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Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689.

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Arminius und Thußnelda.
[Spaltenumbruch] mung des Athenlensischen Gebietes/ Hanni-
bal nicht zu Verwahrung Hispaniens seine
Waffen gebraucht/ sondern jener hätte das
feindliche Sparta/ dieser Jtalien darmit ange-
fallen. Die Römer wären dadurch so groß
worden/ daß sie ihren Feind allezeit im Hertzen
angegriffen/ und als gleich Hannibal noch in den
Eingeweiden Jtaliens genaget/ hätte doch
Seipio eben so wol als der in Sicilien schier von
den Mohren zur Verzweifelung gebrachte Aga-
thocles das Haupt Carthago mit erwünschtem
Ausschlage angefallen/ weil die Africaner hier-
durch frembde Herrschsucht zu vergessen/ und
ihres Vaterlandes eigenem Feuer zuzulauffen
gezwungen worden. Hätte Darius des
Memnons Rathe gefolget/ und/ an statt der er-
sten Schlacht/ in Macedonien übergesetzt/ wä-
re Alexandern in Persien der gantze Compaß
verrückt worden. Nichts minder hätten die
Römer wol Asiens vergessen/ wenn Antiochus
nach Hannibals Anschlage sie in der Schwäche
ihres Jtaliens besprungen hätte. Eben so
würden diese allgemeine Räuber der Welt in
Deutschland weder Klaue/ noch Fuß aufgesetzt
haben/ hätten die Deutschen nicht ihrer Vor-
Eltern Fußstappen über die Alpen vergessen/
welche in Deutschland so viel leichter ihre Waf-
fen ausgebreitet/ weil diß ihr Vaterland mit
keinen Festungen/ ausser denen von der Natur
verliehenen Strömen und Gebürgen versor-
get gewest wäre. Bey welcher Beschaffenheit
es die ärgste Gefahr nach sich ziehe/ den Feind in
seinem offenem Lande zu erwarten/ welcher in
einem verschlossenen freylich mehrmals von sich
selbst zu Grunde gegangen wäre. Dannen-
her hielte er für rathsam/ die erschrockenen Rö-
mer nach ihrem eigenen mehrmals glücklich-
ausgeschlagenem Beyspiele selbst in dem ihri-
gen heimzusuchen/ und dadurch denen Deut-
schen den beschwerlichen Dorn aus dem Fusse
zu ziehen. Der Riese Antäus wäre auf seinem
Grund und Boden unversehrlich gewest/ wes-
[Spaltenumbruch] wegen ihn Hercules auf frembdes Gebiete hät-
te locken müssen. Mit den Römern aber hät-
te es das Widerspiel/ welche in der Frembde Lö-
wen/ in ihrem Vaterlande Schaffe wären.
Jederman pflichtete des Feldherrn Meinung
bey/ und fiel der Schluß dahin/ daß Hertzog
Ganasch und Melo über den Rhein setzen/ Her-
tzog Catumer an der Donau sein Heil versu-
chen/ Jngviomer aber dem Könige Marbod
des Qvintilius Varus Kopf als ein Kennzei-
chen des so grossen Sieges überbringen/ und
selbtem zu einem Bindnüsse wider den allge-
meinen Feind bewegen solte. Der Feldherr
nam nebst dem Hertzoge der Catten inzwischen
auf sich/ denen innerlichen Kranckheiten
Deutschlandes/ nemlich dem eine zeither zwi-
schen den Fürsten eingerissenen Mißtrauen ab-
zuhelffen/ und die alte Vertrauligkeit zu befesti-
gen. Worzu seine beschlossene Heyrath ie-
dermänniglich ein sehr heilsames Mittel zu
seyn bedeuchtete/ und daher derselben Vollzie-
hung von den Fürsten und dem Volcke so begie-
rig verlangt/ als zu der herrlichen Ausrichtung
alle mögliche Anstalt gemacht ward. Der
Feldherr schrieb auch selbst mit eigner Hand an
die Menapier und Eburoner: Es hätte das
Verhängnüß ihnen numehro gleichsam den
Himmel/ die Erde und die Flüsse wieder eröf-
net/ welche ihnen die Römer zugesperret/ daß
sie nicht einmahl hätten zusammen kommen/
und einander ihr Leid klagen/ weniger über das
gemeine Heil rathschlagen können. Nun wä-
re es die rechte Zeit/ daß sie als ein zun Waffen
gebohrnes Volck/ welches zeither gleichsam
nackt/ und unter frembder Aufsicht sich hätte
bücken müssen/ selbte ihren erschlagenen Fein-
den wieder abnehmen. Es dörffe keines Fech-
tens mehr/ sondern es sey nur noch übrig/ daß
sie der Römer leere Festungen/ als die Kapzäu-
ne freyer Völcker/ und die Ketten der Dienst-
barkeit schleifften. Wäre ja irgendswo noch
eine Handvoll Römer übrig/ müsten sie selbte

zu er-
B b 2

Arminius und Thußnelda.
