Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689.

Bild:
<< vorherige Seite

Anderes Buch
[Spaltenumbruch] und mich gegen dem/ welchem ich so hoch verbun-
den bin/ zu kämpffen nicht nöthigen werde.
Nach dem Königlichen Verlaub traffen Jn-
gram und Decebal als zwey Felsen an einander/
das Gefechte schien mehr als menschlich zu seyn/
denn nach gebrochenen Lantzen und gefälleten
Pferden führten sie zu Fuße mit ihren Schwerd-
tern auff einander ohne einiges Verblasen/
gleich als wenn sie keines Athemholens bedürf-
ten/ solche Streiche/ welche auffzuhalten Stahl
und Harnisch zu wenig waren. Endlich unter-
lieff Jngram dem Decebal sein Gewehr/ und
nach einem langen Ringen fielen sie mit ein-
ander zu Boden; weil aber Jngram das Glü-
cke hatte oben zu kommen/ nahm er seines
Vortheils so wohl wahr/ daß er dem Decebal
den Helm vom Haupte riß/ und ihm den De-
gen an die Gurgel setzte/ mit Bedräuung: Er
wolte ihm nun das Licht ausblasen/ da er nicht
die betrügerische Verfälschung seines Schildes
eröffnen würde. Jn Decebals Gemüthe kämpf-
te Schande und Liebe des Lebens. Diese aber
überwog jene/ und er gestand/ wie schwer es ihm
ankam/ mit Erzehlung aller Umstände zu/ daß
auff seine Anstifftung der Blattner der Cim-
brischen Hertzogin Bildniß unter das oberste
Blat eingeschraubet hätte; Welch Bekänt-
niß auch alsofort durch den herzu gefoderten
Blattner bekräfftigt ward. Nicht nur des Kö-
nigs und des Fürsten Gudwil/ sondern aller
anwesenden Gemüther wurden hierdurch gantz
umgekehrt/ und so viel Jngram Ansehen und
Gewogenheit erwarb/ so tieff verfiel Decebal
in Haß und Verachtung/ ja Lißudaval ließ ihm
alsofort Stadt und Hoff verbieten. Jngrams
gröste Bekümmerniß war die Fürstin ausser Ge-
fahr/ und sich bey ihr ausgesöhnt zu wissen. Al-
leine wenig Tage versetzten sie in eine versi-
cherte Genesung/ und ihres Brudern Erzeh-
lung der völligen Begebenheiten den Jngram
in so grosses Ansehen/ daß sie ihn selbst zur Ver-
[Spaltenumbruch] hör beruffen ließ/ ja/ als er ihr seine Verle-
tzung auff den Knien abbitten wolte/ einiges
sein Erkäntniß nicht annahm/ sondern ihr selbst
ein zweyfaches Verbrechen/ so wohl eines übel-
gegründeten Argwohns/ als einer ungerech-
ten Antastung zueignete. Es ist wunderns-
werth/ wie die zwey widrigsten Gemüths-Re-
gungen Liebe und Rache in einer Seele so ge-
schwind abwechseln können! Die zeither freye
Hermildis ward durch die verbindlichen Liebes-
Bezeugungen Hertzog Jngrams nunmehr tief-
fer im Gemüthe/ als vorher mit seinem De-
gen verwundet. Den König Lißudaval ver-
band er ihn zu einer innerlichen Zuneigung/
den Fürsten Gudwil zu einer brüderlichen
Vertrauligkeit; und hiermit schien er alle Hin-
dernisse die Qvadische Hertzogin zu erlangen
überstiegen zu haben/ als Hertzog Decebal bey
denen ihm benachbarten und befreundeten
Pannoniern den Hertzog Jngram durch eine
empfindliche Verläumdung vergällete. Denn
er ließ durch einen Betrüger seine Hand nach-
mahlen/ und sein Petschafft nachstechen/ schrieb
hiermit in seinem Nahmen einen Brieff an den
Obersten Feldherrn Marcomir/ darinnen er
die Hoffnung seiner Vermählung mit der
Hermildis Jhm vergewisserte/ wordurch er
das Pannonische Reich/ welches für acht und
sechtzig Jahren von ihrem Geschlechte durch
angemaßtes unrechtes Wahl-Recht abkom-
men wäre/ wiederum an sich zu ziehen anziel-
te. Diesen Brieff händigte er selbst einem
Post-Reuter ein/ solchen dem Marcomir zu ü-
berbringen/ stellte aber etliche Pannonier an/
daß sie einen solchen verdächtigen Brieff-Trä-
ger nicht allein anhalten/ und ihm die Schrei-
ben abnehmen/ sondern selbten auch/ wormit
sein Betrug verschwiegen bliebe/ todt schlagen
solten. Keine Natter kan so vergifftet sich an-
stellen/ wenn sie getreten wird/ als der Adel/
wenn man ihm das Wahl-Recht nehmen/ und

ein

Anderes Buch
[Spaltenumbruch] und mich gegen dem/ welchem ich ſo hoch verbun-
den bin/ zu kaͤmpffen nicht noͤthigen werde.
Nach dem Koͤniglichen Verlaub traffen Jn-
gram und Decebal als zwey Felſen an einander/
das Gefechte ſchien mehr als menſchlich zu ſeyn/
denn nach gebrochenen Lantzen und gefaͤlleten
Pferden fuͤhrten ſie zu Fuße mit ihꝛen Schwerd-
tern auff einander ohne einiges Verblaſen/
gleich als wenn ſie keines Athemholens beduͤrf-
ten/ ſolche Streiche/ welche auffzuhalten Stahl
und Harniſch zu wenig waren. Endlich unter-
lieff Jngram dem Decebal ſein Gewehr/ und
nach einem langen Ringen fielen ſie mit ein-
ander zu Boden; weil aber Jngram das Gluͤ-
cke hatte oben zu kommen/ nahm er ſeines
Vortheils ſo wohl wahr/ daß er dem Decebal
den Helm vom Haupte riß/ und ihm den De-
gen an die Gurgel ſetzte/ mit Bedraͤuung: Er
wolte ihm nun das Licht ausblaſen/ da er nicht
die betruͤgeriſche Verfaͤlſchung ſeines Schildes
eroͤffnen wuͤrde. Jn Decebals Gemuͤthe kaͤmpf-
te Schande und Liebe des Lebens. Dieſe aber
uͤberwog jene/ und er geſtand/ wie ſchwer es ihm
ankam/ mit Erzehlung aller Umſtaͤnde zu/ daß
auff ſeine Anſtifftung der Blattner der Cim-
briſchen Hertzogin Bildniß unter das oberſte
Blat eingeſchraubet haͤtte; Welch Bekaͤnt-
niß auch alſofort durch den herzu gefoderten
Blattner bekraͤfftigt ward. Nicht nur des Koͤ-
nigs und des Fuͤrſten Gudwil/ ſondern aller
anweſenden Gemuͤther wurden hierdurch gantz
umgekehrt/ und ſo viel Jngram Anſehen und
Gewogenheit erwarb/ ſo tieff verfiel Decebal
in Haß und Verachtung/ ja Lißudaval ließ ihm
alſofort Stadt und Hoff verbieten. Jngrams
groͤſte Bekuͤmmerniß war die Fuͤrſtin auſſer Ge-
fahr/ und ſich bey ihr ausgeſoͤhnt zu wiſſen. Al-
leine wenig Tage verſetzten ſie in eine verſi-
cherte Geneſung/ und ihres Brudern Erzeh-
lung der voͤlligen Begebenheiten den Jngram
in ſo groſſes Anſehen/ daß ſie ihn ſelbſt zur Ver-
[Spaltenumbruch] hoͤr beruffen ließ/ ja/ als er ihr ſeine Verle-
tzung auff den Knien abbitten wolte/ einiges
ſein Erkaͤntniß nicht annahm/ ſondern ihr ſelbſt
ein zweyfaches Verbrechen/ ſo wohl eines uͤbel-
gegruͤndeten Argwohns/ als einer ungerech-
ten Antaſtung zueignete. Es iſt wunderns-
werth/ wie die zwey widrigſten Gemuͤths-Re-
gungen Liebe und Rache in einer Seele ſo ge-
ſchwind abwechſeln koͤnnen! Die zeither freye
Hermildis ward durch die verbindlichen Liebes-
Bezeugungen Hertzog Jngrams nunmehr tief-
fer im Gemuͤthe/ als vorher mit ſeinem De-
gen verwundet. Den Koͤnig Lißudaval ver-
band er ihn zu einer innerlichen Zuneigung/
den Fuͤrſten Gudwil zu einer bruͤderlichen
Vertrauligkeit; und hiermit ſchien er alle Hin-
derniſſe die Qvadiſche Hertzogin zu erlangen
uͤberſtiegen zu haben/ als Hertzog Decebal bey
denen ihm benachbarten und befreundeten
Pannoniern den Hertzog Jngram durch eine
empfindliche Verlaͤumdung vergaͤllete. Denn
er ließ durch einen Betruͤger ſeine Hand nach-
mahlen/ und ſein Petſchafft nachſtechen/ ſchrieb
hiermit in ſeinem Nahmen einen Brieff an den
Oberſten Feldherrn Marcomir/ darinnen er
die Hoffnung ſeiner Vermaͤhlung mit der
Hermildis Jhm vergewiſſerte/ wordurch er
das Pannoniſche Reich/ welches fuͤr acht und
ſechtzig Jahren von ihrem Geſchlechte durch
angemaßtes unrechtes Wahl-Recht abkom-
men waͤre/ wiederum an ſich zu ziehen anziel-
te. Dieſen Brieff haͤndigte er ſelbſt einem
Poſt-Reuter ein/ ſolchen dem Marcomir zu uͤ-
berbringen/ ſtellte aber etliche Pannonier an/
daß ſie einen ſolchen verdaͤchtigen Brieff-Traͤ-
ger nicht allein anhalten/ und ihm die Schrei-
ben abnehmen/ ſondern ſelbten auch/ wormit
ſein Betrug verſchwiegen bliebe/ todt ſchlagen
ſolten. Keine Natter kan ſo vergifftet ſich an-
ſtellen/ wenn ſie getreten wird/ als der Adel/
wenn man ihm das Wahl-Recht nehmen/ und

ein
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0198" n="148"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Anderes Buch</hi></fw><lb/><cb/>
und mich gegen dem/ welchem ich &#x017F;o hoch verbun-<lb/>
den bin/ zu ka&#x0364;mpffen nicht no&#x0364;thigen werde.<lb/>
Nach dem Ko&#x0364;niglichen Verlaub traffen Jn-<lb/>
gram und Decebal als zwey Fel&#x017F;en an einander/<lb/>
das Gefechte &#x017F;chien mehr als men&#x017F;chlich zu &#x017F;eyn/<lb/>
denn nach gebrochenen Lantzen und gefa&#x0364;lleten<lb/>
Pferden fu&#x0364;hrten &#x017F;ie zu Fuße mit ih&#xA75B;en Schwerd-<lb/>
tern auff einander ohne einiges Verbla&#x017F;en/<lb/>
gleich als wenn &#x017F;ie keines Athemholens bedu&#x0364;rf-<lb/>
ten/ &#x017F;olche Streiche/ welche auffzuhalten Stahl<lb/>
und Harni&#x017F;ch zu wenig waren. Endlich unter-<lb/>
lieff Jngram dem Decebal &#x017F;ein Gewehr/ und<lb/>
nach einem langen Ringen fielen &#x017F;ie mit ein-<lb/>
ander zu Boden; weil aber Jngram das Glu&#x0364;-<lb/>
cke hatte oben zu kommen/ nahm er &#x017F;eines<lb/>
Vortheils &#x017F;o wohl wahr/ daß er dem Decebal<lb/>
den Helm vom Haupte riß/ und ihm den De-<lb/>
gen an die Gurgel &#x017F;etzte/ mit Bedra&#x0364;uung: Er<lb/>
wolte ihm nun das Licht ausbla&#x017F;en/ da er nicht<lb/>
die betru&#x0364;geri&#x017F;che Verfa&#x0364;l&#x017F;chung &#x017F;eines Schildes<lb/>
ero&#x0364;ffnen wu&#x0364;rde. Jn Decebals Gemu&#x0364;the ka&#x0364;mpf-<lb/>
te Schande und Liebe des Lebens. Die&#x017F;e aber<lb/>
u&#x0364;berwog jene/ und er ge&#x017F;tand/ wie &#x017F;chwer es ihm<lb/>
ankam/ mit Erzehlung aller Um&#x017F;ta&#x0364;nde zu/ daß<lb/>
auff &#x017F;eine An&#x017F;tifftung der Blattner der Cim-<lb/>
bri&#x017F;chen Hertzogin Bildniß unter das ober&#x017F;te<lb/>
Blat einge&#x017F;chraubet ha&#x0364;tte; Welch Beka&#x0364;nt-<lb/>
niß auch al&#x017F;ofort durch den herzu gefoderten<lb/>
Blattner bekra&#x0364;fftigt ward. Nicht nur des Ko&#x0364;-<lb/>
nigs und des Fu&#x0364;r&#x017F;ten Gudwil/ &#x017F;ondern aller<lb/>
anwe&#x017F;enden Gemu&#x0364;ther wurden hierdurch gantz<lb/>
umgekehrt/ und &#x017F;o viel Jngram An&#x017F;ehen und<lb/>
Gewogenheit erwarb/ &#x017F;o tieff verfiel Decebal<lb/>
in Haß und Verachtung/ ja Lißudaval ließ ihm<lb/>
al&#x017F;ofort Stadt und Hoff verbieten. Jngrams<lb/>
gro&#x0364;&#x017F;te Beku&#x0364;mmerniß war die Fu&#x0364;r&#x017F;tin au&#x017F;&#x017F;er Ge-<lb/>
fahr/ und &#x017F;ich bey ihr ausge&#x017F;o&#x0364;hnt zu wi&#x017F;&#x017F;en. Al-<lb/>
leine wenig Tage ver&#x017F;etzten &#x017F;ie in eine ver&#x017F;i-<lb/>
cherte Gene&#x017F;ung/ und ihres Brudern Erzeh-<lb/>
lung der vo&#x0364;lligen Begebenheiten den Jngram<lb/>
in &#x017F;o gro&#x017F;&#x017F;es An&#x017F;ehen/ daß &#x017F;ie ihn &#x017F;elb&#x017F;t zur Ver-<lb/><cb/>
ho&#x0364;r beruffen ließ/ ja/ als er ihr &#x017F;eine Verle-<lb/>
tzung auff den Knien abbitten wolte/ einiges<lb/>
&#x017F;ein Erka&#x0364;ntniß nicht annahm/ &#x017F;ondern ihr &#x017F;elb&#x017F;t<lb/>
ein zweyfaches Verbrechen/ &#x017F;o wohl eines u&#x0364;bel-<lb/>
gegru&#x0364;ndeten Argwohns/ als einer ungerech-<lb/>
ten Anta&#x017F;tung zueignete. Es i&#x017F;t wunderns-<lb/>
werth/ wie die zwey widrig&#x017F;ten Gemu&#x0364;ths-Re-<lb/>
gungen Liebe und Rache in einer Seele &#x017F;o ge-<lb/>
&#x017F;chwind abwech&#x017F;eln ko&#x0364;nnen! Die zeither freye<lb/>
Hermildis ward durch die verbindlichen Liebes-<lb/>
Bezeugungen Hertzog Jngrams nunmehr tief-<lb/>
fer im Gemu&#x0364;the/ als vorher mit &#x017F;einem De-<lb/>
gen verwundet. Den Ko&#x0364;nig Lißudaval ver-<lb/>
band er ihn zu einer innerlichen Zuneigung/<lb/>
den Fu&#x0364;r&#x017F;ten Gudwil zu einer bru&#x0364;derlichen<lb/>
Vertrauligkeit; und hiermit &#x017F;chien er alle Hin-<lb/>
derni&#x017F;&#x017F;e die Qvadi&#x017F;che Hertzogin zu erlangen<lb/>
u&#x0364;ber&#x017F;tiegen zu haben/ als Hertzog Decebal bey<lb/>
denen ihm benachbarten und befreundeten<lb/>
Pannoniern den Hertzog Jngram durch eine<lb/>
empfindliche Verla&#x0364;umdung verga&#x0364;llete. Denn<lb/>
er ließ durch einen Betru&#x0364;ger &#x017F;eine Hand nach-<lb/>
mahlen/ und &#x017F;ein Pet&#x017F;chafft nach&#x017F;techen/ &#x017F;chrieb<lb/>
hiermit in &#x017F;einem Nahmen einen Brieff an den<lb/>
