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Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689.

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Drittes Buch
[Spaltenumbruch] tafernes ihm mehr/ als wohl andern zu Liebe.
Diese reine Zuneigung der Königin bildete
dem Orismanes seltzame Gesichter in sein Ge-
hirne. Denn weil er sich selbst für längst in sich
verliebthatte/ überredeten ihn seine süsse Träu-
me unschwer/ es müsten auch alle andere sich in
ihn verlieben. Thusnelde brach lächelnde ein:
Aller Menschen Selbst-Liebe ist Thorheit/ a-
ber der Männer ihre/ weil sie sich nicht in euser-
liche Schönheit/ wie die Weiber insgemein/ son-
dern in die Gaben des Gemüthes verlieben/ ist
schimpflicher und unheilbar. Denn die
Schwachheit nimmt den Qrt ein/ woraus die
Artzney kommen solte. Jch habe etliche Nar-
cissen gekennet/ welche geglaubt/ daß die tu-
gendhaffteste und kaltsinnigste Frau sie das erste
mahl nicht ohne Verliehrung ihrer Freyheit/
das ander mahl nicht ohne Einbüssung ihrer
Vernunft anschauen könne/ ja daß das Frauen-
zimmer leichter den Hunds-Stern und den
Sudwind/ als ihre Gegenwart ohne Schaden
vertragen könne. Salonine versetzte: Jn
Warheit/ Orismanes gehöret in dieser ihre
Reye. Der Königin Höfligkeit nahm er für
Liebreitz/ ihre Wolthaten für einen Zinß ihrer
überwundenen Keuschheit an. Die Köni-
gin hingegen urtheilte von ihm alle Tage weni-
ger; weil die Selbst-Liebe eines Menschen
Geringschätzigkeit am meisten verräthet/ in
dem sie wie der Agstein nichts als leichte Spreu
an sich zeucht. Bey solchem Zustande hielten
ein und andere Merckmahle/ fürnehmlich aber
der Königin Tugenden und Hoheit des Oris-
manes sich selbst übersteigende Gedancken/ o-
der vielmehr derselben Auslassung gute Zeit
zurücke. Endlich aber trieb ihn entweder der
Vorwitz der Königin Gemüths-Meinung
auszuspüren/ oder seine übermäßige Begier-
de so weit: daß/ als die Königin in ihrem Lust-
Garten in eine Höle sich zu erfrischen abstieg/
und sich nach der Landes-Gewohnheit auff
[Spaltenumbruch] die Achsel des Orismanes lehnete/ er sich
unterstund mit der Hand unter ihren Arm zu
greiffen/ umb dem Scheine nach ihr Abstei-
gen zu versichern. Weil diß aber in Arme-
nien niemanden als den Fürsten Königlichen
Geblütes erlaubet/ und der Numidischen Kö-
nige Art zu vergleichen ist/ die keinen Men-
schen als ihre Bluts-Freunde einigen Kusses
würdigen; machte ihm Erato ein sauer Ge-
sichte/ und fing an: Es kan ein Mensch sich
mehr nicht verstellen/ als wenn er weist/ daß
er ein Mensch sey. Ein kluger Mann ist für
was mehr/ einer aber/ der seine Schwachhei-
ten zeiget/ für was weniger/ als einen Men-
schen/ zu halten. Hiermit wieß sie zugleich
auff den in dem Eingange gemahlten Fall des
Jcarus/ dem die Flügel zerschmeltzten/ als er
an die Sonne rühren wolte. Orisinanes
ward hierüber nicht wenig beschämet/ entschul-
digte aber seine Vermessenheit: Es wäre ihm
vorkommen/ als ob der Königin auff den glat-
ten Marmel-Staffeln ein Fuß hätte entglei-
ten wollen. Erato beruhigte sich darmit/
und ließ seine Kühnheit für einen Jrrthumb
dißmahl hingehen; setzte aber bey: Der ist kein
Thore/ der Thorheiten begeht/ sondern der
die begangenen nicht verdecket. Man versie-
gelt gemeine Brieffe/ wie viel mehr soll man
es mit den Gebrechen des Gemüths machen.
Alle Menschen thun Fehltritte/ aber mit dem
Unterschiede: Daß die klugen ihre begange-
nen Jrrthümer verblümen/ die albern aber
auch die Fehler verrathen/ die sie thun wol-
len. Kurtz hernach brauchte sie ihn noch zu ei-
nem Gesandten an Antiopen die Königin in
Albanien/ welche des Orismanes Hochmuth
wahrnahm/ und daher einst unter andern Ge-
sprächen an einem Fenster ihm den auff einem
Thurme aufgesteckten Kopff ihres gewese-
nen grösten und liebsten Rathes Trebosse-
rex zeigte und beysetzte: Sehet Orisma-

