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Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689.

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Vorbericht an den Leser.
Brieff in die Welt mitgeben/ auch zugleich seinen itzigen Auftritt bestens ent-
schuldigen können.

Wir wollen aber den hochgünstigen Leser indessen an den grossen Lehrmei-
ster und Fürsten der Staats-Klugheit/ den Cornelius Tacitus gewiesen
haben/ und mit dem vergnügt seyn: daß derselbe als ein ausländischer Ge-
schicht-Schreiber und Feind der Deutschen sehr wol geurtheilet/ wie man auch
an seinem Feinde die Tugend loben müsse. Welch Zeugnüs denn um so viel
mehr von der Heucheley und Laster der Dienstbarkeit entfernet/ umb wie viel
verdächtiger auch der glaubwürdigsten Freunde Urtheil ist; als denen offt wider
ihren Vorsatz/ wo nicht Heucheley/ doch allzugütige Gewogenheit anhänget.
Dieses hat Er auch damit bewehret: daß Er von unserm Arminius das herr-
lichste Zeugnüs von der Welt abgeleget und dabey gerühmet: Er habe Rom/
das Haupt der Welt/ da es in der grösten Blüte seiner Macht gestanden/ und
schon mit ausländischen Feinden fertig gewesen/ hertzhafft angegriffen/ keine
Gefahr gescheuet/ und sich in allen Treffen dergestalt tapfer verhalten: daß Er
niemals gäntzlich geschlagen/ noch überwunden worden.

Warumb aber unser seliger Lohenstein ihm eben die Beschreibung die-
ses Helden zu seiner Neben-Arbeit erwehlet/ wollen wir zwar zu ergründen
uns nicht bemühen; sondern einem ieden über dessen Ursachen ein freyes Ur-
theil abzufassen erlauben; Gleichwol aber dieses melden: daß vornehmlich so
wol einige hohe Standes-Personen/ als andere vertraute Freunde ihn hierzu
veranlasset und ersuchet: daß Er von unsern Deutschen/ gleich wie andere
Völcker von ihren Helden/ auch etwas gutes schreiben möchte; als welchen sie
insgemein/ gleich wie Homer dem Achilles/ Xenophon dem Cyrus/ und andere
Andern zu viel/ wie wir unserer kaltsinnigen Art nach/ den Unsrigen zu wenig
zugeeignet. Weil Er denn weder jener Befehl füglich abzulehnen/ noch de-
rer Bitte abzuschlagen vor möglich/ sondern beyden etwas zu versagen
vor ein straffwürdiges Laster gehalten; so hat Er ihm/ nach dem fast alle Hel-
den ihre Geschicht-Schreiber überkommen haben/ die Lieb- und Lebens-
Geschichte
des Arminius/ als welche Er zu seinem Zweck am beqvem-
sten zu seyn vermeinet/ zu beschreiben vorgenommen/ damit ja dieser unver-
gleichliche Held auch zu dieser Zeit noch einen herrlichen Glantz bey sieinen Lan-
des-Leuten bekommen/ und sein Ruhm nicht gäntzlich in dem Staube der Ver-
gessenheit begraben bleiben möchte. Diese deutsche Geschichte nun hat er aus

dem

Vorbericht an den Leſer.
Brieff in die Welt mitgeben/ auch zugleich ſeinen itzigen Auftritt beſtens ent-
ſchuldigen koͤnnen.

Wir wollen aber den hochguͤnſtigen Leſer indeſſen an den groſſen Lehrmei-
ſter und Fuͤrſten der Staats-Klugheit/ den Cornelius Tacitus gewieſen
haben/ und mit dem vergnuͤgt ſeyn: daß derſelbe als ein auslaͤndiſcher Ge-
ſchicht-Schreiber und Feind der Deutſchen ſehr wol geurtheilet/ wie man auch
an ſeinem Feinde die Tugend loben muͤſſe. Welch Zeugnuͤs denn um ſo viel
mehr von der Heucheley und Laſter der Dienſtbarkeit entfernet/ umb wie viel
verdaͤchtiger auch der glaubwuͤrdigſten Freunde Urtheil iſt; als denen offt wider
ihren Vorſatz/ wo nicht Heucheley/ doch allzuguͤtige Gewogenheit anhaͤnget.
Dieſes hat Er auch damit bewehret: daß Er von unſerm Arminius das herr-
lichſte Zeugnuͤs von der Welt abgeleget und dabey geruͤhmet: Er habe Rom/
das Haupt der Welt/ da es in der groͤſten Bluͤte ſeiner Macht geſtanden/ und
ſchon mit auslaͤndiſchen Feinden fertig geweſen/ hertzhafft angegriffen/ keine
Gefahr geſcheuet/ und ſich in allen Treffen dergeſtalt tapfer verhalten: daß Er
niemals gaͤntzlich geſchlagen/ noch uͤberwunden worden.

Warumb aber unſer ſeliger Lohenſtein ihm eben die Beſchreibung die-
ſes Helden zu ſeiner Neben-Arbeit erwehlet/ wollen wir zwar zu ergruͤnden
uns nicht bemuͤhen; ſondern einem ieden uͤber deſſen Urſachen ein freyes Ur-
theil abzufaſſen erlauben; Gleichwol aber dieſes melden: daß vornehmlich ſo
wol einige hohe Standes-Perſonen/ als andere vertraute Freunde ihn hierzu
veranlaſſet und erſuchet: daß Er von unſern Deutſchen/ gleich wie andere
Voͤlcker von ihren Helden/ auch etwas gutes ſchreiben moͤchte; als welchen ſie
insgemein/ gleich wie Homer dem Achilles/ Xenophon dem Cyrus/ und andere
Andern zu viel/ wie wir unſerer kaltſinnigen Art nach/ den Unſrigen zu wenig
zugeeignet. Weil Er denn weder jener Befehl fuͤglich abzulehnen/ noch de-
rer Bitte abzuſchlagen vor moͤglich/ ſondern beyden etwas zu verſagen
vor ein ſtraffwuͤrdiges Laſter gehalten; ſo hat Er ihm/ nach dem faſt alle Hel-
den ihre Geſchicht-Schreiber uͤberkommen haben/ die Lieb- und Lebens-
Geſchichte
des Arminius/ als welche Er zu ſeinem Zweck am beqvem-
ſten zu ſeyn vermeinet/ zu beſchreiben vorgenommen/ damit ja dieſer unver-
gleichliche Held auch zu dieſer Zeit noch einen herrlichen Glantz bey ſieinen Lan-
des-Leuten bekommen/ und ſein Ruhm nicht gaͤntzlich in dem Staube der Ver-
geſſenheit begraben bleiben moͤchte. Dieſe deutſche Geſchichte nun hat er aus

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Zitationshilfe: Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lohenstein_feldherr01_1689/20>, abgerufen am 18.04.2024.