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Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689.

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Arminius und Thußnelda.
[Spaltenumbruch] der einzusetzen; Diese beyde Könige aber nicht
allein/ sondern auch der/ welcher solch Reich be-
hauptete/ büßten dem gemeinen Ruffe nach ihr
Leben in der Schlacht ein/ welche von dem Fal-
le dreyer gekrönten Häupter einen ewigen Nah-
men behalten wird/ und deßhalben noch so viel
merckwürdiger ist/ daß sich nach etlichen Jah-
ren einer fand/ der sich nicht allein für den Kö-
nig Astinabes ausgab/ sondern auch durch so
viel Merckmahle und Anzeigungen sein Vor-
geben bescheinigte/ daß alle Unpartheyische ur-
theilten/ er müste entweder der rechte Astinabes/
oder sein Geist in einem andern Leibe seyn.
Wiewohl sein Reich inzwischen vom Hippon
behauptet/ und dieser als ein Betrüger aus dem
Wege geräumet ward.

Klodomir hingegen lebte mit seiner Gemah-
lin Riama in höchster Vergnügung/ und stand
etliche Jahr mit ungemeiner Klugheit Britan-
nien für. Nach seines Vaters Jngrams To-
de aber ward er in einem Jahre dreymahl gekrö-
net. Sein friedliebendes Gemüthe brachte die
durch die Meinungen der Druyden/ Eubagen
und Barden in Deutschland erwachsene Zwy-
tracht so fern zu einem Vertrage/ daß sie sich
nebst einander ohne Verdammung eines oder
des andern Jrrthums zu dulden gelobten. Sei-
ne Herrschafft erreichte noch den Sturm des
grossen Salomins/ welcher wie er unter dem
grösten Gethöne der Waffen gebohren/ also
auch unter derselben Krachen seine Seele aus-
zublasen versehen war. Er war auffs neue mit
einer ungläublichen Macht in das Pannonische
Reich eingefallen/ und belagerte Siegestadt.
Selbige aber verthäidigte Nezir ein Norichi-
scher Ritter mit einer unerhörten Tapfferkeit/
welche diesen unersättlichen Wüterich lehrte/
daß ein unerschrockenes Helden-Hertz mehr als
ein eisernes Bollwerck sey/ und hierdurch verur-
sachte/ daß er für Ungedult im Lager seine Blut-
dürstige Seele ausblies/ und der/ dessen
[Spaltenumbruch] Ehrsucht Meer und Gebürge nicht hemmeten/
alhier in einer Pfütze Schiffbruch leiden muste.
Es richtete aber Salomins arglistiger Heerfüh-
rer den Leib-Artzt eigenhändig hin/ um seinen
Tod so lange zu verbergen/ biß sein Sohn
Miles das Hefft der Herrschafft in Händen
hatte/ die Belägerten aber/ denen das einge-
worffene Feuer numehr allen Auffenthalt
und Lebensmittel gefressen/ und derogestalt
dem Feinde ein schlechtes Sieges-Mahl übrig
gelassen hatte/ sich in den unzehlbaren Hauffen
der Belägerer zu stürtzen/ und ihr Leben noch
um viel Feindes-Blut zu verkauffen gezwun-
gen worden. Also wird zuweilen auch die Tu-
gend übermannet/ und die Hertzhafftesten fallen
mehrmahls von dem Geschoß eines Verzagten:
als welche bey zuhangendem Siege nichts we-
niger als die Tapffern/ wagen. Wiewohl in
solchen Fällen der Sieg so wenig für Ehre/
als der Untergang für Schande/ ja die/ wel-
che derogestalt umkommen/ wohl für erschla-
gen/ nicht aber für überwunden zu halten sind.
Massen denn dieser blutige Gewinn die Sey-
then also entkräfftet hatte/ und Klodomirs klu-
ge Herrschens-Anstalten dem Miles so sehr
unter Augen leuchteten/ daß er es rathsamer
hielt/ mit einem so fürsichtigen Feinde Friede
zu schliessen/ als den ungewissen Ausschlag ei-
nes längern Krieges zu erwarten. Dieses
Ansehen brachte auch zu wege/ daß Klodomir
von den meisten Ständen Sarmatiens zu ih-
rem Könige erwehlet ward/ wiewohl Miles/
der ohne seine euserste Gefahr seinen Nachbar
nicht konte sehen so groß werden/ theils durch
Bedräuungen/ theils durch Verheissungen
ein Theil der Sarmater zu Erwehlung Tia-
bors der Dacier Fürstens beredete. Als
nun Klodomir so wohl sein durch rechtmäßige
Wahl erlangtes Recht mit dem Degen zu be-
haupten/ als die durch Tiabors Eindringung
ihm zuwachsende Schande mit der Verursa-
cher Blute auszutilgen beemsigt war/ setzte das

Ver-
Y 2

Arminius und Thußnelda.
[Spaltenumbruch] der einzuſetzen; Dieſe beyde Koͤnige aber nicht
allein/ ſondern auch der/ welcher ſolch Reich be-
hauptete/ buͤßten dem gemeinen Ruffe nach ihr
Leben in der Schlacht ein/ welche von dem Fal-
le dreyer gekroͤnten Haͤupteꝛ einen ewigen Nah-
men behalten wird/ und deßhalben noch ſo viel
merckwuͤrdiger iſt/ daß ſich nach etlichen Jah-
ren einer fand/ der ſich nicht allein fuͤr den Koͤ-
nig Aſtinabes ausgab/ ſondern auch durch ſo
viel Merckmahle und Anzeigungen ſein Vor-
geben beſcheinigte/ daß alle Unpartheyiſche ur-
theilten/ er muͤſte entweder der rechte Aſtinabes/
oder ſein Geiſt in einem andern Leibe ſeyn.
Wiewohl ſein Reich inzwiſchen vom Hippon
behauptet/ und dieſer als ein Betruͤger aus dem
Wege geraͤumet ward.

Klodomir hingegen lebte mit ſeiner Gemah-
lin Riama in hoͤchſter Vergnuͤgung/ und ſtand
etliche Jahr mit ungemeiner Klugheit Britan-
nien fuͤr. Nach ſeines Vaters Jngrams To-
de aber ward er in einem Jahre dreymahl gekroͤ-
net. Sein friedliebendes Gemuͤthe brachte die
durch die Meinungen der Druyden/ Eubagen
und Barden in Deutſchland erwachſene Zwy-
tracht ſo fern zu einem Vertrage/ daß ſie ſich
nebſt einander ohne Verdammung eines oder
des andern Jrrthums zu dulden gelobten. Sei-
ne Herrſchafft erreichte noch den Sturm des
groſſen Salomins/ welcher wie er unter dem
groͤſten Gethoͤne der Waffen gebohren/ alſo
auch unter derſelben Krachen ſeine Seele aus-
zublaſen verſehen war. Er war auffs neue mit
einer unglaͤublichen Macht in das Pannoniſche
Reich eingefallen/ und belagerte Siegeſtadt.
Selbige aber verthaͤidigte Nezir ein Norichi-
ſcher Ritter mit einer unerhoͤrten Tapfferkeit/
welche dieſen unerſaͤttlichen Wuͤterich lehrte/
daß ein unerſchrockenes Helden-Hertz mehr als
ein eiſernes Bollwerck ſey/ und hierdurch verur-
ſachte/ daß er fuͤr Ungedult im Lager ſeine Blut-
duͤrſtige Seele ausblies/ und der/ deſſen
[Spaltenumbruch] Ehrſucht Meer und Gebuͤrge nicht hemmeten/
alhier in einer Pfuͤtze Schiffbruch leiden muſte.
