Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689.

Bild:
<< vorherige Seite

Anderes Buch
[Spaltenumbruch] haben solte. Wenige Zeit hernach starb Dece-
bal. Als nun König Jngram/ vermöge ihres
Bundes/ das Pannonische Dacien wieder for-
derte/ schützte die Königin Lasabile für: Decebals
abgeredter Rückfall hätte den Verstand in
sich gehabt/ da einer unter ihnen ohne Kinder
stürbe/ und Salomin/ dem Jngrams mehrere
Vergrösserung Kummer machte/ schickte des
Decebals zweyjährichtem Sohne Festan eine
Königliche Krone und andere kostbare Geschen-
cke/ versicherte die Königin seines Beystandes/
brachte auch die Stände des Reichs theils durch
Bedräuung/ theils durch Verheissungen/ darzu/
daß sie diesem Kinde die väterliche Krone aufsetz-
ten/ sich auch überdis noch ein Theil Pannoniens/
das die Jatzyger bewohnen/ zu ihm schlug. Als
nun König Jngram mit sieghaften Waffen
die Abtrünnigen wieder eroberte/ drang Salo-
min mit einer neuen Heeres-Macht wieder her-
für/ lägerte sich bey Bregetio/ worinnen sich die
Königin Lasabile und ihr Sohn aufhielt. Da-
selbst bekleidete er seine Arglist mit betrüglichen
Liebkosungen gegen der Königin und die Lan-
des-Herren/ als dem schädlichsten Gifte recht-
schaffener Freundschafft. Endlich ersuchte er
die Königin ihm den König ins Läger zu schicken/
wormit er ihm selbst die mitgebrachten Geschen-
cke einliefern/ und seiner Person Beschaffenheit
in Augenschein nehmen könte. Lasabile erschrack
über diesem Anmuthen überaus heftig/ und
ward nunmehr allzu langsam ihres Jrrthums
gewahr/ und daß nichts gefährlichers sey/ als ei-
nen mächtigern Nachbar zu Hülffe ruffen/ derer
Schutz-Flügelmeistentheils von Adlers-Federn
sind/ welche dieselben/ so sie für Gewalt beschir-
men sollen/ selbst zerreiben; wie die benachbarten
Griechen am Könige Philip empfunden/ der
den schwächsten halff/ wormit er anfangs die
Besiegten/ hernach die Sieger ihm unterthänig
machte. Gleichwohl dorfte sie ihr Mißtrauen
gegen dem Salomin/ als welcher mit seinem
mächtigern Heere/ als dem ihre äuserste Kräfften
[Spaltenumbruch] nicht gewachsen waren/ im Hertzen ihres Reiches
stund/ nicht mercken lassen/ sondern muste ihren
Sohn mit lachendem Munde in den Rachen
eines Wüterichs liefern/ dessen Herrschsucht be-
reits hundertmal die Ketten der Bindnüsse/ ja
die Gesetze der Natur durch Hinrichtung seiner
eigenen Söhne zerrissen hatte. So bald diß
Kind in seiner Gewalt war/ ließ er die Stadt
Bregentio bespringen/ zwang durch angedräue-
te Abschlachtung ihres Sohnes/ und mit dem
Vorwand/ daß ihr Land für Zeiten zu dem von
ihm durchs Recht oder Waffen eroberten Geti-
schen Reiche gehöret hätte/ die Königin/ daß sie
ihm das Schloß und andere Pannonische und
Dacische Festungen einräumen/ und für eine
Gnade erkennen muste/ daß sie mit ihrem Kinde
in Sarmatien ziehen dorfte. Also erfuhr diese
einfältige Königin allzu geschwinde/ daß/ da sie
meynte unter dem Schatten mächtiger Schirm-
Flügel zu stehen/ und mit Lilien bedeckt zu seyn/
sie in den Klauen eines Raub- Vogels war/ und
