus Verdruß vom Leben geholffen<lb/>
hatten. Des Lucius Rei&#x017F;e erreichte auch den drit-<lb/>
ten Tag ihren Fortgang/ und ließ er bey mir<lb/>
noch alle mir zugezogene Verdru&#x0364;ßligkeiten ent-<lb/>
&#x017F;chuldigen. Den 3. Tag darauf &#x017F;chied ich in Be-<lb/>
gleitung vieler edlen Frauen von Rom biß nach<lb/>
O&#x017F;tia/ den 4. aber fuhr ich von dar an der Thuß-<lb/>
ki&#x017F;chen und Ligu&#x017F;ti&#x017F;chen Ku&#x0364;&#x017F;te hin biß nach Ma&#x017F;-<lb/>
&#x017F;ilien; theils weil ich die weltberu&#x0364;hmte Anmuth<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">de&#x017F;-</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[480/0534] Vierdtes Buch bedacht ſeyn; uͤbrigens aber derogeſtalt an mich halten ſolte/ daß die nichts minder rachgierige als alles ſehende Diana ihren Grimm uͤber mich aus zuſchuͤtten/ wie auch die Prieſter mich nach ihren heiligen aber ſcharffen Geſetzen zu ſtraffen nicht gezwungen wuͤrden. Als ich dem Prieſter mit Ehrerbietung gedanckt/ fing die beaͤngſtig- te Dido an: Verzeihe mir/ Flavius/ daß mein itziger Zuſtand den/ welchen ich mehr als mich ſelbſt geliebt/ ſo kaltſinnig willkommen heiſt. Daͤmpffe in deinem Hertzen die vor ſuͤſſen/ nun- mehr aber nuꝛ miꝛ eitele Pein gebaͤhrende Flam- men. Denn die Unmoͤgligkeit ſtehet unſer Lie- be ſelbſt im Lichten/ und die Goͤttin dieſes Ortes befiehlet in ſelbte mehr und kaͤlteres Waſſer zu gieſſen/ als diß Bild allhier ausſpritzet. Dieſes redete ſie mit einer ſolchen Empfindligkeit/ daß ich nicht wuſte/ ob in mir die Liebe oder das Mit- leiden heſtiger waͤre. Gleichwol konte ich mich nicht bereden laſſen/ daß es Didons gantzer Ernſt waͤre mir die Liebe gantz auszureden; weil mir ein gantz widriges die in dem Lorberkrantze gefundene Schrifft andeutete/ und ſo wohl der Ort/ als die Anweſenheit des Prieſters mir die- ſen Vortrag verdaͤchtig machte/ daß Dido mit gebundener Zunge redete. Daher fing ich an: Unver gleichliche Dido/ machet mich denn ihre Verſtoſſung/ oder die Mißgunſt einer Goͤttin ſo ungluͤckſelig? Jch kan wol dencken/ daß du nicht ohne Geluͤbde der Diane Prieſterin wor- den biſt. Aber haſt du mir nicht ehe/ als ihr eines gethan/ nemlich mich ewig zu lieben? Muͤſſen mir alſo die Goͤtter dieſes Ortes/ wo ſie anders gerecht ſind/ nicht ſelbſt das Vorrecht uͤber dich zuerkennen? Der Prieſter entruͤſtete ſich uͤber dieſen Worten/ gebot mir zu ſchweigen/ und fing an: Wilſt du thoͤrichter an der Gerechtigkeit Dianens zweiffeln/ welche am gerechteſten iſt/ wenn es die alberen Menſchen am wenigſten glauben? Wilſt du ohnmaͤchtiger Menſch mit den Goͤttern ums Vorrecht kaͤmpffen/ welche uͤber dich die Gewalt des Lebens und des Todes/ als uͤber ihren Leibeigenen haben? Jch entſchul- digte meinen Jrrthum mit tieffer Demuͤthi- gung/ ſo gut ich konte/ und bat nur/ daß mir Di- do doch nur zu meinem Troſte erzehlen moͤchte/ wie ſie zu Vergeſſung des mir/ und zu Beſchluͤſ- ſung des der Diane angelobten Geluͤb des kaͤme. Als der Prieſter diß durch ein Zeichen willigte/ fing Dido an: Wenige Zeit nach ſeinem Ab- ſchiede von Rom erhielt ich die traurige aber nun leider zu ſpat falſch erſcheinende Zeitung/ daß Flavius mit ſeinem Schiffe/ und allen Men- ſchen darauf/ zu Grunde gegangen waͤre. Dieſes Schrecknuͤß ſetzte alle meine Vernunft aus ih- ren Angeln; alſo/ daß ich weiter weder um mich einige Bekuͤmmernuͤß zu fuͤhren ver gaß/ ob mir ſchon von meinem Herrn Vater die Erlaubnuͤß von Rom zu verreiſen und wieder nach Africa zu kehren einlief. Als aber Lucius mich mit neuen Verſuchungen beunruhigte/ fing ich an wieder an meine Heimreiſe zu gedencken/ ſchickte mich auch derogeſtalt darzu/ daß ich den ſiebenden Tag von Oſtia abzuſegeln gedachte. Jch hat- te kaum an drey oder vier Orten Abſchied ge- nommen/ als unvermuthet heraus brach/ daß in zweyen Tagen Lucius mit dreyen Schiffen in Spanien ſegeln/ und das Roͤmiſche Krieges- Heer wider die Cantabrer fuͤhren ſolte/ welche wider die Roͤmer mit einer verzweiffelten Ver- bitterung die Waffen ergriffen hatten/ weil ih- re Geſandten zu Rom lange Zeit mit Beſtaͤti- gung ihrer Freyheit geaͤffet/ hernach von einan- der in gewiſſe Staͤdte abgeſondert/ und endlich ſo ſchimpflich gehandelt worden waren/ daß ſie ihnen ſelbſt aus Verdruß vom Leben geholffen hatten. Des Lucius Reiſe erreichte auch den drit- ten Tag ihren Fortgang/ und ließ er bey mir noch alle mir zugezogene Verdruͤßligkeiten ent- ſchuldigen. Den 3. Tag darauf ſchied ich in Be- gleitung vieler edlen Frauen von Rom biß nach Oſtia/ den 4. aber fuhr ich von dar an der Thuß- kiſchen und Liguſtiſchen Kuͤſte hin biß nach Maſ- ſilien; theils weil ich die weltberuͤhmte Anmuth deſ-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/lohenstein_feldherr01_1689
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/lohenstein_feldherr01_1689/534
Zitationshilfe: Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689, S. 480. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lohenstein_feldherr01_1689/534>, abgerufen am 22.11.2024.