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Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689.

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Arminius und Thußnelda.
[Spaltenumbruch] daß sie sich sämtlich mit einander wieder in Tem-
pel Dianens verfügten; unferne aber darvon
für ein glückseliges Zeichen wahrnahmen/ daß
ihnnen zwey Turteltauben entgegen geflogen
kamen. Wie nun Drusus auf Liviens Verfü-
gung auch im Tempel erschien/ eröfnete sie ihm
ihre bey Antonien nach Wunsch verrichtete
Werbung; und also musten beyde/ Drusus und
Antonia/ derer iedes auf des andern Unwillen
sich verlassen hatte/ für dem Altare der Diana
ihr Verlöbnüß vollziehen. Und nach dem sie
Dianen zwey weisse Ochsen/ dem Pilumnus a-
ber auf einem nahen Hügel eine Ziege geopffert
hatten/ kehrten sie zurück in das Vorwerg des
Käysers/ und den dritten Tag nach Rom/ all-
wo das Beylager mehr mit Liviens und Ju-
liens/ als der vermähleten Freude aufs präch-
tigste vollzogen ward. Denn die Liebe des
Drusus war gegen Julien derogestalt einge-
wurtzelt/ daß er Liviens Vorgeben/ als wenn er
und Julie der Scribonia Tochter vom Vater
Geschwister/ und beyde des Augustus Kinder
wären/ mehr für eine kluge Erfindung/ als für
Warheit aufnahm. Antonien aber blieb Ju-
lie ein steter Dorn in Augen; in dem sie die Zer-
störung der Liebe zwischen ihr und dem Lucius
Muräna/ dessen Verbergung ihr Angeden-
cken nicht ausleschte/ der arglistigen Julia allei-
ne zuschrieb.

Hingegen vermochte die Vielheit der Lieb-
haber Julien dero gestalt nicht zu ersättigen/ daß
sie nicht so wol den Drusus in seiner gegen ihr
gefangenen Liebe unterhielt/ und wormit sie
nicht gar verleschte/ nach und nach mehr Zunder
verlieh; als nach dem unerforschlichen Murä-
na Tag und Nacht seufzete. Unter ihren an-
wesenden Liebhabern aber war bey ihr keiner
mehr gesehen/ als Julius Antonius/ ein Römi-
scher Jüngling hohen Geschlechtes/ grossen
Vermögens/ und ausbündiger Schönheit.
Diesen hatte sie mit ihrem Liebes-Reitze deroge-
stalt bezaubert/ daß sie ihn mit einem Augen-
[Spaltenumbruch] winck/ wie der Mohr den Elefanten/ gleich als
an einer Schnur leiten konte. Nebst dem war
er entweder so verblendet/ daß er Juliens Zu-
halten mit andern Liebhabern für eine in blosse
Höfligkeit eingeschrenckte Freundligkeit ansah;
oder die seine Liebe überwiegende Ehrsucht ver-
ursachte/ daß er zu Juliens Uppigkeiten ein Au-
ge zudrückte; nach dem er ihm nebst Juliens
Heyrath von künfftiger Besitzung des Käyser-
thums was süsses träumen ließ. Julia merck-
te des Julius Antonius Absehn nicht allein w[o]l/
sondern sie wuste auch meisterlich ihn mit dem
Winde dieser Eitelkeit zu speisen. Endlich
meinte er: Er sässe nicht allein Julien/ sondern
dem Glücke selbst in der Schooß; Als sie es
beym Käyser durch Vorbitte/ bey denen vorher-
gehenden Bürgermeistern/ Qvintus Fabius/
und Qvintus Elius Tubero durch ihre fast ie-
derman feile Schönheit zu wege brachte/ daß
Julius Antonius Römischer Bürgermeister
ward. Diesem aber schrieb sie zugleich alsobald
für/ daß er den wiewol abwesenden Lucius Mu-
räna zum Stadtvogte erkiesen/ und ihn durch
offentliche Ausschreibungen im Römischen Rei-
che darzu laden muste. Hierdurch ward Mu-
räna/ der inzwischen aus Verdruß sich in das
Cilybeische Gebürge versteckt/ und zu einer
freywilligen Einsamkeit verdammt hatte/ ge-
zwungen nach Rom sich zu verfügen/ und die
ihm vom Vaterlande aufgetragene Aempter/
derer sich ohne Unehre seines Geschlechtes nie-
mand entbrechen dorfte/ aufbürden zu lassen.
Muräna war kaum nach Rom kommen/ als
Julia alle Künste ihres Liebreitzes herfür suchte
sein Hertz zu erweichen. Sie verschloß ihre
Ohren für aller voriger Liebhaber Anbetungen/
und alle Röhren ihrer gewohnten Annehmlig-
keit gegen gantz Rom/ um solche nur über den
unerbittlichen Muräna auszuschütten; entwe-
der weil sie noch keinen Menschen so inbrünstig/
als diesen/ liebgewonnen hatte/ oder weil sie es
ihr für einen grossen Abbruch hielt/ da einigen

Men-
Erster Theil. E e e

Arminius und Thußnelda.
[Spaltenumbruch] daß ſie ſich ſaͤmtlich mit einander wieder in Tem-
pel Dianens verfuͤgten; unferne aber darvon
fuͤr ein gluͤckſeliges Zeichen wahrnahmen/ daß
ihñen zwey Turteltauben entgegen geflogen
kamen. Wie nun Druſus auf Liviens Verfuͤ-
gung auch im Tempel erſchien/ eroͤfnete ſie ihm
ihre bey Antonien nach Wunſch verrichtete
Werbung; und alſo muſten beyde/ Druſus und
Antonia/ derer iedes auf des andern Unwillen
ſich verlaſſen hatte/ fuͤr dem Altare der Diana
ihr Verloͤbnuͤß vollziehen. Und nach dem ſie
Dianen zwey weiſſe Ochſen/ dem Pilumnus a-
ber auf einem nahen Huͤgel eine Ziege geopffert
hatten/ kehrten ſie zuruͤck in das Vorwerg des
Kaͤyſers/ und den dritten Tag nach Rom/ all-
wo das Beylager mehr mit Liviens und Ju-
liens/ als der vermaͤhleten Freude aufs praͤch-
tigſte vollzogen ward. Denn die Liebe des
Druſus war gegen Julien derogeſtalt einge-
wurtzelt/ daß er Liviens Vorgeben/ als wenn er
und Julie der Scribonia Tochter vom Vater
Geſchwiſter/ und beyde des Auguſtus Kinder
waͤren/ mehr fuͤr eine kluge Erfindung/ als fuͤr
Warheit aufnahm. Antonien aber blieb Ju-
lie ein ſteter Dorn in Augen; in dem ſie die Zer-
ſtoͤrung der Liebe zwiſchen ihr und dem Lucius
Muraͤna/ deſſen Verbergung ihr Angeden-
cken nicht ausleſchte/ der argliſtigen Julia allei-
ne zuſchrieb.

Hingegen vermochte die Vielheit der Lieb-
haber Julien dero geſtalt nicht zu erſaͤttigen/ daß
ſie nicht ſo wol den Druſus in ſeiner gegen ihr
gefangenen Liebe unterhielt/ und wormit ſie
nicht gar verleſchte/ nach und nach mehr Zunder
verlieh; als nach dem unerforſchlichen Muraͤ-
na Tag und Nacht ſeufzete. Unter ihren an-
weſenden Liebhabern aber war bey ihr keiner
mehr geſehen/ als Julius Antonius/ ein Roͤmi-
ſcher Juͤngling hohen Geſchlechtes/ groſſen
Vermoͤgens/ und ausbuͤndiger Schoͤnheit.
Dieſen hatte ſie mit ihrem Liebes-Reitze deroge-
ſtalt bezaubert/ daß ſie ihn mit einem Augen-
[Spaltenumbruch] winck/ wie der Mohr den Elefanten/ gleich als
an einer Schnur leiten konte. Nebſt dem war
er entweder ſo verblendet/ daß er Juliens Zu-
halten mit andern Liebhabern fuͤr eine in bloſſe
Hoͤfligkeit eingeſchrenckte Freundligkeit anſah;
oder die ſeine Liebe uͤberwiegende Ehrſucht ver-
urſachte/ daß er zu Juliens Uppigkeiten ein Au-
ge zudruͤckte; nach dem er ihm nebſt Juliens
Heyrath von kuͤnfftiger Beſitzung des Kaͤyſer-
thums was ſuͤſſes traͤumen ließ. Julia merck-
te des Julius Antonius Abſehn nicht allein w[o]l/
ſondern ſie wuſte auch meiſterlich ihn mit dem
Winde dieſer Eitelkeit zu ſpeiſen. Endlich
meinte er: Er ſaͤſſe nicht allein Julien/ ſondern
dem Gluͤcke ſelbſt in der Schooß; Als ſie es
beym Kaͤyſer durch Vorbitte/ bey denen vorher-
gehenden Buͤrgermeiſtern/ Qvintus Fabius/
und Qvintus Elius Tubero durch ihre faſt ie-
derman feile Schoͤnheit zu wege brachte/ daß
Julius Antonius Roͤmiſcher Buͤrgermeiſter
ward. Dieſem aber ſchrieb ſie zugleich alſobald
fuͤr/ daß er den wiewol abweſenden Lucius Mu-
raͤna zum Stadtvogte erkieſen/ und ihn durch
offentliche Ausſchreibungen im Roͤmiſchen Rei-
che darzu laden muſte. Hierdurch ward Mu-
raͤna/ der inzwiſchen aus Verdruß ſich in das
Cilybeiſche Gebuͤrge verſteckt/ und zu einer
freywilligen Einſamkeit verdammt hatte/ ge-
zwungen nach Rom ſich zu verfuͤgen/ und die
ihm vom Vaterlande aufgetragene Aempter/
derer ſich ohne Unehre ſeines Geſchlechtes nie-
mand entbrechen dorfte/ aufbuͤrden zu laſſen.
Muraͤna war kaum nach Rom kommen/ als
Julia alle Kuͤnſte ihres Liebreitzes herfuͤr ſuchte
ſein Hertz zu erweichen. Sie verſchloß ihre
Ohren fuͤr aller voriger Liebhaber Anbetungen/
und alle Roͤhren ihrer gewohnten Annehmlig-
keit gegen gantz Rom/ um ſolche nur uͤber den
unerbittlichen Muraͤna auszuſchuͤtten; entwe-
der weil ſie noch keinen Menſchen ſo inbruͤnſtig/
als dieſen/ liebgewonnen hatte/ oder weil ſie es
ihr fuͤr einen groſſen Abbruch hielt/ da einigen

