Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689.Vierdtes Buch [Spaltenumbruch]
Carneades zweiffeln/ mit dem Diogenes zuwei-len über die Schnur hauen/ mit dem Epicur sich beruhigen/ mit dem Zeno die Natur über- wünden lernen/ und also ihm einen ieden Wei- sen nütze machen; so brachte sie es doch dahin/ daß weder Cajus noch Lucius ihn ferner hören dorften. Hingegen/ weil ihr und ihrem auff den Tiberius gesetztem Absehen daran gelegen war/ daß beyde Käyserliche Enckel in den La- stern ersteckt würden; half sie mit des Mecenas Einrathen dem Aristippus zu der Unterrich- tung des Cajus und Lucius/ wie auch meiner. Dieser Verführer trug uns anfangs zwar den besten Kern der Epicurischen Weißheit für/ und wuste der Tugend meisterlich eine Farbe anzustreichen; Gleichwol aber hing er derselben stets diesen Schandfleck an/ daß sie nicht wegen ihr selbst/ sondern nur wegen ihrer viel edlern Tochter/ nemlich der Wollust zu lieben wäre. Hernach kam er auff natürliche Dinge/ und lehrte uns/ daß die Welt/ nicht nach des Hera- clitus Meinung/ aus Feuer/ nicht/ wie Thales lehrte/ aus Wasser/ noch wie dem Pythagoras träumte/ aus Zahlen/ sondern aus eitel durch- einander schwermenden Sonnen-Stäublein/ ungefehr zusammen gewachsen/ am allerwe- nigsten aber nach des Aristoteles Meinung und Einbildung ewig wäre. Auff diesen Schluß gründete er ferner/ daß die Götter sich um die Welt und die Menschen unbekümmert/ also die vom Plato gerühmte göttliche Vorsor- ge und Versehung ein blosser Traum wäre/ ja die Götter hätten nicht einmahl den Sinn der Tugend wol zu thun/ weniger Waffen und Macht die Bösen zu beschädigen. Die See- len der Menschen verrauchten mit dem sterben- den Leibe/ und hätten nach dem Tode weder Lust noch Straffe zu er warten. Dahero wäre die Entschlagung aller Bekümmernüß/ die Ruhe des Gemüthes das höchsie Gut der Sterblichen/ wie der Müsiggang der Götter. So viel wagte er sich dem fast unzehlbaren Hauf- fen seiner sich täglich zu ihm drängenden Lehr- [Spaltenumbruch] linge fürzutragen. Und wenn iemand über etwas ihm einen Zweifel erregte; wuste er durch spitzige Unterscheidungen seine Sätze so meister- lich herum zu drehen/ daß es schien/ als wenn er die Götter angebetet/ die Menschen allerdings tugendhafft wissen wolte. Als er aber den Ca- jus und Lucius so gar geneigt zur Wollust sahe; ließ er sie und mich einmal in das innerste Theil seines bewohnten Lusthauses zu absonderer Un- terweisung leiten. Wir fanden daselbst an ihm gleichsam einen gantz andern Menschen. An statt des langen Mantels trug er nach Griechi- scher Art einen seidenen Rock der Edelen. Die Platte seines kahlen Kopffes war mit falschen Haaren bedeckt. An den Armen und Fingern trug er güldene Geschmeide und Ringe mit E- delgesteinen. An den Füssen hatte er gestickte Schuh mit kleinen Monden. Und von der Tracht der Weltweisen war nichts/ als der lan- ge Bart übrig; welcher aber mit Fleiß ausge- kämmet/ und eingebalsamt; die Lippen mit Zinober geschmückt/ die Nägel vergüldet/ und von seinen itzt Rosenfärbichten Wangen das sonst aufgeschmierete Bleyweiß/ welches sie in seiner Schule sonst blaß machte/ abgewaschen war. Der Saal/ darinnen er lehrte/ war mit allem nur ersinnlichen Vorrathe der Ver- schwendung/ insonderheit aber mit denen geile- sten Bildern ausgeschmückt. Für dem Unter- richte erqvickte er uns