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Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689.

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Arminius und Thußnelda.
[Spaltenumbruch] Augen/ und von dem einen kohlschwartzen Pferde/
das die nachdencklichen Tichter nicht ohne Ursa-
che vor den Wagen der Sonne gespannt/ und viel-
leicht dardurch angedeutet haben/ daß ein Weib
ohne schwartze Augen unvollkommen schön sey.
Jch antwortete: Schwartze Augen stechen in
alle Wege wohl ab/ aber nur in einem weissen
Antlitze/ unsere blauen aber schicken sich in beyde.
Da man aber von einem so kleinen Theile des
Leibes einer Farbe den Vorzug zueignen wol-
te/ würde die weisse den Obsieg behalten/ weil
niemand weissere Zähne hätte/ als die Mohren/
auch an ihnen nichts zierlicher wäre als die Zäh-
ne. Jch muß dem Flavius/ versetzte Lueius/
seine Meynung lassen. Jch aber bin ein Nach-
komme des Käysers Julius/ welcher nichts min-
der/ als Anton an der braunen Cleopatra/ mit
welcher er nicht nur biß in Mohrenland gerei-
set/ sondern sie gar nach Rom mitgenommen/
mehr als an der Schwanen-weissen Martia
Ergetzligkeit genossen/ und die Mohrin Euroe
der den Schnee beschämenden Servilia fürge-
zogen. Perseus hätte nicht nur die schwartze
Andromede geehlicht; sondern sie wäre so gar
in den Himmel unter die Gestirne gesetzt zu wer-
den gewürdiget worden. Massen denn die
einander zusagende Abtheilung der Glieder/
und wenn iedes an seinem Orte steht/ mehr als
die blosse Farbe so wohl ein Frauenzimmer/ als
eine Säule vollkommen machen. Dahero die
Griechen zu Abbildung einer vollkommenen
Schönheit verlangt hätten/ daß Euphranor das
Haar/ wie seine Juno gehabt/ Polygnotus die
Augenbrauen und Wangen/ wie er der Cassan-
dra zu Delphis zugeeignet/ Apelles den übrigen
Leib/ nach dem Muster seiner Pacata/ Aetion
die Lippen/ wormit seine Roxane pranget/ mah-
len solte. Hierauf haben die Egyptier Zwei-
fels-ohne gesehen/ als sie zu ihrem berühmtesten
Memnons-Bilde so schwartzen Stein/ als er im
Leben gewest/ zu nehmen kein Bedencken gehabt.
[Spaltenumbruch] Es muß alles/ antwortete ich/ beysammen ste-
hen. Denn die Vollkommenheit hat mit kei-
nem Gebrechen Verwandschafft. Diese/ ver-
setzte Lucius/ ist schwerlich unter der Sonnen zu
finden/ und theilet die vorsichtige Natur einem
dieses/ dem andern was anders zu. Massen
ich dich denn versichere/ daß die zarte Haut der
Mohren für weiche Seide/ der weissen Weiber
aber hingegen für Hanff anzufühlen/ diese aber
im Lieben wo nicht todt/ doch eißkalt/ jene hinge-
gen lebhaft/ und mit einem Worte Buhlschaff-
ten voll Feuer sind. Jch weiß hiervon nicht zu
urtheilen/ fing ich an/ weil ich keine Mohrin nie
betastet/ auch von der Liebe selbst nicht zu sagen
weiß: Ob sie dem Schnee oder dem Feuer ver-
wandt sey? Du wirst beydes morgen prüfen
können/ antwortete Lucius/ wo du dich unser
Glückseligkeit nicht wie heute entbrechen wilst.
Hiermit sagten wir einander gute Nacht; ich
aber konte aus einer ungewöhnlichen Unruh des
Gemüthes kein Auge zuthun/ stand also mit dem
ersten Tagen auf/ und eilte in den Tempel der
Jsis. Dieser war länglicht-rund von eitel
rothfleckichtem Egyptischem Marmel gebaut;
das in der Mitte stehende Bild der Jsis war
von Thebe hingebracht/ war aus Porphyr/ hat-
te auf dem Haupte einen dreyfachen Thurm/
wollichte Haare/ am Halse das Zeichen des
Krebses und Steinbocks/ zwölff Brüste/ in der
rechten Hand eine Cymbel/ in der lincken einen
Wasser-Krug/ nackte Füsse/ darmit sie auf ei-
nem Crocodil stand. Die Priester opferten
auf dem Altare gleich etliche Gänse. Der mich
den Tag vorher bestellende Alte war meiner
bald gewahr/ winckte mir also/ daß ich selbtem
durch eine Pforte folgen solte. Dieser leitete
mich in einen langen gewölbten Gang/ und
endlich in ein kleines Heiligthum/ darinnen
zwar ein Altar/ aber kein Bild zu sehen war.
Jn diesem nöthigte mich der Alte auf einen
dreyeckichten steinernen Stul niederzusitzen;

fing
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Arminius und Thußnelda.
[Spaltenumbruch] Augen/ und von dem einẽ kohlſchwartzen Pferde/
das die nachdencklichen Tichter nicht ohne Urſa-
che vor den Wagen der Soñe geſpañt/ und viel-
leicht dardurch angedeutet haben/ daß ein Weib
ohne ſchwartze Augen unvollkommen ſchoͤn ſey.
Jch antwortete: Schwartze Augen ſtechen in
alle Wege wohl ab/ aber nur in einem weiſſen
Antlitze/ unſere blauen aber ſchicken ſich in beyde.
Da man aber von einem ſo kleinen Theile des
Leibes einer Farbe den Vorzug zueignen wol-
te/ wuͤrde die weiſſe den Obſieg behalten/ weil
niemand weiſſere Zaͤhne haͤtte/ als die Mohren/
auch an ihnen nichts zierlicher waͤre als die Zaͤh-
ne. Jch muß dem Flavius/ verſetzte Lueius/
ſeine Meynung laſſen. Jch aber bin ein Nach-
komme des Kaͤyſers Julius/ welcher nichts min-
der/ als Anton an der braunen Cleopatra/ mit
welcher er nicht nur biß in Mohrenland gerei-
ſet/ ſondern ſie gar nach Rom mitgenommen/
mehr als an der Schwanen-weiſſen Martia
Ergetzligkeit genoſſen/ und die Mohrin Euroe
der den Schnee beſchaͤmenden Servilia fuͤrge-
zogen. Perſeus haͤtte nicht nur die ſchwartze
Andromede geehlicht; ſondern ſie waͤre ſo gar
in den Himmel unter die Geſtirne geſetzt zu wer-
den gewuͤrdiget worden. Maſſen denn die
einander zuſagende Abtheilung der Glieder/
und wenn iedes an ſeinem Orte ſteht/ mehr als
die bloſſe Farbe ſo wohl ein Frauenzimmer/ als
eine Saͤule vollkommen machen. Dahero die
Griechen zu Abbildung einer vollkommenen
Schoͤnheit verlangt haͤtten/ daß Euphranor das
Haar/ wie ſeine Juno gehabt/ Polygnotus die
Augenbrauen und Wangen/ wie er der Caſſan-
dra zu Delphis zugeeignet/ Apelles den uͤbrigen
Leib/ nach dem Muſter ſeiner Pacata/ Aetion
die Lippen/ wormit ſeine Roxane pranget/ mah-
len ſolte. Hierauf haben die Egyptier Zwei-
fels-ohne geſehen/ als ſie zu ihrem beruͤhmteſten
Memnons-Bilde ſo ſchwartzen Stein/ als er im
Leben geweſt/ zu nehmen kein Bedencken gehabt.
[Spaltenumbruch] Es muß alles/ antwortete ich/ beyſammen ſte-
hen. Denn die Vollkommenheit hat mit kei-
nem Gebrechen Verwandſchafft. Dieſe/ ver-
ſetzte Lucius/ iſt ſchwerlich unter der Sonnen zu
finden/ und theilet die vorſichtige Natur einem
dieſes/ dem andern was anders zu. Maſſen
ich dich denn verſichere/ daß die zarte Haut der
Mohren fuͤr weiche Seide/ der weiſſen Weiber
aber hingegen fuͤr Hanff anzufuͤhlen/ dieſe aber
im Lieben wo nicht todt/ doch eißkalt/ jene hinge-
gen lebhaft/ und mit einem Worte Buhlſchaff-
ten voll Feuer ſind. Jch weiß hiervon nicht zu
urtheilen/ fing ich an/ weil ich keine Mohrin nie
betaſtet/ auch von der Liebe ſelbſt nicht zu ſagen
weiß: Ob ſie dem Schnee oder dem Feuer ver-
wandt ſey? Du wirſt beydes morgen pruͤfen
koͤnnen/ antwortete Lucius/ wo du dich unſer
Gluͤckſeligkeit nicht wie heute entbrechen wilſt.
Hiermit ſagten wir einander gute Nacht; ich
aber konte aus einer ungewoͤhnlichen Unruh des
Gemuͤthes kein Auge zuthun/ ſtand alſo mit dem
erſten Tagen auf/ und eilte in den Tempel der
Jſis. Dieſer war laͤnglicht-rund von eitel
rothfleckichtem Egyptiſchem Marmel gebaut;
das in der Mitte ſtehende Bild der Jſis war
von Thebe hingebracht/ war aus Porphyr/ hat-
te auf dem Haupte einen dreyfachen Thurm/
wollichte Haare/ am Halſe das Zeichen des
Krebſes und Steinbocks/ zwoͤlff Bruͤſte/ in der
rechten Hand eine Cymbel/ in der lincken einen
Waſſer-Krug/ nackte Fuͤſſe/ darmit ſie auf ei-
nem Crocodil ſtand. Die Prieſter opferten
auf dem Altare gleich etliche Gaͤnſe. Der mich
den Tag vorher beſtellende Alte war meiner
bald gewahr/ winckte mir alſo/ daß ich ſelbtem
durch eine Pforte folgen ſolte. Dieſer leitete
mich in einen langen gewoͤlbten Gang/ und
endlich in ein kleines Heiligthum/ darinnen
zwar ein Altar/ aber kein Bild zu ſehen war.
Jn dieſem noͤthigte mich der Alte auf einen
dreyeckichten ſteinernen Stul niederzuſitzen;

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[459/0513] Arminius und Thußnelda. Augen/ und von dem einẽ kohlſchwartzen Pferde/ das die nachdencklichen Tichter nicht ohne Urſa- che vor den Wagen der Soñe geſpañt/ und viel- leicht dardurch angedeutet haben/ daß ein Weib ohne ſchwartze Augen unvollkommen ſchoͤn ſey. Jch antwortete: Schwartze Augen ſtechen in alle Wege wohl ab/ aber nur in einem weiſſen Antlitze/ unſere blauen aber ſchicken ſich in beyde. Da man aber von einem ſo kleinen Theile des Leibes einer Farbe den Vorzug zueignen wol- te/ wuͤrde die weiſſe den Obſieg behalten/ weil niemand weiſſere Zaͤhne haͤtte/ als die Mohren/ auch an ihnen nichts zierlicher waͤre als die Zaͤh- ne. Jch muß dem Flavius/ verſetzte Lueius/ ſeine Meynung laſſen. Jch aber bin ein Nach- komme des Kaͤyſers Julius/ welcher nichts min- der/ als Anton an der braunen Cleopatra/ mit welcher er nicht nur biß in Mohrenland gerei- ſet/ ſondern ſie gar nach Rom mitgenommen/ mehr als an der Schwanen-weiſſen Martia Ergetzligkeit genoſſen/ und die Mohrin Euroe der den Schnee beſchaͤmenden Servilia fuͤrge- zogen. Perſeus haͤtte nicht nur die ſchwartze Andromede geehlicht; ſondern ſie waͤre ſo gar in den Himmel unter die Geſtirne geſetzt zu wer- den gewuͤrdiget worden. Maſſen denn die einander zuſagende Abtheilung der Glieder/ und wenn iedes an ſeinem Orte ſteht/ mehr als die bloſſe Farbe ſo wohl ein Frauenzimmer/ als eine Saͤule vollkommen machen. Dahero die Griechen zu Abbildung einer vollkommenen Schoͤnheit verlangt haͤtten/ daß Euphranor das Haar/ wie ſeine Juno gehabt/ Polygnotus die Augenbrauen und Wangen/ wie er der Caſſan- dra zu Delphis zugeeignet/ Apelles den uͤbrigen Leib/ nach dem Muſter ſeiner Pacata/ Aetion die Lippen/ wormit ſeine Roxane pranget/ mah- len ſolte. Hierauf haben die Egyptier Zwei- fels-ohne geſehen/ als ſie zu ihrem beruͤhmteſten Memnons-Bilde ſo ſchwartzen Stein/ als er im Leben geweſt/ zu nehmen kein Bedencken gehabt. Es muß alles/ antwortete ich/ beyſammen ſte- hen. Denn die Vollkommenheit hat mit kei- nem Gebrechen Verwandſchafft. Dieſe/ ver- ſetzte Lucius/ iſt ſchwerlich unter der Sonnen zu finden/ und theilet die vorſichtige Natur einem dieſes/ dem andern was anders zu. Maſſen ich dich denn verſichere/ daß die zarte Haut der Mohren fuͤr weiche Seide/ der weiſſen Weiber aber hingegen fuͤr Hanff anzufuͤhlen/ dieſe aber im Lieben wo nicht todt/ doch eißkalt/ jene hinge- gen lebhaft/ und mit einem Worte Buhlſchaff- ten voll Feuer ſind. Jch weiß hiervon nicht zu urtheilen/ fing ich an/ weil ich keine Mohrin nie betaſtet/ auch von der Liebe ſelbſt nicht zu ſagen weiß: Ob ſie dem Schnee oder dem Feuer ver- wandt ſey? Du wirſt beydes morgen pruͤfen koͤnnen/ antwortete Lucius/ wo du dich unſer Gluͤckſeligkeit nicht wie heute entbrechen wilſt. Hiermit ſagten wir einander gute Nacht; ich aber konte aus einer ungewoͤhnlichen Unruh des Gemuͤthes kein Auge zuthun/ ſtand alſo mit dem erſten Tagen auf/ und eilte in den Tempel der Jſis. Dieſer war laͤnglicht-rund von eitel rothfleckichtem Egyptiſchem Marmel gebaut; das in der Mitte ſtehende Bild der Jſis war von Thebe hingebracht/ war aus Porphyr/ hat- te auf dem Haupte einen dreyfachen Thurm/ wollichte Haare/ am Halſe das Zeichen des Krebſes und Steinbocks/ zwoͤlff Bruͤſte/ in der rechten Hand eine Cymbel/ in der lincken einen Waſſer-Krug/ nackte Fuͤſſe/ darmit ſie auf ei- nem Crocodil ſtand. Die Prieſter opferten auf dem Altare gleich etliche Gaͤnſe. Der mich den Tag vorher beſtellende Alte war meiner bald gewahr/ winckte mir alſo/ daß ich ſelbtem durch eine Pforte folgen ſolte. Dieſer leitete mich in einen langen gewoͤlbten Gang/ und endlich in ein kleines Heiligthum/ darinnen zwar ein Altar/ aber kein Bild zu ſehen war. Jn dieſem noͤthigte mich der Alte auf einen dreyeckichten ſteinernen Stul niederzuſitzen; fing M m m 2

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Zitationshilfe: Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689, S. 459. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lohenstein_feldherr01_1689/513>, abgerufen am 22.11.2024.