Men-
Erſter Theil. E e e
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[401/0455] Arminius und Thußnelda. daß ſie ſich ſaͤmtlich mit einander wieder in Tem- pel Dianens verfuͤgten; unferne aber darvon fuͤr ein gluͤckſeliges Zeichen wahrnahmen/ daß ihñen zwey Turteltauben entgegen geflogen kamen. Wie nun Druſus auf Liviens Verfuͤ- gung auch im Tempel erſchien/ eroͤfnete ſie ihm ihre bey Antonien nach Wunſch verrichtete Werbung; und alſo muſten beyde/ Druſus und Antonia/ derer iedes auf des andern Unwillen ſich verlaſſen hatte/ fuͤr dem Altare der Diana ihr Verloͤbnuͤß vollziehen. Und nach dem ſie Dianen zwey weiſſe Ochſen/ dem Pilumnus a- ber auf einem nahen Huͤgel eine Ziege geopffert hatten/ kehrten ſie zuruͤck in das Vorwerg des Kaͤyſers/ und den dritten Tag nach Rom/ all- wo das Beylager mehr mit Liviens und Ju- liens/ als der vermaͤhleten Freude aufs praͤch- tigſte vollzogen ward. Denn die Liebe des Druſus war gegen Julien derogeſtalt einge- wurtzelt/ daß er Liviens Vorgeben/ als wenn er und Julie der Scribonia Tochter vom Vater Geſchwiſter/ und beyde des Auguſtus Kinder waͤren/ mehr fuͤr eine kluge Erfindung/ als fuͤr Warheit aufnahm. Antonien aber blieb Ju- lie ein ſteter Dorn in Augen; in dem ſie die Zer- ſtoͤrung der Liebe zwiſchen ihr und dem Lucius Muraͤna/ deſſen Verbergung ihr Angeden- cken nicht ausleſchte/ der argliſtigen Julia allei- ne zuſchrieb. Hingegen vermochte die Vielheit der Lieb- haber Julien dero geſtalt nicht zu erſaͤttigen/ daß ſie nicht ſo wol den Druſus in ſeiner gegen ihr gefangenen Liebe unterhielt/ und wormit ſie nicht gar verleſchte/ nach und nach mehr Zunder verlieh; als nach dem unerforſchlichen Muraͤ- na Tag und Nacht ſeufzete. Unter ihren an- weſenden Liebhabern aber war bey ihr keiner mehr geſehen/ als Julius Antonius/ ein Roͤmi- ſcher Juͤngling hohen Geſchlechtes/ groſſen Vermoͤgens/ und ausbuͤndiger Schoͤnheit. Dieſen hatte ſie mit ihrem Liebes-Reitze deroge- ſtalt bezaubert/ daß ſie ihn mit einem Augen- winck/ wie der Mohr den Elefanten/ gleich als an einer Schnur leiten konte. Nebſt dem war er entweder ſo verblendet/ daß er Juliens Zu- halten mit andern Liebhabern fuͤr eine in bloſſe Hoͤfligkeit eingeſchrenckte Freundligkeit anſah; oder die ſeine Liebe uͤberwiegende Ehrſucht ver- urſachte/ daß er zu Juliens Uppigkeiten ein Au- ge zudruͤckte; nach dem er ihm nebſt Juliens Heyrath von kuͤnfftiger Beſitzung des Kaͤyſer- thums was ſuͤſſes traͤumen ließ. Julia merck- te des Julius Antonius Abſehn nicht allein wol/ ſondern ſie wuſte auch meiſterlich ihn mit dem Winde dieſer Eitelkeit zu ſpeiſen. Endlich meinte er: Er ſaͤſſe nicht allein Julien/ ſondern dem Gluͤcke ſelbſt in der Schooß; Als ſie es beym Kaͤyſer durch Vorbitte/ bey denen vorher- gehenden Buͤrgermeiſtern/ Qvintus Fabius/ und Qvintus Elius Tubero durch ihre faſt ie- derman feile Schoͤnheit zu wege brachte/ daß Julius Antonius Roͤmiſcher Buͤrgermeiſter ward. Dieſem aber ſchrieb ſie zugleich alſobald fuͤr/ daß er den wiewol abweſenden Lucius Mu- raͤna zum Stadtvogte erkieſen/ und ihn durch offentliche Ausſchreibungen im Roͤmiſchen Rei- che darzu laden muſte. Hierdurch ward Mu- raͤna/ der inzwiſchen aus Verdruß ſich in das Cilybeiſche Gebuͤrge verſteckt/ und zu einer freywilligen Einſamkeit verdammt hatte/ ge- zwungen nach Rom ſich zu verfuͤgen/ und die ihm vom Vaterlande aufgetragene Aempter/ derer ſich ohne Unehre ſeines Geſchlechtes nie- mand entbrechen dorfte/ aufbuͤrden zu laſſen. Muraͤna war kaum nach Rom kommen/ als Julia alle Kuͤnſte ihres Liebreitzes herfuͤr ſuchte ſein Hertz zu erweichen. Sie verſchloß ihre Ohren fuͤr aller voriger Liebhaber Anbetungen/ und alle Roͤhren ihrer gewohnten Annehmlig- keit gegen gantz Rom/ um ſolche nur uͤber den unerbittlichen Muraͤna auszuſchuͤtten; entwe- der weil ſie noch keinen Menſchen ſo inbruͤnſtig/ als dieſen/ liebgewonnen hatte/ oder weil ſie es ihr fuͤr einen groſſen Abbruch hielt/ da einigen Men- Erſter Theil. E e e

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Zitationshilfe: Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689, S. 401. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lohenstein_feldherr01_1689/455>, abgerufen am 22.11.2024.