mit denen kräfftigsten Labsaln. Er badete uns mit wohlrüchenden Wassern/ falbete uns mit Syrischen Balsamen/ und verschwendete allen Vorrath des üppigen Asiens. Hierauf machte er eine weitschweiffige Rede von seiner gegen uns tragenden Gewo- genheit/ und daß diese ihn nöthigte wiewol mit seiner Gefahr das Geheimnüß der wahren Weltweißheit zu offenbaren. Nach dem er uns nun gleichsam nach diesem verborgenen Schatz seufzen sahe; fing er an/ aller Weltweisen Mei- nungen als Jrrthümer zu verdammen/ und als Betrügereyen zu verfluchen. Die wahre Weiß- heit wäre/ wissen/ daß kein Gott wäre. Socra- tes
Vierdtes Buch [Spaltenumbruch]
Carneades zweiffeln/ mit dem Diogenes zuwei-len uͤber die Schnur hauen/ mit dem Epicur ſich beruhigen/ mit dem Zeno die Natur uͤber- wuͤnden lernen/ und alſo ihm einen ieden Wei- ſen nuͤtze machen; ſo brachte ſie es doch dahin/ daß weder Cajus noch Lucius ihn ferner hoͤren dorften. Hingegen/ weil ihr und ihrem auff den Tiberius geſetztem Abſehen daran gelegen war/ daß beyde Kaͤyſerliche Enckel in den La- ſtern erſteckt wuͤrden; half ſie mit des Mecenas Einrathen dem Ariſtippus zu der Unterrich- tung des Cajus und Lucius/ wie auch meiner. Dieſer Verfuͤhrer trug uns anfangs zwar den beſten Kern der Epicuriſchen Weißheit fuͤr/ und wuſte der Tugend meiſterlich eine Farbe anzuſtreichen; Gleichwol aber hing er derſelben ſtets dieſen Schandfleck an/ daß ſie nicht wegen ihr ſelbſt/ ſondern nur wegen ihrer viel edlern Tochter/ nemlich der Wolluſt zu lieben waͤre. Hernach kam er auff natuͤrliche Dinge/ und lehrte uns/ daß die Welt/ nicht nach des Hera- clitus Meinung/ aus Feuer/ nicht/ wie Thales lehrte/ aus Waſſer/ noch wie dem Pythagoras traͤumte/ aus Zahlen/ ſondern aus eitel durch- einander ſchwermenden Sonnen-Staͤublein/ ungefehr zuſammen gewachſen/ am allerwe- nigſten aber nach des Ariſtoteles Meinung und Einbildung ewig waͤre. Auff dieſen Schluß gruͤndete er ferner/ daß die Goͤtter ſich um die Welt und die Menſchen unbekuͤmmert/ alſo die vom Plato geruͤhmte goͤttliche Vorſor- ge und Verſehung ein bloſſer Traum waͤre/ ja die Goͤtter haͤtten nicht einmahl den Sinn der Tugend wol zu thun/ weniger Waffen und Macht die Boͤſen zu beſchaͤdigen. Die See- len der Menſchen verrauchten mit dem ſterben- den Leibe/ und haͤtten nach dem Tode weder Luſt noch Straffe zu er warten. Dahero waͤre die Entſchlagung aller Bekuͤmmernuͤß/ die Ruhe des Gemuͤthes das hoͤchſie Gut der Sterblichen/ wie der Muͤſiggang der Goͤtter. So viel wagte er ſich dem faſt unzehlbaren Hauf- fen ſeiner ſich taͤglich zu ihm draͤngenden Lehr- [Spaltenumbruch] linge fuͤrzutragen. Und wenn iemand uͤber etwas ihm einen Zweifel erregte; wuſte er durch ſpitzige Unterſcheidungen ſeine Saͤtze ſo meiſter- lich herum zu drehen/ daß es ſchien/ als wenn er die Goͤtter angebetet/ die Menſchen allerdings tugendhafft wiſſen wolte. Als er aber den Ca- jus und Lucius ſo gar geneigt zur Wolluſt ſahe; ließ er ſie und mich einmal in das innerſte Theil ſeines bewohnten Luſthauſes zu abſonderer Un- terweiſung leiten. Wir fanden daſelbſt an ihm gleichſam einen gantz andern Menſchen. An ſtatt des langen Mantels trug er nach Griechi- ſcher Art einen ſeidenen Rock der Edelen. Die Platte ſeines kahlen Kopffes war mit falſchen Haaren bedeckt. An den Armen und Fingern trug er guͤldene Geſchmeide und Ringe mit E- delgeſteinen. An