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Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689.

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Vierdtes Buch
[Spaltenumbruch] Ob ich nicht der Gottesdienste der Getulischen
Diana beywohnen wolte. Auf meine Befra-
gung unterrichtete er mich: Es hätte Jugurtha/
als er wider den Marius Krieg geführt/ und die
Getulier ihm so treulich beygestanden/ der von
den Getuliern zu ehren gewohnten Diana ei-
nen herrlichen Tempel aus rothem Marmel zu
bauen angefangen; Hiempsal/ welchen Marius
nach überwundenem Jugurtha zum Könige in
Numidien und Getulien gemacht/ weil er ihm
in seiner Flucht Auffenthalt in Africa gegeben/
hätte auch etwas daran gebauet/ wie auch nach
dessen geschwindem Tode sein Sohn Hiarbas;
alleine/ weil dieser als ein Gemächte des Ma-
rius/ auf des Sylla Befehl vom grossen Pom-
pejus bekriegt und gefangen; Hingegen sein
Großvater Hiempsal/ als der noch einige Zweig
von Masanissens Stamme/ mit beyden Kro-
nen Numidiens und Getuliens beschenckt ward/
hätte die Ehre gehabt/ diesen köstlichen Tempel
auszubauen. Weil er nun die Getulier als ein
wildes und meist rohes Fleisch mehr mit An-
dacht/ als durch einigen andern Kapzaum ihm
zu verbinden nöthig hielt/ diese aber der Diana
ihre selbst eigene Kinder auf dem Berge Atlas zu
opffern pflegen; ließ er die in Gestalt eines Lö-
wen gemachte/ und von den Getuliern als ihr ei-
niges Heil- und Schutzbild mit unglaublicher
Andacht angebetete Diana von dem Atlanti-
schen Gebürge auff einem mit zwölf Löwen be-
spannten Wagen in Begleitung halb Getu-
liens anher nach Cirtha bringen/ und um die Ge-
tulische Grausamkeit theils zu miltern/ theils ih-
nen nicht gar zu abzule gen/ führte er einen sol-
chen Gottesdienst ein/ wie die Griechen selbten
für Alters der Taurischen und Brauronischen
Diana hielten/ die sich nur mit der Feinde Blut
vergnügte. Hiempsal hätte zwar gerne/ wie
Lycurgus/ selbten dahin ein gerichtet/ daß an statt
der Abschlachtung die Menschen nur gegeisselt
und die Göttin mit dem ausrinnenden Blute
versohnet werden möchte. Alleine die Getulier
[Spaltenumbruch] setzten sich hartnäckicht darwider/ vorgebende:
da die Taurische Diana/ wenn man ihr nicht von
genungsam edlen und schönen Knaben Blut
geopffert/ sich zum Zeichen ihrer Ungnade so
schwer und unbeweglich gemacht hätte/ daß sie
die Priesterin nicht hätte von der Stelle heben
können; würde die viel mächtigere Getulische
Diana mit so geringschätzigen Opffern so viel
mehr unvergnügt und ergrimmet seyn. Also
hätte es Hiempsal und Juba sein Vater nur dar-
bey bewenden lassen müssen; ob wol die Römer
mehrmals wider diese Menschen-Opfferung
gemurret. Diesemnach denn auch er/ da er die
Getulier nicht anders wieder zu einem Aufstan-
de veranlassen wolte/ heute aus den Getuliern
selbst die Erstlinge der Gefangenen aufopffern
müste. Weil nun bey den Deutschen gleichmäs-
sige Opfer wären; zweiffelte er nicht/ daß ich sol-
chem beyzuwohnen Belieben tragen würde.
Ungeachtet ich nun zwar ein und anderes Be-
dencken hätte haben können/ reitzte mich doch die
Begierde meines Räthsels Auslegung zu erfah-
ren/ daß ich mit dem Könige Juba selbigen Tag
mich in den Tempel der Getulischen Diana ver-
fügte. Denn die Opfferung darff nur des
Nachts geschehen. So bald wir in den Tempel
traten/ erhob sich ein grausames Gethöne von
Paucken und Jagthörnern. Der oberste Prie-
ster besprengte uns daselbst mit Wasser/ welches
aus dem Atlantischen Gebürge dahin gebracht
werden muß/ und leitete uns zu dem in der mit-
te stehenden Altare; bey welchem wir uns auff
den flachen Erdbodem niedersetzen musten. Die
oberste Priesterin stand wie eine Diana beklei-
det auf dem Fusse des Opffer-Tisches für einer
grossen ertztenen Wanne/ über welcher denen
hundert in grüne Seide gekleideten Gefange-
nen die Gurgeln abgeschnitten werden solten.
Die Menge der brennenden Fackeln entdeck-
ten mir im ersten Anblicke meine geliebte Dido.
Nach wenigen Augenblicken ward auch sie mei-
ner gewahr/ und sahe sie mich eine gute weile

mit

Vierdtes Buch
[Spaltenumbruch] Ob ich nicht der Gottesdienſte der Getuliſchen
Diana beywohnen wolte. Auf meine Befra-
gung unterrichtete er mich: Es haͤtte Jugurtha/
als er wider den Marius Krieg gefuͤhrt/ und die
Getulier ihm ſo treulich beygeſtanden/ der von
den Getuliern zu ehren gewohnten Diana ei-
nen herrlichen Tempel aus rothem Marmel zu
bauen angefangen; Hiempſal/ welchen Marius
nach uͤberwundenem Jugurtha zum Koͤnige in
Numidien und Getulien gemacht/ weil er ihm
in ſeiner Flucht Auffenthalt in Africa gegeben/
haͤtte auch etwas daran gebauet/ wie auch nach
deſſen geſchwindem Tode ſein Sohn Hiarbas;
alleine/ weil dieſer als ein Gemaͤchte des Ma-
rius/ auf des Sylla Befehl vom groſſen Pom-
pejus bekriegt und gefangen; Hingegen ſein
Großvater Hiempſal/ als der noch einige Zweig
von Maſaniſſens Stamme/ mit beyden Kro-
nen Numidiens und Getuliens beſchenckt waꝛd/
haͤtte die Ehre gehabt/ dieſen koͤſtlichen Tempel
auszubauen. Weil er nun die Getulier als ein
wildes und meiſt rohes Fleiſch mehr mit An-
dacht/ als durch einigen andern Kapzaum ihm
zu verbinden noͤthig hielt/ dieſe aber der Diana
ihre ſelbſt eigene Kinder auf dem Berge Atlas zu
opffern pflegen; ließ er die in Geſtalt eines Loͤ-
wen gemachte/ und von den Getuliern als ihr ei-
niges Heil- und Schutzbild mit unglaublicher
Andacht angebetete Diana von dem Atlanti-
ſchen Gebuͤrge auff einem mit zwoͤlf Loͤwen be-
ſpannten Wagen in Begleitung halb Getu-
liens anher nach Cirtha bringen/ und um die Ge-
tuliſche Grauſamkeit theils zu miltern/ theils ih-
nen nicht gar zu abzule gen/ fuͤhrte er einen ſol-
chen Gottesdienſt ein/ wie die Griechen ſelbten
fuͤr Alters der Tauriſchen und Brauroniſchen
Diana hielten/ die ſich nur mit der Feinde Blut
vergnuͤgte. Hiempſal haͤtte zwar gerne/ wie
Lycurgus/ ſelbten dahin ein gerichtet/ daß an ſtatt
der Abſchlachtung die Menſchen nur gegeiſſelt
und die Goͤttin mit dem ausrinnenden Blute
verſohnet werden moͤchte. Alleine die Getulier
[Spaltenumbruch] ſetzten ſich hartnaͤckicht darwider/ vorgebende:
da die Tauriſche Diana/ wenn man ihr nicht von
genungſam edlen und ſchoͤnen Knaben Blut
geopffert/ ſich zum Zeichen ihrer Ungnade ſo
ſchwer und unbeweglich gemacht haͤtte/ daß ſie
die Prieſterin nicht haͤtte von der Stelle heben
koͤnnen; wuͤrde die viel maͤchtigere Getuliſche
Diana mit ſo geringſchaͤtzigen Opffern ſo viel
mehr unvergnuͤgt und ergrimmet ſeyn. Alſo
haͤtte es Hiempſal und Juba ſein Vater nur dar-
bey bewenden laſſen muͤſſen; ob wol die Roͤmer
mehrmals wider dieſe Menſchen-Opfferung
gemurret. Dieſemnach denn auch er/ da er die
Getulier nicht anders wieder zu einem Aufſtan-
de veranlaſſen wolte/ heute aus den Getuliern
ſelbſt die Erſtlinge der Gefangenen aufopffern
muͤſte. Weil nun bey den Deutſchen gleichmaͤſ-
ſige Opfer waͤren; zweiffelte er nicht/ daß ich ſol-
chem beyzuwohnen Belieben tragen wuͤrde.
Ungeachtet ich nun zwar ein und anderes Be-
dencken haͤtte haben koͤnnen/ reitzte mich doch die
Begierde meines Raͤthſels Auslegung zu erfah-
ren/ daß ich mit dem Koͤnige Juba ſelbigen Tag
mich in den Tempel der Getuliſchen Diana ver-
fuͤgte. Denn die Opfferung darff nur des
Nachts geſchehen. So bald wir in den Tempel
traten/ erhob ſich ein grauſames Gethoͤne von
Paucken und Jagthoͤrnern. Der oberſte Prie-
ſter beſprengte uns daſelbſt mit Waſſer/ welches
aus dem Atlantiſchen Gebuͤrge dahin gebracht
werden muß/ und leitete uns zu dem in der mit-
te ſtehenden Altare; bey welchem wir uns auff
den flachen Erdbodem niederſetzen muſten. Die
oberſte Prieſterin ſtand wie eine Diana beklei-
det auf dem Fuſſe des Opffer-Tiſches fuͤr einer
groſſen ertztenen Wanne/ uͤber welcher denen
hundert in gruͤne Seide gekleideten Gefange-
nen die Gurgeln abgeſchnitten werden ſolten.
Die Menge der brennenden Fackeln entdeck-
ten mir im erſten Anblicke meine geliebte Dido.
Nach wenigen Augenblicken ward auch ſie mei-
ner gewahr/ und ſahe ſie mich eine gute weile

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Zitationshilfe: Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689, S. 478. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lohenstein_feldherr01_1689/532>, abgerufen am 22.11.2024.