Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689.

Bild:
<< vorherige Seite

Vierdtes Buch
[Spaltenumbruch] Nachdencken auf und nieder/ kam hierauf wie-
der zu Livien mit diesen Worten: Es ist nie-
mand Juliens fähig als ihr Sohn Tiberius.
Die Käyserin ward hierüber mit einer so uner-
mäßlichen Freude überschüttet/ daß wie viel sie
gleich wider beyderley Glücke vermochte/ den-
noch Noth hatte solche zu verstellen. Diese
Empfindligkeit aber bekleidete sie mit diesem be-
fremdenden Einwurffe: Mit was Rechte oder
Schein könte der Julien ehlichen/ dem die so
schöne Vipsania Agrippina/ die Marcus A-
grippa mit des Pomponius Atticus Tochter ge-
zeugt hätte/ vermählet wäre? Augustus begeg-
nete ihr: Mit eben dem Rechte/ als die Juno Ju-
pitern verlassen/ und die Stadt Stymphalus
für den Himmel erkieset/ als Penelope vom U-
lysses sich getrennet und nach Sparta geflüchtet/
endlich ich selbst Scribonien verstossen/ und sie
geheyrathet habe. Dannenhero solte sie ohne
einige Zeitverspielung dem Tiberius seine Ent-
schlüssung einhalten/ und auf allen Fall zum
End-Urthel eröfnen/ daß das gemeine Heil ei-
nem Bürger viel näher/ als sein liebstes Ehe-
weib angetrauet wäre. Livia war zu dem/ was
sie hertzinniglich verlangte/ unschwer zu bere-
den; denn ob sie wol wuste/ daß ihr Sohn Dru-
sus vom Käyser zum Reiche bestimmt war; so
gönnte sie doch entweder dem Tiberius diese
Würde lieber/ oder sie wolte auf den Fall/ da die
irrdischen Zufälle dem einen den Compaß ver-
rückten/ für beyde Söhne den Grund legen/ als
ihre Hoffnung lieber mit zwey/ als einem An-
cker befestigen/ und für ihr eigenes Glücke eine
Zwickmühle behalten. Wie sie nun vernahm/
daß Tiberius auf das an dem Albanischen See
liegende Vorwerg des Pompejus gereiset war/
folgte sie ihm noch selbigen Tag nach/ fand ihn
aber in dem unferne darvon aufgebauten Tem-
pel der Venus/ welcher auf Liviens Nachfrage/
was ihn für eine Andacht dahin triebe/ antwor-
tete: Sie wüste ja wol/ daß seine Gemahlin ho-
hen Leibes gienge/ also hätte er der gebähren-
[Spaltenumbruch] den Venus daselbst für glückliche Genesung
schuldige Opffer gebracht. Livia lächelte und
fing an: Jn Warheit/ ich kan dich besser als hie-
fige Priester versichern/ daß die Göttin dich er-
höret/ und dir mehr/ als du verlanget hast/ zuge-
dacht habe. Tiberius ward durch diese Rede
und Liviens überaus freudige Gebehrdung
sein Glücke zu vernehmen begierig; welchem sie
denn auch endlich entdeckte/ daß ihm der Käyser
Julien vermählen wolte. Tiberius nahm es
Anfangs für Schertz auf/ und fragte: Ob denn
der Käyser in Rom mehr als eine Frau zu ehli-
chen verstatten wolte? Livia versetzte: Zwar
dieses ist der Käyser nicht gemeinet; aber unsere
Sitten erlauben wohl/ und ich selbst diene dir
zum Beyspiele/ daß man wol eine weg lassen/
und eine neue erkiesen möge. Tiberius er-
schrack über dieser Auslegung/ und wie bedacht-
sam er gleich sonst in seinen Entschlüssen ver-
fuhr; so trieb ihn doch seine Liebe so sehr/ daß er
in die Worte ausbrach: Die Götter wollen
mich in diesen Wanckelmuth nicht einsincken
lassen/ daß ich meine getreueste Vipsania/ die
Mutter meiner einigen Hoffnung nehmlich
des jungen Drusus/ und die itzt wieder in so hei-
ligen Banden gehet/ undanckbar verstossen;
auch für eine so keusche Gemahlin die geile Julia
erkiesen solte! Livia brach ihm ein: Er solte zu-
rück halten von der so verkleinerlich zu sprechen/
die des Käysers Tochter und seine unvermeidli-
che Braut wäre; auch der Wahrheit durch
Leichtgläubigkeit eitelen oder verläumdischen
Ruffes nicht alsobald Abbruch thun. Tiberius
antwortete: Seine Einwendung bestünde
nicht auf fremdem Argwohn/ sondern auf eige-
ner Erfahrung; indem Julia noch bey Lebzei-
ten des Agrippa gegen ihm selbst feil gemacht
hatte/ was eine ehrliche Frau für allen/ auser ih-
rem Ehherrn/ verborgen halten solte. Livia be-
gegnete ihm: So viel mehr hastu die Grösse der
Liebe/ die Julia zu dir trägt/ zu ermessen. Aber
warum redest du/ oder ich mit dir von der Liebe/

wel-

Vierdtes Buch
[Spaltenumbruch] Nachdencken auf und nieder/ kam hierauf wie-
der zu Livien mit dieſen Worten: Es iſt nie-
mand Juliens faͤhig als ihr Sohn Tiberius.