auf den biß ins Hertz stechenden Dornen lag;
lernete aber allzu langsam/ daß auch bey fast ver-
zweifeltem Zustande man frembder Hülffe sich
nicht bedienen solle von einem ungewissenhaff-
ten oder im Gottes-Dienste unterschiedenen
Fürsten/ oder der auf das Schutzdürftige Land
einen Anspruch hat/ oder es ihm vortheilhafftig
gelegen ist; sonderlich da die Hülffe die eigene
Macht überwieget/ und die Hülffs-Völcker
unter ihren eigenen Heer-Führern bleiben/ in
Festungen verlegt/ und nicht bald wider den
Feind geführet werden. Ob nun wol dieser
Salomin viermal in Person mit dem unzehlba-
ren Schwarme der Scythen/ Geten und Ba-
starnen Pannonien überschwemmete/ Deutsch-
land auch wegen eigener Trennung der Druy-
den/ Barden und Eubagen dem Könige und
endlich obersten Feldherrn Jngram wenige
Hülffe leistete/ so thät er doch diesem grausamen
Feinde mit seinen Qvaden/ insonderheit der
Gothinischen/ Ostschen und Burischen Ritter-

schafft

Anderes Buch
[Spaltenumbruch] haben ſolte. Wenige Zeit hernach ſtarb Dece-
bal. Als nun Koͤnig Jngram/ vermoͤge ihres
Bundes/ das Pannoniſche Dacien wieder for-
derte/ ſchuͤtzte die Koͤnigin Laſabile fuͤr: Decebals
abgeredter Ruͤckfall haͤtte den Verſtand in
ſich gehabt/ da einer unter ihnen ohne Kinder
ſtuͤrbe/ und Salomin/ dem Jngrams mehrere
Vergroͤſſerung Kummer machte/ ſchickte des
Decebals zweyjaͤhrichtem Sohne Feſtan eine
Koͤnigliche Krone und andere koſtbare Geſchen-
cke/ verſicherte die Koͤnigin ſeines Beyſtandes/
brachte auch die Staͤnde des Reichs theils durch
Bedraͤuung/ theils durch Verheiſſungen/ darzu/
daß ſie dieſem Kinde die vaͤterliche Krone aufſetz-
ten/ ſich auch uͤberdis noch ein Theil Pañoniens/
das die Jatzyger bewohnen/ zu ihm ſchlug. Als
nun Koͤnig Jngram mit ſieghaften Waffen
die Abtruͤnnigen wieder eroberte/ drang Salo-
min mit einer neuen Heeres-Macht wieder her-
fuͤr/ laͤgerte ſich bey Bregetio/ worinnen ſich die
Koͤnigin Laſabile und ihr Sohn aufhielt. Da-
ſelbſt bekleidete er ſeine Argliſt mit betruͤglichen
Liebkoſungen gegen der Koͤnigin und die Lan-
des-Herren/ als dem ſchaͤdlichſten Gifte recht-
ſchaffener Freundſchafft. Endlich erſuchte er
die Koͤnigin ihm den Koͤnig ins Laͤger zu ſchicken/
wormit er ihm ſelbſt die mitgebrachten Geſchen-
cke einliefern/ und ſeiner Perſon Beſchaffenheit
in Augenſchein nehmen koͤnte. Laſabile erſchrack
uͤber dieſem Anmuthen uͤberaus heftig/ und
ward nunmehr allzu langſam ihres Jrrthums
gewahr/ und daß nichts gefaͤhrlichers ſey/ als ei-
nen maͤchtigern Nachbar zu Huͤlffe ruffen/ derer
Schutz-Fluͤgelmeiſtentheils von Adlers-Federn
ſind/ welche dieſelben/ ſo ſie fuͤr Gewalt beſchir-
men ſollen/ ſelbſt zerreiben; wie die benachbarten
Griechen am Koͤnige Philip empfunden/ der
den ſchwaͤchſten halff/ wormit er anfangs die
Beſiegten/ hernach die Sieger ihm unterthaͤnig
machte. Gleichwohl dorfte ſie ihr Mißtrauen
gegen dem Salomin/ als welcher mit ſeinem
maͤchtigern Heere/ als dem ihre aͤuſerſte Kraͤfften
[Spaltenumbruch] nicht gewachſen waren/ im Hertzen ihres Reiches
ſtund/ nicht mercken laſſen/ ſondern muſte ihren