[Spaltenumbruch] mung des Athenlenſiſchen Gebietes/ Hanni-
bal nicht zu Verwahrung Hiſpaniens ſeine
Waffen gebraucht/ ſondern jener haͤtte das
feindliche Sparta/ dieſer Jtalien darmit ange-
fallen. Die Roͤmer waͤren dadurch ſo groß
worden/ daß ſie ihren Feind allezeit im Hertzen
angegriffen/ und als gleich Hannibal noch in den
Eingeweiden Jtaliens genaget/ haͤtte doch
Seipio eben ſo wol als der in Sicilien ſchier von
den Mohren zuꝛ Verzweifelung gebrachte Aga-
thocles das Haupt Carthago mit erwuͤnſchtem
Ausſchlage angefallen/ weil die Africaner hier-
durch frembde Herrſchſucht zu vergeſſen/ und
ihres Vaterlandes eigenem Feuer zuzulauffen
gezwungen worden. Haͤtte Darius des
Memnons Rathe gefolget/ und/ an ſtatt der er-
ſten Schlacht/ in Macedonien uͤbergeſetzt/ waͤ-
re Alexandern in Perſien der gantze Compaß
verruͤckt worden. Nichts minder haͤtten die
Roͤmer wol Aſiens vergeſſen/ wenn Antiochus
nach Hannibals Anſchlage ſie in der Schwaͤche
ihres Jtaliens beſprungen haͤtte. Eben ſo
wuͤrden dieſe allgemeine Raͤuber der Welt in
Deutſchland weder Klaue/ noch Fuß aufgeſetzt
haben/ haͤtten die Deutſchen nicht ihrer Vor-
Eltern Fußſtappen uͤber die Alpen vergeſſen/
welche in Deutſchland ſo viel leichter ihre Waf-
fen ausgebreitet/ weil diß ihr Vaterland mit
keinen Feſtungen/ auſſer denen von der Natur
verliehenen Stroͤmen und Gebuͤrgen verſor-
get geweſt waͤre. Bey welcher Beſchaffenheit
es die aͤrgſte Gefahr nach ſich ziehe/ den Feind in
ſeinem offenem Lande zu erwarten/ welcher in
einem verſchloſſenen freylich mehrmals von ſich
ſelbſt zu Grunde gegangen waͤre. Dannen-
her hielte er fuͤr rathſam/ die erſchrockenen Roͤ-
mer nach ihrem eigenen mehrmals gluͤcklich-
ausgeſchlagenem Beyſpiele ſelbſt in dem ihri-
gen heimzuſuchen/ und dadurch denen Deut-
ſchen den beſchwerlichen Dorn aus dem Fuſſe
zu ziehen. Der Rieſe Antaͤus waͤre auf ſeinem
Grund und Boden unverſehrlich geweſt/ wes-
[Spaltenumbruch] wegen ihn Hercules auf frembdes Gebiete haͤt-
te locken muͤſſen. Mit den Roͤmern aber haͤt-
te es das Widerſpiel/ welche in der Frembde Loͤ-
wen/ in ihrem Vaterlande Schaffe waͤren.
Jederman pflichtete des Feldherrn Meinung
bey/ und fiel der Schluß dahin/ daß Hertzog
Ganaſch und Melo uͤber den Rhein ſetzen/ Her-
tzog Catumer an der Donau ſein Heil verſu-
chen/ Jngviomer aber dem Koͤnige Marbod
des Qvintilius Varus Kopf als ein Kennzei-
chen des ſo groſſen Sieges uͤberbringen/ und
ſelbtem zu einem Bindnuͤſſe wider den allge-
meinen Feind bewegen ſolte. Der Feldherr
nam nebſt dem Hertzoge der Catten inzwiſchen
auf ſich/ denen innerlichen Kranckheiten
Deutſchlandes/ nemlich dem eine zeither zwi-
ſchen den Fuͤrſten eingeriſſenen Mißtrauen ab-
zuhelffen/ und die alte Vertrauligkeit zu befeſti-
gen. Worzu ſeine beſchloſſene Heyrath ie-
dermaͤnniglich ein ſehr heilſames Mittel zu
ſeyn bedeuchtete/ und daher derſelben Vollzie-
hung von den Fuͤrſten und dem Volcke ſo begie-
rig verlangt/ als zu der herrlichen Ausrichtung
alle moͤgliche Anſtalt gemacht ward. Der
Feldherr ſchrieb auch ſelbſt mit eigner Hand an
die Menapier und Eburoner: Es haͤtte das
Verhaͤngnuͤß ihnen numehro gleichſam den
Himmel/ die Erde und die Fluͤſſe wieder eroͤf-
net/ welche ihnen die Roͤmer zugeſperret/ daß
ſie nicht einmahl haͤtten zuſammen kommen/
und einander ihr Leid klagen/ weniger uͤber das
gemeine Heil rathſchlagen koͤnnen. Nun waͤ-
re es die rechte Zeit/ daß ſie als ein zun Waffen
gebohrnes Volck/ welches zeither gleichſam
nackt/ und unter frembder Aufſicht ſich haͤtte
buͤcken muͤſſen/ ſelbte ihren erſchlagenen Fein-
den wieder abnehmen. Es doͤrffe keines Fech-
tens mehr/ ſondern es ſey nur noch uͤbrig/ daß
ſie der Roͤmer leere Feſtungen/ als die Kapzaͤu-
ne freyer Voͤlcker/ und die Ketten der Dienſt-
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zu er-
B b 2
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[195/0247] Arminius und Thußnelda. mung des Athenlenſiſchen Gebietes/ Hanni- bal nicht zu Verwahrung Hiſpaniens ſeine Waffen gebraucht/ ſondern jener haͤtte das feindliche Sparta/ dieſer Jtalien darmit ange- fallen. Die Roͤmer waͤren dadurch ſo groß worden/ daß ſie ihren Feind allezeit im Hertzen angegriffen/ und als gleich Hannibal noch in den Eingeweiden Jtaliens genaget/ haͤtte doch Seipio eben ſo wol als der in Sicilien ſchier von den Mohren zuꝛ Verzweifelung gebrachte Aga- thocles das Haupt Carthago mit erwuͤnſchtem Ausſchlage angefallen/ weil die Africaner hier- durch frembde Herrſchſucht zu vergeſſen/ und ihres Vaterlandes eigenem Feuer zuzulauffen gezwungen worden. Haͤtte Darius des Memnons Rathe gefolget/ und/ an ſtatt der er- ſten Schlacht/ in Macedonien uͤbergeſetzt/ waͤ- re Alexandern in Perſien der gantze Compaß verruͤckt worden. Nichts minder haͤtten die Roͤmer wol Aſiens vergeſſen/ wenn Antiochus nach Hannibals Anſchlage ſie in der Schwaͤche ihres Jtaliens beſprungen haͤtte. Eben ſo wuͤrden dieſe allgemeine Raͤuber der Welt in Deutſchland weder Klaue/ noch Fuß aufgeſetzt haben/ haͤtten die Deutſchen nicht ihrer Vor- Eltern Fußſtappen uͤber die Alpen vergeſſen/ welche in Deutſchland ſo viel leichter ihre Waf- fen ausgebreitet/ weil diß ihr Vaterland mit keinen Feſtungen/ auſſer denen von der Natur verliehenen Stroͤmen und Gebuͤrgen verſor- get geweſt waͤre. Bey welcher Beſchaffenheit es die aͤrgſte Gefahr nach ſich ziehe/ den Feind in ſeinem offenem Lande zu erwarten/ welcher in einem verſchloſſenen freylich mehrmals von ſich ſelbſt zu Grunde gegangen waͤre. Dannen- her hielte er fuͤr rathſam/ die erſchrockenen Roͤ- mer nach ihrem eigenen mehrmals gluͤcklich- ausgeſchlagenem Beyſpiele ſelbſt in dem ihri- gen heimzuſuchen/ und dadurch denen Deut- ſchen den beſchwerlichen Dorn aus dem Fuſſe zu ziehen. Der Rieſe Antaͤus waͤre auf ſeinem Grund und Boden unverſehrlich geweſt/ wes- wegen ihn Hercules auf frembdes Gebiete haͤt- te locken muͤſſen. Mit den Roͤmern aber haͤt- te es das Widerſpiel/ welche in der Frembde Loͤ- wen/ in ihrem Vaterlande Schaffe waͤren. Jederman pflichtete des Feldherrn Meinung bey/ und fiel der Schluß dahin/ daß Hertzog Ganaſch und Melo uͤber den Rhein ſetzen/ Her- tzog Catumer an der Donau ſein Heil verſu- chen/ Jngviomer aber dem Koͤnige Marbod des Qvintilius Varus Kopf als ein Kennzei- chen des ſo groſſen Sieges uͤberbringen/ und ſelbtem zu einem Bindnuͤſſe wider den allge- meinen Feind bewegen ſolte. Der Feldherr nam nebſt dem Hertzoge der Catten inzwiſchen auf ſich/ denen innerlichen Kranckheiten Deutſchlandes/ nemlich dem eine zeither zwi- ſchen den Fuͤrſten eingeriſſenen Mißtrauen ab- zuhelffen/ und die alte Vertrauligkeit zu befeſti- gen. Worzu ſeine beſchloſſene Heyrath ie- dermaͤnniglich ein ſehr heilſames Mittel zu ſeyn bedeuchtete/ und daher derſelben Vollzie- hung von den Fuͤrſten und dem Volcke ſo begie- rig verlangt/ als zu der herrlichen Ausrichtung alle moͤgliche Anſtalt gemacht ward. Der Feldherr ſchrieb auch ſelbſt mit eigner Hand an die Menapier und Eburoner: Es haͤtte das Verhaͤngnuͤß ihnen numehro gleichſam den Himmel/ die Erde und die Fluͤſſe wieder eroͤf- net/ welche ihnen die Roͤmer zugeſperret/ daß ſie nicht einmahl haͤtten zuſammen kommen/ und einander ihr Leid klagen/ weniger uͤber das gemeine Heil rathſchlagen koͤnnen. Nun waͤ- re es die rechte Zeit/ daß ſie als ein zun Waffen gebohrnes Volck/ welches zeither gleichſam nackt/ und unter frembder Aufſicht ſich haͤtte buͤcken muͤſſen/ ſelbte ihren erſchlagenen Fein- den wieder abnehmen. Es doͤrffe keines Fech- tens mehr/ ſondern es ſey nur noch uͤbrig/ daß ſie der Roͤmer leere Feſtungen/ als die Kapzaͤu- ne freyer Voͤlcker/ und die Ketten der Dienſt- barkeit ſchleifften. Waͤre ja irgendswo noch eine Handvoll Roͤmer uͤbrig/ muͤſten ſie ſelbte zu er- B b 2

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Zitationshilfe: Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689, S. 195. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lohenstein_feldherr01_1689/247>, abgerufen am 23.11.2024.