nes/

Drittes Buch
[Spaltenumbruch] tafernes ihm mehr/ als wohl andern zu Liebe.
Dieſe reine Zuneigung der Koͤnigin bildete
dem Oriſmanes ſeltzame Geſichter in ſein Ge-
hirne. Denn weil er ſich ſelbſt fuͤr laͤngſt in ſich
verliebthatte/ uͤberredeten ihn ſeine ſuͤſſe Traͤu-
me unſchwer/ es muͤſten auch alle andere ſich in
ihn verlieben. Thuſnelde brach laͤchelnde ein:
Aller Menſchen Selbſt-Liebe iſt Thorheit/ a-
ber der Maͤnner ihre/ weil ſie ſich nicht in euſer-
liche Schoͤnheit/ wie die Weibeꝛ insgemein/ ſon-
dern in die Gaben des Gemuͤthes verlieben/ iſt
ſchimpflicher und unheilbar. Denn die
Schwachheit nimmt den Qrt ein/ woraus die
Artzney kommen ſolte. Jch habe etliche Nar-
ciſſen gekennet/ welche geglaubt/ daß die tu-
gendhaffteſte und kaltſinnigſte Frau ſie das erſte
mahl nicht ohne Verliehrung ihrer Freyheit/
das ander mahl nicht ohne Einbuͤſſung ihrer
Vernunft anſchauen koͤnne/ ja daß das Frauen-
zimmer leichter den Hunds-Stern und den
Sudwind/ als ihre Gegenwart ohne Schaden
vertragen koͤnne. Salonine verſetzte: Jn
Warheit/ Oriſmanes gehoͤret in dieſer ihre
Reye. Der Koͤnigin Hoͤfligkeit nahm er fuͤr
Liebreitz/ ihre Wolthaten fuͤr einen Zinß ihrer
uͤberwundenen Keuſchheit an. Die Koͤni-
gin hingegen urtheilte von ihm alle Tage weni-
ger; weil die Selbſt-Liebe eines Menſchen
Geringſchaͤtzigkeit am meiſten verraͤthet/ in
dem ſie wie der Agſtein nichts als leichte Spreu
an ſich zeucht. Bey ſolchem Zuſtande hielten
ein und andere Merckmahle/ fuͤrnehmlich aber
der Koͤnigin Tugenden und Hoheit des Oriſ-
manes ſich ſelbſt uͤberſteigende Gedancken/ o-
der vielmehr derſelben Auslaſſung gute Zeit
zuruͤcke. Endlich aber trieb ihn entweder der
Vorwitz der Koͤnigin Gemuͤths-Meinung
auszuſpuͤren/ oder ſeine uͤbermaͤßige Begier-
de ſo weit: daß/ als die Koͤnigin in ihrem Luſt-
Garten in eine Hoͤle ſich zu erfriſchen abſtieg/
und ſich nach der Landes-Gewohnheit auff
[Spaltenumbruch] die Achſel des Oriſmanes lehnete/ er ſich
unterſtund mit der Hand unter ihren Arm zu
greiffen/ umb dem Scheine nach ihr Abſtei-
gen zu verſichern. Weil diß aber in Arme-
nien niemanden als den Fuͤrſten Koͤniglichen
Gebluͤtes erlaubet/ und der Numidiſchen Koͤ-
nige Art zu vergleichen iſt/ die keinen Men-
ſchen als ihre Bluts-Freunde einigen Kuſſes
wuͤrdigen; machte ihm Erato ein ſauer Ge-
ſichte/ und fing an: Es kan ein Menſch ſich
mehr nicht verſtellen/ als wenn er weiſt/ daß
er ein Menſch ſey. Ein kluger Mann iſt fuͤr
was mehr/ einer aber/ der ſeine Schwachhei-
ten zeiget/ fuͤr was weniger/ als einen Men-
ſchen/ zu halten. Hiermit wieß ſie zugleich
auff den in dem Eingange gemahlten Fall des
Jcarus/ dem die Fluͤgel zerſchmeltzten/ als er
an die Sonne ruͤhren wolte. Oriſinanes
ward hieruͤber nicht wenig beſchaͤmet/ entſchul-
digte aber ſeine Vermeſſenheit: Es waͤre ihm
vorkommen/ als ob der Koͤnigin auff den glat-
ten Marmel-Staffeln ein Fuß haͤtte entglei-
ten wollen. Erato beruhigte ſich darmit/
und ließ ſeine Kuͤhnheit fuͤr einen Jrrthumb
dißmahl hingehen; ſetzte aber bey: Der iſt kein
Thore/ der Thorheiten begeht/ ſondern der
die begangenen nicht verdecket. Man verſie-
gelt gemeine Brieffe/ wie viel mehr ſoll man
es mit den Gebrechen des Gemuͤths machen.
Alle Menſchen thun Fehltritte/ aber mit dem
Unterſchiede: Daß die klugen ihre begange-
nen Jrrthuͤmer verbluͤmen/ die albern aber
auch die Fehler verrathen/ die ſie thun wol-
len. Kurtz hernach brauchte ſie ihn noch zu ei-
nem Geſandten an Antiopen die Koͤnigin in
Albanien/ welche des Oriſmanes Hochmuth
wahrnahm/ und daher einſt unter andern Ge-
ſpraͤchen an einem Fenſter ihm den auff einem
Thurme aufgeſteckten Kopff ihres geweſe-
nen groͤſten und liebſten Rathes Treboſſe-
rex zeigte und beyſetzte: Sehet Oriſma-

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Zitationshilfe: Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689, S. 304. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lohenstein_feldherr01_1689/356>, abgerufen am 22.11.2024.