Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689.

Bild:
<< vorherige Seite

Vierdtes Buch
[Spaltenumbruch] mögen? Adgandester beantwortete ihn: die rei-
che Beute/ die man bey einem Feinde weiß/ ist ja
wol ein Sporn/ der das Kriegsvolck anfänglich
zur Tugend und tapfferem Gefechte aufmun-
tert. Die Begierde darnach machet/ daß man
das euserste gedultig ausstehe. Aber wie solcher
Uberfluß oft zu ungerechtem Kriege Anlaß giebt;
wie denn Crassus deßhalben die Parther über-
sallen/ auch biß zu den Bactrian- und Jndianern
zu dringen im Schilde führte; und die Hispani-
schen Reichthümer die Carthaginenser zu sich
lockten; Also verursachet selbter in Schlachten
meist grosse Unordnung und Gefahr; indem die
streitenden bey sich nur wenig ereignendem
Vortheile mehr auf die Beute als aufs Treffen
bedacht sind/ vielmal auch schon umzingelte Kö-
nige und Fürsten/ als den Triphon und Mithri-
dates/ durch Wegwerffung ihres kostbaren Ge-
räthes aus den Händen ihrer Feinde/ die sie
schon im Sacke gehabt/ entrinnen lassen. End-
lich gebieret auch die glückliche Uberkommung
der Beute zuletzt mehr Schaden als Gewinn.
Denn die in Carthago und Corinth eroberte
Reichthümer haben alle gute Sitten in Rom
verderbet; die itztreichen Gallier waren streitba-
rer/ da sie arm waren/ und die von den Deut-
schen dißmal den Römern abgeschlagene Beute
verderbte das gantze Spiel des Krieges. Denn
ob sie zwar wegen der Pferde/ der Gefangenen/
des Goldes und Silbers sich vorher verglichen
hatten; so war doch wegen der Waffen/ die sie
erobern würden/ nichts ausgenommen. Wor-
von die Catten/ welche am längsten gefochten/
den Sicambrern ein geringes/ diese aber den
Cherußkern gar kein Theil verstatten; die Che-
rusker hingegen/ als welche die Oberhand und
ihren Fürsten zum Feldherrn hatten/ nach ihrer
Willkühr damit gebahren/ und insonderheit
Segimer zu Auslösung seiner Gemahlin und
Kinder die fürnehmsten Gefangenen haben
wolte. Uber dem Siegsgepränge des Drusus
aber wundert man sich in allewege billich/ wenn
[Spaltenumbruch] man die alten Sitten und Gesetze der Römer
für Augen hat; welche solches niemanden ver-
statteten/ der nicht auff einmahl zum minsten
5000. Feinde/ und zwar nicht Knechte oder See-
Räuber/ sondern freye Völcker und ohne son-
derbaren Verlust überwunden hatte. Weßwe-
gen selbter auch bey den Einnehmern so wol die
Anzahl der erlegten Feinde/ als der gebliebenen
Bürger eidlich anzeigen muste. Gleichergestalt
ward dem Fulvius und Opimius diese Ehre
verweigert/ weil jener zwar Capua/ dieser Fre-
gella wieder erobert/ aber mit nichts neuem das
Reich vermehret hatte. Zugeschweigen/ daß auch
Scipio wegen eingenommenen Hispaniens/
und Marcellus nach erobertem Syracusa diß
entbehren musten/ weil sie nur als Bürger und
ohne Bekleidung hoher Aempter alles diß aus-
gerichtet hatten. Gleichergestalt war solche
Freude in bürgerlichen Kriegen/ indem das ei-
gene Blut mehr zu beweinen ist/ nicht erlaubet.
Dahero zohe Nasica und Opimius/ nach Erle-
gung der Grachen/ Qvintus Catulus/ nach
Dämpffung des Lepidus/ stille in die Stadt.