Die Kaͤyſerin ward hieruͤber mit einer ſo uner-
maͤßlichen Freude uͤberſchuͤttet/ daß wie viel ſie
gleich wider beyderley Gluͤcke vermochte/ den-
noch Noth hatte ſolche zu verſtellen. Dieſe
Empfindligkeit aber bekleidete ſie mit dieſem be-
fremdenden Einwurffe: Mit was Rechte oder
Schein koͤnte der Julien ehlichen/ dem die ſo
ſchoͤne Vipſania Agrippina/ die Marcus A-
grippa mit des Pomponius Atticus Tochter ge-
zeugt haͤtte/ vermaͤhlet waͤre? Auguſtus begeg-
nete ihr: Mit eben dem Rechte/ als die Juno Ju-
pitern verlaſſen/ und die Stadt Stymphalus
fuͤr den Himmel erkieſet/ als Penelope vom U-
lyſſes ſich getrennet und nach Spaꝛta gefluͤchtet/
endlich ich ſelbſt Scribonien verſtoſſen/ und ſie
geheyrathet habe. Dannenhero ſolte ſie ohne
einige Zeitverſpielung dem Tiberius ſeine Ent-
ſchluͤſſung einhalten/ und auf allen Fall zum
End-Urthel eroͤfnen/ daß das gemeine Heil ei-
nem Buͤrger viel naͤher/ als ſein liebſtes Ehe-
weib angetrauet waͤre. Livia war zu dem/ was
ſie hertzinniglich verlangte/ unſchwer zu bere-
den; denn ob ſie wol wuſte/ daß ihr Sohn Dru-
ſus vom Kaͤyſer zum Reiche beſtimmt war; ſo
goͤnnte ſie doch entweder dem Tiberius dieſe
Wuͤrde lieber/ oder ſie wolte auf den Fall/ da die
irrdiſchen Zufaͤlle dem einen den Compaß ver-
ruͤckten/ fuͤr beyde Soͤhne den Grund legen/ als
ihre Hoffnung lieber mit zwey/ als einem An-
cker befeſtigen/ und fuͤr ihr eigenes Gluͤcke eine
Zwickmuͤhle behalten. Wie ſie nun vernahm/
daß Tiberius auf das an dem Albaniſchen See
liegende Vorwerg des Pompejus gereiſet war/
folgte ſie ihm noch ſelbigen Tag nach/ fand ihn
aber in dem unferne darvon aufgebauten Tem-
pel der Venus/ welcher auf Liviens Nachfrage/
was ihn fuͤr eine Andacht dahin triebe/ antwor-
tete: Sie wuͤſte ja wol/ daß ſeine Gemahlin ho-
hen Leibes gienge/ alſo haͤtte er der gebaͤhren-
[Spaltenumbruch] den Venus daſelbſt fuͤr gluͤckliche Geneſung
ſchuldige Opffer gebracht. Livia laͤchelte und
fing an: Jn Warheit/ ich kan dich beſſer als hie-
fige Prieſter verſichern/ daß die Goͤttin dich er-
hoͤret/ und dir mehr/ als du verlanget haſt/ zuge-
dacht habe. Tiberius ward durch dieſe Rede
und Liviens uͤberaus freudige Gebehrdung
ſein Gluͤcke zu vernehmen begierig; welchem ſie
denn auch endlich entdeckte/ daß ihm der Kaͤyſer
Julien vermaͤhlen wolte. Tiberius nahm es
Anfangs fuͤr Schertz auf/ und fragte: Ob denn
der Kaͤyſer in Rom mehr als eine Frau zu ehli-
chen verſtatten wolte? Livia verſetzte: Zwar
dieſes iſt der Kaͤyſer nicht gemeinet; aber unſere
Sitten erlauben wohl/ und ich ſelbſt diene dir
zum Beyſpiele/ daß man wol eine weg laſſen/
und eine neue erkieſen moͤge. Tiberius er-
ſchrack uͤber dieſer Auslegung/ und wie bedacht-
ſam er gleich ſonſt in ſeinen Entſchluͤſſen ver-
fuhr; ſo trieb ihn doch ſeine Liebe ſo ſehr/ daß er
in die Worte ausbrach: Die Goͤtter wollen