den Fuͤſſen hatte er geſtickte Schuh mit kleinen Monden. Und von der Tracht der Weltweiſen war nichts/ als der lan- ge Bart uͤbrig; welcher aber mit Fleiß ausge- kaͤmmet/ und eingebalſamt; die Lippen mit Zinober geſchmuͤckt/ die Naͤgel verguͤldet/ und von ſeinen itzt Roſenfaͤrbichten Wangen das ſonſt aufgeſchmierete Bleyweiß/ welches ſie in ſeiner Schule ſonſt blaß machte/ abgewaſchen war. Der Saal/ darinnen er lehrte/ war mit allem nur erſinnlichen Vorrathe der Ver- ſchwendung/ inſonderheit aber mit denen geile- ſten Bildern ausgeſchmuͤckt. Fuͤr dem Unter- richte erqvickte er uns mit denen kraͤfftigſten Labſaln. Er badete uns mit wohlruͤchenden Waſſern/ falbete uns mit Syriſchen Balſamen/ und verſchwendete allen Vorrath des uͤppigen Aſiens. Hierauf machte er eine weitſchweiffige Rede von ſeiner gegen uns tragenden Gewo- genheit/ und daß dieſe ihn noͤthigte wiewol mit ſeiner Gefahr das Geheimnuͤß der wahren Weltweißheit zu offenbaren. Nach dem er uns nun gleichſam nach dieſem verborgenen Schatz ſeufzen ſahe; fing er an/ aller Weltweiſen Mei- nungen als Jrrthuͤmer zu verdammen/ und als Betruͤgereyen zu verfluchen. Die wahre Weiß- heit waͤre/ wiſſen/ daß kein Gott waͤre. Socra- tes
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0508" n="454"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Vierdtes Buch</hi></fw><lb/><cb/> Carneades zweiffeln/ mit dem Diogenes zuwei-<lb/> len uͤber die Schnur hauen/ mit dem Epicur<lb/> ſich beruhigen/ mit dem Zeno die Natur uͤber-<lb/> wuͤnden lernen/ und alſo ihm einen ieden Wei-<lb/> ſen nuͤtze machen; ſo brachte ſie es doch dahin/<lb/> daß weder Cajus noch Lucius ihn ferner hoͤren<lb/> dorften. Hingegen/ weil ihr und ihrem auff<lb/> den Tiberius geſetztem Abſehen daran gelegen<lb/> war/ daß beyde Kaͤyſerliche Enckel in den La-<lb/> ſtern erſteckt wuͤrden; half ſie mit des Mecenas<lb/> Einrathen dem Ariſtippus zu der Unterrich-<lb/> tung des Cajus und Lucius/ wie auch meiner.<lb/> Dieſer Verfuͤhrer trug uns anfangs zwar den<lb/> beſten Kern der Epicuriſchen Weißheit fuͤr/<lb/> und wuſte der Tugend meiſterlich eine Farbe<lb/> anzuſtreichen; Gleichwol aber hing er derſelben<lb/> ſtets dieſen Schandfleck an/ daß ſie nicht wegen<lb/> ihr ſelbſt/ ſondern nur wegen ihrer viel edlern<lb/> Tochter/ nemlich der Wolluſt zu lieben waͤre.<lb/> Hernach kam er auff natuͤrliche Dinge/ und<lb/> lehrte uns/ daß die Welt/ nicht nach des Hera-<lb/> clitus Meinung/ aus Feuer/ nicht/ wie Thales<lb/> lehrte/ aus Waſſer/ noch wie dem Pythagoras<lb/> traͤumte/ aus Zahlen/ ſondern aus eitel durch-<lb/> einander ſchwermenden Sonnen-Staͤublein/<lb/> ungefehr zuſammen gewachſen/ am allerwe-<lb/> nigſten aber nach des Ariſtoteles Meinung<lb/> und Einbildung ewig waͤre. Auff dieſen<lb/> Schluß gruͤndete er ferner/ daß die Goͤtter ſich<lb/> um die Welt und die Menſchen unbekuͤmmert/<lb/> alſo die vom Plato geruͤhmte goͤttliche Vorſor-<lb/> ge und Verſehung ein bloſſer Traum waͤre/ ja<lb/> die Goͤtter haͤtten nicht einmahl den Sinn der<lb/> Tugend wol zu thun/ weniger Waffen und<lb/> Macht die Boͤſen zu beſchaͤdigen. Die See-<lb/> len der Menſchen verrauchten mit dem ſterben-<lb/> den Leibe/ und haͤtten nach dem Tode weder<lb/> Luſt noch Straffe zu er warten. Dahero waͤre<lb/> die Entſchlagung aller Bekuͤmmernuͤß/ die<lb/> Ruhe des Gemuͤthes das hoͤchſie Gut der<lb/> Sterblichen/ wie der Muͤſiggang der Goͤtter.