Antonius/ als er den Catilina erleget/ wischte
das Bürgerblut von allen Schwerdtern ab;
Und ob gleich Sylla den Marius/ Sulpitius/
Cumma/ Narbanus/ Scipio/ Telasinus und
Lamponius geschlagen hatte; so ließ er doch in
seinem Siegs-Gepränge keines dieser/ sondern
nur Mithridatens und fremder Städte Bilder
ihm fürtragen. Ja Fulvius Flaccus/ und mehr
alte Römer entschlugen sich selbst dieser verdien-
ten Ehre. Nach der Zeit aber/ da die Tugend
nicht mehr für ihren eigenen Preiß gehalten
ward/ sondern der Ehrgeitz an statt des Wesens
nach einem Schatten zu greiffen/ und dem albe-
ren Pöfel einen blauen Dunst für die Augen zu
machen anfing; ertichtete man Eroberungen
vieler nicht einst gesehener Länder; wenn etwan
eine Handvoll Räuber erlegt/ oder ein geringes
Nest eingenommen war/ rühmte man sich gros-
ser Siege über gantze Völcker; und daß man

unüber-

Vierdtes Buch
[Spaltenumbruch] moͤgen? Adgandeſter beantwortete ihn: die rei-
che Beute/ die man bey einem Feinde weiß/ iſt ja
wol ein Sporn/ der das Kriegsvolck anfaͤnglich
zur Tugend und tapfferem Gefechte aufmun-
tert. Die Begierde darnach machet/ daß man
das euſerſte gedultig ausſtehe. Aber wie ſolcher
Uberfluß oft zu ungerechtem Kriege Anlaß giebt;
wie denn Craſſus deßhalben die Parther uͤber-
ſallen/ auch biß zu den Bactrian- und Jndianeꝛn
zu dringen im Schilde fuͤhrte; und die Hiſpani-
ſchen Reichthuͤmer die Carthaginenſer zu ſich
lockten; Alſo verurſachet ſelbter in Schlachten
meiſt groſſe Unordnung und Gefahr; indem die
ſtreitenden bey ſich nur wenig ereignendem
Vortheile mehr auf die Beute als aufs Treffen
bedacht ſind/ vielmal auch ſchon umzingelte Koͤ-
nige und Fuͤrſten/ als den Triphon und Mithri-
dates/ durch Wegwerffung ihres koſtbaren Ge-
raͤthes aus den Haͤnden ihrer Feinde/ die ſie
ſchon im Sacke gehabt/ entrinnen laſſen. End-
lich gebieret auch die gluͤckliche Uberkommung
der Beute zuletzt mehr Schaden als Gewinn.
Denn die in Carthago und Corinth eroberte
Reichthuͤmer haben alle gute Sitten in Rom
verderbet; die itztreichen Gallier waren ſtreitba-
rer/ da ſie arm waren/ und die von den Deut-
ſchen dißmal den Roͤmern abgeſchlagene Beute
verderbte das gantze Spiel des Krieges. Denn
ob ſie zwar wegen der Pferde/ der Gefangenen/
des Goldes und Silbers ſich vorher verglichen
hatten; ſo war doch wegen der Waffen/ die ſie
erobern wuͤrden/ nichts ausgenommen. Wor-
von die Catten/ welche am laͤngſten gefochten/
den Sicambrern ein geringes/ dieſe aber den
Cherußkern gar kein Theil verſtatten; die Che-
rusker hingegen/ als welche die Oberhand und
ihren Fuͤrſten zum Feldherrn hatten/ nach ihrer
Willkuͤhr damit gebahren/ und inſonderheit
Segimer zu Ausloͤſung ſeiner Gemahlin und
Kinder die fuͤrnehmſten Gefangenen haben
wolte. Uber dem Siegsgepraͤnge des Druſus
aber wundert man ſich in allewege billich/ wenn
[Spaltenumbruch] man die alten Sitten und Geſetze der Roͤmer
fuͤr Augen hat; welche ſolches niemanden ver-
ſtatteten/ der nicht auff einmahl zum minſten
5000. Feinde/ und zwar nicht Knechte oder See-
Raͤuber/ ſondern freye Voͤlcker und ohne ſon-
derbaren Verluſt uͤberwunden hatte. Weßwe-
gen ſelbter auch bey den Einnehmern ſo wol die
Anzahl der erlegten Feinde/ als der gebliebenen
Buͤrger eidlich anzeigen muſte. Gleichergeſtalt
ward dem Fulvius und Opimius dieſe Ehre
verweigert/ weil jener zwar Capua/ dieſer Fre-
gella wieder erobert/ aber mit nichts neuem das
Reich vermehret hatte. Zugeſchweigen/ daß auch
Scipio wegen eingenommenen Hiſpaniens/
und Marcellus nach erobertem Syracuſa diß
entbehren muſten/ weil ſie nur als Buͤrger und
ohne Bekleidung hoher Aempter alles diß aus-
gerichtet hatten. Gleichergeſtalt war ſolche
Freude in buͤrgerlichen Kriegen/ indem das ei-
gene Blut mehr zu beweinen iſt/ nicht erlaubet.