Ober&#x017F;ten Feldherrn Marcomir/ darinnen er<lb/>
die Hoffnung &#x017F;einer Verma&#x0364;hlung mit der<lb/>
Hermildis Jhm vergewi&#x017F;&#x017F;erte/ wordurch er<lb/>
das Pannoni&#x017F;che Reich/ welches fu&#x0364;r acht und<lb/>
&#x017F;echtzig Jahren von ihrem Ge&#x017F;chlechte durch<lb/>
angemaßtes unrechtes Wahl-Recht abkom-<lb/>
men wa&#x0364;re/ wiederum an &#x017F;ich zu ziehen anziel-<lb/>
te. Die&#x017F;en Brieff ha&#x0364;ndigte er &#x017F;elb&#x017F;t einem<lb/>
Po&#x017F;t-Reuter ein/ &#x017F;olchen dem Marcomir zu u&#x0364;-<lb/>
berbringen/ &#x017F;tellte aber etliche Pannonier an/<lb/>
daß &#x017F;ie einen &#x017F;olchen verda&#x0364;chtigen Brieff-Tra&#x0364;-<lb/>
ger nicht allein anhalten/ und ihm die Schrei-<lb/>
ben abnehmen/ &#x017F;ondern &#x017F;elbten auch/ wormit<lb/>
&#x017F;ein Betrug ver&#x017F;chwiegen bliebe/ todt &#x017F;chlagen<lb/>
&#x017F;olten. Keine Natter kan &#x017F;o vergifftet &#x017F;ich an-<lb/>
&#x017F;tellen/ wenn &#x017F;ie getreten wird/ als der Adel/<lb/>
wenn man ihm das Wahl-Recht nehmen/ und<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">ein</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[148/0198] Anderes Buch und mich gegen dem/ welchem ich ſo hoch verbun- den bin/ zu kaͤmpffen nicht noͤthigen werde. Nach dem Koͤniglichen Verlaub traffen Jn- gram und Decebal als zwey Felſen an einander/ das Gefechte ſchien mehr als menſchlich zu ſeyn/ denn nach gebrochenen Lantzen und gefaͤlleten Pferden fuͤhrten ſie zu Fuße mit ihꝛen Schwerd- tern auff einander ohne einiges Verblaſen/ gleich als wenn ſie keines Athemholens beduͤrf- ten/ ſolche Streiche/ welche auffzuhalten Stahl und Harniſch zu wenig waren. Endlich unter- lieff Jngram dem Decebal ſein Gewehr/ und nach einem langen Ringen fielen ſie mit ein- ander zu Boden; weil aber Jngram das Gluͤ- cke hatte oben zu kommen/ nahm er ſeines Vortheils ſo wohl wahr/ daß er dem Decebal den Helm vom Haupte riß/ und ihm den De- gen an die Gurgel ſetzte/ mit Bedraͤuung: Er wolte ihm nun das Licht ausblaſen/ da er nicht die betruͤgeriſche Verfaͤlſchung ſeines Schildes eroͤffnen wuͤrde. Jn Decebals Gemuͤthe kaͤmpf- te Schande und Liebe des Lebens. Dieſe aber uͤberwog jene/ und er geſtand/ wie ſchwer es ihm ankam/ mit Erzehlung aller Umſtaͤnde zu/ daß auff ſeine Anſtifftung der Blattner der Cim- briſchen Hertzogin Bildniß unter das oberſte Blat eingeſchraubet haͤtte; Welch Bekaͤnt- niß auch alſofort durch den herzu gefoderten Blattner bekraͤfftigt ward. Nicht nur des Koͤ- nigs und des Fuͤrſten Gudwil/ ſondern aller anweſenden Gemuͤther wurden hierdurch gantz umgekehrt/ und ſo viel Jngram Anſehen und Gewogenheit erwarb/ ſo tieff verfiel Decebal in Haß und Verachtung/ ja Lißudaval ließ ihm alſofort Stadt und Hoff verbieten. Jngrams groͤſte Bekuͤmmerniß war die Fuͤrſtin auſſer Ge- fahr/ und ſich bey ihr ausgeſoͤhnt zu wiſſen. Al- leine wenig Tage verſetzten ſie in eine verſi- cherte Geneſung/ und ihres Brudern Erzeh- lung der voͤlligen Begebenheiten den Jngram in ſo groſſes Anſehen/ daß ſie ihn ſelbſt zur Ver- hoͤr beruffen ließ/ ja/ als er ihr ſeine Verle- tzung auff den Knien abbitten wolte/ einiges ſein Erkaͤntniß nicht annahm/ ſondern ihr ſelbſt ein zweyfaches Verbrechen/ ſo wohl eines uͤbel- gegruͤndeten Argwohns/ als einer ungerech- ten Antaſtung zueignete. Es iſt wunderns- werth/ wie die zwey widrigſten Gemuͤths-Re- gungen Liebe und Rache in einer Seele ſo ge- ſchwind abwechſeln koͤnnen! Die zeither freye Hermildis ward durch die verbindlichen Liebes- Bezeugungen Hertzog Jngrams nunmehr tief- fer im Gemuͤthe/ als vorher mit ſeinem De- gen verwundet. Den Koͤnig Lißudaval ver- band er ihn zu einer innerlichen Zuneigung/ den Fuͤrſten Gudwil zu einer bruͤderlichen Vertrauligkeit; und hiermit ſchien er alle Hin- derniſſe die Qvadiſche Hertzogin zu erlangen uͤberſtiegen zu haben/ als Hertzog Decebal bey denen ihm benachbarten und befreundeten Pannoniern den Hertzog Jngram durch eine empfindliche Verlaͤumdung vergaͤllete. Denn er ließ durch einen Betruͤger ſeine Hand nach- mahlen/ und ſein Petſchafft nachſtechen/ ſchrieb hiermit in ſeinem Nahmen einen Brieff an den Oberſten Feldherrn Marcomir/ darinnen er die Hoffnung ſeiner Vermaͤhlung mit der Hermildis Jhm vergewiſſerte/ wordurch er das Pannoniſche Reich/ welches fuͤr acht und ſechtzig Jahren von ihrem Geſchlechte durch angemaßtes unrechtes Wahl-Recht abkom- men waͤre/ wiederum an ſich zu ziehen anziel- te. Dieſen Brieff haͤndigte er ſelbſt einem Poſt-Reuter ein/ ſolchen dem Marcomir zu uͤ- berbringen/ ſtellte aber etliche Pannonier an/ daß ſie einen ſolchen verdaͤchtigen Brieff-Traͤ- ger nicht allein anhalten/ und ihm die Schrei- ben abnehmen/ ſondern ſelbten auch/ wormit ſein Betrug verſchwiegen bliebe/ todt ſchlagen ſolten. Keine Natter kan ſo vergifftet ſich an- ſtellen/ wenn ſie getreten wird/ als der Adel/ wenn man ihm das Wahl-Recht nehmen/ und ein

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/lohenstein_feldherr01_1689
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/lohenstein_feldherr01_1689/198
Zitationshilfe: Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689, S. 148. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lohenstein_feldherr01_1689/198>, abgerufen am 22.11.2024.