mich in dieſen Wanckelmuth nicht einſincken
laſſen/ daß ich meine getreueſte Vipſania/ die
Mutter meiner einigen Hoffnung nehmlich
des jungen Druſus/ und die itzt wieder in ſo hei-
ligen Banden gehet/ undanckbar verſtoſſen;
auch fuͤr eine ſo keuſche Gemahlin die geile Julia
erkieſen ſolte! Livia brach ihm ein: Er ſolte zu-
ruͤck halten von der ſo verkleinerlich zu ſprechen/
die des Kaͤyſers Tochter und ſeine unvermeidli-
che Braut waͤre; auch der Wahrheit durch
Leichtglaͤubigkeit eitelen oder verlaͤumdiſchen
Ruffes nicht alſobald Abbruch thun. Tiberius
antwortete: Seine Einwendung beſtuͤnde
nicht auf fremdem Argwohn/ ſondern auf eige-
ner Erfahrung; indem Julia noch bey Lebzei-
ten des Agrippa gegen ihm ſelbſt feil gemacht
hatte/ was eine ehrliche Frau fuͤr allen/ auſer ih-
rem Ehherrn/ verborgen halten ſolte. Livia be-
gegnete ihm: So viel mehr haſtu die Groͤſſe der
Liebe/ die Julia zu dir traͤgt/ zu ermeſſen. Aber
warum redeſt du/ oder ich mit dir von der Liebe/

wel-
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0458" n="404"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Vierdtes Buch</hi></fw><lb/><cb/>
Nachdencken auf und nieder/ kam hierauf wie-<lb/>
der zu Livien mit die&#x017F;en Worten: Es i&#x017F;t nie-<lb/>
mand Juliens fa&#x0364;hig als ihr Sohn Tiberius.<lb/>
Die Ka&#x0364;y&#x017F;erin ward hieru&#x0364;ber mit einer &#x017F;o uner-<lb/>
ma&#x0364;ßlichen Freude u&#x0364;ber&#x017F;chu&#x0364;ttet/ daß wie viel &#x017F;ie<lb/>
gleich wider beyderley Glu&#x0364;cke vermochte/ den-<lb/>
noch Noth hatte &#x017F;olche zu ver&#x017F;tellen. Die&#x017F;e<lb/>
Empfindligkeit aber bekleidete &#x017F;ie mit die&#x017F;em be-<lb/>
fremdenden Einwurffe: Mit was Rechte oder<lb/>
Schein ko&#x0364;nte der Julien ehlichen/ dem die &#x017F;o<lb/>
&#x017F;cho&#x0364;ne Vip&#x017F;ania Agrippina/ die Marcus A-<lb/>
grippa mit des Pomponius Atticus Tochter ge-<lb/>
zeugt ha&#x0364;tte/ verma&#x0364;hlet wa&#x0364;re? Augu&#x017F;tus begeg-<lb/>
nete ihr: Mit eben dem Rechte/ als die Juno Ju-<lb/>
pitern verla&#x017F;&#x017F;en/ und die Stadt Stymphalus<lb/>
fu&#x0364;r den Himmel erkie&#x017F;et/ als Penelope vom U-<lb/>
ly&#x017F;&#x017F;es &#x017F;ich getrennet und nach Spa&#xA75B;ta geflu&#x0364;chtet/<lb/>
endlich ich &#x017F;elb&#x017F;t Scribonien ver&#x017F;to&#x017F;&#x017F;en/ und &#x017F;ie<lb/>
geheyrathet habe. Dannenhero &#x017F;olte &#x017F;ie ohne<lb/>
einige Zeitver&#x017F;pielung dem Tiberius &#x017F;eine Ent-<lb/>
&#x017F;chlu&#x0364;&#x017F;&#x017F;ung einhalten/ und auf allen Fall zum<lb/>
End-Urthel ero&#x0364;fnen/ daß das gemeine Heil ei-<lb/>
nem Bu&#x0364;rger viel na&#x0364;her/ als &#x017F;ein lieb&#x017F;tes Ehe-<lb/>
weib angetrauet wa&#x0364;re. Livia war zu dem/ was<lb/>
&#x017F;ie hertzinniglich verlangte/ un&#x017F;chwer zu bere-<lb/>
den; denn ob &#x017F;ie wol wu&#x017F;te/ daß ihr Sohn Dru-<lb/>
&#x017F;us vom Ka&#x0364;y&#x017F;er zum Reiche be&#x017F;timmt war; &#x017F;o<lb/>
go&#x0364;nnte &#x017F;ie doch entweder dem Tiberius die&#x017F;e<lb/>
Wu&#x0364;rde lieber/ oder &#x017F;ie wolte auf den Fall/ da die<lb/>
irrdi&#x017F;chen Zufa&#x0364;lle dem einen den Compaß ver-<lb/>
ru&#x0364;ckten/ fu&#x0364;r beyde So&#x0364;hne den Grund legen/ als<lb/>
ihre Hoffnung lieber mit zwey/ als einem An-<lb/>
cker befe&#x017F;tigen/ und fu&#x0364;r ihr eigenes Glu&#x0364;cke eine<lb/>
Zwickmu&#x0364;hle behalten. Wie &#x017F;ie nun vernahm/<lb/>
daß Tiberius auf das an dem Albani&#x017F;chen See<lb/>
liegende Vorwerg des Pompejus gerei&#x017F;et war/<lb/>
folgte &#x017F;ie ihm noch &#x017F;elbigen Tag nach/ fand ihn<lb/>
aber in dem unferne darvon aufgebauten Tem-<lb/>
pel der Venus/ welcher auf Liviens Nachfrage/<lb/>
was ihn fu&#x0364;r eine Andacht dahin triebe/ antwor-<lb/>
tete: Sie wu&#x0364;&#x017F;te ja wol/ daß &#x017F;eine Gemahlin ho-<lb/>
hen Leibes gienge/ al&#x017F;o ha&#x0364;tte er der geba&#x0364;hren-<lb/><cb/>
den Venus da&#x017F;elb&#x017F;t fu&#x0364;r glu&#x0364;ckliche Gene&#x017F;ung<lb/>
&#x017F;chuldige Opffer gebracht. Livia la&#x0364;chelte und<lb/>
fing an: Jn Warheit/ ich kan dich be&#x017F;&#x017F;er als hie-<lb/>
fige Prie&#x017F;ter ver&#x017F;ichern/ daß die Go&#x0364;ttin dich er-<lb/>
ho&#x0364;ret/ und dir mehr/ als du verlanget ha&#x017F;t/ zuge-<lb/>
dacht habe. Tiberius ward durch die&#x017F;e Rede<lb/>
und Liviens u&#x0364;beraus freudige Gebehrdung<lb/>
&#x017F;ein Glu&#x0364;cke zu vernehmen begierig; welchem &#x017F;ie<lb/>
denn auch endlich entdeckte/ daß ihm der Ka&#x0364;y&#x017F;er<lb/>
Julien verma&#x0364;hlen wolte. Tiberius nahm es<lb/>
Anfangs fu&#x0364;r Schertz auf/ und fragte: Ob denn<lb/>
der Ka&#x0364;y&#x017F;er in Rom mehr als eine Frau zu ehli-<lb/>
chen ver&#x017F;tatten wolte? Livia ver&#x017F;etzte: Zwar<lb/>
die&#x017F;es i&#x017F;t der Ka&#x0364;y&#x017F;er nicht gemeinet; aber un&#x017F;ere<lb/>
Sitten erlauben wohl/ und ich &#x017F;elb&#x017F;t diene dir<lb/>
zum Bey&#x017F;piele/ daß man wol eine weg la&#x017F;&#x017F;en/<lb/>
und eine neue erkie&#x017F;en mo&#x0364;ge. Tiberius er-<lb/>
&#x017F;chrack u&#x0364;ber die&#x017F;er Auslegung/ und wie bedacht-<lb/>
&#x017F;am er gleich &#x017F;on&#x017F;t in &#x017F;einen Ent&#x017F;chlu&#x0364;&#x017F;&#x017F;en ver-<lb/>
fuhr; &#x017F;o trieb ihn doch &#x017F;eine Liebe &#x017F;o &#x017F;ehr/ daß er<lb/>
in die Worte ausbrach: Die Go&#x0364;tter wollen<lb/>
mich in die&#x017F;en Wanckelmuth nicht ein&#x017F;incken<lb/>
la&#x017F;&#x017F;en/ daß ich meine getreue&#x017F;te Vip&#x017F;ania/ die<lb/>
Mutter meiner einigen Hoffnung nehmlich<lb/>
