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Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689.

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Drittes Buch
[Spaltenumbruch] Geburt etliche Stunden stehen; Viel so gar
lebendig aus den todten Müttern ge-
schnidten würden. Cherämon antwortete:
Es wären zwar einige Sternseher dieser
Meynung/ die Erfahrung aber eine Lehrmei-
sterin gewest/ daß wie die aufgehende Sonne
mit ihren Straalen die Welt gleichsam le-
bendig machte; also wären auch alle andere
Gestirne in ihrem Aufgange am kräftigsten.
Der Morgen wäre das rechte Theil des
Himmels/ die Morgenländer wären die tieff-
sinnigsten Leute/ in Morgenland wüchsen die
Edelgesteine/ und die wolrüchenden Dinge/
und die auch im Nord - und West - Striche
befindlichen Gewächse wären doch gegen
Morgen wolrüchender und kräfftiger. So-
phites fiel ein: Es wären aber die bey der
Geburt aufgehenden Gestirne den meisten
Menschen unbekant/ die wenigsten verstünden
nicht/ wie sie aufzumercken wären; die andern
versäumten diese Sorgfalt/ und rechneten ihre
Geburts - Stunde nach Anzeigung der ins-
gemein unrecht gehenden Uhren; gleichwohl
aber hätten die Sternseher kein Bedencken
einem ieden Wahrsager abzugeben. Cherä-
mon gab zur Antwort: Auf einen falschen
Bericht könte freylich keine Gewißheit ge-
gründet werden. Gleichwohl aber könten
sie/ wenn schon die Geburts-Stunde so genau
nicht beobachtet worden wäre/ aus etlichen
merckwürdigen Zufällen desselben Menschen
genau ausgerechnet werden. Sophites lachte/
und fing an: Diß ist in Wahrheit sehr weit ge-
sucht/ und aus einer Ungewißheit die andere
gezogen; zumal die Sternseher selbst fürgeben/
daß zweyerley Stand der Gestirne doch ei-
nerley Gutes oder Böses verursachte. Ge-
setzt aber/ daß die Sternseher allezeit der wah-
ren Geburts-Stunde versichert werden; wie
kommt es denn/ daß aus zweyen auf einmal ge-
bornen Zwillingen der eine ein Schoos-Kind
[Spaltenumbruch] des Glückes/ der andere ein Verwirffling der
Welt ist? Daß die zu einer Zeit ans Tage-
Licht kommende Proclus und Euristhenes in
allem so weit als Morgen und Abend von ein-
ander entfernet sind? Daß Hector und Poly-
damas einerley Geburts-Stunde/ aber gantz
widrige Verhängnüsse haben? Wie gehets
zu/ daß in einem Augenblicke zwey auf die
Welt kommen/ derer einer ein König wird/ der
andere sein Lebtage ein Sclave bleibt? Cherä-
mon stockte hierüber ein wenig/ fing aber an:
Die Gestirne hätten eine so geschwinde Be-
wegung/ daß fast unmöglich zwey Menschen
einen Augenblick der Geburt haben könten/ in
welchem doch der Stand der Sternen sich ver-
änderte. Uberdiß müsten die Würckungen
der Gestirne nicht so jüdisch/ sondern mit Ver-
nunft angenommen werden/ also/ daß nachdem
die/ welche im Steinbocke gebohren werden/
wenn selbtem die Krone gegen Morgen steht/
zu der Herrschafft einen kräftigen Zug
haben/ nicht eben Könige in Persien werden
müssen/ sondern/ wenn sie in ihrer Stadt den
höchsten Gipfel erlangen/ zu Sparta Fürsten/
zu Rom Bürgermeister werden/ diß/ was der
Himmel wahrsaget/ allerdings erlangt ha-
ben. Wenn ein Fürst im Wassermanne/
welcher Fischer macht/ oder im Orion/ der
die Jäger hägt/ in der Harffe des Orpheus/
als dem Hause der Musen gebohren wird/ ist
es schon genung/ daß er zu selbigen Ubungen
eine heftige Zuneigung habe/ nicht aber
muß er sich seiner Hoheit entäusern/ und aus
fischen und jagen ein Handwerck machen.
Durch diesen Fürwand/ fing Sophites an/
läst sich aber der Fehler gar nicht verhüllen:
daß durch Schiffbruch/ durch Eroberung einer
Stadt/ Gewinnung einer Schlacht viel hun-
dert/ in Asien durch Versinckung vieler Städ-
te/ in Rhetien durch Einfallung eines Berges/
in der Mutinensischen Gegend durch einen

Kampf

Drittes Buch
[Spaltenumbruch] Geburt etliche Stunden ſtehen; Viel ſo gar
lebendig aus den todten Muͤttern ge-
ſchnidten wuͤrden. Cheraͤmon antwortete:
Es waͤren zwar einige Sternſeher dieſer
Meynung/ die Erfahrung aber eine Lehrmei-
ſterin geweſt/ daß wie die aufgehende Sonne
mit ihren Straalen die Welt gleichſam le-
bendig machte; alſo waͤren auch alle andere
Geſtirne in ihrem Aufgange am kraͤftigſten.
Der Morgen waͤre das rechte Theil des
Himmels/ die Morgenlaͤnder waͤren die tieff-
ſinnigſten Leute/ in Morgenland wuͤchſen die
Edelgeſteine/ und die wolruͤchenden Dinge/
und die auch im Nord - und Weſt - Striche
befindlichen Gewaͤchſe waͤren doch gegen
Morgen wolruͤchender und kraͤfftiger. So-
phites fiel ein: Es waͤren aber die bey der
Geburt aufgehenden Geſtirne den meiſten
Menſchen unbekant/ die wenigſten verſtuͤnden
nicht/ wie ſie aufzumercken waͤren; die andern
verſaͤumten dieſe Sorgfalt/ und rechneten ihre
Geburts - Stunde nach Anzeigung der ins-
gemein unrecht gehenden Uhren; gleichwohl
aber haͤtten die Sternſeher kein Bedencken
einem ieden Wahrſager abzugeben. Cheraͤ-
mon gab zur Antwort: Auf einen falſchen
Bericht koͤnte freylich keine Gewißheit ge-
gruͤndet werden. Gleichwohl aber koͤnten
ſie/ wenn ſchon die Geburts-Stunde ſo genau
nicht beobachtet worden waͤre/ aus etlichen
merckwuͤrdigen Zufaͤllen deſſelben Menſchen
genau ausgerechnet werden. Sophites lachte/
und fing an: Diß iſt in Wahrheit ſehr weit ge-
ſucht/ und aus einer Ungewißheit die andere
gezogen; zumal die Sternſeher ſelbſt fuͤrgeben/
daß zweyerley Stand der Geſtirne doch ei-
nerley Gutes oder Boͤſes verurſachte. Ge-
ſetzt aber/ daß die Sternſeher allezeit der wah-
ren Geburts-Stunde verſichert werden; wie
kom̃t es denn/ daß aus zweyen auf einmal ge-
bornen Zwillingen der eine ein Schoos-Kind
[Spaltenumbruch] des Gluͤckes/ der andere ein Verwirffling der
Welt iſt? Daß die zu einer Zeit ans Tage-
Licht kommende Proclus und Euriſthenes in
allem ſo weit als Morgen und Abend von ein-
ander entfernet ſind? Daß Hector und Poly-
damas einerley Geburts-Stunde/ aber gantz
widrige Verhaͤngnuͤſſe haben? Wie gehets
zu/ daß in einem Augenblicke zwey auf die
Welt kommen/ derer einer ein Koͤnig wird/ der
andere ſein Lebtage ein Sclave bleibt? Cheraͤ-
mon ſtockte hieruͤber ein wenig/ fing aber an:
Die Geſtirne haͤtten eine ſo geſchwinde Be-
wegung/ daß faſt unmoͤglich zwey Menſchen
einen Augenblick der Geburt haben koͤnten/ in
welchem doch der Stand der Sternen ſich ver-
aͤnderte. Uberdiß muͤſten die Wuͤrckungen
der Geſtirne nicht ſo juͤdiſch/ ſondern mit Ver-
nunft angenommen werden/ alſo/ daß nachdem
die/ welche im Steinbocke gebohren werden/
wenn ſelbtem die Krone gegen Morgen ſteht/
zu der Herrſchafft einen kraͤftigen Zug
haben/ nicht eben Koͤnige in Perſien werden
muͤſſen/ ſondern/ wenn ſie in ihrer Stadt den
hoͤchſten Gipfel erlangen/ zu Sparta Fuͤrſten/
zu Rom Buͤrgermeiſter werden/ diß/ was der
Himmel wahrſaget/ allerdings erlangt ha-
ben. Wenn ein Fuͤrſt im Waſſermanne/
welcher Fiſcher macht/ oder im Orion/ der
die Jaͤger haͤgt/ in der Harffe des Orpheus/
als dem Hauſe der Muſen gebohren wird/ iſt
es ſchon genung/ daß er zu ſelbigen Ubungen
eine heftige Zuneigung habe/ nicht aber
muß er ſich ſeiner Hoheit entaͤuſern/ und aus
fiſchen und jagen ein Handwerck machen.
