Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689.Drittes Buch Das Dritte Buch. [Spaltenumbruch]
UNter den nachdencklichen Sinn- mung
Drittes Buch Das Dritte Buch. [Spaltenumbruch]
UNter den nachdencklichen Sinn- mung
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <pb facs="#f0246" n="194"/> <fw place="top" type="header"> <hi rendition="#b">Drittes Buch</hi> </fw><lb/> <div n="2"> <head> <hi rendition="#fr">Das Dritte Buch.</hi> </head><lb/> <cb/> <p><hi rendition="#in">U</hi>Nter den nachdencklichen Sinn-<lb/> bildern der Liebe/ verdienet kei-<lb/> nes weges den letzten Stand ihre<lb/> vom Canathus Sycionius aus<lb/> Helffenbein und Golde gebildete<lb/> Saͤule/ welche auf dem Haupte die Himmels-<lb/> Kugel/ in der einen Hand einen Granat-Apf-<lb/> fel/ in der andern ein Maah-Haupt trug.<lb/> Mit welchem letztern er nichts anders andeute-<lb/> te/ als daß die Liebe nichts minder/ als eine ge-<lb/> wiſſe Art ſtechen der Nattern/ die allermunter-<lb/> ſten einſchlaͤffte/ und ihre wachſame Regungen<lb/> fahrlaͤßig machte. Jn welchem Abſehen die<lb/> Verliebten bey den Griechen ein gewiſſes<lb/> Spiel mit Maah- und Anemonen-Blaͤttern<lb/> hegen muſten. Dieſer Einſchlaͤffungs-Krafft<lb/> aber war der großmuͤthige Feldherr Herrmann<lb/> uͤberlegen/ welcher die Gluͤckſeligkeit ſeiner<lb/> gegen die vollkommenſte Fuͤrſtin Thuſnelde<lb/> tragender Liebe bey ihrem Beſitz zwar nun-<lb/> mehr nicht begreiffen/ nichts deſto weniger aber<lb/> die Sorge fuͤr das Heil des Vaterlandes/ als<lb/> die allerwuͤrdigſte Buhlſchafft der Helden nie-<lb/> mahls vergeſſen konte. Der Krieg und die<lb/> Liebe theilten gleichſam ſein Hertz miteinander/<lb/> oder ſeine angebetete Venus war mit keinem<lb/> Spiegel und Wolluſt-Guͤrtel/ ſondern/ wie ſie<lb/> die ſtreitbaren Spartaner bey Acro-Corinth<lb/> gebildet und verehret/ mit Harniſch/ Schild<lb/> und Spiſſe gewaffnet. Dieſem nach denn der<lb/> kluge Feldherr folgende Tage mit eitel wichti-<lb/> gen Rathſchlaͤgen nebſt denen andern Fuͤrſten<lb/> beſchaͤfftiget war/ wie der erlangte herrliche<lb/> Sieg die Uberwinder nicht einſchlaͤffen und ſi-<lb/> cher machen/ ſondern vielmehr das Hertz und<lb/> die Hoffnung der Kriegsleute aufmuntern/ und<lb/> man durch deſſelbten vernuͤnfftige Verfolgung<lb/> die rechtſchaffene Frucht von ſo viel verſpruͤtz-<lb/><cb/> tem Blute einerndten/ Deutſchland in beſtaͤndi-<lb/> ge Sicherheit ſetzen/ das verlorne wiedeꝛ gewin-<lb/> nen/ oder auch gar die ſo gefaͤhrliche Nachbar-<lb/> ſchaͤfft der maͤchtigen Roͤmer in ihres eigenen<lb/> Landes Gebuͤrge wieder einſchrencken moͤge.<lb/> Herrmann hielt deßwegen eine nachdenckliche<lb/> Rede in dem verſammleten Fuͤrſten-Rathe/<lb/> welche anfangs dahin ging/ daß man dieſen<lb/> herrlichen Sieg numehr eifrigſt verfolgen/ auch<lb/> fuͤr erlangter voͤlligen Sicherheit Deutſchlands<lb/> nicht von einander ziehen ſolte. Sintemahl<lb/> auch die/ welche die Tapfferkeit der Deutſchen<lb/> zu Eroberung der gantzen Welt faͤhig hielten/<lb/> ſie dennoch beſchuldigten/ daß ihre Verſamm-<lb/> lungen allzu langſam geſchehen/ und ihre Rath-<lb/> ſchlaͤge allzu zwiſtig waͤren/ das Verhaͤngnuͤß<lb/> haͤtte ihnen einen groͤſſern Sieg verliehen/ als<lb/> iemahls ihr Wuntſch geweſt waͤre; bey ihnen<lb/> ſtuͤnde es nun ſich deſſelbten zu ihrem Vortheil<lb/> zu gebrauchen. Die groͤſten Helden haͤtten<lb/> hierinnen verſtoſſen/ und deßwegen ihre erſten<lb/> Lorber-Kraͤntze ſich hernach in traurige Cypreſ-<lb/> ſen verwandeln geſehen. Der ſonſt unver-<lb/> gleichliche Hannibal haͤtte zwar die Roͤmer zu<lb/> uͤberwinden/ auch in dem fruchtbaren Campa-<lb/> nien des Sieges zu genuͤſſen/ nicht aber ſelbten<lb/> ihm nuͤtze zu machen gewuͤſt. Koͤnig Antio-<lb/> chus haͤtte in einem Winter ſein ſieghafft- und<lb/> ſtreitbares Heer bey ſeinem Hochzeit-Feyer zu<lb/> Chalcis weibiſch/ und ſein vorig gutes Gluͤcke<lb/> ihm zum Unſterne und Fallbrete gemacht. U-<lb/> berdiß waͤre es numehr Zeit die Roͤmer in ih-<lb/> rem Eigenthume anzugreiffen. Denn es waͤ-<lb/> re ein Kennzeichen der Furcht/ und ein Be-<lb/> kaͤntnuͤß/ daß man ſeinem Feinde nicht ge-<lb/> wachſen ſey/ wenn man ſelbten erwartet/ und<lb/> ihm nicht entgegen geht. Der hertzhaffte Pe-<lb/> ricles haͤtte aus dieſem Abſehen nicht zu Beſchir-<lb/> <fw place="bottom" type="catch">mung</fw><lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [194/0246]
Drittes Buch
Das Dritte Buch.