Sohn mit lachendem Munde in den Rachen
eines Wuͤterichs liefern/ deſſen Herrſchſucht be-
reits hundertmal die Ketten der Bindnuͤſſe/ ja
die Geſetze der Natur durch Hinrichtung ſeiner
eigenen Soͤhne zerriſſen hatte. So bald diß
Kind in ſeiner Gewalt war/ ließ er die Stadt
Bregentio beſpringen/ zwang durch angedraͤue-
te Abſchlachtung ihres Sohnes/ und mit dem
Vorwand/ daß ihr Land fuͤr Zeiten zu dem von
ihm durchs Recht oder Waffen eroberten Geti-
ſchen Reiche gehoͤret haͤtte/ die Koͤnigin/ daß ſie
ihm das Schloß und andere Pannoniſche und
Daciſche Feſtungen einraͤumen/ und fuͤr eine
Gnade erkennen muſte/ daß ſie mit ihrem Kinde
in Sarmatien ziehen dorfte. Alſo erfuhr dieſe
einfaͤltige Koͤnigin allzu geſchwinde/ daß/ da ſie
meynte unter dem Schatten maͤchtiger Schirm-
Fluͤgel zu ſtehen/ und mit Lilien bedeckt zu ſeyn/
ſie in den Klauen eines Raub- Vogels war/ und
auf den biß ins Hertz ſtechenden Dornen lag;
lernete aber allzu langſam/ daß auch bey faſt ver-
zweifeltem Zuſtande man frembder Huͤlffe ſich
nicht bedienen ſolle von einem ungewiſſenhaff-
ten oder im Gottes-Dienſte unterſchiedenen
Fuͤrſten/ oder der auf das Schutzduͤrftige Land
einen Anſpruch hat/ oder es ihm vortheilhafftig
gelegen iſt; ſonderlich da die Huͤlffe die eigene
Macht uͤberwieget/ und die Huͤlffs-Voͤlcker
unter ihren eigenen Heer-Fuͤhrern bleiben/ in
Feſtungen verlegt/ und nicht bald wider den
Feind gefuͤhret werden. Ob nun wol dieſer
Salomin viermal in Perſon mit dem unzehlba-
ren Schwarme der Scythen/ Geten und Ba-
ſtarnen Pannonien uͤberſchwemmete/ Deutſch-
land auch wegen eigener Trennung der Druy-
den/ Barden und Eubagen dem Koͤnige und
endlich oberſten Feldherrn Jngram wenige
Huͤlffe leiſtete/ ſo thaͤt er doch dieſem grauſamen
Feinde mit ſeinen Qvaden/ inſonderheit der
Gothiniſchen/ Oſtſchen und Buriſchen Ritter-

ſchafft
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0202" n="152"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Anderes Buch</hi></fw><lb/><cb/>
haben &#x017F;olte. Wenige Zeit hernach &#x017F;tarb Dece-<lb/>
bal. Als nun Ko&#x0364;nig Jngram/ vermo&#x0364;ge ihres<lb/>
Bundes/ das Pannoni&#x017F;che Dacien wieder for-<lb/>
derte/ &#x017F;chu&#x0364;tzte die Ko&#x0364;nigin La&#x017F;abile fu&#x0364;r: Decebals<lb/>
abgeredter Ru&#x0364;ckfall ha&#x0364;tte den Ver&#x017F;tand in<lb/>
&#x017F;ich gehabt/ da einer unter ihnen ohne Kinder<lb/>
&#x017F;tu&#x0364;rbe/ und Salomin/ dem Jngrams mehrere<lb/>
Vergro&#x0364;&#x017F;&#x017F;erung Kummer machte/ &#x017F;chickte des<lb/>
Decebals zweyja&#x0364;hrichtem Sohne Fe&#x017F;tan eine<lb/>
Ko&#x0364;nigliche Krone und andere ko&#x017F;tbare Ge&#x017F;chen-<lb/>
cke/ ver&#x017F;icherte die Ko&#x0364;nigin &#x017F;eines Bey&#x017F;tandes/<lb/>
brachte auch die Sta&#x0364;nde des Reichs theils durch<lb/>
Bedra&#x0364;uung/ theils durch Verhei&#x017F;&#x017F;ungen/ darzu/<lb/>
daß &#x017F;ie die&#x017F;em Kinde die va&#x0364;terliche Krone auf&#x017F;etz-<lb/>
ten/ &#x017F;ich auch u&#x0364;berdis noch ein Theil Pan&#x0303;oniens/<lb/>
