Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689.Arminius und Thußnelda. [Spaltenumbruch]
Taube wegen Müdigkeit sich im feindlichen Lä-ger auff eine Fahne nieder gesetzt/ mit ihren Hülffs-Brieffen erwischet/ ihr andere widrige Brieffe angebunden/ und darmit in die Stadt zu fliegen frey gelassen worden. Der Feldherr redete darzwischen: Es wären diese Botschaff- ken freylich wohl eben so zweiffelhafft/ als der Hunde/ welche mehrmahls durch feindliche Lä- ger mit nützlicher Nachricht durchkommen/ zu- weilen aber auch zum Schaden erwischt worden wären. Jedoch liessen sie sich sicher gebrauchen/ wenn man gezifferte Brieffe schriebe/ die nie- mand/ als der sie empfangen solte/ lesen könte. Hertzog Flavius fing hierauff an: Er hielte für rathsam/ daß ein Fürst alle seine Brieffe/ an de- nen etwas gelegen/ und welche in feindliche Hände fallen könten/ mit solchen unkenntlichen Buchstaben schreiben solte; wie denn Käyser Au- gust seines Wissens dieses Geheimniß mit ei- nem andern/ gewisse Kennzeichen abzureden/ er- funden; Käyser Julius noch nur/ wenn er was Geheimes ir gends wohin schreiben wollen/ ei- ner andern daselbst ungemeinen Sprache Buchstaben gebraucht hätte. Jnsonderheit hätte er nach der Niederlage des Lollius iedem Landvogte eine absondere Art Zieffern zu gehei- mer Brieffwechselung überschicket/ auch ihre jährige Verwaltungen durchdringend noch auf ein Jahr verlängert/ wormit selbte als der Län- der erfahrne/ und derer die Völcker schon ge- wohnt wären/ alles so viel leichter in Ruh erhal- ten könten. Der Feldherr fing hierauff an: Die Tieffsinnigkeit der Menschen er grübelt nunmehr nicht alleine die Geheimniße der Schrifften/ sondern sie erfindet auch Angeln das verborgenste aus denen verschlossensten Hertzen herfür zu ziehen. Er hätte in seiner väterlichen Erbschafft die Kunst in einem Buche verzeichnet gefunden/ wie man die gezifferten Brieffe auffschlüssen könte/ und wäre der Feld- herr Segimer darinnen ein Meister gewest/ welchem niemals einiger Brieff zu handen kom- men wäre/ den er nicht ausgelegt/ und dar- [Spaltenumbruch] durch den Nahmen des deutschen Oedipus er- worben hätte. Unterdessen wäre gleichwohl die geheime Schreibens-Artin keinerley Wei- se zu verwerffen/ weil in Griechenland selbten mehr als einer gefunden würden/ die die Räth- sel eines Sphynx auffzulösen wüste. Sonst a- ber merckte er aus des Flavius Erzehlung/ daß der Deutschen Sieg gleichwol zu Rom nicht ge- ringes Schrecken verursacht haben müsse. Fla- vius antwortete: Er versicherte sie/ daß es grös- ser gewest/ als da Hannibal für den Römischen Thoren gestanden. Jn gantz Jtalien hätte al- les nach Rom geflüchtet/ in Rom aber alles ge- zittert und gebebet/ indem die fremden Hülffs- Völcker alle mit drauff gegangen/ die Grentz- Festungen des Volcks entblösset/ die junge Bür- gerschafft zu Rom durch den Pannonischen und Deutschen Krieg gantz erschöpfft wären/ ja zu Rom schon die gemeine Rede