Es richtete aber Salomins argliſtiger Heerfuͤh-
rer den Leib-Artzt eigenhaͤndig hin/ um ſeinen
Tod ſo lange zu verbergen/ biß ſein Sohn
Miles das Hefft der Herrſchafft in Haͤnden
hatte/ die Belaͤgerten aber/ denen das einge-
worffene Feuer numehr allen Auffenthalt
und Lebensmittel gefreſſen/ und derogeſtalt
dem Feinde ein ſchlechtes Sieges-Mahl uͤbrig
gelaſſen hatte/ ſich in den unzehlbaren Hauffen
der Belaͤgerer zu ſtuͤrtzen/ und ihr Leben noch
um viel Feindes-Blut zu verkauffen gezwun-
gen worden. Alſo wird zuweilen auch die Tu-
gend uͤbermannet/ und die Hertzhaffteſten fallen
mehrmahls von dem Geſchoß eines Verzagten:
als welche bey zuhangendem Siege nichts we-
niger als die Tapffern/ wagen. Wiewohl in
ſolchen Faͤllen der Sieg ſo wenig fuͤr Ehre/
als der Untergang fuͤr Schande/ ja die/ wel-
che derogeſtalt umkommen/ wohl fuͤr erſchla-
gen/ nicht aber fuͤr uͤberwunden zu halten ſind.
Maſſen denn dieſer blutige Gewinn die Sey-
then alſo entkraͤfftet hatte/ und Klodomirs klu-
ge Herrſchens-Anſtalten dem Miles ſo ſehr
unter Augen leuchteten/ daß er es rathſamer
hielt/ mit einem ſo fuͤrſichtigen Feinde Friede
zu ſchlieſſen/ als den ungewiſſen Ausſchlag ei-
nes laͤngern Krieges zu erwarten. Dieſes
Anſehen brachte auch zu wege/ daß Klodomir
von den meiſten Staͤnden Sarmatiens zu ih-
rem Koͤnige erwehlet ward/ wiewohl Miles/
der ohne ſeine euſerſte Gefahr ſeinen Nachbar
nicht konte ſehen ſo groß werden/ theils durch
Bedraͤuungen/ theils durch Verheiſſungen
ein Theil der Sarmater zu Erwehlung Tia-
bors der Dacier Fuͤrſtens beredete. Als
nun Klodomir ſo wohl ſein durch rechtmaͤßige
Wahl erlangtes Recht mit dem Degen zu be-
haupten/ als die durch Tiabors Eindringung
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[171/0221] Arminius und Thußnelda. der einzuſetzen; Dieſe beyde Koͤnige aber nicht allein/ ſondern auch der/ welcher ſolch Reich be- hauptete/ buͤßten dem gemeinen Ruffe nach ihr Leben in der Schlacht ein/ welche von dem Fal- le dreyer gekroͤnten Haͤupteꝛ einen ewigen Nah- men behalten wird/ und deßhalben noch ſo viel merckwuͤrdiger iſt/ daß ſich nach etlichen Jah- ren einer fand/ der ſich nicht allein fuͤr den Koͤ- nig Aſtinabes ausgab/ ſondern auch durch ſo viel Merckmahle und Anzeigungen ſein Vor- geben beſcheinigte/ daß alle Unpartheyiſche ur- theilten/ er muͤſte entweder der rechte Aſtinabes/ oder ſein Geiſt in einem andern Leibe ſeyn. Wiewohl ſein Reich inzwiſchen vom Hippon behauptet/ und dieſer als ein Betruͤger aus dem Wege geraͤumet ward. Klodomir hingegen lebte mit ſeiner Gemah- lin Riama in hoͤchſter Vergnuͤgung/ und ſtand etliche Jahr mit ungemeiner Klugheit Britan- nien fuͤr. Nach ſeines Vaters Jngrams To- de aber ward er in einem Jahre dreymahl gekroͤ- net. Sein friedliebendes Gemuͤthe brachte die durch die Meinungen der Druyden/ Eubagen und Barden in Deutſchland erwachſene Zwy- tracht ſo fern zu einem