<lb/> So viel wagte er ſich dem faſt unzehlbaren Hauf-<lb/> fen ſeiner ſich taͤglich zu ihm draͤngenden Lehr-<lb/><cb/> linge fuͤrzutragen. Und wenn iemand uͤber<lb/> etwas ihm einen Zweifel erregte; wuſte er durch<lb/> ſpitzige Unterſcheidungen ſeine Saͤtze ſo meiſter-<lb/> lich herum zu drehen/ daß es ſchien/ als wenn er<lb/> die Goͤtter angebetet/ die Menſchen allerdings<lb/> tugendhafft wiſſen wolte. Als er aber den Ca-<lb/> jus und Lucius ſo gar geneigt zur Wolluſt ſahe;<lb/> ließ er ſie und mich einmal in das innerſte Theil<lb/> ſeines bewohnten Luſthauſes zu abſonderer Un-<lb/> terweiſung leiten. Wir fanden daſelbſt an ihm<lb/> gleichſam einen gantz andern Menſchen. An<lb/> ſtatt des langen Mantels trug er nach Griechi-<lb/> ſcher Art einen ſeidenen Rock der Edelen. Die<lb/> Platte ſeines kahlen Kopffes war mit falſchen<lb/> Haaren bedeckt. An den Armen und Fingern<lb/> trug er guͤldene Geſchmeide und Ringe mit E-<lb/> delgeſteinen. An den Fuͤſſen hatte er geſtickte<lb/> Schuh mit kleinen Monden. Und von der<lb/> Tracht der Weltweiſen war nichts/ als der lan-<lb/> ge Bart uͤbrig; welcher aber mit Fleiß ausge-<lb/> kaͤmmet/ und eingebalſamt; die Lippen mit<lb/> Zinober geſchmuͤckt/ die Naͤgel verguͤldet/ und<lb/> von ſeinen itzt Roſenfaͤrbichten Wangen das<lb/> ſonſt aufgeſchmierete Bleyweiß/ welches ſie in<lb/> ſeiner Schule ſonſt blaß machte/ abgewaſchen<lb/> war. Der Saal/ darinnen er lehrte/ war mit<lb/> allem nur erſinnlichen Vorrathe der Ver-<lb/> ſchwendung/ inſonderheit aber mit denen geile-<lb/> ſten Bildern ausgeſchmuͤckt. Fuͤr dem Unter-<lb/> richte erqvickte er uns mit denen kraͤfftigſten<lb/> Labſaln. Er badete uns mit wohlruͤchenden<lb/> Waſſern/ falbete uns mit Syriſchen Balſamen/<lb/> und verſchwendete allen Vorrath des uͤppigen<lb/> Aſiens. Hierauf machte er eine weitſchweiffige<lb/> Rede von ſeiner gegen uns tragenden Gewo-<lb/> genheit/ und daß dieſe ihn noͤthigte wiewol mit<lb/> ſeiner Gefahr das Geheimnuͤß der wahren<lb/> Weltweißheit zu offenbaren. Nach dem er uns<lb/> nun gleichſam nach dieſem verborgenen Schatz<lb/> ſeufzen ſahe; fing er an/ aller Weltweiſen Mei-<lb/> nungen als Jrrthuͤmer zu verdammen/ und als<lb/> Betruͤgereyen zu verfluchen. Die wahre Weiß-<lb/> heit waͤre/ wiſſen/ daß kein Gott waͤre. Socra-<lb/> <fw place="bottom" type="catch">tes</fw><lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [454/0508]
Vierdtes Buch
Carneades zweiffeln/ mit dem Diogenes zuwei-
len uͤber die Schnur hauen/ mit dem Epicur
ſich beruhigen/ mit dem Zeno die Natur uͤber-
wuͤnden lernen/ und alſo ihm einen ieden Wei-
ſen nuͤtze machen; ſo brachte ſie es doch dahin/
daß weder Cajus noch Lucius ihn ferner hoͤren
dorften. Hingegen/ weil ihr und ihrem auff
den Tiberius geſetztem Abſehen daran gelegen
war/ daß beyde Kaͤyſerliche Enckel in den La-
ſtern erſteckt wuͤrden; half ſie mit des Mecenas
Einrathen dem Ariſtippus zu der Unterrich-
tung des Cajus und Lucius/ wie auch meiner.
Dieſer Verfuͤhrer trug uns anfangs zwar den
beſten Kern der Epicuriſchen Weißheit fuͤr/
und wuſte der Tugend meiſterlich eine Farbe
anzuſtreichen; Gleichwol aber hing er derſelben
ſtets dieſen Schandfleck an/ daß ſie nicht wegen
ihr ſelbſt/ ſondern nur wegen ihrer viel edlern
Tochter/ nemlich der Wolluſt zu lieben waͤre.
Hernach kam er auff natuͤrliche Dinge/ und
lehrte uns/ daß die Welt/ nicht nach des Hera-
clitus Meinung/ aus Feuer/ nicht/ wie Thales
lehrte/ aus Waſſer/ noch wie dem Pythagoras
traͤumte/ aus Zahlen/ ſondern aus eitel durch-
einander ſchwermenden Sonnen-Staͤublein/
ungefehr zuſammen gewachſen/ am allerwe-
nigſten aber nach des Ariſtoteles Meinung
und Einbildung ewig waͤre. Auff dieſen
Schluß gruͤndete er ferner/ daß die Goͤtter ſich
um die Welt und die Menſchen unbekuͤmmert/
alſo die vom Plato geruͤhmte goͤttliche Vorſor-
ge und Verſehung ein bloſſer Traum waͤre/ ja
die Goͤtter haͤtten nicht einmahl den Sinn der
Tugend wol zu thun/ weniger Waffen und
Macht die Boͤſen zu beſchaͤdigen. Die See-
len der Menſchen verrauchten mit dem ſterben-
den Leibe/ und haͤtten nach dem Tode weder
Luſt noch Straffe zu er warten. Dahero waͤre
die Entſchlagung aller Bekuͤmmernuͤß/ die
Ruhe des Gemuͤthes das hoͤchſie Gut der
Sterblichen/ wie der Muͤſiggang der Goͤtter.
So viel wagte er ſich dem faſt unzehlbaren Hauf-
fen ſeiner ſich taͤglich zu ihm draͤngenden Lehr-
linge fuͤrzutragen. Und wenn iemand uͤber
etwas ihm einen Zweifel erregte; wuſte er durch
ſpitzige Unterſcheidungen ſeine Saͤtze ſo meiſter-
lich herum zu drehen/ daß es ſchien/ als wenn er
die Goͤtter angebetet/ die Menſchen allerdings
tugendhafft wiſſen wolte. Als er aber den Ca-
jus und Lucius ſo gar geneigt zur Wolluſt ſahe;
ließ er ſie und mich einmal in das innerſte Theil
ſeines bewohnten Luſthauſes zu abſonderer Un-
terweiſung leiten. Wir fanden daſelbſt an ihm
gleichſam einen gantz andern Menſchen. An
ſtatt des langen Mantels trug er nach Griechi-
ſcher Art einen ſeidenen Rock der Edelen. Die
Platte ſeines kahlen Kopffes war mit falſchen
Haaren bedeckt. An den Armen und Fingern
trug er guͤldene Geſchmeide und Ringe mit E-
delgeſteinen. An den Fuͤſſen hatte er geſtickte
Schuh mit kleinen Monden. Und von der
Tracht der Weltweiſen war nichts/ als der lan-
ge Bart uͤbrig; welcher aber mit Fleiß ausge-
kaͤmmet/ und eingebalſamt; die Lippen mit
Zinober geſchmuͤckt/ die Naͤgel verguͤldet/ und
von ſeinen itzt Roſenfaͤrbichten Wangen das
ſonſt aufgeſchmierete Bleyweiß/ welches ſie in
ſeiner Schule ſonſt blaß machte/ abgewaſchen
war. Der Saal/ darinnen er lehrte/ war mit
allem nur erſinnlichen Vorrathe der Ver-
ſchwendung/ inſonderheit aber mit denen geile-
ſten Bildern ausgeſchmuͤckt. Fuͤr dem Unter-
richte erqvickte er uns mit denen kraͤfftigſten
Labſaln. Er badete uns mit wohlruͤchenden
Waſſern/ falbete uns mit Syriſchen Balſamen/
und verſchwendete allen Vorrath des uͤppigen
Aſiens. Hierauf machte er eine weitſchweiffige
Rede von ſeiner gegen uns tragenden Gewo-
genheit/ und daß dieſe ihn noͤthigte wiewol mit
ſeiner Gefahr das Geheimnuͤß der wahren
Weltweißheit zu offenbaren. Nach dem er uns
nun gleichſam nach dieſem verborgenen Schatz
ſeufzen ſahe; fing er an/ aller Weltweiſen Mei-
nungen als Jrrthuͤmer zu verdammen/ und als
Betruͤgereyen zu verfluchen. Die wahre Weiß-
heit waͤre/ wiſſen/ daß kein Gott waͤre. Socra-
tes
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |