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Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689.

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Arminius und Thußnelda.
[Spaltenumbruch] Fürstlichen Hause eingewurtzelten Haß auszu-
rotten. Wie vielmahl hätten die Cherusker
und Catten zusammen geheyrathet/ die hier-
durch zugeheilten Wunden wären aber also-
fort wieder anffgebrochen/ und der Ausgang
hätte gewiesen/ daß nur ein Haus auff des an-
dern Länder Erb-Ansprüche/ und dadurch
Ursachen zu neuen Kriegen zu überkommen ge-
sucht/ also Gifft für Artzney verkaufft hätte.
Rhemetalces brach hier ein und agte: Olorene
hätte sicherlich wahr und vernünfftig geur-
theilet/ und ihre Meinung bestätigte die Vor-
welt mit vielen Beyspielen. Seine Nachbarn
die Melossen beklagten noch/ daß Philip König
in Macedonien ihrem Könige Arrybas seiner
Gemahlin Olympias Schwester nur zu dem
Ende verheyrathet habe/ wormit er ihn ein-
schläffte/ und seines Reichs beraubete. Und
wie lange ist es/ daß Antonius dem Käyser Au-
gustus mit Vermählung seiner Schwester O-
ctavie ein Bein unter geschlagen/ seine betrügli-
che Schwägerschafft ihm mit seinem Leben be-
zahlen müssen? Malovend fuhr hierauff fort in
der Rede Olorenens: die Staats-Klugheit hät-
te zwar unterschiedene mahl das verborgene
Gesetze des Verhängnisses meistern/ und eine
Vormünderin über die göttliche Versehung
abgeben wollen/ wenn Könige ihre Töchter für
ihrer Verlobung angehalten aller Erb- und
Reichs-Ansprüche sich eydlich zu begeben. Al-
lein der Ehrgeitz habe hernach aus einer so heili-
gen Betheurung einen Schertz oder Gelächter
gemacht/ die erkaufften Rechts-Gelehrten aber
sich nicht geschämet durch offentliche Schrifften
zu behaupten/ daß solche Enteusserung für eine
ungültige Nichtigkeit zu halten sey. Und es
stünde so denn nicht in der Gewalt einer Für-
stin/ die Farbe und Liebe ihres Geschlechts und
Vaterlands zu behalten. Denn es glückte sel-
ten einer Fürstin/ wie jener tieffsinnigen Spar-
tanerin/ welche ihren zusammen kriegenden
Vater und Ehmann dadurch zur Versöhnung
[Spaltenumbruch] gezwungen/ daß sie sich allezeit zum schwächsten
Theile geschlagen. Jch wil aus unserm eige-
nen Hause/ fuhr Olorene fort ein einiges Bey-
spiel zum Beweiß/ daß das Verhängniß mit
den menschlichen Rathschlägen und Staats-
klugen Heyrathen nur ihr Gespötte treibe/ an-
führen. Keiner unsers Geschlechts hat mehr
durch seine Eh/ als Hunnus mit des Königs
Dinfareds Tochter gewonnen. Jhr Vater
meinte seine Britannische Reiche seinem ei-
nigen Sohne Nojanes hierdurch zu befestigen/
seine Tochter aber auff den Stul der Glückse-
ligkeit zu setzen. Das Rad aber schlug in bey-
den Absehen gantz um. Britannien sahe die-
sen Fürsten kaum anfangen zu leuchten/ als er
in Staub und Asche verstel. Hiermit wuchs
dem Hunnus nicht allein der Math seiner Ge-
mahlin ältere Schwester/ die dem Könige der
glückseligen Eylande vermählet war/ von dem
Erbtheile Britanniens abzuschippen; sondern
solches auch noch dem lebenden Dinfared aus-
zuwinden. Er zwang seine Gemahlin/ daß sie
nebst ihm zu Kränckung ihres Vaters sich eine
Fürstin über Britannien ausruffen ließ/ er
schloß seinen Schwehervater von dem Frieden
aus/ den er mit den Galliern einging/ er kam
wider seinen Willen in Britannien/ machte
von ihm seine Räthe und Unterthanen/ welche
von der untergehenden Sonne meist die Augen
gegen die auffgehende richten/ abtrünnig; Er
forderte von ihm mit Ungestüm die Abtretung
Caledoniens/ das ihm seine Gemahlin Betisa-
le zugebracht hatte/ er verstattete mit genauer
Noth und mit schimpflichen Bedingungen sei-
nem Schwehervater eine einstündige Zusam-
menkunfft; und wie sehr diesem gelüstete ein-
mahl seine Tochter zu schauen/ durffte er sich
doch nicht erkühnen nur nach ihr zu fragen. Ob
wohl auch dieser grosse König für der Zeit und
Noth die Segel strich/ und seiner Tochter Cale-
donien abtrat/ war Hunnus doch hierdurch we-
der gesättigt noch besänfftigt. Seine Gemah-

lin/
Erster Theil. X

Arminius und Thußnelda.
[Spaltenumbruch] Fuͤrſtlichen Hauſe eingewurtzelten Haß auszu-
rotten. Wie vielmahl haͤtten die Cheruſker
und Catten zuſammen geheyrathet/ die hier-
durch zugeheilten Wunden waͤren aber alſo-
fort wieder anffgebrochen/ und der Ausgang
haͤtte gewieſen/ daß nur ein Haus auff des an-
dern Laͤnder Erb-Anſpruͤche/ und dadurch
Urſachen zu neuen Kriegen zu uͤberkommen ge-
ſucht/ alſo Gifft fuͤr Artzney verkaufft haͤtte.
Rhemetalces brach hier ein und agte: Olorene
haͤtte ſicherlich wahr und vernuͤnfftig geur-
theilet/ und ihre Meinung beſtaͤtigte die Vor-
welt mit vielen Beyſpielen. Seine Nachbarn
die Meloſſen beklagten noch/ daß Philip Koͤnig
in Macedonien ihrem Koͤnige Arrybas ſeiner
Gemahlin Olympias Schweſter nur zu dem
Ende verheyrathet habe/ wormit er ihn ein-
ſchlaͤffte/ und ſeines Reichs beraubete. Und
wie lange iſt es/ daß Antonius dem Kaͤyſer Au-
guſtus mit Vermaͤhlung ſeiner Schweſter O-
ctavie ein Bein unter geſchlagen/ ſeine betruͤgli-
che Schwaͤgerſchafft ihm mit ſeinem Leben be-
zahlen muͤſſen? Malovend fuhr hierauff fort in
der Rede Olorenens: die Staats-Klugheit haͤt-
te zwar unterſchiedene mahl das verborgene
Geſetze des Verhaͤngniſſes meiſtern/ und eine
Vormuͤnderin uͤber die goͤttliche Verſehung
abgeben wollen/ wenn Koͤnige ihre Toͤchter fuͤr
ihrer Verlobung angehalten aller Erb- und
Reichs-Anſpruͤche ſich eydlich zu begeben. Al-
lein der Ehrgeitz habe hernach aus einer ſo heili-
gen Betheurung einen Schertz oder Gelaͤchter
gemacht/ die erkaufften Rechts-Gelehrten aber
ſich nicht geſchaͤmet durch offentliche Schrifften
zu behaupten/ daß ſolche Enteuſſerung fuͤr eine
unguͤltige Nichtigkeit zu halten ſey. Und es
ſtuͤnde ſo denn nicht in der Gewalt einer Fuͤr-
ſtin/ die Farbe und Liebe ihres Geſchlechts und
Vaterlands zu behalten. Denn es gluͤckte ſel-
ten einer Fuͤrſtin/ wie jener tieffſinnigen Spar-
tanerin/ welche ihren zuſammen kriegenden
Vater und Ehmann dadurch zur Verſoͤhnung
[Spaltenumbruch] gezwungen/ daß ſie ſich allezeit zum ſchwaͤchſten
Theile geſchlagen. Jch wil aus unſerm eige-
nen Hauſe/ fuhr Olorene fort ein einiges Bey-
ſpiel zum Beweiß/ daß das Verhaͤngniß mit
den menſchlichen Rathſchlaͤgen und Staats-
klugen Heyrathen nur ihr Geſpoͤtte treibe/ an-
fuͤhren. Keiner unſers Geſchlechts hat mehr
durch ſeine Eh/ als Hunnus mit des Koͤnigs
Dinfareds Tochter gewonnen. Jhr Vater
meinte ſeine Britanniſche Reiche ſeinem ei-
nigen Sohne Nojanes hierdurch zu befeſtigen/
ſeine Tochter aber auff den Stul der Gluͤckſe-
ligkeit zu ſetzen. Das Rad aber ſchlug in bey-
den Abſehen gantz um. Britannien ſahe die-
ſen Fuͤrſten kaum anfangen zu leuchten/ als er
in Staub und Aſche verſtel. Hiermit wuchs
dem Hunnus nicht allein der Math ſeiner Ge-
mahlin aͤltere Schweſter/ die dem Koͤnige der
gluͤckſeligen Eylande vermaͤhlet war/ von dem
Erbtheile Britanniens abzuſchippen; ſondern
ſolches auch noch dem lebenden Dinfared aus-
zuwinden. Er zwang ſeine Gemahlin/ daß ſie
nebſt ihm zu Kraͤnckung ihres Vaters ſich eine
Fuͤrſtin uͤber Britannien ausruffen ließ/ er
ſchloß ſeinen Schwehervater von dem Frieden
aus/ den er mit den Galliern einging/ er kam
wider ſeinen Willen in Britannien/ machte
von ihm ſeine Raͤthe und Unterthanen/ welche
von der untergehenden Sonne meiſt die Augen
gegen die auffgehende richten/ abtruͤnnig; Er
forderte von ihm mit Ungeſtuͤm die Abtretung
Caledoniens/ das ihm ſeine Gemahlin Betiſa-
le zugebracht hatte/ er verſtattete mit genauer
Noth und mit ſchimpflichen Bedingungen ſei-
nem Schwehervater eine einſtuͤndige Zuſam-
menkunfft; und wie ſehr dieſem geluͤſtete ein-
mahl ſeine Tochter zu ſchauen/ durffte er ſich
doch nicht erkuͤhnen nur nach ihr zu fragen. Ob
wohl auch dieſer groſſe Koͤnig fuͤr der Zeit und
Noth die Segel ſtrich/ und ſeiner Tochter Cale-
donien abtrat/ war Hunnus doch hierdurch we-
der geſaͤttigt noch beſaͤnfftigt. Seine Gemah-

lin/
Erſter Theil. X
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[161/0211] Arminius und Thußnelda. Fuͤrſtlichen Hauſe eingewurtzelten Haß auszu- rotten. Wie vielmahl haͤtten die Cheruſker und Catten zuſammen geheyrathet/ die hier- durch zugeheilten Wunden waͤren aber alſo- fort wieder anffgebrochen/ und der Ausgang haͤtte gewieſen/ daß nur ein Haus auff des an- dern Laͤnder Erb-Anſpruͤche/ und dadurch Urſachen zu neuen Kriegen zu uͤberkommen ge- ſucht/ alſo Gifft fuͤr Artzney verkaufft haͤtte. Rhemetalces brach hier ein und agte: Olorene haͤtte ſicherlich wahr und vernuͤnfftig geur- theilet/ und ihre Meinung beſtaͤtigte die Vor- welt mit vielen Beyſpielen. Seine Nachbarn die Meloſſen beklagten noch/ daß Philip Koͤnig in Macedonien ihrem Koͤnige Arrybas ſeiner Gemahlin Olympias Schweſter nur zu dem Ende verheyrathet habe/ wormit er ihn ein- ſchlaͤffte/ und ſeines Reichs beraubete. Und wie lange iſt es/ daß Antonius dem Kaͤyſer Au- guſtus mit Vermaͤhlung ſeiner Schweſter O- ctavie ein Bein unter geſchlagen/ ſeine betruͤgli- che Schwaͤgerſchafft ihm mit ſeinem Leben be- zahlen muͤſſen? Malovend fuhr hierauff fort in der Rede Olorenens: die Staats-Klugheit haͤt- te zwar unterſchiedene mahl das verborgene Geſetze des Verhaͤngniſſes meiſtern/ und eine Vormuͤnderin uͤber die goͤttliche Verſehung abgeben wollen/ wenn Koͤnige ihre Toͤchter fuͤr ihrer Verlobung angehalten aller Erb- und Reichs-Anſpruͤche ſich eydlich zu begeben. Al- lein der Ehrgeitz habe hernach aus einer ſo heili- gen Betheurung einen Schertz oder Gelaͤchter gemacht/ die erkaufften Rechts-Gelehrten aber ſich nicht geſchaͤmet durch offentliche Schrifften zu behaupten/ daß ſolche Enteuſſerung fuͤr eine unguͤltige Nichtigkeit zu halten ſey. Und es ſtuͤnde ſo denn nicht in der Gewalt einer Fuͤr- ſtin/ die Farbe und Liebe ihres Geſchlechts und Vaterlands zu behalten. Denn es gluͤckte ſel- ten einer Fuͤrſtin/ wie jener tieffſinnigen Spar- tanerin/ welche ihren zuſammen kriegenden Vater und Ehmann dadurch zur Verſoͤhnung gezwungen/ daß ſie ſich allezeit zum ſchwaͤchſten Theile geſchlagen. Jch wil aus unſerm eige- nen Hauſe/ fuhr Olorene fort ein einiges Bey- ſpiel zum Beweiß/ daß das Verhaͤngniß mit den menſchlichen Rathſchlaͤgen und Staats- klugen Heyrathen nur ihr Geſpoͤtte treibe/ an- fuͤhren. Keiner unſers Geſchlechts hat mehr durch ſeine Eh/ als Hunnus mit des Koͤnigs Dinfareds Tochter gewonnen. Jhr Vater meinte ſeine Britanniſche Reiche ſeinem ei- nigen Sohne Nojanes hierdurch zu befeſtigen/ ſeine Tochter aber auff den Stul der Gluͤckſe- ligkeit zu ſetzen. Das Rad aber ſchlug in bey- den Abſehen gantz um. Britannien ſahe die- ſen Fuͤrſten kaum anfangen zu leuchten/ als er in Staub und Aſche verſtel. Hiermit wuchs dem Hunnus nicht allein der Math ſeiner Ge- mahlin aͤltere Schweſter/ die dem Koͤnige der gluͤckſeligen Eylande vermaͤhlet war/ von dem Erbtheile Britanniens abzuſchippen; ſondern ſolches auch noch dem lebenden Dinfared aus- zuwinden. Er zwang ſeine Gemahlin/ daß ſie nebſt ihm zu Kraͤnckung ihres Vaters ſich eine Fuͤrſtin uͤber Britannien ausruffen ließ/ er ſchloß ſeinen Schwehervater von dem Frieden aus/ den er mit den Galliern einging/ er kam wider ſeinen Willen in Britannien/ machte von ihm ſeine Raͤthe und Unterthanen/ welche von der untergehenden Sonne meiſt die Augen gegen die auffgehende richten/ abtruͤnnig; Er forderte von ihm mit Ungeſtuͤm die Abtretung Caledoniens/ das ihm ſeine Gemahlin Betiſa- le zugebracht hatte/ er verſtattete mit genauer Noth und mit ſchimpflichen Bedingungen ſei- nem Schwehervater eine einſtuͤndige Zuſam- menkunfft; und wie ſehr dieſem geluͤſtete ein- mahl ſeine Tochter zu ſchauen/ durffte er ſich doch nicht erkuͤhnen nur nach ihr zu fragen. Ob wohl auch dieſer groſſe Koͤnig fuͤr der Zeit und Noth die Segel ſtrich/ und ſeiner Tochter Cale- donien abtrat/ war Hunnus doch hierdurch we- der geſaͤttigt noch beſaͤnfftigt. Seine Gemah- lin/ Erſter Theil. X

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Zitationshilfe: Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689, S. 161. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lohenstein_feldherr01_1689/211>, abgerufen am 26.11.2024.