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Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689.

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Arminius und Thußnelda.
[Spaltenumbruch] zu erwehlen in sich? Denn wie unschwer nach-
zugeben/ daß die Sternen über den menschli-
chen Leib als ein irrdisches Theil der Welt wür-
cken können; also nachdem die Seele ein Fun-
cken des Göttlichen Lichtes/ und von einem hö-
hern Ursprunge/ als die Sonne selbst ist; wie
können die niedrigern Gestirne über das höhere
würcken? Wenn die Seele sich nicht selbst der
Knechtschafft des Leibes unterwirfft? Cherämon
sahe den Sophites ernsthaft an/ und sagte: O
ihr albern Menschen/ die ihr euer Glücke/ euer
Klugheit/ und eure gute Wercke eurem freyen
Willen zueignet. Beydes hänget an den Ket-
ten des unveränderlichen Verhängnüsses/ wel-
ches durch die Sternen die Menschen/ wie
ein Gauckler die Tocken durch ver-
borgene Dräte beweget. Dieses Verhängnüß
haben die Weisen durch das Faß der Pandora/
wie die Bewegung der Jrr-Sterne durch des
Orpheus siebenseitige Leyer abgebildet/ indem
jene den Seelen bey der Geburt des Menschen
nach der Anschaffung des Himmels Böses und
Gutes zueignet. Die Hoheit der Seele klim-
mete zwar höher/ als die Gestirne/ keines weges
aber über dem Verhängnüsse/ welches das Ge-
müthe und der Wille Gottes wäre. Diesem-
nach auch die Götter an die Nothwendigkeiten
des Verhängnüsses/ wie Prometheus an den
Felsen des Caucasus angebunden wä-
ren. Es ist diß/ sagte Sophites/ eine ge-
fährliche Lehre/ welche den vernünftigen
Menschen zu einem wilden Thiere/ und
zu einem Leibeigenen des Himmels ma-
chen. Denn ob er zwar selbst sich bescheide/
daß die so wunderwürdigen Begebenheiten der
Welt nicht ungefähr geschehen/ dem menschli-
chen Willen und Klugheit auch in der Wahl es
vielmal fehl schlüge/ und daher etwas überirrdi-
sches über uns das Gebiete führen müste; so
glaubte er doch nicht/ daß dieses von denen
Sternen/ welchen Gott doch einen gewissen
Lauff fürgeschrieben/ und ein solches Ziel gesteckt
[Spaltenumbruch] hätte/ wenn man selbten auch schon das Band
anderer natürlichen Ursachen beysetzte/ herrüh-
ren könte oder müste; sondern/ daß die Vernunft
zwischen bös- und guten eine unverschrenckte
Wahl habe/ ungeachtet selbte ihrer Blödigkeit
halber vielmal den unrechten Dreyfuß anrühre-
te/ ein Weiser aber der Neigung des Gestirnes
überlegen sey. Weil er aber wohl wüste/ daß
dieser Stritt unter den Menschen keinen un-
verwerfflichen Richter hätte/ so wolte er inzwi-
schen dem Cherämon seinen eingebildeten Ster-
nen - Zwang enthängen. Nachdem aber
Cherämon nicht läugnen könte/ daß die Chaldeer
und Egyptier so gar in der Zahl und in dem
Stande der zwölff himmlischen Zeichen einander
zuwider wären/ diese derselben zwölff/ jene
nur eilff machten/ ihre Gräntzen auch sonst gar
nicht miteinander übereinstimmten; die Serer
über diß über 500. Gestirne mehr/ als die andern
zwey und die Araber zehlen; gleicher Gestalt
auch etliche Sternseher den Mercur zu einem
weiblichen/ andere zu einem männlichen Gestir-
ne/ die dritten zu einem Zwyter machten; eben
dieser Stern dem einen vor/ dem andern hinten
nach ginge; ihrer viel denen Mitternächtischen/
viel denen gerade über unserm Wirbel stehen-
den Sternen die nachdrücklichste Wirckung zu-
eigneten; wie wäre möglich/ daß aus diesen wi-
drigen Meynungen/ welche doch die Sternseher
für ihre Grundfeste hielten/ einige unfehlbare
Gewißheit/ ja nur eine glaubhafte Muthmas-
sung gezogen werden könte? sondern ieder Ver-
nünftiger könte leicht urtheilen: daß es mit der
Sternseher Wahrsagung eben eine solche Eitel-
keit hätte/ wie mit den Aufmerckern des Vogel-
Geschrey- und Fluges; es ginge auch mit bey-
den einerley Betrug für. Die Nacht-Eulen
wären fast allen Völckern ein Unglücks- Vo-
gel; die Athenienser und Scythen verehrten ihn
als einen gewissen Siegs- und Glücks-Boten;
und hätte Agathocles/ welcher beym An-
fange der Schlacht eine vorhin verwahrte

Menge
Erster Theil. L l

Arminius und Thußnelda.
[Spaltenumbruch] zu erwehlen in ſich? Denn wie unſchwer nach-
zugeben/ daß die Sternen uͤber den menſchli-
chen Leib als ein irrdiſches Theil der Welt wuͤr-
cken koͤnnen; alſo nachdem die Seele ein Fun-
cken des Goͤttlichen Lichtes/ und von einem hoͤ-
hern Urſprunge/ als die Sonne ſelbſt iſt; wie
koͤnnen die niedrigern Geſtirne uͤber das hoͤhere
wuͤrcken? Wenn die Seele ſich nicht ſelbſt der
Knechtſchafft des Leibes unterwirfft? Cheraͤmon
ſahe den Sophites ernſthaft an/ und ſagte: O
ihr albern Menſchen/ die ihr euer Gluͤcke/ euer
Klugheit/ und eure gute Wercke eurem freyen
Willen zueignet. Beydes haͤnget an den Ket-
ten des unveraͤnderlichen Verhaͤngnuͤſſes/ wel-
ches durch die Sternen die Menſchen/ wie
ein Gauckler die Tocken durch ver-
borgene Draͤte beweget. Dieſes Verhaͤngnuͤß
haben die Weiſen durch das Faß der Pandora/
wie die Bewegung der Jrr-Sterne durch des
Orpheus ſiebenſeitige Leyer abgebildet/ indem
jene den Seelen bey der Geburt des Menſchen
nach der Anſchaffung des Himmels Boͤſes und
Gutes zueignet. Die Hoheit der Seele klim-
mete zwar hoͤher/ als die Geſtirne/ keines weges
aber uͤber dem Verhaͤngnuͤſſe/ welches das Ge-
muͤthe und der Wille Gottes waͤre. Dieſem-
nach auch die Goͤtter an die Nothwendigkeiten
des Verhaͤngnuͤſſes/ wie Prometheus an den
Felſen des Caucaſus angebunden waͤ-
ren. Es iſt diß/ ſagte Sophites/ eine ge-
faͤhrliche Lehre/ welche den vernuͤnftigen
Menſchen zu einem wilden Thiere/ und
zu einem Leibeigenen des Himmels ma-
chen. Denn ob er zwar ſelbſt ſich beſcheide/
daß die ſo wunderwuͤrdigen Begebenheiten der
Welt nicht ungefaͤhr geſchehen/ dem menſchli-
chen Willen und Klugheit auch in der Wahl es
vielmal fehl ſchluͤge/ und daher etwas uͤberirrdi-
ſches uͤber uns das Gebiete fuͤhren muͤſte; ſo
glaubte er doch nicht/ daß dieſes von denen
Sternen/ welchen Gott doch einen gewiſſen
Lauff fuͤrgeſchrieben/ und ein ſolches Ziel geſteckt
[Spaltenumbruch] haͤtte/ wenn man ſelbten auch ſchon das Band
anderer natuͤrlichen Urſachen beyſetzte/ herruͤh-
ren koͤnte oder muͤſte; ſondern/ daß die Vernunft
zwiſchen boͤſ- und guten eine unverſchrenckte
Wahl habe/ ungeachtet ſelbte ihrer Bloͤdigkeit
halber vielmal den unrechten Dreyfuß anruͤhre-
te/ ein Weiſer aber der Neigung des Geſtirnes
uͤberlegen ſey. Weil er aber wohl wuͤſte/ daß
dieſer Stritt unter den Menſchen keinen un-
verwerfflichen Richter haͤtte/ ſo wolte er inzwi-
ſchen dem Cheraͤmon ſeinen eingebildeten Ster-
nen - Zwang enthaͤngen. Nachdem aber
Cheraͤmon nicht laͤugnen koͤnte/ daß die Chaldeer
und Egyptier ſo gar in der Zahl und in dem
Stande der zwoͤlff him̃liſchen Zeichen einander
zuwider waͤren/ dieſe derſelben zwoͤlff/ jene
nur eilff machten/ ihre Graͤntzen auch ſonſt gar