des jungen Dru&#x017F;us/ und die itzt wieder in &#x017F;o hei-<lb/>
ligen Banden gehet/ undanckbar ver&#x017F;to&#x017F;&#x017F;en;<lb/>
auch fu&#x0364;r eine &#x017F;o keu&#x017F;che Gemahlin die geile Julia<lb/>
erkie&#x017F;en &#x017F;olte! Livia brach ihm ein: Er &#x017F;olte zu-<lb/>
ru&#x0364;ck halten von der &#x017F;o verkleinerlich zu &#x017F;prechen/<lb/>
die des Ka&#x0364;y&#x017F;ers Tochter und &#x017F;eine unvermeidli-<lb/>
che Braut wa&#x0364;re; auch der Wahrheit durch<lb/>
Leichtgla&#x0364;ubigkeit eitelen oder verla&#x0364;umdi&#x017F;chen<lb/>
Ruffes nicht al&#x017F;obald Abbruch thun. Tiberius<lb/>
antwortete: Seine Einwendung be&#x017F;tu&#x0364;nde<lb/>
nicht auf fremdem Argwohn/ &#x017F;ondern auf eige-<lb/>
ner Erfahrung; indem Julia noch bey Lebzei-<lb/>
ten des Agrippa gegen ihm &#x017F;elb&#x017F;t feil gemacht<lb/>
hatte/ was eine ehrliche Frau fu&#x0364;r allen/ au&#x017F;er ih-<lb/>
rem Ehherrn/ verborgen halten &#x017F;olte. Livia be-<lb/>
gegnete ihm: So viel mehr ha&#x017F;tu die Gro&#x0364;&#x017F;&#x017F;e der<lb/>
Liebe/ die Julia zu dir tra&#x0364;gt/ zu erme&#x017F;&#x017F;en. Aber<lb/>
warum rede&#x017F;t du/ oder ich mit dir von der Liebe/<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">wel-</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[404/0458] Vierdtes Buch Nachdencken auf und nieder/ kam hierauf wie- der zu Livien mit dieſen Worten: Es iſt nie- mand Juliens faͤhig als ihr Sohn Tiberius. Die Kaͤyſerin ward hieruͤber mit einer ſo uner- maͤßlichen Freude uͤberſchuͤttet/ daß wie viel ſie gleich wider beyderley Gluͤcke vermochte/ den- noch Noth hatte ſolche zu verſtellen. Dieſe Empfindligkeit aber bekleidete ſie mit dieſem be- fremdenden Einwurffe: Mit was Rechte oder Schein koͤnte der Julien ehlichen/ dem die ſo ſchoͤne Vipſania Agrippina/ die Marcus A- grippa mit des Pomponius Atticus Tochter ge- zeugt haͤtte/ vermaͤhlet waͤre? Auguſtus begeg- nete ihr: Mit eben dem Rechte/ als die Juno Ju- pitern verlaſſen/ und die Stadt Stymphalus fuͤr den Himmel erkieſet/ als Penelope vom U- lyſſes ſich getrennet und nach Spaꝛta gefluͤchtet/ endlich ich ſelbſt Scribonien verſtoſſen/ und ſie geheyrathet habe. Dannenhero ſolte ſie ohne einige Zeitverſpielung dem Tiberius ſeine Ent- ſchluͤſſung einhalten/ und auf allen Fall zum End-Urthel eroͤfnen/ daß das gemeine Heil ei- nem Buͤrger viel naͤher/ als ſein liebſtes Ehe- weib angetrauet waͤre. Livia war zu dem/ was ſie hertzinniglich verlangte/ unſchwer zu bere- den; denn ob ſie wol wuſte/ daß ihr Sohn Dru- ſus vom Kaͤyſer zum Reiche beſtimmt war; ſo goͤnnte ſie doch entweder dem Tiberius dieſe Wuͤrde lieber/ oder ſie wolte auf den Fall/ da die irrdiſchen Zufaͤlle dem einen den Compaß ver- ruͤckten/ fuͤr beyde Soͤhne den Grund legen/ als ihre Hoffnung lieber mit