Dahero zohe Naſica und Opimius/ nach Erle-
gung der Grachen/ Qvintus Catulus/ nach
Daͤmpffung des Lepidus/ ſtille in die Stadt.
Antonius/ als er den Catilina erleget/ wiſchte
das Buͤrgerblut von allen Schwerdtern ab;
Und ob gleich Sylla den Marius/ Sulpitius/
Cumma/ Narbanus/ Scipio/ Telaſinus und
Lamponius geſchlagen hatte; ſo ließ er doch in
ſeinem Siegs-Gepraͤnge keines dieſer/ ſondern
nur Mithridatens und fremder Staͤdte Bilder
ihm fuͤrtragen. Ja Fulvius Flaccus/ und mehr
alte Roͤmer entſchlugen ſich ſelbſt dieſer verdien-
ten Ehre. Nach der Zeit aber/ da die Tugend
nicht mehr fuͤr ihren eigenen Preiß gehalten
ward/ ſondern der Ehrgeitz an ſtatt des Weſens
nach einem Schatten zu greiffen/ und dem albe-
ren Poͤfel einen blauen Dunſt fuͤr die Augen zu
machen anfing; ertichtete man Eroberungen
vieler nicht einſt geſehener Laͤnder; wenn etwan
eine Handvoll Raͤuber erlegt/ oder ein geringes
Neſt eingenommen war/ ruͤhmte man ſich groſ-
ſer Siege uͤber gantze Voͤlcker; und daß man

unuͤber-
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0436" n="382"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Vierdtes Buch</hi></fw><lb/><cb/>
mo&#x0364;gen? Adgande&#x017F;ter beantwortete ihn: die rei-<lb/>
che Beute/ die man bey einem Feinde weiß/ i&#x017F;t ja<lb/>
wol ein Sporn/ der das Kriegsvolck anfa&#x0364;nglich<lb/>
zur Tugend und tapfferem Gefechte aufmun-<lb/>
tert. Die Begierde darnach machet/ daß man<lb/>
das eu&#x017F;er&#x017F;te gedultig aus&#x017F;tehe. Aber wie &#x017F;olcher<lb/>
Uberfluß oft zu ungerechtem Kriege Anlaß giebt;<lb/>
wie denn Cra&#x017F;&#x017F;us deßhalben die Parther u&#x0364;ber-<lb/>
&#x017F;allen/ auch biß zu den Bactrian- und Jndiane&#xA75B;n<lb/>
zu dringen im Schilde fu&#x0364;hrte; und die Hi&#x017F;pani-<lb/>
&#x017F;chen Reichthu&#x0364;mer die Carthaginen&#x017F;er zu &#x017F;ich<lb/>
lockten; Al&#x017F;o verur&#x017F;achet &#x017F;elbter in Schlachten<lb/>
mei&#x017F;t gro&#x017F;&#x017F;e Unordnung und Gefahr; indem die<lb/>
&#x017F;treitenden bey &#x017F;ich nur wenig ereignendem<lb/>
Vortheile mehr auf die Beute als aufs Treffen<lb/>
bedacht &#x017F;ind/ vielmal auch &#x017F;chon umzingelte Ko&#x0364;-<lb/>
nige und Fu&#x0364;r&#x017F;ten/ als den Triphon und Mithri-<lb/>
dates/ durch Wegwerffung ihres ko&#x017F;tbaren Ge-<lb/>
ra&#x0364;thes aus den Ha&#x0364;nden ihrer Feinde/ die &#x017F;ie<lb/>
&#x017F;chon im Sacke gehabt/ entrinnen la&#x017F;&#x017F;en. End-<lb/>
lich gebieret auch die glu&#x0364;ckliche Uberkommung<lb/>
der Beute zuletzt mehr Schaden als Gewinn.<lb/>
Denn die in Carthago und Corinth eroberte<lb/>
Reichthu&#x0364;mer haben alle gute Sitten in Rom<lb/>
verderbet; die itztreichen Gallier waren &#x017F;treitba-<lb/>
rer/ da &#x017F;ie arm waren/ und die von den Deut-<lb/>
&#x017F;chen dißmal den Ro&#x0364;mern abge&#x017F;chlagene Beute<lb/>
verderbte das gantze Spiel des Krieges. Denn<lb/>
ob &#x017F;ie zwar wegen der Pferde/ der Gefangenen/<lb/>
des Goldes und Silbers &#x017F;ich vorher verglichen<lb/>
hatten; &#x017F;o war doch wegen der Waffen/ die &#x017F;ie<lb/>
erobern wu&#x0364;rden/ nichts ausgenommen. Wor-<lb/>
von die Catten/ welche am la&#x0364;ng&#x017F;ten gefochten/<lb/>
den Sicambrern ein geringes/ die&#x017F;e aber den<lb/>
Cherußkern gar kein Theil ver&#x017F;tatten; die Che-<lb/>
rusker hingegen/ als welche die Oberhand und<lb/>
ihren Fu&#x0364;r&#x017F;ten zum Feldherrn hatten/ nach ihrer<lb/>
Willku&#x0364;hr damit gebahren/ und in&#x017F;onderheit<lb/>
Segimer zu Auslo&#x0364;&#x017F;ung &#x017F;einer Gemahlin und<lb/>
Kinder die fu&#x0364;rnehm&#x017F;ten Gefangenen haben<lb/>
wolte. Uber dem Siegsgepra&#x0364;nge des Dru&#x017F;us<lb/>
aber wundert man &#x017F;ich in allewege billich/ wenn<lb/><cb/>
man die alten Sitten und Ge&#x017F;etze der Ro&#x0364;mer<lb/>
fu&#x0364;r Augen hat; welche &#x017F;olches niemanden ver-<lb/>
&#x017F;tatteten/ der nicht auff einmahl zum min&#x017F;ten<lb/>
5000. Feinde/ und zwar nicht Knechte oder See-<lb/>
Ra&#x0364;uber/ &#x017F;ondern freye Vo&#x0364;lcker und ohne &#x017F;on-<lb/>
derbaren Verlu&#x017F;t u&#x0364;berwunden hatte. Weßwe-<lb/>
gen &#x017F;elbter auch bey den Einnehmern &#x017F;o wol die<lb/>
Anzahl der erlegten Feinde/ als der gebliebenen<lb/>
Bu&#x0364;rger eidlich anzeigen mu&#x017F;te. Gleicherge&#x017F;talt<lb/>
ward dem Fulvius und Opimius die&#x017F;e Ehre<lb/>
verweigert/ weil jener zwar Capua/ die&#x017F;er Fre-<lb/>
gella wieder erobert/ aber mit nichts neuem das<lb/>
Reich vermehret hatte. Zuge&#x017F;chweigen/ daß auch<lb/>
Scipio wegen eingenommenen Hi&#x017F;paniens/<lb/>
und Marcellus nach erobertem Syracu&#x017F;a diß<lb/>
entbehren mu&#x017F;ten/ weil &#x017F;ie nur als Bu&#x0364;rger und<lb/>
ohne Bekleidung hoher Aempter alles diß aus-<lb/>
gerichtet hatten. Gleicherge&#x017F;talt war &#x017F;olche<lb/>
Freude in bu&#x0364;rgerlichen Kriegen/ indem das ei-<lb/>
gene Blut mehr zu beweinen i&#x017F;t/ nicht erlaubet.<lb/>
Dahero zohe Na&#x017F;ica und Opimius/ nach Erle-<lb/>
gung der Grachen/ Qvintus Catulus/ nach<lb/>
Da&#x0364;mpffung des Lepidus/ &#x017F;tille in die Stadt.<lb/>
Antonius/ als er den Catilina erleget/ wi&#x017F;chte<lb/>
das Bu&#x0364;rgerblut von allen Schwerdtern ab;<lb/>
Und ob gleich Sylla den Marius/ Sulpitius/<lb/>
Cumma/ Narbanus/ Scipio/ Tela&#x017F;inus und<lb/>
Lamponius ge&#x017F;chlagen hatte; &#x017F;o ließ er doch in<lb/>
&#x017F;einem Siegs-Gepra&#x0364;nge keines die&#x017F;er/ &#x017F;ondern<lb/>
nur Mithridatens und fremder Sta&#x0364;dte Bilder<lb/>
ihm fu&#x0364;rtragen. Ja Fulvius Flaccus/ und mehr<lb/>
alte Ro&#x0364;mer ent&#x017F;chlugen &#x017F;ich &#x017F;elb&#x017F;t die&#x017F;er verdien-<lb/>
ten Ehre. Nach der Zeit aber/ da die Tugend<lb/>
nicht mehr fu&#x0364;r ihren eigenen Preiß gehalten<lb/>
ward/ &#x017F;ondern der Ehrgeitz an &#x017F;tatt des We&#x017F;ens<lb/>
nach einem Schatten zu greiffen/ und dem albe-<lb/>
ren Po&#x0364;fel einen blauen Dun&#x017F;t fu&#x0364;r die Augen zu<lb/>
machen anfing; ertichtete man Eroberungen<lb/>
vieler nicht ein&#x017F;t ge&#x017F;ehener La&#x0364;nder; wenn etwan<lb/>
eine Handvoll Ra&#x0364;uber erlegt/ oder ein geringes<lb/>
Ne&#x017F;t eingenommen war/ ru&#x0364;hmte man &#x017F;ich gro&#x017F;-<lb/>
&#x017F;er Siege u&#x0364;ber gantze Vo&#x0364;lcker; und daß man<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">unu&#x0364;ber-</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[382/0436] Vierdtes Buch moͤgen? Adgandeſter beantwortete ihn: die rei- che Beute/ die man bey einem Feinde weiß/ iſt ja wol ein Sporn/ der das Kriegsvolck anfaͤnglich zur Tugend und tapfferem Gefechte aufmun- tert. Die Begierde darnach machet/ daß man das euſerſte gedultig ausſtehe. Aber wie ſolcher Uberfluß oft zu ungerechtem Kriege Anlaß giebt; wie denn Craſſus deßhalben die Parther uͤber- ſallen/ auch biß zu den Bactrian- und Jndianeꝛn zu dringen im Schilde fuͤhrte; und die Hiſpani- ſchen Reichthuͤmer die Carthaginenſer zu ſich lockten; Alſo verurſachet ſelbter in Schlachten meiſt groſſe Unordnung und Gefahr; indem die ſtreitenden bey ſich nur wenig ereignendem Vortheile mehr auf die Beute als aufs Treffen bedacht ſind/ vielmal auch ſchon umzingelte Koͤ- nige und Fuͤrſten/ als den Triphon und Mithri- dates/ durch Wegwerffung ihres koſtbaren Ge- raͤthes aus den Haͤnden ihrer Feinde/ die ſie ſchon im Sacke gehabt/ entrinnen laſſen. End- lich gebieret auch die gluͤckliche Uberkommung der Beute zuletzt mehr Schaden als Gewinn. Denn die in Carthago und Corinth eroberte Reichthuͤmer haben alle gute Sitten in Rom verderbet; die itztreichen Gallier waren ſtreitba- rer/ da ſie arm waren/ und die von den Deut- ſchen dißmal den Roͤmern abgeſchlagene Beute verderbte das gantze Spiel des Krieges. Denn ob ſie zwar wegen der Pferde/ der Gefangenen/ des Goldes und Silbers ſich vorher verglichen hatten; ſo war doch wegen der Waffen/ die ſie erobern wuͤrden/ nichts ausgenommen. Wor- von die Catten/ welche am laͤngſten gefochten/ den Sicambrern ein geringes/ dieſe aber den Cherußkern gar kein Theil verſtatten; die Che- rusker hingegen/ als welche die Oberhand und ihren Fuͤrſten zum Feldherrn hatten/ nach ihrer Willkuͤhr damit gebahren/ und inſonderheit Segimer zu Ausloͤſung ſeiner Gemahlin und Kinder die fuͤrnehmſten Gefangenen haben wolte. Uber dem Siegsgepraͤnge des Druſus aber wundert man ſich in allewege billich/ wenn man die alten Sitten und Geſetze der Roͤmer fuͤr Augen hat; welche ſolches niemanden ver- ſtatteten/ der nicht auff einmahl zum minſten 5000. Feinde/ und zwar nicht Knechte oder See- Raͤuber/ ſondern freye Voͤlcker und ohne ſon- derbaren Verluſt uͤberwunden hatte. Weßwe- gen ſelbter auch bey den Einnehmern ſo wol die Anzahl der erlegten Feinde/ als der gebliebenen Buͤrger eidlich anzeigen muſte. Gleichergeſtalt ward dem Fulvius und Opimius dieſe Ehre verweigert/ weil jener zwar Capua/ dieſer Fre- gella wieder erobert/ aber mit nichts neuem das Reich vermehret hatte. Zugeſchweigen/ daß auch Scipio wegen eingenommenen Hiſpaniens/ und Marcellus nach erobertem Syracuſa diß entbehren muſten/ weil ſie nur als Buͤrger und ohne Bekleidung hoher Aempter alles diß aus- gerichtet hatten. Gleichergeſtalt war ſolche Freude in buͤrgerlichen Kriegen/ indem das ei- gene Blut mehr zu beweinen iſt/ nicht erlaubet. Dahero zohe Naſica und Opimius/ nach Erle- gung der Grachen/ Qvintus Catulus/ nach Daͤmpffung des Lepidus/ ſtille in die Stadt. Antonius/ als er den Catilina erleget/ wiſchte das Buͤrgerblut von allen Schwerdtern ab; Und ob gleich Sylla den Marius/ Sulpitius/ Cumma/ Narbanus/ Scipio/ Telaſinus und Lamponius geſchlagen hatte; ſo ließ er doch in ſeinem Siegs-Gepraͤnge keines dieſer/ ſondern nur Mithridatens und fremder Staͤdte Bilder ihm fuͤrtragen. Ja Fulvius Flaccus/ und mehr alte Roͤmer entſchlugen ſich ſelbſt dieſer verdien- ten Ehre. Nach der Zeit aber/ da die Tugend nicht mehr fuͤr ihren eigenen Preiß gehalten ward/ ſondern der Ehrgeitz an ſtatt des Weſens nach einem Schatten zu greiffen/ und dem albe- ren Poͤfel einen blauen Dunſt fuͤr die Augen zu machen anfing; ertichtete man Eroberungen vieler nicht einſt geſehener Laͤnder; wenn etwan eine Handvoll Raͤuber erlegt/ oder ein geringes Neſt eingenommen war/ ruͤhmte man ſich groſ- ſer Siege uͤber gantze Voͤlcker; und daß man unuͤber-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/lohenstein_feldherr01_1689
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/lohenstein_feldherr01_1689/436
Zitationshilfe: Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689, S. 382. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lohenstein_feldherr01_1689/436>, abgerufen am 13.05.2024.