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Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689.

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Vorbericht an den Leser.
Jungfrauen in Weiber-Tracht verborgene Achilles nach würdigen Sachen
ausstrecken. Denn als diese mit Anschauung des vom verkleideten Ulysses zum
verkauffen dahin gebrachten Weiber-Schmucks beschäfftiget waren/ Achilles
bloß nach der darunter verborgenen Wehre grieff/ und also hierdurch vom U-
lysses erkennet ward. Mancher lieset zwar die heiligsten Bücher/ höret tau-
send guter Lehren und nachdrückliche Vermahnungen/ dennoch aber wil ihn
keines bessern; sondern er unterstehet sich vielmehr wol gar die allerherrlichsten
Dinge/ wie Lucianus/ zu einem Gespötte zu machen. Wie denn auch noch heute
zu Tage nichts gemeiners in der Welt ist/ als über andere Sachen seltzame Ur-
theile fällen und tadeln können. Ja es giebet so gar Menschen/ welche lieber
ohne Zunge als Stichreden seyn wolten; also daß es mancher entweder vor kei-
ne sinnreiche Erfindung/ oder ihm vor einen Schimpff halten würde/ wenn er
nicht von iedem Dinge etwas böses oder stachlichtes zu reden wüste. Denn
dadurch meinen dergleichen Leute/ welche sich gleichwol die Warheit zu reden
einbilden/ bey der gelehrten Welt vor helleuchtende Sternen angesehen zu wer-
den; da sie doch kaum dampfende Pech-Fackeln sind/ welche/ was auch immer
ihr Schwefel und Rauch vor Bländungen vorbilden kan/ sich doch ihres Ge-
stancks halber selbst verrathen/ und ihre eigene Vertunckelung befördern. Die-
se reden insgemein nie zierlicher/ als wenn sie am übelsten nachreden; und glän-
tzen niemals mehrers/ als wenn sie am meisten brennen. Sie sind wie die Lö-
wen/ welche/ wenn sie einmal Blut von ihren Klauen gelecket/ noch immer
grössere Begierde darnach haben; oder wie die Scorpionen/ die nur allezeit zu
stechen bereit sind. Hingegen haben alle rechtschaffene Gemüther iederzeit eine
Abscheu vor Spötternzu tragen pflegen; weil ihre Worte und Tinte ein laute-
res Gifft ist/ so die Nahmen und alles das/ was sie benennen/ vergifftet. Wie
denn jener ausländische Ritter und kluge Raths-Herr zu Venedig gar nach-
dencklich hiervon geurtheilet: daß kein ehrlicher Mann mit gutem Gewissen
dergleichen weder reden noch schreiben könte; Und gleich wie man Verrätherey
liebte/ den Verräther aber hassete; also man auch Spott- oder Stachel-Reden
zwar lobte/ aber vor derselben Uhrheber einen Abscheu trüge; ja einem derglei-
chen Liebhaber an statt des verhofften Lobes gar hoch vernünfftig zur Antwort
schrieb: Disteln säen und Satyrische Schrifften machen/ wäre seines Bedün-
ckens einerley; wenn sodenn Dornen daraus wüchsen/ müste man nicht das
Glücke/ sondern seine eigene Thorheit anklagen. Und ob selbte zwar bey den
Zuhörern ein Gelächter erregten/ setzten sie doch gemeiniglich den Uhrheber in

Leid.

Vorbericht an den Leſer.
Jungfrauen in Weiber-Tracht verborgene Achilles nach wuͤrdigen Sachen
ausſtrecken. Denn als dieſe mit Anſchauung des vom verkleideten Ulyſſes zum
verkauffen dahin gebrachten Weiber-Schmucks beſchaͤfftiget waren/ Achilles
bloß nach der darunter verborgenen Wehre grieff/ und alſo hierdurch vom U-
lyſſes erkennet ward. Mancher lieſet zwar die heiligſten Buͤcher/ hoͤret tau-
ſend guter Lehren und nachdruͤckliche Vermahnungen/ dennoch aber wil ihn
keines beſſern; ſondern er unterſtehet ſich vielmehr wol gar die allerherrlichſten
Dinge/ wie Lucianus/ zu einem Geſpoͤtte zu machen. Wie denn auch noch heute
zu Tage nichts gemeiners in der Welt iſt/ als uͤber andere Sachen ſeltzame Ur-
theile faͤllen und tadeln koͤnnen. Ja es giebet ſo gar Menſchen/ welche lieber
ohne Zunge als Stichreden ſeyn wolten; alſo daß es mancher entweder vor kei-
ne ſinnreiche Erfindung/ oder ihm vor einen Schimpff halten wuͤrde/ wenn er
nicht von iedem Dinge etwas boͤſes oder ſtachlichtes zu reden wuͤſte. Denn
dadurch meinen dergleichen Leute/ welche ſich gleichwol die Warheit zu reden
einbilden/ bey der gelehrten Welt vor helleuchtende Sternen angeſehen zu wer-
den; da ſie doch kaum dampfende Pech-Fackeln ſind/ welche/ was auch immer
ihr Schwefel und Rauch vor Blaͤndungen vorbilden kan/ ſich doch ihres Ge-
ſtancks halber ſelbſt verrathen/ und ihre eigene Vertunckelung befoͤrdern. Die-
ſe reden insgemein nie zierlicher/ als wenn ſie am uͤbelſten nachreden; und glaͤn-
tzen niemals mehrers/ als wenn ſie am meiſten brennen. Sie ſind wie die Loͤ-
wen/ welche/ wenn ſie einmal Blut von ihren Klauen gelecket/ noch immer
groͤſſere Begierde darnach haben; oder wie die Scorpionen/ die nur allezeit zu
ſtechen bereit ſind. Hingegen haben alle rechtſchaffene Gemuͤther iederzeit eine
Abſcheu vor Spoͤtternzu tragen pflegen; weil ihre Worte und Tinte ein laute-
res Gifft iſt/ ſo die Nahmen und alles das/ was ſie benennen/ vergifftet. Wie
denn jener auslaͤndiſche Ritter und kluge Raths-Herr zu Venedig gar nach-
dencklich hiervon geurtheilet: daß kein ehrlicher Mann mit gutem Gewiſſen
dergleichen weder reden noch ſchreiben koͤnte; Und gleich wie man Verraͤtherey
liebte/ den Verraͤther aber haſſete; alſo man auch Spott- oder Stachel-Reden
zwar lobte/ aber vor derſelben Uhrheber einen Abſcheu truͤge; ja einem derglei-
chen Liebhaber an ſtatt des verhofften Lobes gar hoch vernuͤnfftig zur Antwort
ſchrieb: Diſteln ſaͤen und Satyriſche Schrifften machen/ waͤre ſeines Beduͤn-
ckens einerley; wenn ſodenn Dornen daraus wuͤchſen/ muͤſte man nicht das
Gluͤcke/ ſondern ſeine eigene Thorheit anklagen. Und ob ſelbte zwar bey den
Zuhoͤrern ein Gelaͤchter erregten/ ſetzten ſie doch gemeiniglich den Uhrheber in

Leid.
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Zitationshilfe: Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lohenstein_feldherr01_1689/27>, abgerufen am 16.04.2024.