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Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689.

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Drittes Buch
[Spaltenumbruch] ihrer Wissenschafft eine Ungewißheit zu machen
hätten. Diesemnach denn einem warhafften
Weisen unter hunderten nicht leicht ein Bey-
spiel fehlen könte. Weßwegen die Persen auf
eine solche Wahrsagung so feste gebauet hätten/
daß sie ihrer Königlichen Wittib schwangern
Leib gekrönet/ und ihrer noch ungebohrnen
Frucht einen Mannes-Nahmen gegeben. Hin-
gegen hätte der grosse Alexander mit seinem To-
de den Unglauben gebüsset/ daß er wider der
Chaldeer Warnigung sich die Griechischen
Weisen bereden lassen nach Babylon zu kom-
men. Ohne die Wissenschafft der Sternen
könten auch weder Aertzte/ noch Schiff und A-
ckers-Leute verfahren. Die Jndianer nähmen
in wichtigen Reichs-Sachen allezeit die Gestir-
ne zu Rathe. Alle Weltweisen hätten diese
Wissenschafft/ weil sie uns gleichsam über un-
sere Menschligkeit empor hübe/ und uns künf-
tige Fälle/ um desto bessere Vorsicht zu haben/
vorher zeigte/ so hoch gehalten/ daß Pythago-
ras geurtheilet: GOtt hätte den Menschen er-
schaffen/ und die Natur ihn so gerade empor
wachsen lassen/ daß er den Himmel anschauete.
Anaxagoras hätte einen Zweiffelnden: Ob es
gut wäre zu leben/ oder nicht/ zu Betrachtung
des so schönen Himmels verwiesen. Epicur/
der so wollüstige Weltweise/ hätte seine gröste
Wollust in diesem wunderschönen Garten ge-
funden/ dessen Blumen niemahls verwelckten/
welche nichts von grüner Farbe an sich haben/
weil diese eine verderbliche Feuchtigkeit in sich
hat/ und ein Merckmahl nur der irrdischen
Hoffnungen/ wie der Himmel ein Behältniß
der Glückseligkeit ist. Diese Verantwortung/
oder auch meine thränende Augen/ sagte Dyna-
mis/ bewegte den Sophites/ daß er des Cherä-
mons Gutachten zu hören den König beredete.
Cherämon aber sagte den dritten Tag dem Pole-
mon: Er sehe aus dem Gestirne/ daß man vor-
her schon die Götter gefraget; Sie aber eben
[Spaltenumbruch] diß/ wohin die Sternen zielten/ geantwortet
hätten. Jhre Antwort aber würde schlimmer
ausgelegt/ als die Meinung wäre. Sintemal
Polemons Sohn durch seine Heldenthaten des
Vaters Ruhm/ nicht aber sein Lebens-Licht
ausleschen würde. Diese dem Polemon zwar
verdächtige Weissagung brachte es gleichwohl
so weit/ daß sich der König erklärete/ er wolte sei-
ne Faust nicht in seinem eignen Blute waschen/
noch den Göttern in ihren Verhängniß-Stab
greiffen. Jedoch müste er der Götter War-
nung nicht schlechter dings in Wind schlagen/
sondern dis Unglücks-Kind ausgesetzt/ und des-
sen Erhalt oder Verderbung dem Himmel
heimgestellet werden. Dieser Schluß ward
zwar alsofort vollzogen/ ich ließ es aber insge-
heim eine vertraute Edelfrau an dem ziemlich
weit von hier entfernten Flusse Melas nicht fer-
ne von der Stadt Zyristra im kleinern Armeni-
en aufferziehen. Hierauff zohe der König nach
Rom/ ich aber lernte inzwischen mit meinem
höchsten Hertzeleide die Göttliche Weissagung
von meiner Tochter verstehen. Denn sie er-
kranckte/ starb/ und küßte also frühzeitig ihre
Mutter/ nehmlich die Erde. Dieser Fall be-
stürtzte mich derogestalt/ daß ich meinem Jam-
mer kein Ende/ noch ausser meinem noch übrig
gebliebenen/ aber vom Vater und Verhäng-
nisse verworffenen Sohne keine Ergetzligkeit zu
finden wuste. Daher ließ ich insgeheim selbten
zu mir bringen/ dessen Anmuth mich derogestalt
bezauberte/ daß ich mich entschloß ihn nicht wie-
der von mir zu lassen/ solte ich auch selbst ein
Opffer seiner Grausamkeit werden. Also
ward ich schlüßig der noch nicht jährigen Toch-
ter Tod dem Könige zu verschweigen/ und die-
sen nicht älteren als unkenntlichen Sohn unter
dem Scheine eines Mägdleins bey mir zu er-
ziehen. Welches sich so viel leichter thun ließ/
weil in Persen/ Meden/ und Armenien die Vä-
ter ihre Kinder ohne diß nicht eher/ als biß sie sie-

ben

Drittes Buch
[Spaltenumbruch] ihrer Wiſſenſchafft eine Ungewißheit zu machen
haͤtten. Dieſemnach denn einem warhafften
Weiſen unter hunderten nicht leicht ein Bey-
ſpiel fehlen koͤnte. Weßwegen die Perſen auf
eine ſolche Wahrſagung ſo feſte gebauet haͤtten/
daß ſie ihrer Koͤniglichen Wittib ſchwangern
Leib gekroͤnet/ und ihrer noch ungebohrnen
Frucht einen Mannes-Nahmen gegeben. Hin-
gegen haͤtte der groſſe Alexander mit ſeinem To-
de den Unglauben gebuͤſſet/ daß er wider der
Chaldeer Warnigung ſich die Griechiſchen
Weiſen bereden laſſen nach Babylon zu kom-
men. Ohne die Wiſſenſchafft der Sternen
koͤnten auch weder Aertzte/ noch Schiff und A-
ckers-Leute verfahren. Die Jndianer naͤhmen
in wichtigen Reichs-Sachen allezeit die Geſtir-
ne zu Rathe. Alle Weltweiſen haͤtten dieſe
Wiſſenſchafft/ weil ſie uns gleichſam uͤber un-
ſere Menſchligkeit empor huͤbe/ und uns kuͤnf-
tige Faͤlle/ um deſto beſſere Vorſicht zu haben/
vorher zeigte/ ſo hoch gehalten/ daß Pythago-
ras geurtheilet: GOtt haͤtte den Menſchen er-
ſchaffen/ und die Natur ihn ſo gerade empor
wachſen laſſen/ daß er den Himmel anſchauete.
Anaxagoras haͤtte einen Zweiffelnden: Ob es
gut waͤre zu leben/ oder nicht/ zu Betrachtung
des ſo ſchoͤnen Himmels verwieſen. Epicur/
der ſo wolluͤſtige Weltweiſe/ haͤtte ſeine groͤſte
Wolluſt in dieſem wunderſchoͤnen Garten ge-
funden/ deſſen Blumen niemahls verwelckten/
welche nichts von gruͤner Farbe an ſich haben/
weil dieſe eine verderbliche Feuchtigkeit in ſich
hat/ und ein Merckmahl nur der irrdiſchen
Hoffnungen/ wie der Himmel ein Behaͤltniß
der Gluͤckſeligkeit iſt. Dieſe Verantwortung/
oder auch meine thraͤnende Augen/ ſagte Dyna-
mis/ bewegte den Sophites/ daß er des Cheraͤ-
mons Gutachten zu hoͤren den Koͤnig beredete.