das die Jatzyger bewohnen/ zu ihm &#x017F;chlug. Als<lb/>
nun Ko&#x0364;nig Jngram mit &#x017F;ieghaften Waffen<lb/>
die Abtru&#x0364;nnigen wieder eroberte/ drang Salo-<lb/>
min mit einer neuen Heeres-Macht wieder her-<lb/>
fu&#x0364;r/ la&#x0364;gerte &#x017F;ich bey Bregetio/ worinnen &#x017F;ich die<lb/>
Ko&#x0364;nigin La&#x017F;abile und ihr Sohn aufhielt. Da-<lb/>
&#x017F;elb&#x017F;t bekleidete er &#x017F;eine Argli&#x017F;t mit betru&#x0364;glichen<lb/>
Liebko&#x017F;ungen gegen der Ko&#x0364;nigin und die Lan-<lb/>
des-Herren/ als dem &#x017F;cha&#x0364;dlich&#x017F;ten Gifte recht-<lb/>
&#x017F;chaffener Freund&#x017F;chafft. Endlich er&#x017F;uchte er<lb/>
die Ko&#x0364;nigin ihm den Ko&#x0364;nig ins La&#x0364;ger zu &#x017F;chicken/<lb/>
wormit er ihm &#x017F;elb&#x017F;t die mitgebrachten Ge&#x017F;chen-<lb/>
cke einliefern/ und &#x017F;einer Per&#x017F;on Be&#x017F;chaffenheit<lb/>
in Augen&#x017F;chein nehmen ko&#x0364;nte. La&#x017F;abile er&#x017F;chrack<lb/>
u&#x0364;ber die&#x017F;em Anmuthen u&#x0364;beraus heftig/ und<lb/>
ward nunmehr allzu lang&#x017F;am ihres Jrrthums<lb/>
gewahr/ und daß nichts gefa&#x0364;hrlichers &#x017F;ey/ als ei-<lb/>
nen ma&#x0364;chtigern Nachbar zu Hu&#x0364;lffe ruffen/ derer<lb/>
Schutz-Flu&#x0364;gelmei&#x017F;tentheils von Adlers-Federn<lb/>
&#x017F;ind/ welche die&#x017F;elben/ &#x017F;o &#x017F;ie fu&#x0364;r Gewalt be&#x017F;chir-<lb/>
men &#x017F;ollen/ &#x017F;elb&#x017F;t zerreiben; wie die benachbarten<lb/>
Griechen am Ko&#x0364;nige Philip empfunden/ der<lb/>
den &#x017F;chwa&#x0364;ch&#x017F;ten halff/ wormit er anfangs die<lb/>
Be&#x017F;iegten/ hernach die Sieger ihm untertha&#x0364;nig<lb/>
machte. Gleichwohl dorfte &#x017F;ie ihr Mißtrauen<lb/>
gegen dem Salomin/ als welcher mit &#x017F;einem<lb/>
ma&#x0364;chtigern Heere/ als dem ihre a&#x0364;u&#x017F;er&#x017F;te Kra&#x0364;fften<lb/><cb/>
nicht gewach&#x017F;en waren/ im Hertzen ihres Reiches<lb/>
&#x017F;tund/ nicht mercken la&#x017F;&#x017F;en/ &#x017F;ondern mu&#x017F;te ihren<lb/>
Sohn mit lachendem Munde in den Rachen<lb/>
eines Wu&#x0364;terichs liefern/ de&#x017F;&#x017F;en Herr&#x017F;ch&#x017F;ucht be-<lb/>
reits hundertmal die Ketten der Bindnu&#x0364;&#x017F;&#x017F;e/ ja<lb/>
die Ge&#x017F;etze der Natur durch Hinrichtung &#x017F;einer<lb/>
eigenen So&#x0364;hne zerri&#x017F;&#x017F;en hatte. So bald diß<lb/>
Kind in &#x017F;einer Gewalt war/ ließ er die Stadt<lb/>
Bregentio be&#x017F;pringen/ zwang durch angedra&#x0364;ue-<lb/>
te Ab&#x017F;chlachtung ihres Sohnes/ und mit dem<lb/>
Vorwand/ daß ihr Land fu&#x0364;r Zeiten zu dem von<lb/>
ihm durchs Recht oder Waffen eroberten Geti-<lb/>
&#x017F;chen Reiche geho&#x0364;ret ha&#x0364;tte/ die Ko&#x0364;nigin/ daß &#x017F;ie<lb/>
ihm das Schloß und andere Pannoni&#x017F;che und<lb/>
Daci&#x017F;che Fe&#x017F;tungen einra&#x0364;umen/ und fu&#x0364;r eine<lb/>
Gnade erkennen mu&#x017F;te/ daß &#x017F;ie mit ihrem Kinde<lb/>
in Sarmatien ziehen dorfte. Al&#x017F;o erfuhr die&#x017F;e<lb/>