Vertrage/ daß ſie ſich nebſt einander ohne Verdammung eines oder des andern Jrrthums zu dulden gelobten. Sei- ne Herrſchafft erreichte noch den Sturm des groſſen Salomins/ welcher wie er unter dem groͤſten Gethoͤne der Waffen gebohren/ alſo auch unter derſelben Krachen ſeine Seele aus- zublaſen verſehen war. Er war auffs neue mit einer unglaͤublichen Macht in das Pannoniſche Reich eingefallen/ und belagerte Siegeſtadt. Selbige aber verthaͤidigte Nezir ein Norichi- ſcher Ritter mit einer unerhoͤrten Tapfferkeit/ welche dieſen unerſaͤttlichen Wuͤterich lehrte/ daß ein unerſchrockenes Helden-Hertz mehr als ein eiſernes Bollwerck ſey/ und hierdurch verur- ſachte/ daß er fuͤr Ungedult im Lager ſeine Blut- duͤrſtige Seele ausblies/ und der/ deſſen Ehrſucht Meer und Gebuͤrge nicht hemmeten/ alhier in einer Pfuͤtze Schiffbruch leiden muſte. Es richtete aber Salomins argliſtiger Heerfuͤh- rer den Leib-Artzt eigenhaͤndig hin/ um ſeinen Tod ſo lange zu verbergen/ biß ſein Sohn Miles das Hefft der Herrſchafft in Haͤnden hatte/ die Belaͤgerten aber/ denen das einge- worffene Feuer numehr allen Auffenthalt und Lebensmittel gefreſſen/ und derogeſtalt dem Feinde ein ſchlechtes Sieges-Mahl uͤbrig gelaſſen hatte/ ſich in den unzehlbaren Hauffen der Belaͤgerer zu ſtuͤrtzen/ und ihr Leben noch um viel Feindes-Blut zu verkauffen gezwun- gen worden. Alſo wird zuweilen auch die Tu- gend uͤbermannet/ und die Hertzhaffteſten fallen mehrmahls von dem Geſchoß eines Verzagten: als welche bey zuhangendem Siege nichts we- niger als die Tapffern/ wagen. Wiewohl in ſolchen Faͤllen der Sieg ſo wenig fuͤr Ehre/ als der Untergang fuͤr Schande/ ja die/ wel- che derogeſtalt umkommen/ wohl fuͤr erſchla- gen/ nicht aber fuͤr uͤberwunden zu halten ſind. Maſſen denn dieſer blutige Gewinn die Sey- then alſo entkraͤfftet hatte/ und Klodomirs klu- ge Herrſchens-Anſtalten dem Miles ſo ſehr unter Augen leuchteten/ daß er es rathſamer hielt/ mit einem ſo fuͤrſichtigen Feinde Friede zu ſchlieſſen/ als den ungewiſſen Ausſchlag ei- nes laͤngern Krieges zu erwarten. Dieſes Anſehen brachte auch zu wege/ daß Klodomir von den meiſten Staͤnden Sarmatiens zu ih- rem Koͤnige erwehlet ward/ wiewohl Miles/ der ohne ſeine euſerſte Gefahr ſeinen Nachbar nicht konte ſehen ſo groß werden/ theils durch Bedraͤuungen/ theils durch Verheiſſungen ein Theil der Sarmater zu Erwehlung Tia- bors der Dacier Fuͤrſtens beredete. Als nun Klodomir ſo wohl ſein durch rechtmaͤßige Wahl erlangtes Recht mit dem Degen zu be- haupten/ als die durch Tiabors Eindringung ihm zuwachſende Schande mit der Verurſa- cher Blute auszutilgen beemſigt war/ ſetzte das Ver- Y 2

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Zitationshilfe: Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689, S. 171. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lohenstein_feldherr01_1689/221>, abgerufen am 25.11.2024.