nicht miteinander uͤbereinſtimmten; die Serer
uͤber diß uͤber 500. Geſtirne mehr/ als die andern
zwey und die Araber zehlen; gleicher Geſtalt
auch etliche Sternſeher den Mercur zu einem
weiblichen/ andere zu einem maͤnnlichen Geſtir-
ne/ die dritten zu einem Zwyter machten; eben
dieſer Stern dem einen vor/ dem andern hinten
nach ginge; ihrer viel denen Mitternaͤchtiſchen/
viel denen gerade uͤber unſerm Wirbel ſtehen-
den Sternen die nachdruͤcklichſte Wirckung zu-
eigneten; wie waͤre moͤglich/ daß aus dieſen wi-
drigen Meynungen/ welche doch die Sternſeher
fuͤr ihre Grundfeſte hielten/ einige unfehlbare
Gewißheit/ ja nur eine glaubhafte Muthmaſ-
ſung gezogen werden koͤnte? ſondern ieder Ver-
nuͤnftiger koͤnte leicht urtheilen: daß es mit der
Sternſeher Wahrſagung eben eine ſolche Eitel-
keit haͤtte/ wie mit den Aufmerckern des Vogel-
Geſchrey- und Fluges; es ginge auch mit bey-
den einerley Betrug fuͤr. Die Nacht-Eulen
waͤren faſt allen Voͤlckern ein Ungluͤcks- Vo-
gel; die Athenienſer und Scythen verehrten ihn
als einen gewiſſen Siegs- und Gluͤcks-Boten;
und haͤtte Agathocles/ welcher beym An-
fange der Schlacht eine vorhin verwahrte

Menge
Erſter Theil. L l
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[265/0317] Arminius und Thußnelda. zu erwehlen in ſich? Denn wie unſchwer nach- zugeben/ daß die Sternen uͤber den menſchli- chen Leib als ein irrdiſches Theil der Welt wuͤr- cken koͤnnen; alſo nachdem die Seele ein Fun- cken des Goͤttlichen Lichtes/ und von einem hoͤ- hern Urſprunge/ als die Sonne ſelbſt iſt; wie koͤnnen die niedrigern Geſtirne uͤber das hoͤhere wuͤrcken? Wenn die Seele ſich nicht ſelbſt der Knechtſchafft des Leibes unterwirfft? Cheraͤmon ſahe den Sophites ernſthaft an/ und ſagte: O ihr albern Menſchen/ die ihr euer Gluͤcke/ euer Klugheit/ und eure gute Wercke eurem freyen Willen zueignet. Beydes haͤnget an den Ket- ten des unveraͤnderlichen Verhaͤngnuͤſſes/ wel- ches durch die Sternen die Menſchen/ wie ein Gauckler die Tocken durch ver- borgene Draͤte beweget. Dieſes Verhaͤngnuͤß haben die Weiſen durch das Faß der Pandora/ wie die Bewegung der Jrr-Sterne durch des Orpheus ſiebenſeitige Leyer abgebildet/ indem jene den Seelen bey der Geburt des Menſchen nach der Anſchaffung des Himmels Boͤſes und Gutes zueignet. Die Hoheit der Seele klim- mete zwar hoͤher/ als die Geſtirne/ keines weges aber uͤber dem Verhaͤngnuͤſſe/ welches das Ge- muͤthe und der Wille Gottes waͤre. Dieſem- nach auch die Goͤtter an die Nothwendigkeiten des Verhaͤngnuͤſſes/ wie Prometheus an den Felſen des Caucaſus angebunden waͤ- ren. Es iſt diß/ ſagte Sophites/ eine ge- faͤhrliche Lehre/ welche den vernuͤnftigen Menſchen zu einem