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Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689.

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Arminius und Thußnelde.
[Spaltenumbruch] ja hertzlicher als mich selbst liebe/ und daß seine
Befehle hinfort werden meine Richtschnur
seyn. Mir ist die Eigenschafft des verliebten
Frauenzimmers wohl bekannt/ daß sie ihren Lieb-
habern ihr Hertz verschlüssen/ und sie zwischen
Thür und Angel der Furcht und Hoffnung
zu halten pflegen. Solche Unempfindligkeit
aber ist eine Tochter der Grausamkeit. Daher
soll man seine Liebhaber entweder bald ver-
werffen/ oder seine Bedienung ihm nicht un-
erträglich machen.

Muräna/ ob er wohl die Handschrifft Anto-
niens nicht kannte/ zweiffelte an nichts weni-
gern/ als/ daß dieser Zettel (als welchen Julia
vielleicht nicht/ von wem er käme/ verstanden/
oder aus Höffligkeit und wegen der am Dru-
sus habenden Vergnügung ihr zugestellet hät-
te) die Antwort Antoniens/ und unter dem Ne-
benbuhler niemand als Drusus verstanden wä-
re; zumahl solche sich so wohl auff seine Zuschrifft
schickte/ die er Antonien in Korb geworffen hatte.

Muräna und die andern Besucher waren
von Antonien kaum aus dem Zimmer kom-
men/ als sie Murenens Schreiben mit höch-
ster Vergnügung/ des Drusus aber mit solcher
Verwunderung durchlaß/ daß sie der eintreten-
den Julia nicht einst inne ward. Weil nun Ju-
lia nicht allein mit Antonien in grosser Vertrau-
ligkeit lebte/ sondern sie auch eines überaus frey-
en Gemüthes/ und allen Vorwitz mit ihrer
Annehmligkeit zu verhüllen geschickt war/ frag-
te diese sie unvermuthet: was ihr Drusus/ für
dessen Hand sie solches ansehe/ für annehmli-
che Empfehlung zugeschrieben hätte? Antonia
war hierüber entröthet/ versetzte aber alsofort:
Gewißlich/ sie ist von solcher Beschaffenheit/
daß sich Julia darüber nicht wenig zu erfreu-
en hat. Jn alle wege/ antwortete Julia/ weil
Antonie wohl weiß/ daß ich als eine einsame
Wittib einiger Erfreuungen wohl von nöthen/
sonst aber auch Theil an aller ihrer Vergnü-
gung habe. Antonie begegnete ihr: Aber Ju-
[Spaltenumbruch] lia wird mir noch mehr dancken/ daß ich keines
an gegenwärtiger hoffen darff. Hiermit reich-
te sie der Julia des Drusus Brieff. Diese laß
ihn ohne alle Veränderung durch/ und fing hier-
auff zu Antonien an: Sie erkennte für eine
sonderbare Verträuligkeit/ daß sie ihr dieses
Schreiben nicht hinterhalten wollen. Alleine
sie dörffte sich über des Drusus vorhin bekand-
te Liebes-Erklärung so wenig verwundern/
als Antonia mit ihr eifern/ sintemahl ihr un-
verborgen wäre/ daß nicht Drusus/ sondern die
leuchtende Muräne ihr Hertz beherrschete. An-
tonia thät/ als wenn sie es von ihrem Fische ver-
stünde; antwortete diesemnach: Jn alle wege;
und/ weil sich niemand vielleicht so sehr in einen
Fisch verlieben wird/ habe ich mich noch weni-
ger für Eifersucht zu besorgen. Julia lächel-
te/ und hob an: Jch besorge/ der Käyser/ dem
Calpurnius heute den Tempel eingeweihet/
dörffte mit ihr eiffern. Denn Antonia habe
für Errettung ihres Lebens diesen Fisch mehr
zu vergöttern Ursache/ als die Egyptier ihren
Oxirinchus/ oder Calpurnius den Käyser. An-
tonia färbte sich über dieser Auslegung/ und
sahe wohl/ daß ihre Heimligkeit verrathen war/
redete daher Julien an: Sie möchte ihr doch
nicht verschweigen/ welcher gestalt sie ihr in das
innerste ihres Hertzens gesehen hätte. Julia ver-
setzte alsofort: Mir hat es die Zauberin Medea
entdecket; zohe auch hiermit Antoniens eigenes
Schreiben heraus/ dieses Jnhalts:

Jch bin zu ohnmächtig dem Verhängnüsse
und dem himmlischen Triebe meiner Seele län-
ger zu widerstreben. Deine Tugend hat mei-
ner Freyheit obgesiegt/ und ich gestehe/ daß
meine Lucrinische Murene nur das Vorbild
derselben sey/ die mein Hertze an dir zeitlicher
in geheim angebetet hat. Aber lasse dir zu
deiner Vorsicht dienen/ daß unsere Flammen
so tieffer im Hertzen/ als das ewige Feuer in
Todten-Grufften verschlossen bleiben müssen/
da sie nicht verleschen sollen.

An-

Arminius und Thußnelde.
[Spaltenumbruch] ja hertzlicher als mich ſelbſt liebe/ und daß ſeine
Befehle hinfort werden meine Richtſchnur
ſeyn. Mir iſt die Eigenſchafft des verliebten
Frauenzim̃ers wohl bekannt/ daß ſie ihren Lieb-
habern ihr Hertz verſchluͤſſen/ und ſie zwiſchen
Thuͤr und Angel der Furcht und Hoffnung
zu halten pflegen. Solche Unempfindligkeit
aber iſt eine Tochter der Grauſamkeit. Daher
ſoll man ſeine Liebhaber entweder bald ver-
werffen/ oder ſeine Bedienung ihm nicht un-
ertraͤglich machen.

Muraͤna/ ob er wohl die Handſchrifft Anto-
niens nicht kannte/ zweiffelte an nichts weni-
gern/ als/ daß dieſer Zettel (als welchen Julia
vielleicht nicht/ von wem er kaͤme/ verſtanden/
oder aus Hoͤffligkeit und wegen der am Dru-
ſus habenden Vergnuͤgung ihr zugeſtellet haͤt-
te) die Antwort Antoniens/ und unter dem Ne-
benbuhler niemand als Druſus verſtanden waͤ-
re; zumahl ſolche ſich ſo wohl auff ſeine Zuſchrifft
ſchickte/ die er Antonien in Korb geworffen hatte.

Muraͤna und die andern Beſucher waren
von Antonien kaum aus dem Zimmer kom-
men/ als ſie Murenens Schreiben mit hoͤch-
ſter Vergnuͤgung/ des Druſus aber mit ſolcher
Verwunderung durchlaß/ daß ſie der eintreten-
den Julia nicht einſt inne ward. Weil nun Ju-
lia nicht allein mit Antonien in groſſer Vertrau-
ligkeit lebte/ ſondern ſie auch eines uͤberaus frey-
en Gemuͤthes/ und allen Vorwitz mit ihrer
Annehmligkeit zu verhuͤllen geſchickt war/ frag-
te dieſe ſie unvermuthet: was ihr Druſus/ fuͤr
deſſen Hand ſie ſolches anſehe/ fuͤr annehmli-
che Empfehlung zugeſchrieben haͤtte? Antonia
war hieruͤber entroͤthet/ verſetzte aber alſofort:
Gewißlich/ ſie iſt von ſolcher Beſchaffenheit/
daß ſich Julia daruͤber nicht wenig zu erfreu-
en hat. Jn alle wege/ antwortete Julia/ weil
Antonie wohl weiß/ daß ich als eine einſame
Wittib einiger Erfreuungen wohl von noͤthen/
ſonſt aber auch Theil an aller ihrer Vergnuͤ-
gung habe. Antonie begegnete ihr: Aber Ju-
[Spaltenumbruch] lia wird mir noch mehr dancken/ daß ich keines
an gegenwaͤrtiger hoffen darff. Hiermit reich-
te ſie der Julia des Druſus Brieff. Dieſe laß
ihn ohne alle Veraͤnderung durch/ und fing hier-
auff zu Antonien an: Sie erkennte fuͤr eine
ſonderbare Vertraͤuligkeit/ daß ſie ihr dieſes
Schreiben nicht hinterhalten wollen. Alleine
ſie doͤrffte ſich uͤber des Druſus vorhin bekand-
te Liebes-Erklaͤrung ſo wenig verwundern/
als Antonia mit ihr eifern/ ſintemahl ihr un-
verborgen waͤre/ daß nicht Druſus/ ſondern die
leuchtende Muraͤne ihr Hertz beherrſchete. An-
tonia thaͤt/ als wenn ſie es von ihrem Fiſche ver-
ſtuͤnde; antwortete dieſemnach: Jn alle wege;
und/ weil ſich niemand vielleicht ſo ſehr in einen
Fiſch verlieben wird/ habe ich mich noch weni-
ger fuͤr Eiferſucht zu beſorgen. Julia laͤchel-
te/ und hob an: Jch beſorge/ der Kaͤyſer/ dem
Calpurnius heute den Tempel eingeweihet/
doͤrffte mit ihr eiffern. Denn Antonia habe
fuͤr Errettung ihres Lebens dieſen Fiſch mehr
zu vergoͤttern Urſache/ als die Egyptier ihren
Oxirinchus/ oder Calpurnius den Kaͤyſer. An-
tonia faͤrbte ſich uͤber dieſer Auslegung/ und
ſahe wohl/ daß ihre Heimligkeit verrathen war/
redete daher Julien an: Sie moͤchte ihr doch
nicht verſchweigen/ welcher geſtalt ſie ihr in das
innerſte ihres Hertzens geſehen haͤtte. Julia ver-
ſetzte alſofort: Mir hat es die Zauberin Medea
entdecket; zohe auch hiermit Antoniens eigenes
Schreiben heraus/ dieſes Jnhalts:

Jch bin zu ohnmaͤchtig dem Verhaͤngnuͤſſe
und dem himmliſchen Triebe meiner Seele laͤn-
ger zu widerſtreben. Deine Tugend hat mei-
ner Freyheit obgeſiegt/ und ich geſtehe/ daß
meine Lucriniſche Murene nur das Vorbild
derſelben ſey/ die mein Hertze an dir zeitlicher
in geheim angebetet hat. Aber laſſe dir zu
deiner Vorſicht dienen/ daß unſere Flammen
ſo tieffer im Hertzen/ als das ewige Feuer in
Todten-Grufften verſchloſſen bleiben muͤſſen/
da ſie nicht verleſchen ſollen.

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Zitationshilfe: Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689, S. 391. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lohenstein_feldherr01_1689/445>, abgerufen am 23.11.2024.