Cheraͤmon abeꝛ ſagte den dritten Tag dem Pole-
mon: Er ſehe aus dem Geſtirne/ daß man vor-
her ſchon die Goͤtter gefraget; Sie aber eben
[Spaltenumbruch] diß/ wohin die Sternen zielten/ geantwortet
haͤtten. Jhre Antwort aber wuͤrde ſchlimmer
ausgelegt/ als die Meinung waͤre. Sintemal
Polemons Sohn durch ſeine Heldenthaten des
Vaters Ruhm/ nicht aber ſein Lebens-Licht
ausleſchen wuͤrde. Dieſe dem Polemon zwar
verdaͤchtige Weiſſagung brachte es gleichwohl
ſo weit/ daß ſich der Koͤnig erklaͤrete/ er wolte ſei-
ne Fauſt nicht in ſeinem eignen Blute waſchen/
noch den Goͤttern in ihren Verhaͤngniß-Stab
greiffen. Jedoch muͤſte er der Goͤtter War-
nung nicht ſchlechter dings in Wind ſchlagen/
ſondern dis Ungluͤcks-Kind ausgeſetzt/ und deſ-
ſen Erhalt oder Verderbung dem Himmel
heimgeſtellet werden. Dieſer Schluß ward
zwar alſofort vollzogen/ ich ließ es aber insge-
heim eine vertraute Edelfrau an dem ziemlich
weit von hier entfernten Fluſſe Melas nicht fer-
ne von der Stadt Zyriſtra im kleinern Armeni-
en aufferziehen. Hierauff zohe der Koͤnig nach
Rom/ ich aber lernte inzwiſchen mit meinem
hoͤchſten Hertzeleide die Goͤttliche Weiſſagung
von meiner Tochter verſtehen. Denn ſie er-
kranckte/ ſtarb/ und kuͤßte alſo fruͤhzeitig ihre
Mutter/ nehmlich die Erde. Dieſer Fall be-
ſtuͤrtzte mich derogeſtalt/ daß ich meinem Jam-
mer kein Ende/ noch auſſer meinem noch uͤbrig
gebliebenen/ aber vom Vater und Verhaͤng-
niſſe verworffenen Sohne keine Ergetzligkeit zu
finden wuſte. Daher ließ ich insgeheim ſelbten
zu mir bringen/ deſſen Anmuth mich derogeſtalt
bezauberte/ daß ich mich entſchloß ihn nicht wie-
der von mir zu laſſen/ ſolte ich auch ſelbſt ein
Opffer ſeiner Grauſamkeit werden. Alſo
ward ich ſchluͤßig der noch nicht jaͤhrigen Toch-
ter Tod dem Koͤnige zu verſchweigen/ und die-
ſen nicht aͤlteren als unkenntlichen Sohn unter
dem Scheine eines Maͤgdleins bey mir zu er-
ziehen. Welches ſich ſo viel leichter thun ließ/
weil in Perſen/ Meden/ und Armenien die Vaͤ-
ter ihre Kinder ohne diß nicht eher/ als biß ſie ſie-

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[270/0322] Drittes Buch ihrer Wiſſenſchafft eine Ungewißheit zu machen haͤtten. Dieſemnach denn einem warhafften Weiſen unter hunderten nicht leicht ein Bey- ſpiel fehlen koͤnte. Weßwegen die Perſen auf eine ſolche Wahrſagung ſo feſte gebauet haͤtten/ daß ſie ihrer Koͤniglichen Wittib ſchwangern Leib gekroͤnet/ und ihrer noch ungebohrnen Frucht einen Mannes-Nahmen gegeben. Hin- gegen haͤtte der groſſe Alexander mit ſeinem To- de den Unglauben gebuͤſſet/ daß er wider der Chaldeer Warnigung ſich die Griechiſchen Weiſen bereden laſſen nach Babylon zu kom- men. Ohne die Wiſſenſchafft der Sternen koͤnten auch weder Aertzte/ noch Schiff und A- ckers-Leute verfahren. Die Jndianer naͤhmen in wichtigen Reichs-Sachen allezeit die Geſtir- ne zu Rathe. Alle Weltweiſen haͤtten dieſe Wiſſenſchafft/ weil ſie uns gleichſam uͤber un- ſere Menſchligkeit empor huͤbe/ und uns kuͤnf- tige Faͤlle/ um deſto beſſere Vorſicht zu haben/ vorher zeigte/ ſo hoch gehalten/ daß Pythago- ras geurtheilet: GOtt haͤtte den Menſchen er- ſchaffen/ und die Natur ihn ſo gerade empor wachſen laſſen/ daß er den Himmel anſchauete. Anaxagoras haͤtte einen Zweiffelnden: Ob es gut waͤre zu leben/ oder nicht/ zu Betrachtung des ſo ſchoͤnen Himmels verwieſen. Epicur/ der ſo wolluͤſtige Weltweiſe/ haͤtte ſeine groͤſte Wolluſt in dieſem wunderſchoͤnen Garten ge- funden/ deſſen Blumen niemahls verwelckten/ welche nichts von gruͤner Farbe an ſich haben/ weil dieſe eine verderbliche Feuchtigkeit in ſich hat/ und ein Merckmahl nur der irrdiſchen Hoffnungen/ wie der Himmel ein Behaͤltniß der Gluͤckſeligkeit iſt. Dieſe Verantwortung/ oder auch meine thraͤnende Augen/ ſagte Dyna- mis/ bewegte den Sophites/ daß er des Cheraͤ- mons Gutachten zu hoͤren den Koͤnig beredete. Cheraͤmon abeꝛ ſagte den dritten Tag dem Pole- mon: Er ſehe aus dem Geſtirne/ daß man vor- her ſchon die Goͤtter gefraget; Sie aber eben diß/ wohin die Sternen zielten/ geantwortet haͤtten. Jhre Antwort aber wuͤrde ſchlimmer ausgelegt/ als die Meinung waͤre. Sintemal Polemons Sohn durch ſeine Heldenthaten des Vaters Ruhm/ nicht aber ſein Lebens-Licht ausleſchen wuͤrde. Dieſe dem Polemon zwar verdaͤchtige Weiſſagung brachte es gleichwohl ſo weit/ daß ſich der Koͤnig erklaͤrete/ er wolte ſei- ne Fauſt nicht in ſeinem eignen Blute waſchen/ noch den Goͤttern in ihren Verhaͤngniß-Stab greiffen. Jedoch muͤſte er der Goͤtter War- nung nicht ſchlechter dings in Wind ſchlagen/ ſondern dis Ungluͤcks-Kind ausgeſetzt/ und deſ- ſen Erhalt oder Verderbung dem Himmel heimgeſtellet werden. Dieſer Schluß ward zwar alſofort vollzogen/ ich ließ es aber insge- heim eine vertraute Edelfrau an dem ziemlich weit von hier entfernten Fluſſe Melas nicht fer- ne von der Stadt Zyriſtra im kleinern Armeni- en aufferziehen. Hierauff zohe der Koͤnig nach Rom/ ich aber lernte inzwiſchen mit meinem hoͤchſten Hertzeleide die Goͤttliche Weiſſagung von meiner Tochter verſtehen. Denn ſie er- kranckte/ ſtarb/ und kuͤßte alſo fruͤhzeitig ihre Mutter/ nehmlich die Erde. Dieſer Fall be- ſtuͤrtzte mich derogeſtalt/ daß ich meinem Jam- mer kein Ende/ noch auſſer meinem noch uͤbrig gebliebenen/ aber vom Vater und Verhaͤng- niſſe verworffenen Sohne keine Ergetzligkeit zu finden wuſte. Daher ließ ich insgeheim ſelbten zu mir bringen/ deſſen Anmuth mich derogeſtalt bezauberte/ daß ich mich entſchloß ihn nicht wie- der von mir zu laſſen/ ſolte ich auch ſelbſt ein Opffer ſeiner Grauſamkeit werden. Alſo ward ich ſchluͤßig der noch nicht jaͤhrigen Toch- ter Tod dem Koͤnige zu verſchweigen/ und die- ſen nicht aͤlteren als unkenntlichen Sohn unter dem Scheine eines Maͤgdleins bey mir zu er- ziehen. Welches ſich ſo viel leichter thun ließ/ weil in Perſen/ Meden/ und Armenien die Vaͤ- ter ihre Kinder ohne diß nicht eher/ als biß ſie ſie- ben

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Zitationshilfe: Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689, S. 270. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lohenstein_feldherr01_1689/322>, abgerufen am 22.11.2024.