wilden Thiere/ und zu einem Leibeigenen des Himmels ma- chen. Denn ob er zwar ſelbſt ſich beſcheide/ daß die ſo wunderwuͤrdigen Begebenheiten der Welt nicht ungefaͤhr geſchehen/ dem menſchli- chen Willen und Klugheit auch in der Wahl es vielmal fehl ſchluͤge/ und daher etwas uͤberirrdi- ſches uͤber uns das Gebiete fuͤhren muͤſte; ſo glaubte er doch nicht/ daß dieſes von denen Sternen/ welchen Gott doch einen gewiſſen Lauff fuͤrgeſchrieben/ und ein ſolches Ziel geſteckt haͤtte/ wenn man ſelbten auch ſchon das Band anderer natuͤrlichen Urſachen beyſetzte/ herruͤh- ren koͤnte oder muͤſte; ſondern/ daß die Vernunft zwiſchen boͤſ- und guten eine unverſchrenckte Wahl habe/ ungeachtet ſelbte ihrer Bloͤdigkeit halber vielmal den unrechten Dreyfuß anruͤhre- te/ ein Weiſer aber der Neigung des Geſtirnes uͤberlegen ſey. Weil er aber wohl wuͤſte/ daß dieſer Stritt unter den Menſchen keinen un- verwerfflichen Richter haͤtte/ ſo wolte er inzwi- ſchen dem Cheraͤmon ſeinen eingebildeten Ster- nen - Zwang enthaͤngen. Nachdem aber Cheraͤmon nicht laͤugnen koͤnte/ daß die Chaldeer und Egyptier ſo gar in der Zahl und in dem Stande der zwoͤlff him̃liſchen Zeichen einander zuwider waͤren/ dieſe derſelben zwoͤlff/ jene nur eilff machten/ ihre Graͤntzen auch ſonſt gar nicht miteinander uͤbereinſtimmten; die Serer uͤber diß uͤber 500. Geſtirne mehr/ als die andern zwey und die Araber zehlen; gleicher Geſtalt auch etliche Sternſeher den Mercur zu einem weiblichen/ andere zu einem maͤnnlichen Geſtir- ne/ die dritten zu einem Zwyter machten; eben dieſer Stern dem einen vor/ dem andern hinten nach ginge; ihrer viel denen Mitternaͤchtiſchen/ viel denen gerade uͤber unſerm Wirbel ſtehen- den Sternen die nachdruͤcklichſte Wirckung zu- eigneten; wie waͤre moͤglich/ daß aus dieſen wi- drigen Meynungen/ welche doch die Sternſeher fuͤr ihre Grundfeſte hielten/ einige unfehlbare Gewißheit/ ja nur eine glaubhafte Muthmaſ- ſung gezogen werden koͤnte? ſondern ieder Ver- nuͤnftiger koͤnte leicht urtheilen: daß es mit der Sternſeher Wahrſagung eben eine ſolche Eitel- keit haͤtte/ wie mit den Aufmerckern des Vogel- Geſchrey- und Fluges; es ginge auch mit bey- den einerley Betrug fuͤr. Die Nacht-Eulen waͤren faſt allen Voͤlckern ein Ungluͤcks- Vo- gel; die Athenienſer und Scythen verehrten ihn als einen gewiſſen Siegs- und Gluͤcks-Boten; und haͤtte Agathocles/ welcher beym An- fange der Schlacht eine vorhin verwahrte Menge Erſter Theil. L l

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Zitationshilfe: Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689, S. 265. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lohenstein_feldherr01_1689/317>, abgerufen am 08.05.2024.