gegangen/ daß die Deutschen geraden Weges gegen Rom anzö- gen/ und schon nahe unter den Alpen stünden/ um ihrer Vorfahren Fußstapffen nach zu tre- ten/ und die vom Marius empfangene Wun- den zu rächen. Ob nun wohl der Keyser zu Be- setzung des Gebürges neue Werbungen ange- stellet/ hätte doch fast niemand des rechten Al- ters wider einen so tapffern Feind sich wollen einschreiben lassen/ also daß der Käyser die sich weigernden Bürger zum Loß gezwungen/ und aus denen/ die noch nicht dreißig Jahr alt/ den fünfften/ aus denen ältern den zehenden/ aller Güter und Ehren entsetzt; ja als auch diß noch nicht geholffen/ etliche tödten lassen. Das dem Tiberius wegen des Pannonischen Krieges be- stimmte Siegs-Gepränge und andere Schau- Spiele hätten müssen nachbleiben; und es wä- ren in Rom alle Plätze mit starcken Wachten wider allen besorglichen Auffruhr besetzt wor- den. Der Käyser selbst/ der vorhin bey vielen grossen Unglücksfällen nicht nur ein unverän- dertes Gesichte behalten/ sondern auch um sein unerschrockenes Gemüthe zu zeigen Gefähr- ligkeiten gewünschet/ und darbey seine Ehrsucht aus- K k k 3
Arminius und Thußnelda. [Spaltenumbruch]
Taube wegen Muͤdigkeit ſich im feindlichen Laͤ-ger auff eine Fahne nieder geſetzt/ mit ihren Huͤlffs-Brieffen erwiſchet/ ihr andere widrige Brieffe angebunden/ und darmit in die Stadt zu fliegen frey gelaſſen worden. Der Feldherr redete darzwiſchen: Es waͤren dieſe Botſchaff- ken freylich wohl eben ſo zweiffelhafft/ als der Hunde/ welche mehrmahls durch feindliche Laͤ- ger mit nuͤtzlicher Nachricht durchkommen/ zu- weilen aber auch zum Schaden erwiſcht worden waͤren. Jedoch lieſſen ſie ſich ſicher gebrauchen/ wenn man gezifferte Brieffe ſchriebe/ die nie- mand/ als der ſie empfangen ſolte/ leſen koͤnte. Hertzog Flavius fing hierauff an: Er hielte fuͤr rathſam/ daß ein Fuͤrſt alle ſeine Brieffe/ an de- nen etwas gelegen/ und welche in feindliche Haͤnde fallen koͤnten/ mit ſolchen unkenntlichen Buchſtaben ſchreiben ſolte; wie denn Kaͤyſer Au- guſt ſeines Wiſſens dieſes Geheimniß mit ei- nem andern/ gewiſſe Kennzeichen abzureden/ er- funden; Kaͤyſer Julius noch nur/ wenn er was Geheimes ir gends wohin ſchreiben wollen/ ei- ner andern daſelbſt ungemeinen Sprache Buchſtaben gebraucht haͤtte. Jnſonderheit haͤtte er nach der Niederlage des Lollius iedem Landvogte eine abſondere Art Zieffern zu gehei- mer Brieffwechſelung uͤberſchicket/ auch ihre jaͤhrige Verwaltungen durchdringend noch auf ein Jahr verlaͤngert/ wormit ſelbte als der Laͤn- der erfahrne/ und derer die Voͤlcker ſchon ge- wohnt waͤren/ alles ſo viel leichter in Ruh erhal- ten koͤnten. Der Feldherr fing hierauff an: Die Tieffſinnigkeit der Menſchen er gruͤbelt nunmehr nicht alleine die Geheimniße der Schrifften/ ſondern ſie erfindet auch Angeln das verborgenſte aus denen verſchloſſenſten Hertzen herfuͤr zu ziehen. Er haͤtte in ſeiner vaͤterlichen Erbſchafft die Kunſt in einem Buche verzeichnet