einfa&#x0364;ltige Ko&#x0364;nigin allzu ge&#x017F;chwinde/ daß/ da &#x017F;ie<lb/>
meynte unter dem Schatten ma&#x0364;chtiger Schirm-<lb/>
Flu&#x0364;gel zu &#x017F;tehen/ und mit Lilien bedeckt zu &#x017F;eyn/<lb/>
&#x017F;ie in den Klauen eines Raub- Vogels war/ und<lb/>
auf den biß ins Hertz &#x017F;techenden Dornen lag;<lb/>
lernete aber allzu lang&#x017F;am/ daß auch bey fa&#x017F;t ver-<lb/>
zweifeltem Zu&#x017F;tande man frembder Hu&#x0364;lffe &#x017F;ich<lb/>
nicht bedienen &#x017F;olle von einem ungewi&#x017F;&#x017F;enhaff-<lb/>
ten oder im Gottes-Dien&#x017F;te unter&#x017F;chiedenen<lb/>
Fu&#x0364;r&#x017F;ten/ oder der auf das Schutzdu&#x0364;rftige Land<lb/>
einen An&#x017F;pruch hat/ oder es ihm vortheilhafftig<lb/>
gelegen i&#x017F;t; &#x017F;onderlich da die Hu&#x0364;lffe die eigene<lb/>
Macht u&#x0364;berwieget/ und die Hu&#x0364;lffs-Vo&#x0364;lcker<lb/>
unter ihren eigenen Heer-Fu&#x0364;hrern bleiben/ in<lb/>
Fe&#x017F;tungen verlegt/ und nicht bald wider den<lb/>
Feind gefu&#x0364;hret werden. Ob nun wol die&#x017F;er<lb/>
Salomin viermal in Per&#x017F;on mit dem unzehlba-<lb/>
ren Schwarme der Scythen/ Geten und Ba-<lb/>
&#x017F;tarnen Pannonien u&#x0364;ber&#x017F;chwemmete/ Deut&#x017F;ch-<lb/>
land auch wegen eigener Trennung der Druy-<lb/>
den/ Barden und Eubagen dem Ko&#x0364;nige und<lb/>
endlich ober&#x017F;ten Feldherrn Jngram wenige<lb/>
Hu&#x0364;lffe lei&#x017F;tete/ &#x017F;o tha&#x0364;t er doch die&#x017F;em grau&#x017F;amen<lb/>
Feinde mit &#x017F;einen Qvaden/ in&#x017F;onderheit der<lb/>
Gothini&#x017F;chen/ O&#x017F;t&#x017F;chen und Buri&#x017F;chen Ritter-<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">&#x017F;chafft</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[152/0202] Anderes Buch haben ſolte. Wenige Zeit hernach ſtarb Dece- bal. Als nun Koͤnig Jngram/ vermoͤge ihres Bundes/ das Pannoniſche Dacien wieder for- derte/ ſchuͤtzte die Koͤnigin Laſabile fuͤr: Decebals abgeredter Ruͤckfall haͤtte den Verſtand in ſich gehabt/ da einer unter ihnen ohne Kinder ſtuͤrbe/ und Salomin/ dem Jngrams mehrere Vergroͤſſerung Kummer machte/ ſchickte des Decebals zweyjaͤhrichtem Sohne Feſtan eine Koͤnigliche Krone und andere koſtbare Geſchen- cke/ verſicherte die Koͤnigin ſeines Beyſtandes/ brachte auch die Staͤnde des Reichs theils durch Bedraͤuung/ theils durch Verheiſſungen/ darzu/ daß ſie dieſem Kinde die vaͤterliche Krone aufſetz- ten/ ſich auch uͤberdis noch ein Theil Pañoniens/ das die Jatzyger bewohnen/ zu ihm ſchlug. Als nun Koͤnig Jngram mit ſieghaften Waffen die Abtruͤnnigen wieder eroberte/ drang Salo- min mit einer neuen Heeres-Macht wieder her- fuͤr/ laͤgerte ſich bey Bregetio/ worinnen ſich die Koͤnigin Laſabile und ihr Sohn aufhielt. Da- ſelbſt bekleidete er ſeine Argliſt mit betruͤglichen Liebkoſungen gegen der Koͤnigin und die Lan- des-Herren/ als dem ſchaͤdlichſten Gifte recht- ſchaffener Freundſchafft. Endlich erſuchte er die Koͤnigin ihm den Koͤnig ins Laͤger zu ſchicken/ wormit er ihm ſelbſt die mitgebrachten Geſchen- cke einliefern/ und ſeiner Perſon Beſchaffenheit in Augenſchein nehmen koͤnte. Laſabile erſchrack uͤber dieſem Anmuthen uͤberaus heftig/ und ward nunmehr allzu langſam ihres Jrrthums gewahr/ und daß nichts gefaͤhrlichers ſey/ als ei- nen maͤchtigern Nachbar zu Huͤlffe ruffen/ derer Schutz-Fluͤgelmeiſtentheils von Adlers-Federn ſind/ welche dieſelben/ ſo ſie fuͤr Gewalt beſchir- men ſollen/ ſelbſt zerreiben; wie die benachbarten Griechen am Koͤnige Philip empfunden/ der den ſchwaͤchſten halff/ wormit er anfangs die Beſiegten/ hernach die Sieger ihm unterthaͤnig machte. Gleichwohl dorfte ſie ihr Mißtrauen gegen dem Salomin/ als welcher mit ſeinem maͤchtigern Heere/ als dem ihre aͤuſerſte Kraͤfften nicht gewachſen waren/ im Hertzen ihres Reiches ſtund/ nicht mercken laſſen/ ſondern muſte ihren Sohn mit lachendem Munde in den Rachen eines Wuͤterichs liefern/ deſſen Herrſchſucht be- reits hundertmal die Ketten der Bindnuͤſſe/ ja die Geſetze der Natur durch Hinrichtung ſeiner eigenen Soͤhne zerriſſen hatte. So bald diß Kind in ſeiner Gewalt war/ ließ er die Stadt Bregentio beſpringen/ zwang durch angedraͤue- te Abſchlachtung ihres Sohnes/ und mit dem Vorwand/ daß ihr Land fuͤr Zeiten zu dem von ihm durchs Recht oder Waffen eroberten Geti- ſchen Reiche gehoͤret haͤtte/ die Koͤnigin/ daß ſie ihm das Schloß und andere Pannoniſche und Daciſche Feſtungen einraͤumen/ und fuͤr eine Gnade erkennen muſte/ daß ſie mit ihrem Kinde in Sarmatien ziehen dorfte. Alſo erfuhr dieſe einfaͤltige Koͤnigin allzu geſchwinde/ daß/ da ſie meynte unter dem Schatten maͤchtiger Schirm- Fluͤgel zu ſtehen/ und mit Lilien bedeckt zu ſeyn/ ſie in den Klauen eines Raub- Vogels war/ und auf den biß ins Hertz ſtechenden Dornen lag; lernete aber allzu langſam/ daß auch bey faſt ver- zweifeltem Zuſtande man frembder Huͤlffe ſich nicht bedienen ſolle von einem ungewiſſenhaff- ten oder im Gottes-Dienſte unterſchiedenen Fuͤrſten/ oder der auf das Schutzduͤrftige Land einen Anſpruch hat/ oder es ihm vortheilhafftig gelegen iſt; ſonderlich da die Huͤlffe die eigene Macht uͤberwieget/ und die Huͤlffs-Voͤlcker unter ihren eigenen Heer-Fuͤhrern bleiben/ in Feſtungen verlegt/ und nicht bald wider den Feind gefuͤhret werden. Ob nun wol dieſer Salomin viermal in Perſon mit dem unzehlba- ren Schwarme der Scythen/ Geten und Ba- ſtarnen Pannonien uͤberſchwemmete/ Deutſch- land auch wegen eigener Trennung der Druy- den/ Barden und Eubagen dem Koͤnige und endlich oberſten Feldherrn Jngram wenige Huͤlffe leiſtete/ ſo thaͤt er doch dieſem grauſamen Feinde mit ſeinen Qvaden/ inſonderheit der Gothiniſchen/ Oſtſchen und Buriſchen Ritter- ſchafft

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/lohenstein_feldherr01_1689
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/lohenstein_feldherr01_1689/202
Zitationshilfe: Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689, S. 152. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lohenstein_feldherr01_1689/202>, abgerufen am 22.11.2024.