zwey/ als einem An- cker befeſtigen/ und fuͤr ihr eigenes Gluͤcke eine Zwickmuͤhle behalten. Wie ſie nun vernahm/ daß Tiberius auf das an dem Albaniſchen See liegende Vorwerg des Pompejus gereiſet war/ folgte ſie ihm noch ſelbigen Tag nach/ fand ihn aber in dem unferne darvon aufgebauten Tem- pel der Venus/ welcher auf Liviens Nachfrage/ was ihn fuͤr eine Andacht dahin triebe/ antwor- tete: Sie wuͤſte ja wol/ daß ſeine Gemahlin ho- hen Leibes gienge/ alſo haͤtte er der gebaͤhren- den Venus daſelbſt fuͤr gluͤckliche Geneſung ſchuldige Opffer gebracht. Livia laͤchelte und fing an: Jn Warheit/ ich kan dich beſſer als hie- fige Prieſter verſichern/ daß die Goͤttin dich er- hoͤret/ und dir mehr/ als du verlanget haſt/ zuge- dacht habe. Tiberius ward durch dieſe Rede und Liviens uͤberaus freudige Gebehrdung ſein Gluͤcke zu vernehmen begierig; welchem ſie denn auch endlich entdeckte/ daß ihm der Kaͤyſer Julien vermaͤhlen wolte. Tiberius nahm es Anfangs fuͤr Schertz auf/ und fragte: Ob denn der Kaͤyſer in Rom mehr als eine Frau zu ehli- chen verſtatten wolte? Livia verſetzte: Zwar dieſes iſt der Kaͤyſer nicht gemeinet; aber unſere Sitten erlauben wohl/ und ich ſelbſt diene dir zum Beyſpiele/ daß man wol eine weg laſſen/ und eine neue erkieſen moͤge. Tiberius er- ſchrack uͤber dieſer Auslegung/ und wie bedacht- ſam er gleich ſonſt in ſeinen Entſchluͤſſen ver- fuhr; ſo trieb ihn doch ſeine Liebe ſo ſehr/ daß er in die Worte ausbrach: Die Goͤtter wollen mich in dieſen Wanckelmuth nicht einſincken laſſen/ daß ich meine getreueſte Vipſania/ die Mutter meiner einigen Hoffnung nehmlich des jungen Druſus/ und die itzt wieder in ſo hei- ligen Banden gehet/ undanckbar verſtoſſen; auch fuͤr eine ſo keuſche Gemahlin die geile Julia erkieſen ſolte! Livia brach ihm ein: Er ſolte zu- ruͤck halten von der ſo verkleinerlich zu ſprechen/ die des Kaͤyſers Tochter und ſeine unvermeidli- che Braut waͤre; auch der Wahrheit durch Leichtglaͤubigkeit eitelen oder verlaͤumdiſchen Ruffes nicht alſobald Abbruch thun. Tiberius antwortete: Seine Einwendung beſtuͤnde nicht auf fremdem Argwohn/ ſondern auf eige- ner Erfahrung; indem Julia noch bey Lebzei- ten des Agrippa gegen ihm ſelbſt feil gemacht hatte/ was eine ehrliche Frau fuͤr allen/ auſer ih- rem Ehherrn/ verborgen halten ſolte. Livia be- gegnete ihm: So viel mehr haſtu die Groͤſſe der Liebe/ die Julia zu dir traͤgt/ zu ermeſſen. Aber warum redeſt du/ oder ich mit dir von der Liebe/ wel-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/lohenstein_feldherr01_1689
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/lohenstein_feldherr01_1689/458
Zitationshilfe: Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689, S. 404. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lohenstein_feldherr01_1689/458>, abgerufen am 23.11.2024.