gefunden/ wie man die gezifferten Brieffe auffſchluͤſſen koͤnte/ und waͤre der Feld- herr Segimer darinnen ein Meiſter geweſt/ welchem niemals einiger Brieff zu handen kom- men waͤre/ den er nicht ausgelegt/ und dar- [Spaltenumbruch] durch den Nahmen des deutſchen Oedipus er- worben haͤtte. Unterdeſſen waͤre gleichwohl die geheime Schreibens-Artin keinerley Wei- ſe zu verwerffen/ weil in Griechenland ſelbten mehr als einer gefunden wuͤrden/ die die Raͤth- ſel eines Sphynx auffzuloͤſen wuͤſte. Sonſt a- ber merckte er aus des Flavius Erzehlung/ daß der Deutſchen Sieg gleichwol zu Rom nicht ge- ringes Schrecken verurſacht haben muͤſſe. Fla- vius antwortete: Er verſicherte ſie/ daß es groͤſ- ſer geweſt/ als da Hannibal fuͤr den Roͤmiſchen Thoren geſtanden. Jn gantz Jtalien haͤtte al- les nach Rom gefluͤchtet/ in Rom aber alles ge- zittert und gebebet/ indem die fremden Huͤlffs- Voͤlcker alle mit drauff gegangen/ die Grentz- Feſtungen des Volcks entbloͤſſet/ die junge Buͤr- gerſchafft zu Rom durch den Pannoniſchen und Deutſchen Krieg gantz erſchoͤpfft waͤren/ ja zu Rom ſchon die gemeine Rede gegangen/ daß die Deutſchen geraden Weges gegen Rom anzoͤ- gen/ und ſchon nahe unter den Alpen ſtuͤnden/ um ihrer Vorfahren Fußſtapffen nach zu tre- ten/ und die vom Marius empfangene Wun- den zu raͤchen. Ob nun wohl der Keyſer zu Be- ſetzung des Gebuͤrges neue Werbungen ange- ſtellet/ haͤtte doch faſt niemand des rechten Al- ters wider einen ſo tapffern Feind ſich wollen einſchreiben laſſen/ alſo daß der Kaͤyſer die ſich weigernden Buͤrger zum Loß gezwungen/ und aus denen/ die noch nicht dreißig Jahr alt/ den fuͤnfften/ aus denen aͤltern den zehenden/ aller Guͤter und Ehren entſetzt; ja als auch diß noch nicht geholffen/ etliche toͤdten laſſen. Das dem Tiberius wegen des Pannoniſchen Krieges be- ſtimmte Siegs-Gepraͤnge und andere Schau- Spiele haͤtten muͤſſen nachbleiben; und es waͤ- ren in Rom alle Plaͤtze mit ſtarcken Wachten wider allen beſorglichen Auffruhr beſetzt wor- den. Der Kaͤyſer ſelbſt/ der vorhin bey vielen groſſen Ungluͤcksfaͤllen nicht nur ein unveraͤn- dertes Geſichte behalten/ ſondern auch um ſein unerſchrockenes Gemuͤthe zu zeigen Gefaͤhr- ligkeiten gewuͤnſchet/ und darbey ſeine Ehrſucht aus- K k k 3
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Arminius und Thußnelda.
Taube wegen Muͤdigkeit ſich im feindlichen Laͤ-
ger auff eine Fahne nieder geſetzt/ mit ihren
Huͤlffs-Brieffen erwiſchet/ ihr andere widrige
Brieffe angebunden/ und darmit in die Stadt
zu fliegen frey gelaſſen worden. Der Feldherr
redete darzwiſchen: Es waͤren dieſe Botſchaff-
ken freylich wohl eben ſo zweiffelhafft/ als der
Hunde/ welche mehrmahls durch feindliche Laͤ-
ger mit nuͤtzlicher Nachricht durchkommen/ zu-
weilen aber auch zum Schaden erwiſcht worden
waͤren. Jedoch lieſſen ſie ſich ſicher gebrauchen/
wenn man gezifferte Brieffe ſchriebe/ die nie-
mand/ als der ſie empfangen ſolte/ leſen koͤnte.
Hertzog Flavius fing hierauff an: Er hielte fuͤr
rathſam/ daß ein Fuͤrſt alle ſeine Brieffe/ an de-
nen etwas gelegen/ und welche in feindliche
Haͤnde fallen koͤnten/ mit ſolchen unkenntlichen
Buchſtaben ſchreiben ſolte; wie denn Kaͤyſer Au-
guſt ſeines Wiſſens dieſes Geheimniß mit ei-
nem andern/ gewiſſe Kennzeichen abzureden/ er-
funden; Kaͤyſer Julius noch nur/ wenn er was
Geheimes ir gends wohin ſchreiben wollen/ ei-
ner andern daſelbſt ungemeinen Sprache
Buchſtaben gebraucht haͤtte. Jnſonderheit
haͤtte er nach der Niederlage des Lollius iedem
Landvogte eine abſondere Art Zieffern zu gehei-
mer Brieffwechſelung uͤberſchicket/ auch ihre
jaͤhrige Verwaltungen durchdringend noch auf
ein Jahr verlaͤngert/ wormit ſelbte als der Laͤn-
der erfahrne/ und derer die Voͤlcker ſchon ge-
wohnt waͤren/ alles ſo viel leichter in Ruh erhal-
ten koͤnten. Der Feldherr fing hierauff an:
Die Tieffſinnigkeit der Menſchen er gruͤbelt
nunmehr nicht alleine die Geheimniße der
Schrifften/ ſondern ſie erfindet auch Angeln
das verborgenſte aus denen verſchloſſenſten
Hertzen herfuͤr zu ziehen. Er haͤtte in ſeiner
vaͤterlichen Erbſchafft die Kunſt in einem Buche
verzeichnet gefunden/ wie man die gezifferten
Brieffe auffſchluͤſſen koͤnte/ und waͤre der Feld-
herr Segimer darinnen ein Meiſter geweſt/
welchem niemals einiger Brieff zu handen kom-
men waͤre/ den er nicht ausgelegt/ und dar-
durch den Nahmen des deutſchen Oedipus er-
worben haͤtte. Unterdeſſen waͤre gleichwohl
die geheime Schreibens-Artin keinerley Wei-
ſe zu verwerffen/ weil in Griechenland ſelbten
mehr als einer gefunden wuͤrden/ die die Raͤth-
ſel eines Sphynx auffzuloͤſen wuͤſte. Sonſt a-
ber merckte er aus des Flavius Erzehlung/ daß
der Deutſchen Sieg gleichwol zu Rom nicht ge-
ringes Schrecken verurſacht haben muͤſſe. Fla-
vius antwortete: Er verſicherte ſie/ daß es groͤſ-
ſer geweſt/ als da Hannibal fuͤr den Roͤmiſchen
Thoren geſtanden. Jn gantz Jtalien haͤtte al-
les nach Rom gefluͤchtet/ in Rom aber alles ge-
zittert und gebebet/ indem die fremden Huͤlffs-
Voͤlcker alle mit drauff gegangen/ die Grentz-
Feſtungen des Volcks entbloͤſſet/ die junge Buͤr-
gerſchafft zu Rom durch den Pannoniſchen und
Deutſchen Krieg gantz erſchoͤpfft waͤren/ ja zu
Rom ſchon die gemeine Rede gegangen/ daß die
Deutſchen geraden Weges gegen Rom anzoͤ-
gen/ und ſchon nahe unter den Alpen ſtuͤnden/
um ihrer Vorfahren Fußſtapffen nach zu tre-
ten/ und die vom Marius empfangene Wun-
den zu raͤchen. Ob nun wohl der Keyſer zu Be-
ſetzung des Gebuͤrges neue Werbungen ange-
ſtellet/ haͤtte doch faſt niemand des rechten Al-
ters wider einen ſo tapffern Feind ſich wollen
einſchreiben laſſen/ alſo daß der Kaͤyſer die ſich
weigernden Buͤrger zum Loß gezwungen/ und
aus denen/ die noch nicht dreißig Jahr alt/ den
fuͤnfften/ aus denen aͤltern den zehenden/ aller
Guͤter und Ehren entſetzt; ja als auch diß noch
nicht geholffen/ etliche toͤdten laſſen. Das dem
Tiberius wegen des Pannoniſchen Krieges be-
ſtimmte Siegs-Gepraͤnge und andere Schau-
Spiele haͤtten muͤſſen nachbleiben; und es waͤ-
ren in Rom alle Plaͤtze mit ſtarcken Wachten
wider allen beſorglichen Auffruhr beſetzt wor-
den. Der Kaͤyſer ſelbſt/ der vorhin bey vielen
groſſen Ungluͤcksfaͤllen nicht nur ein unveraͤn-
dertes Geſichte behalten/ ſondern auch um ſein
unerſchrockenes Gemuͤthe zu zeigen Gefaͤhr-
ligkeiten gewuͤnſchet/ und darbey ſeine Ehrſucht
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Zitationshilfe: | Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689, S. 445. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lohenstein_feldherr01_1689/499>, abgerufen am 16.07.2024. |