Durch dieſen Fuͤrwand/ fing Sophites an/
laͤſt ſich aber der Fehler gar nicht verhuͤllen:
daß durch Schiffbruch/ durch Eroberung einer
Stadt/ Gewinnung einer Schlacht viel hun-
dert/ in Aſien durch Verſinckung vieler Staͤd-
te/ in Rhetien durch Einfallung eines Berges/
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[268/0320] Drittes Buch Geburt etliche Stunden ſtehen; Viel ſo gar lebendig aus den todten Muͤttern ge- ſchnidten wuͤrden. Cheraͤmon antwortete: Es waͤren zwar einige Sternſeher dieſer Meynung/ die Erfahrung aber eine Lehrmei- ſterin geweſt/ daß wie die aufgehende Sonne mit ihren Straalen die Welt gleichſam le- bendig machte; alſo waͤren auch alle andere Geſtirne in ihrem Aufgange am kraͤftigſten. Der Morgen waͤre das rechte Theil des Himmels/ die Morgenlaͤnder waͤren die tieff- ſinnigſten Leute/ in Morgenland wuͤchſen die Edelgeſteine/ und die wolruͤchenden Dinge/ und die auch im Nord - und Weſt - Striche befindlichen Gewaͤchſe waͤren doch gegen Morgen wolruͤchender und kraͤfftiger. So- phites fiel ein: Es waͤren aber die bey der Geburt aufgehenden Geſtirne den meiſten Menſchen unbekant/ die wenigſten verſtuͤnden nicht/ wie ſie aufzumercken waͤren; die andern verſaͤumten dieſe Sorgfalt/ und rechneten ihre Geburts - Stunde nach Anzeigung der ins- gemein unrecht gehenden Uhren; gleichwohl aber haͤtten die Sternſeher kein Bedencken einem ieden Wahrſager abzugeben. Cheraͤ- mon gab zur Antwort: Auf einen falſchen Bericht koͤnte freylich keine Gewißheit ge- gruͤndet werden. Gleichwohl aber koͤnten ſie/ wenn ſchon die Geburts-Stunde ſo genau nicht beobachtet worden waͤre/ aus etlichen merckwuͤrdigen Zufaͤllen deſſelben Menſchen genau ausgerechnet werden. Sophites lachte/ und fing an: Diß iſt in Wahrheit ſehr weit ge- ſucht/ und aus einer Ungewißheit die andere gezogen; zumal die Sternſeher ſelbſt fuͤrgeben/ daß zweyerley Stand der Geſtirne doch ei- nerley Gutes oder Boͤſes verurſachte. Ge- ſetzt aber/ daß die Sternſeher allezeit der wah- ren Geburts-Stunde verſichert werden; wie kom̃t es denn/ daß aus zweyen auf einmal ge- bornen Zwillingen der eine ein Schoos-Kind des Gluͤckes/ der andere ein Verwirffling der Welt iſt? Daß die zu einer Zeit ans Tage- Licht kommende Proclus und Euriſthenes in allem ſo weit als Morgen und Abend von ein- ander entfernet ſind? Daß Hector und Poly- damas einerley Geburts-Stunde/ aber gantz widrige Verhaͤngnuͤſſe haben? Wie gehets zu/ daß in einem Augenblicke zwey auf die Welt kommen/ derer einer ein Koͤnig wird/ der andere ſein Lebtage ein Sclave bleibt? Cheraͤ- mon ſtockte hieruͤber ein wenig/ fing aber an: Die Geſtirne haͤtten eine ſo geſchwinde Be- wegung/ daß faſt unmoͤglich zwey Menſchen einen Augenblick der Geburt haben koͤnten/ in welchem doch der Stand der Sternen ſich ver- aͤnderte. Uberdiß muͤſten die Wuͤrckungen der Geſtirne nicht ſo juͤdiſch/ ſondern mit Ver- nunft angenommen werden/ alſo/ daß nachdem die/ welche im Steinbocke gebohren werden/ wenn ſelbtem die Krone gegen Morgen ſteht/ zu der Herrſchafft einen kraͤftigen Zug haben/ nicht eben Koͤnige in Perſien werden muͤſſen/ ſondern/ wenn ſie in ihrer Stadt den hoͤchſten Gipfel erlangen/ zu Sparta Fuͤrſten/ zu Rom Buͤrgermeiſter werden/ diß/ was der Himmel wahrſaget/ allerdings erlangt ha- ben. Wenn ein Fuͤrſt im Waſſermanne/ welcher Fiſcher macht/ oder im Orion/ der die Jaͤger haͤgt/ in der Harffe des Orpheus/ als dem Hauſe der Muſen gebohren wird/ iſt es ſchon genung/ daß er zu ſelbigen Ubungen eine heftige Zuneigung habe/ nicht aber muß er ſich ſeiner Hoheit entaͤuſern/ und aus fiſchen und jagen ein Handwerck machen. Durch dieſen Fuͤrwand/ fing Sophites an/ laͤſt ſich aber der Fehler gar nicht verhuͤllen: daß durch Schiffbruch/ durch Eroberung einer Stadt/ Gewinnung einer Schlacht viel hun- dert/ in Aſien durch Verſinckung vieler Staͤd- te/ in Rhetien durch Einfallung eines Berges/ in der Mutinenſiſchen Gegend durch einen Kampf

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Zitationshilfe: Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689, S. 268. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lohenstein_feldherr01_1689/320>, abgerufen am 25.11.2024.