UNter den nachdencklichen Sinn-
bildern der Liebe/ verdienet kei-
nes weges den letzten Stand ihre
vom Canathus Sycionius aus
Helffenbein und Golde gebildete
Saͤule/ welche auf dem Haupte die Himmels-
Kugel/ in der einen Hand einen Granat-Apf-
fel/ in der andern ein Maah-Haupt trug.
Mit welchem letztern er nichts anders andeute-
te/ als daß die Liebe nichts minder/ als eine ge-
wiſſe Art ſtechen der Nattern/ die allermunter-
ſten einſchlaͤffte/ und ihre wachſame Regungen
fahrlaͤßig machte. Jn welchem Abſehen die
Verliebten bey den Griechen ein gewiſſes
Spiel mit Maah- und Anemonen-Blaͤttern
hegen muſten. Dieſer Einſchlaͤffungs-Krafft
aber war der großmuͤthige Feldherr Herrmann
uͤberlegen/ welcher die Gluͤckſeligkeit ſeiner
gegen die vollkommenſte Fuͤrſtin Thuſnelde
tragender Liebe bey ihrem Beſitz zwar nun-
mehr nicht begreiffen/ nichts deſto weniger aber
die Sorge fuͤr das Heil des Vaterlandes/ als
die allerwuͤrdigſte Buhlſchafft der Helden nie-
mahls vergeſſen konte. Der Krieg und die
Liebe theilten gleichſam ſein Hertz miteinander/
oder ſeine angebetete Venus war mit keinem
Spiegel und Wolluſt-Guͤrtel/ ſondern/ wie ſie
die ſtreitbaren Spartaner bey Acro-Corinth
gebildet und verehret/ mit Harniſch/ Schild
und Spiſſe gewaffnet. Dieſem nach denn der
kluge Feldherr folgende Tage mit eitel wichti-
gen Rathſchlaͤgen nebſt denen andern Fuͤrſten
beſchaͤfftiget war/ wie der erlangte herrliche
Sieg die Uberwinder nicht einſchlaͤffen und ſi-
cher machen/ ſondern vielmehr das Hertz und
die Hoffnung der Kriegsleute aufmuntern/ und
man durch deſſelbten vernuͤnfftige Verfolgung
die rechtſchaffene Frucht von ſo viel verſpruͤtz-
tem Blute einerndten/ Deutſchland in beſtaͤndi-
ge Sicherheit ſetzen/ das verlorne wiedeꝛ gewin-
nen/ oder auch gar die ſo gefaͤhrliche Nachbar-
ſchaͤfft der maͤchtigen Roͤmer in ihres eigenen
Landes Gebuͤrge wieder einſchrencken moͤge.
Herrmann hielt deßwegen eine nachdenckliche
Rede in dem verſammleten Fuͤrſten-Rathe/
welche anfangs dahin ging/ daß man dieſen
herrlichen Sieg numehr eifrigſt verfolgen/ auch
fuͤr erlangter voͤlligen Sicherheit Deutſchlands
nicht von einander ziehen ſolte. Sintemahl
auch die/ welche die Tapfferkeit der Deutſchen
zu Eroberung der gantzen Welt faͤhig hielten/
ſie dennoch beſchuldigten/ daß ihre Verſamm-
lungen allzu langſam geſchehen/ und ihre Rath-
ſchlaͤge allzu zwiſtig waͤren/ das Verhaͤngnuͤß
haͤtte ihnen einen groͤſſern Sieg verliehen/ als
iemahls ihr Wuntſch geweſt waͤre; bey ihnen
ſtuͤnde es nun ſich deſſelbten zu ihrem Vortheil
zu gebrauchen. Die groͤſten Helden haͤtten
hierinnen verſtoſſen/ und deßwegen ihre erſten
Lorber-Kraͤntze ſich hernach in traurige Cypreſ-
ſen verwandeln geſehen. Der ſonſt unver-
gleichliche Hannibal haͤtte zwar die Roͤmer zu
uͤberwinden/ auch in dem fruchtbaren Campa-
nien des Sieges zu genuͤſſen/ nicht aber ſelbten
ihm nuͤtze zu machen gewuͤſt. Koͤnig Antio-
chus haͤtte in einem Winter ſein ſieghafft- und
ſtreitbares Heer bey ſeinem Hochzeit-Feyer zu
Chalcis weibiſch/ und ſein vorig gutes Gluͤcke
ihm zum Unſterne und Fallbrete gemacht. U-
berdiß waͤre es numehr Zeit die Roͤmer in ih-
rem Eigenthume anzugreiffen. Denn es waͤ-
re ein Kennzeichen der Furcht/ und ein Be-
kaͤntnuͤß/ daß man ſeinem Feinde nicht ge-
wachſen ſey/ wenn man ſelbten erwartet/ und
ihm nicht entgegen geht. Der hertzhaffte Pe-
ricles haͤtte aus dieſem Abſehen nicht zu Beſchir-
mung
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |