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Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689.

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Arminius und Thußnelda.
[Spaltenumbruch] te sie biß an ihr Zimmer/ Marcomir aber wolte
ihr/ um diese Heimligkeit/ worvon er aus Ey-
versucht Riamens schon Wind hatte/ zu er-
gründen keine Luft lassen; daher führte er sie an
ein Fenster gegen dem Meere/ und fing an
Astinabes Person und Liebe ihr nachdrücklich
einzuloben. So sehr nun Olorene Zeit und
Aufschub zu gewinnen trachtete/ so sehr ver-
mehrte ihre Kaltsinnigkeit Marcomirs Ver-
dacht/ also/ daß er endlich unter dem Scheine/
als wolte er ihr die vom Winde verwickelten
Haarlocken zu rechte machen/ ihr Friedebalds
Brief zwischen den Brüsten herfür zog/ und
was sie dahin für Heimligkeit verborgen hätte/
lächelnde fragte. Olorene wuste für Bestür-
tzung über dieser unvermutheten Begebenheit
kein Wort aufzubringen; Marcomir aber be-
reuete alsofort seine allzugrosse Freyheit/ und/
wormit er seine Schwester nicht allzusehr be-
schämen möchte/ wolte er ihr den Zettel wieder
einhändigen/ und seine Sorgfalt mit einem
kurtzweiligen Vorwitze beschönigen. Olorene
aber/ welche sich entweder für verrathen hielt/
oder doch endlich ihre Gewogenheit lieber durch
einensolchen Zufall/ als durch ihr eigenbewegli-
ches Bekäntnüß zu entdecken verlangte/ wei-
gerte solchen anzunehmen/ und meldete/ sie wü-
ste zwar nicht den Jnhalt dieses ihr unvermu-
thet zugekommenen Papieres/ doch läge in ih-
rem Hertzen keine Heimligkeit verborgen/ wel-
che ihre schwesterliche Liebe für einem solchen
Bruder geheim zu halten Ursache hätte. Die-
se Vertrauligkeit nahm Marcomir mit einer
schertzhafften Freyheit an/ und laß daraus fol-
gende Zeilen: Jch bejammere/ ewige Beherr-
scherin meiner Seele/ daß das Band unserer
Gemüther/ welches das Verhängnüß zusam-
men gebunden/ Menschen zerreissen. Wie a-
ber? soll die mir abgenöthigte Abwesenheit un-
ser Bündnüß auflösen/ welches die Tochter des
grossen Marcomirs zu trennen nicht vermocht
[Spaltenumbruch] hat? Nein slcher! die Riegel so grosser Gebür-
ge/ die Tieffen des grossen Meeres werden
zwar meinen Leib von seiner Sonne entfernen/
mein Gedächtnüß aber wird mir ewig das
Bild der unvergleichlichen Olorene fürhalten/
und meine Seele sich ihr/ wenn das Tacht mei-
ner Hoffnung und ihrer Beständigkeit ver-
glimmt/ aufdem Holtzstosse der Verzweifelung
aufopfern. Nach Ablesung dieses Schrei-
bens/ geriethen sie beyde in ein langes Still-
schweigen/ biß endlich Olorene ihre Tiefsinnig-
keit mit folgender Rede ausdrückte: Sie könte
nicht läugnen/ daß sie den Hertzog Friedebald so
sehr liebte/ als einer Frauen Gemüthe zu thun
fähig wäre. Marcomir aber habe selbst das
Wasser auf das Rad ihrer Gewogenheit gelei-
tet/ da er ihr aufgetragen seine Tochter mit dem
Hertzog Klodomir zu verknüpfen. Denn weil
diese zu Friedebalden eine Zuneigung bezeigt/
habe sie für rathsam befunden/ anfangs durch
angenommene Liebes - Vezeugungen beym
Friedebald ihr den Vortheil abzurennen/ und
sich seiner zu versichern; Sie habe aber im
Ausgange erfahren/ daß kein Feuer sich gefähr-
licher anrühren lasse/ als die Liebe. Jhre blos-
se Anstellung babe sich in kurtzer Zeit in War-
heit/ ihr Schertz in Ernst verwandelt. Jedoch
hoffte sie/ daß nicht allein dieses Hertzogs unge-
meine Vollkommenheit eine Entschuldigung
ihrer Schwachheit seyn/ sondern ihre Bestri-
ckung Friedebalds die Fürstin Riama von einer
härteren Gefängnüß befreyet haben würde.
Marcomir ward über so offenhertzigem Be-
käntnüß fürnehmlich aber seiner Tochter Ria-
ma ausbrechender Vergehung überaus beküm-
mert/ also daß er aus dem Stegereiffen nichts ge-
wisses zu entschlüssen wuste/ sondern stillschwei-
gend/ iedoch nicht ohne Kennzeichen einigen Un-
willens von Olorenen Abschied nahm Der Mor-
gen war kaum angebrochen/ als Marcomir Ria-
men und Olorenen in sein Gemach beruffen ließ.

Die-

Arminius und Thußnelda.
[Spaltenumbruch] te ſie biß an ihr Zimmer/ Marcomir aber wolte
ihr/ um dieſe Heimligkeit/ worvon er aus Ey-
verſucht Riamens ſchon Wind hatte/ zu er-
gruͤnden keine Luft laſſen; daher fuͤhrte er ſie an
ein Fenſter gegen dem Meere/ und fing an
Aſtinabes Perſon und Liebe ihr nachdruͤcklich
einzuloben. So ſehr nun Olorene Zeit und
Aufſchub zu gewinnen trachtete/ ſo ſehr ver-
mehrte ihre Kaltſinnigkeit Marcomirs Ver-
dacht/ alſo/ daß er endlich unter dem Scheine/
als wolte er ihr die vom Winde verwickelten
Haarlocken zu rechte machen/ ihr Friedebalds
Brief zwiſchen den Bruͤſten herfuͤr zog/ und
was ſie dahin fuͤr Heimligkeit verborgen haͤtte/
laͤchelnde fragte. Olorene wuſte fuͤr Beſtuͤr-
tzung uͤber dieſer unvermutheten Begebenheit
kein Wort aufzubringen; Marcomir aber be-
reuete alſofort ſeine allzugroſſe Freyheit/ und/
wormit er ſeine Schweſter nicht allzuſehr be-
ſchaͤmen moͤchte/ wolte er ihr den Zettel wieder
einhaͤndigen/ und ſeine Sorgfalt mit einem
kurtzweiligen Vorwitze beſchoͤnigen. Olorene
aber/ welche ſich entweder fuͤr verrathen hielt/
oder doch endlich ihre Gewogenheit lieber durch
einenſolchen Zufall/ als durch ihr eigenbewegli-
ches Bekaͤntnuͤß zu entdecken verlangte/ wei-
gerte ſolchen anzunehmen/ und meldete/ ſie wuͤ-
ſte zwar nicht den Jnhalt dieſes ihr unvermu-
thet zugekommenen Papieres/ doch laͤge in ih-
rem Hertzen keine Heimligkeit verborgen/ wel-
che ihre ſchweſterliche Liebe fuͤr einem ſolchen
Bruder geheim zu halten Urſache haͤtte. Die-
ſe Vertrauligkeit nahm Marcomir mit einer
ſchertzhafften Freyheit an/ und laß daraus fol-
gende Zeilen: Jch bejammere/ ewige Beherr-
ſcherin meiner Seele/ daß das Band unſerer
Gemuͤther/ welches das Verhaͤngnuͤß zuſam-
men gebunden/ Menſchen zerreiſſen. Wie a-
ber? ſoll die mir abgenoͤthigte Abweſenheit un-
ſer Buͤndnuͤß aufloͤſen/ welches die Tochter des
groſſen Marcomirs zu trennen nicht vermocht
[Spaltenumbruch] hat? Nein ſlcher! die Riegel ſo groſſer Gebuͤr-
ge/ die Tieffen des groſſen Meeres werden
zwar meinen Leib von ſeiner Sonne entfernen/
mein Gedaͤchtnuͤß aber wird mir ewig das
Bild der unvergleichlichen Olorene fuͤrhalten/
und meine Seele ſich ihr/ wenn das Tacht mei-
ner Hoffnung und ihrer Beſtaͤndigkeit ver-
glimmt/ aufdem Holtzſtoſſe der Verzweifelung
aufopfern. Nach Ableſung dieſes Schrei-
bens/ geriethen ſie beyde in ein langes Still-
ſchweigen/ biß endlich Olorene ihre Tiefſinnig-
keit mit folgender Rede ausdruͤckte: Sie koͤnte
nicht laͤugnen/ daß ſie den Hertzog Friedebald ſo
ſehr liebte/ als einer Frauen Gemuͤthe zu thun
faͤhig waͤre. Marcomir aber habe ſelbſt das
Waſſer auf das Rad ihrer Gewogenheit gelei-
tet/ da er ihr aufgetragen ſeine Tochter mit dem
Hertzog Klodomir zu verknuͤpfen. Denn weil
dieſe zu Friedebalden eine Zuneigung bezeigt/
habe ſie fuͤr rathſam befunden/ anfangs durch
angenommene Liebes - Vezeugungen beym
Friedebald ihr den Vortheil abzurennen/ und
ſich ſeiner zu verſichern; Sie habe aber im
Ausgange erfahren/ daß kein Feuer ſich gefaͤhr-
licher anruͤhren laſſe/ als die Liebe. Jhre bloſ-
ſe Anſtellung babe ſich in kurtzer Zeit in War-
heit/ ihr Schertz in Ernſt verwandelt. Jedoch
hoffte ſie/ daß nicht allein dieſes Hertzogs unge-
meine Vollkommenheit eine Entſchuldigung
ihrer Schwachheit ſeyn/ ſondern ihre Beſtri-
ckung Friedebalds die Fuͤrſtin Riama von einer
haͤrteren Gefaͤngnuͤß befreyet haben wuͤrde.
Marcomir ward uͤber ſo offenhertzigem Be-
kaͤntnuͤß fuͤrnehmlich aber ſeiner Tochter Ria-
ma ausbrechender Vergehung uͤberaus bekuͤm-
mert/ alſo daß er aus dem Stegereiffen nichts ge-
wiſſes zu entſchluͤſſen wuſte/ ſondern ſtillſchwei-
gend/ iedoch nicht ohne Kennzeichen einigen Un-
willens von Olorenen Abſchied nahm Deꝛ Moꝛ-
gen war kaum angebrochen/ als Marcomir Ria-
men und Olorenen in ſein Gemach beruffen ließ.

Die-
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Zitationshilfe: Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689, S. 159. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lohenstein_feldherr01_1689/209>, abgerufen am 23.11.2024.