Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689.Arminius und Thußnelda. [Spaltenumbruch]
auch die einfältige Nachwelt zu glauben be-redet/ daß beyde von Schlangen gezeugt wären/ Scipions Geist auch deshalben in der Linterninischen Höle von einem Drachen be- wacht würde. Wem ist nichtd as Unthier/ ich mag nicht sagen/ der Unmensch bekant/ der sich für den Jupiter ausgab/ ja sich des Beyschlafs mit dem Monden rühmte/ und deßwegen seine Schwestern zur Blutschande verleitete? Wer weiß nicht/ daß ein ander die Heyrath einer Vestalischen Jungfrauen mit seinem Priester- thum und einer Wahrsagung/ daß von ihnen göttliche Kinder würden gezeuget werden/ be- mäntelt? Jch wil geschweigen/ daß ihrer viel den Bund ihrer Liebe unter dem Scheine der An- dacht zerreissen/ das Band der Eh unter dem Schein zu naher Anverwandnüß zertrennen/ andere ihre Abneigung oder auch frembden Zunder mit der Gelobung ewiger Keuschheit verdecken. Malovend fiel ihm ein: Es wären so schlimme Mißbräuche der Gottes-Furcht auch in Liebes-Sachen verdammlich; wie er aber für zuläßlich hielte/ sich ihres Scheins zu Nutz des gemeinen Wesens zu bedienen; also hätte er es Marcomirn nicht für übel/ daß er Riamens und Olorenens Aber glauben zu einem so guten Zwecke ihrer so löblichen Verehligung gemiß- braucht habe. Es ging sein Anschlag auch so glücklich von statten/ daß beyde alsofort gleich also auf Göttlichen Befehl sich mit Klodomirn und Astinaben zu verknüpfen begierig waren. Die Vermählung ward noch selbigen Tag im Tem- pel mit grossem Frolocken vollzogen/ und unter dieser Freude das Trauren umb den umgekom- menen Friedebald nach und nach vergessen. Also quellen aus keinem Hertzeleide so viel Thrä- nen/ welche nicht der Schwamm der Zeit aus- trockne/ und es ist keine Liebe in einem Hertzen so beraaset/ daß selbte nicht verwelcken/ oder von einer andern überwachsen werden könte. Wie- wol er hierbey die seltzame Begebenheit nicht [Spaltenumbruch] verschweigen könte/ daß unter denen Hochzeit- Fackeln/ welche zwölf Edel- Knaben der zum Altar geführten Olorene fürtrugen/ sich eine selbst-bewegende Flamme eingemischt/ die alles an- dere Licht verdüsterte. Und ob schon kein Mensch sonst etwas mehrers sahe/ so betheuerte doch so wol Riame als Olorene/ daß selbte der Geist Hertzog Friedebalds in seinen Händen trüge/ und derogestalt seine so liebe Buhlschafft so wol nach seinem Tode bediente/ als ihre neue Ver- mählung billigte. Eben dieser Geist ist ihr zum andern und dritten mal erschienen/ und hat ihr gerathen/ alle mögliche Verhinderungs- Mittel fürzukehren: daß ihr Gemahl Asti- nabes nicht den Zug wider die Mohren für- nehmen solte/ darinnen er hernach entweder erschlagen oder zum minsten verlohren worden. Weßwegen Olorene auch/ als dieser Geist die traurige Nachricht brachte/ daß sie ihren Asti- nabes nicht mehr sehen würde/ sich gestorben zu seyn anstellte/ und zum Scheine begraben ließ/ sich aber/ umb ihrem Betrübnüsse desto freyer nachzuhängen/ in einer bergichten Ein- samkeit so wol ihr Leben als ihre zu den Tod- ten tragende Liebe endigte; wo anders die Geister der Verstorbenen nicht noch diese süsse Empfindligkeit behalten/ wie fast der Schatten des erblasten Friedebalds zu behaupten schei- net. Rhemetalces fing hierüber an: Jch muß gestehen/ daß das erzehlte eines der merckwür- digsten Ebentheuer sey. Denn ob ich wol weiß/- und die Welt insgemein glaubet/ daß ieder- Mann absonderlich 2. Geister zu unabtrennli- chen Geferten habe/ derer einer entweder mit- ihm gebohren wird/ oder zum minsten sich ihm- bald bey der Geburt zugesellet/ und ihn/ wie- vom Socrates genung bekant ist/ zu allem- Guten reitzet/ und durch Träume oder- andere Wege für Unglück warne/ der- Böse aber ihn zum Verderben reitzet/ und/- wie dem Brutus geschehen/ erschrecket;- Bey
Arminius und Thußnelda. [Spaltenumbruch]
auch die einfaͤltige Nachwelt zu glauben be-redet/ daß beyde von Schlangen gezeugt waͤren/ Scipions Geiſt auch deshalben in der Linterniniſchen Hoͤle von einem Drachen be- wacht wuͤrde. Wem iſt nichtd as Unthier/ ich mag nicht ſagen/ der Unmenſch bekant/ der ſich fuͤr den Jupiter ausgab/ ja ſich des Beyſchlafs mit dem Monden ruͤhmte/ und deßwegen ſeine Schweſtern zur Blutſchande verleitete? Wer weiß nicht/ daß ein ander die Heyrath einer Veſtaliſchen Jungfrauen mit ſeinem Prieſter- thum und einer Wahrſagung/ daß von ihnen goͤttliche Kinder wuͤrden gezeuget werden/ be- maͤntelt? Jch wil geſchweigen/ daß ihrer viel den Bund ihrer Liebe unter dem Scheine der An- dacht zerreiſſen/ das Band der Eh unter dem Schein zu naher Anverwandnuͤß zertrennen/ andere ihre Abneigung oder auch frembden Zunder mit der Gelobung ewiger Keuſchheit verdecken. Malovend fiel ihm ein: Es waͤren ſo ſchlimme Mißbraͤuche der Gottes-Furcht auch in Liebes-Sachen verdam̃lich; wie er aber fuͤr zulaͤßlich hielte/ ſich ihres Scheins zu Nutz des gemeinen Weſens zu bedienen; alſo haͤtte er es Marcomirn nicht fuͤr uͤbel/ daß er Riamens und Olorenens Aber glauben zu einem ſo guten Zwecke ihrer ſo loͤblichen Verehligung gemiß- braucht habe. Es ging ſein Anſchlag auch ſo gluͤcklich von ſtatten/ daß beyde alſofoꝛt gleich alſo auf Goͤttlichen Befehl ſich mit Klodomirn und Aſtinaben zu verknuͤpfen begierig waren. Die Vermaͤhlung ward noch ſelbigen Tag im Tem- pel mit groſſem Frolocken vollzogen/ und unter dieſer Freude das Trauren umb den umgekom- menen Friedebald nach und nach vergeſſen. Alſo quellen aus keinem Hertzeleide ſo viel Thraͤ- nen/ welche nicht der Schwam̃ der Zeit aus- trockne/ und es iſt keine Liebe in einem Hertzen ſo beraaſet/ daß ſelbte nicht verwelcken/ oder von einer andern uͤberwachſen werden koͤnte. Wie- wol er hierbey die ſeltzame Begebenheit nicht [Spaltenumbruch] verſchweigen koͤnte/ daß unter denen Hochzeit- Fackeln/ welche zwoͤlf Edel- Knaben der zum Altar gefuͤhrten Olorene fuͤrtrugen/ ſich eine ſelbſt-bewegende Flam̃e eingemiſcht/ die alles an- dere Licht verduͤſterte. Und ob ſchon kein Menſch ſonſt etwas mehrers ſahe/ ſo betheuerte doch ſo wol Riame als Olorene/ daß ſelbte der Geiſt Hertzog Friedebalds in ſeinen Haͤnden truͤge/ und derogeſtalt ſeine ſo liebe Buhlſchafft ſo wol nach ſeinem Tode bediente/ als ihre neue Ver- maͤhlung billigte. Eben dieſer Geiſt iſt ihr zum andern und dritten mal erſchienen/ und hat ihr gerathen/ alle moͤgliche Verhinderungs- Mittel fuͤrzukehren: daß ihr Gemahl Aſti- nabes nicht den Zug wider die Mohren fuͤr- nehmen ſolte/ darinnen er hernach entweder erſchlagen oder zum minſten verlohren worden. Weßwegen Olorene auch/ als dieſer Geiſt die traurige Nachricht brachte/ daß ſie ihren Aſti- nabes nicht mehr ſehen wuͤrde/ ſich geſtorben zu ſeyn anſtellte/ und zum Scheine begraben ließ/ ſich aber/ umb ihrem Betruͤbnuͤſſe deſto freyer nachzuhaͤngen/ in einer bergichten Ein- ſamkeit ſo wol ihr Leben als ihre zu den Tod- ten tragende Liebe endigte; wo anders die Geiſter der Verſtorbenen nicht noch dieſe ſuͤſſe Empfindligkeit behalten/ wie faſt der Schatten des erblaſten Friedebalds zu behaupten ſchei- net. Rhemetalces fing hieruͤber an: Jch muß geſtehen/ daß das erzehlte eines der merckwuͤr- digſten Ebentheuer ſey. Denn ob ich wol weiß/- und die Welt insgemein glaubet/ daß ieder- Mann abſonderlich 2. Geiſter zu unabtrennli- chen Geferten habe/ derer einer entweder mit- ihm gebohren wird/ oder zum minſten ſich ihm- bald bey der Geburt zugeſellet/ und ihn/ wie- vom Socrates genung bekant iſt/ zu allem- Guten reitzet/ und durch Traͤume oder- andere Wege fuͤr Ungluͤck warne/ der- Boͤſe aber ihn zum Verderben reitzet/ und/- wie dem Brutus geſchehen/ erſchrecket;- Bey
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Arminius und Thußnelda.
auch die einfaͤltige Nachwelt zu glauben be-
redet/ daß beyde von Schlangen gezeugt
waͤren/ Scipions Geiſt auch deshalben in der
Linterniniſchen Hoͤle von einem Drachen be-
wacht wuͤrde. Wem iſt nichtd as Unthier/ ich
mag nicht ſagen/ der Unmenſch bekant/ der ſich
fuͤr den Jupiter ausgab/ ja ſich des Beyſchlafs
mit dem Monden ruͤhmte/ und deßwegen ſeine
Schweſtern zur Blutſchande verleitete? Wer
weiß nicht/ daß ein ander die Heyrath einer
Veſtaliſchen Jungfrauen mit ſeinem Prieſter-
thum und einer Wahrſagung/ daß von ihnen
goͤttliche Kinder wuͤrden gezeuget werden/ be-
maͤntelt? Jch wil geſchweigen/ daß ihrer viel den
Bund ihrer Liebe unter dem Scheine der An-
dacht zerreiſſen/ das Band der Eh unter dem
Schein zu naher Anverwandnuͤß zertrennen/
andere ihre Abneigung oder auch frembden
Zunder mit der Gelobung ewiger Keuſchheit
verdecken. Malovend fiel ihm ein: Es waͤren
ſo ſchlimme Mißbraͤuche der Gottes-Furcht
auch in Liebes-Sachen verdam̃lich; wie er aber
fuͤr zulaͤßlich hielte/ ſich ihres Scheins zu Nutz
des gemeinen Weſens zu bedienen; alſo haͤtte
er es Marcomirn nicht fuͤr uͤbel/ daß er Riamens
und Olorenens Aber glauben zu einem ſo guten
Zwecke ihrer ſo loͤblichen Verehligung gemiß-
braucht habe. Es ging ſein Anſchlag auch ſo
gluͤcklich von ſtatten/ daß beyde alſofoꝛt gleich alſo
auf Goͤttlichen Befehl ſich mit Klodomirn und
Aſtinaben zu verknuͤpfen begierig waren. Die
Vermaͤhlung ward noch ſelbigen Tag im Tem-
pel mit groſſem Frolocken vollzogen/ und unter
dieſer Freude das Trauren umb den umgekom-
menen Friedebald nach und nach vergeſſen. Alſo
quellen aus keinem Hertzeleide ſo viel Thraͤ-
nen/ welche nicht der Schwam̃ der Zeit aus-
trockne/ und es iſt keine Liebe in einem Hertzen ſo
beraaſet/ daß ſelbte nicht verwelcken/ oder von
einer andern uͤberwachſen werden koͤnte. Wie-
wol er hierbey die ſeltzame Begebenheit nicht
verſchweigen koͤnte/ daß unter denen Hochzeit-
Fackeln/ welche zwoͤlf Edel- Knaben der zum
Altar gefuͤhrten Olorene fuͤrtrugen/ ſich eine
ſelbſt-bewegende Flam̃e eingemiſcht/ die alles an-
dere Licht verduͤſterte. Und ob ſchon kein Menſch
ſonſt etwas mehrers ſahe/ ſo betheuerte doch ſo
wol Riame als Olorene/ daß ſelbte der Geiſt
Hertzog Friedebalds in ſeinen Haͤnden truͤge/
und derogeſtalt ſeine ſo liebe Buhlſchafft ſo wol
nach ſeinem Tode bediente/ als ihre neue Ver-
maͤhlung billigte. Eben dieſer Geiſt iſt ihr
zum andern und dritten mal erſchienen/ und hat
ihr gerathen/ alle moͤgliche Verhinderungs-
Mittel fuͤrzukehren: daß ihr Gemahl Aſti-
nabes nicht den Zug wider die Mohren fuͤr-
nehmen ſolte/ darinnen er hernach entweder
erſchlagen oder zum minſten verlohren worden.
Weßwegen Olorene auch/ als dieſer Geiſt die
traurige Nachricht brachte/ daß ſie ihren Aſti-
nabes nicht mehr ſehen wuͤrde/ ſich geſtorben
zu ſeyn anſtellte/ und zum Scheine begraben
ließ/ ſich aber/ umb ihrem Betruͤbnuͤſſe deſto
freyer nachzuhaͤngen/ in einer bergichten Ein-
ſamkeit ſo wol ihr Leben als ihre zu den Tod-
ten tragende Liebe endigte; wo anders die
Geiſter der Verſtorbenen nicht noch dieſe ſuͤſſe
Empfindligkeit behalten/ wie faſt der Schatten
des erblaſten Friedebalds zu behaupten ſchei-
net. Rhemetalces fing hieruͤber an: Jch muß
geſtehen/ daß das erzehlte eines der merckwuͤr-
digſten Ebentheuer ſey. Denn ob ich wol weiß/-
und die Welt insgemein glaubet/ daß ieder-
Mann abſonderlich 2. Geiſter zu unabtrennli-
chen Geferten habe/ derer einer entweder mit-
ihm gebohren wird/ oder zum minſten ſich ihm-
bald bey der Geburt zugeſellet/ und ihn/ wie-
vom Socrates genung bekant iſt/ zu allem-
Guten reitzet/ und durch Traͤume oder-
andere Wege fuͤr Ungluͤck warne/ der-
Boͤſe aber ihn zum Verderben reitzet/ und/-
wie dem Brutus geſchehen/ erſchrecket;-
Bey
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Zitationshilfe: | Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689, S. 167. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lohenstein_feldherr01_1689/217>, abgerufen am 16.07.2024. |