Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689.Anderes Buch [Spaltenumbruch]
Schwerdt/ als die Zeichen der deutschen Feld-hauptmannschafft/ mit dieser Erinnerung: Er überschicke ihm hiermit die Cent- ner-Last/ nach welcher alle Sterblichen seufzeten/ die aber niemand/ der sie recht kennete/ aufheben würde. Es ist wahr/ sagte Rhemetalces/ die Bürde der Herrschafft darff Riesen-Achseln/ und gleichwol wüntschet sie iedweder Zwerg auf seinen Nacken zu kriegen. Alle wollen lieber in diesen gülde- nen Ketten verschmachten/ als bey mittelmässi- gem Glücke stoltzer Ruh und edler Freyheit ge- nüssen. Gleichwol aber könte er obiger Mey- nung des Fürsten Marcomirs/ daß der sechste Cheruskische Feldherr der erste wäre/ welcher die Herrschafft abgetreten/ entgegen setzen/ daß vor wenigen Jahren eine Königin der Samojeden Thinacris/ und ein König der Geten Rakimis/ für langen Zeiten aber Hierulck und Nidotical zu aller Menschen Verwunderung Kron und Zepter von sich geworffen; welcher letztere doch den Nahmen eines Herrn und die Anbetung der Götter von seinem Volck vorhero angenom- men/ und seine Eitelkeit mit seinen gantz gülde- nen Kleidern und Diamantenen Schuhen an Tag gegeben/ ja seine Herrschafft für ein Gött- liches Geschencke zu achten gehabt hätte; weil sie ihm lange vorher von den wahrsagenden Druyden wäre angedeutet worden. Marcomir antwortete: Ob ich wol diese vier Begebenhei- ten für seltzamere Dinge achte/ als die Araber ihre Phönixe/ und die Jndianer ihre Einhörner; so dünckt mich doch/ es sey nirgend eine gantz freywillige Entäuserung gewesen. Denn Ni- dotical ward theils durch ungemeine Unpäßlig- keit/ durch Verwirrung seines Gemüthes und festeingebildete Zerrüttung seines Reichs zu die- ser Ent[s]chlüssung bracht; Hierulk aber von ihm hierzu beredet/ oder vielmehr übereilet. Die Königin Thinacris entschloß sich aus Zwange hierzu/ weil sie entweder diß thun/ oder sich einem [Spaltenumbruch] ihrer angebohrnen Freyheit unerträglicherm Gesetze der Vermählung eines Königes unter- werffen solte/ den nicht sie zu erkiesen/ sondern die Unterthanen schon erwehlt hatten. Dahe- ro hielt sie es für rathsamer/ sich ehe der Herr- schafft über viel tausend andere zu begeben/ als sich eines andern Gewalt zu unterwerffen. Auch diß letztere halte ich für ein Wunderwerck/ fing Rhemetalces an. Denn die Ehrsucht schä- met sich nicht/ umb ihre Herrschafft zu befestigen/ alle knechtische Dienstbarkeit auf sich zu nehmen. Alle Larven der Welt wären ihr anständig/ der Bettlers-Mantel nicht zu verschmählich/ die Gestalt der Schlangen nicht zu abscheulich. Wenn man andere Regungen als Kinder mahl- te/ müste man die Begierde zu herrschen zwar als eine Riesin abbilden; gleichwol aber nehme sie wie Hercules die Spindel/ wie Apollo den Hirten-Stab in die Hand. Sie verwandelte sich wie Jupiter in einen Ochsen/ wenn sie da- durch einen Vortheil zu erlangen hoffte. König Rakimis aber/ fuhr Marcomir fort/ war zu einer so dienstbaren Herrschafft zu ungeduldig/ welcher sie nicht so wol aus Verdruß über sein Unglü- cke/ als über verkleinertem Ansehen bey seinen Unterthanen mit dem Rücken ausah. Unge- achtet dieses Reich ohne diß dieser Süssigkeit/ nemlich der ungebundenen Gewalt/ nicht ge- wohnet/ sondern seine Könige mit vielen Grund- Gesetzen/ und den Stimmen des fast unbändi- gen Adels umbschräncket sind. Rhemetalces fuhr heraus: Jch halte denselben/ welcher nach frembder Richtschnur leben muß/ für keinen König; Sintemal das Herrschen darinnen bestehet/ daß alle einem/ nicht einer allen von seinem Fürnehmen Rechenschafft giebet. Jch halte/ sagte Malovend/ den Rakimis auch nur für einen Schatten eines Herrschers/ der Geten Herrschafft aber für eine unerträgliche Bürde/ für keine Ergetzligkeit. Denn ob ich wol derselben Unart nicht billige/ die Wollust und Uppigkeit für den Lohn ihrer Herrschafft halten/
Anderes Buch [Spaltenumbruch]
Schwerdt/ als die Zeichen der deutſchen Feld-hauptmannſchafft/ mit dieſer Erinnerung: Er uͤberſchicke ihm hiermit die Cent- ner-Laſt/ nach welcher alle Sterblichen ſeufzeten/ die aber niemand/ der ſie recht kennete/ aufheben wuͤrde. Es iſt wahr/ ſagte Rhemetalces/ die Buͤrde der Herrſchafft darff Rieſen-Achſeln/ und gleichwol wuͤntſchet ſie iedweder Zwerg auf ſeinen Nacken zu kriegen. Alle wollen lieber in dieſen guͤlde- nen Ketten verſchmachten/ als bey mittelmaͤſſi- gem Gluͤcke ſtoltzer Ruh und edler Freyheit ge- nuͤſſen. Gleichwol aber koͤnte er obiger Mey- nung des Fuͤrſten Marcomirs/ daß der ſechſte Cheruskiſche Feldherr der erſte waͤre/ welcher die Herrſchafft abgetreten/ entgegen ſetzen/ daß vor wenigen Jahren eine Koͤnigin der Samojeden Thinacris/ und ein Koͤnig der Geten Rakimis/ fuͤr langen Zeiten aber Hierulck und Nidotical zu aller Menſchen Verwunderung Kron und Zepter von ſich geworffen; welcher letztere doch den Nahmen eines Herrn und die Anbetung der Goͤtter von ſeinem Volck vorhero angenom- men/ und ſeine Eitelkeit mit ſeinen gantz guͤlde- nen Kleidern und Diamantenen Schuhen an Tag gegeben/ ja ſeine Herrſchafft fuͤr ein Goͤtt- liches Geſchencke zu achten gehabt haͤtte; weil ſie ihm lange vorher von den wahrſagenden Druyden waͤre angedeutet worden. Marcomir antwortete: Ob ich wol dieſe vier Begebenhei- ten fuͤr ſeltzamere Dinge achte/ als die Araber ihre Phoͤnixe/ und die Jndianer ihre Einhoͤrner; ſo duͤnckt mich doch/ es ſey nirgend eine gantz freywillige Entaͤuſerung geweſen. Denn Ni- dotical ward theils durch ungemeine Unpaͤßlig- keit/ durch Verwirrung ſeines Gemuͤthes und feſteingebildete Zerruͤttung ſeines Reichs zu die- ſer Ent[ſ]chluͤſſung bracht; Hierulk aber von ihm hierzu beredet/ oder vielmehr uͤbereilet. Die Koͤnigin Thinacris entſchloß ſich aus Zwange hierzu/ weil ſie entweder diß thun/ oder ſich einem [Spaltenumbruch] ihrer angebohrnen Freyheit unertraͤglicherm Geſetze der Vermaͤhlung eines Koͤniges unter- werffen ſolte/ den nicht ſie zu erkieſen/ ſondern die Unterthanen ſchon erwehlt hatten. Dahe- ro hielt ſie es fuͤr rathſamer/ ſich ehe der Herr- ſchafft uͤber viel tauſend andere zu begeben/ als ſich eines andern Gewalt zu unterwerffen. Auch diß letztere halte ich fuͤr ein Wunderwerck/ fing Rhemetalces an. Denn die Ehrſucht ſchaͤ- met ſich nicht/ umb ihre Herrſchafft zu befeſtigen/ alle knechtiſche Dienſtbarkeit auf ſich zu nehmen. Alle Larven der Welt waͤren ihr anſtaͤndig/ der Bettlers-Mantel nicht zu verſchmaͤhlich/ die Geſtalt der Schlangen nicht zu abſcheulich. Wenn man andere Regungen als Kinder mahl- te/ muͤſte man die Begierde zu herrſchen zwar als eine Rieſin abbilden; gleichwol aber nehme ſie wie Hercules die Spindel/ wie Apollo den Hirten-Stab in die Hand. Sie verwandelte ſich wie Jupiter in einen Ochſen/ wenn ſie da- durch einen Vortheil zu erlangen hoffte. Koͤnig Rakimis aber/ fuhr Marcomir fort/ war zu einer ſo dienſtbaren Herrſchafft zu ungeduldig/ welcher ſie nicht ſo wol aus Verdruß uͤber ſein Ungluͤ- cke/ als uͤber verkleinertem Anſehen bey ſeinen Unterthanen mit dem Ruͤcken auſah. Unge- achtet dieſes Reich ohne diß dieſer Suͤſſigkeit/ nemlich der ungebundenen Gewalt/ nicht ge- wohnet/ ſondern ſeine Koͤnige mit vielen Grund- Geſetzen/ und den Stimmen des faſt unbaͤndi- gen Adels umbſchraͤncket ſind. Rhemetalces fuhr heraus: Jch halte denſelben/ welcher nach frembder Richtſchnur leben muß/ fuͤr keinen Koͤnig; Sintemal das Herrſchen darinnen beſtehet/ daß alle einem/ nicht einer allen von ſeinem Fuͤrnehmen Rechenſchafft giebet. Jch halte/ ſagte Malovend/ den Rakimis auch nur fuͤr einen Schatten eines Herrſchers/ der Geten Herrſchafft aber fuͤr eine unertraͤgliche Buͤrde/ fuͤr keine Ergetzligkeit. Denn ob ich wol derſelben Unart nicht billige/ die Wolluſt und Uppigkeit fuͤr den Lohn ihrer Herrſchafft halten/
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0192" n="142"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Anderes Buch</hi></fw><lb/><cb/> Schwerdt/ als die Zeichen der deutſchen Feld-<lb/> hauptmannſchafft/ mit dieſer Erinnerung:<lb/><hi rendition="#fr">Er uͤberſchicke ihm hiermit die Cent-<lb/> ner-Laſt/ nach welcher alle Sterblichen<lb/> ſeufzeten/ die aber niemand/ der<lb/> ſie recht kennete/ aufheben wuͤrde.</hi><lb/> Es iſt wahr/ ſagte Rhemetalces/ die Buͤrde der<lb/> Herrſchafft darff Rieſen-Achſeln/ und gleichwol<lb/> wuͤntſchet ſie iedweder Zwerg auf ſeinen Nacken<lb/> zu kriegen. Alle wollen lieber in dieſen guͤlde-<lb/> nen Ketten verſchmachten/ als bey mittelmaͤſſi-<lb/> gem Gluͤcke ſtoltzer Ruh und edler Freyheit ge-<lb/> nuͤſſen. Gleichwol aber koͤnte er obiger Mey-<lb/> nung des Fuͤrſten Marcomirs/ daß der ſechſte<lb/> Cheruskiſche Feldherr der erſte waͤre/ welcher die<lb/> Herrſchafft abgetreten/ entgegen ſetzen/ daß vor<lb/> wenigen Jahren eine Koͤnigin der Samojeden<lb/> Thinacris/ und ein Koͤnig der Geten Rakimis/<lb/> fuͤr langen Zeiten aber Hierulck und Nidotical<lb/> zu aller Menſchen Verwunderung Kron und<lb/> Zepter von ſich geworffen; welcher letztere doch<lb/> den Nahmen eines Herrn und die Anbetung<lb/> der Goͤtter von ſeinem Volck vorhero angenom-<lb/> men/ und ſeine Eitelkeit mit ſeinen gantz guͤlde-<lb/> nen Kleidern und Diamantenen Schuhen an<lb/> Tag gegeben/ ja ſeine Herrſchafft fuͤr ein Goͤtt-<lb/> liches Geſchencke zu achten gehabt haͤtte; weil<lb/> ſie ihm lange vorher von den wahrſagenden<lb/> Druyden waͤre angedeutet worden. Marcomir<lb/> antwortete: Ob ich wol dieſe vier Begebenhei-<lb/> ten fuͤr ſeltzamere Dinge achte/ als die Araber<lb/> ihre Phoͤnixe/ und die Jndianer ihre Einhoͤrner;<lb/> ſo duͤnckt mich doch/ es ſey nirgend eine gantz<lb/> freywillige Entaͤuſerung geweſen. Denn Ni-<lb/> dotical ward theils durch ungemeine Unpaͤßlig-<lb/> keit/ durch Verwirrung ſeines Gemuͤthes und<lb/> feſteingebildete Zerruͤttung ſeines Reichs zu die-<lb/> ſer Ent<supplied>ſ</supplied>chluͤſſung bracht; Hierulk aber von ihm<lb/> hierzu beredet/ oder vielmehr uͤbereilet. Die<lb/> Koͤnigin Thinacris entſchloß ſich aus Zwange<lb/> hierzu/ weil ſie entweder diß thun/ oder ſich einem<lb/><cb/> ihrer angebohrnen Freyheit unertraͤglicherm<lb/> Geſetze der Vermaͤhlung eines Koͤniges unter-<lb/> werffen ſolte/ den nicht ſie zu erkieſen/ ſondern<lb/> die Unterthanen ſchon erwehlt hatten. Dahe-<lb/> ro hielt ſie es fuͤr rathſamer/ ſich ehe der Herr-<lb/> ſchafft uͤber viel tauſend andere zu begeben/ als<lb/> ſich eines andern Gewalt zu unterwerffen.<lb/> Auch diß letztere halte ich fuͤr ein Wunderwerck/<lb/> fing Rhemetalces an. Denn die Ehrſucht ſchaͤ-<lb/> met ſich nicht/ umb ihre Herrſchafft zu befeſtigen/<lb/> alle knechtiſche Dienſtbarkeit auf ſich zu nehmen.<lb/> Alle Larven der Welt waͤren ihr anſtaͤndig/ der<lb/> Bettlers-Mantel nicht zu verſchmaͤhlich/ die<lb/> Geſtalt der Schlangen nicht zu abſcheulich.<lb/> Wenn man andere Regungen als Kinder mahl-<lb/> te/ muͤſte man die Begierde zu herrſchen zwar<lb/> als eine Rieſin abbilden; gleichwol aber nehme<lb/> ſie wie Hercules die Spindel/ wie Apollo den<lb/> Hirten-Stab in die Hand. Sie verwandelte<lb/> ſich wie Jupiter in einen Ochſen/ wenn ſie da-<lb/> durch einen Vortheil zu erlangen hoffte. Koͤnig<lb/> Rakimis aber/ fuhr Marcomir fort/ war zu einer<lb/> ſo dienſtbaren Herrſchafft zu ungeduldig/ welcher<lb/> ſie nicht ſo wol aus Verdruß uͤber ſein Ungluͤ-<lb/> cke/ als uͤber verkleinertem Anſehen bey ſeinen<lb/> Unterthanen mit dem Ruͤcken auſah. Unge-<lb/> achtet dieſes Reich ohne diß dieſer Suͤſſigkeit/<lb/> nemlich der ungebundenen Gewalt/ nicht ge-<lb/> wohnet/ ſondern ſeine Koͤnige mit vielen Grund-<lb/> Geſetzen/ und den Stimmen des faſt unbaͤndi-<lb/> gen Adels umbſchraͤncket ſind. Rhemetalces<lb/> fuhr heraus: Jch halte denſelben/ welcher nach<lb/> frembder Richtſchnur leben muß/ fuͤr keinen<lb/> Koͤnig; Sintemal das Herrſchen darinnen<lb/> beſtehet/ daß alle einem/ nicht einer allen<lb/> von ſeinem Fuͤrnehmen Rechenſchafft giebet.<lb/> Jch halte/ ſagte Malovend/ den Rakimis auch<lb/> nur fuͤr einen Schatten eines Herrſchers/ der<lb/> Geten Herrſchafft aber fuͤr eine unertraͤgliche<lb/> Buͤrde/ fuͤr keine Ergetzligkeit. Denn ob ich<lb/> wol derſelben Unart nicht billige/ die Wolluſt<lb/> und Uppigkeit fuͤr den Lohn ihrer Herrſchafft<lb/> <fw place="bottom" type="catch">halten/</fw><lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [142/0192]
Anderes Buch
Schwerdt/ als die Zeichen der deutſchen Feld-
hauptmannſchafft/ mit dieſer Erinnerung:
Er uͤberſchicke ihm hiermit die Cent-
ner-Laſt/ nach welcher alle Sterblichen
ſeufzeten/ die aber niemand/ der
ſie recht kennete/ aufheben wuͤrde.
Es iſt wahr/ ſagte Rhemetalces/ die Buͤrde der
Herrſchafft darff Rieſen-Achſeln/ und gleichwol
wuͤntſchet ſie iedweder Zwerg auf ſeinen Nacken
zu kriegen. Alle wollen lieber in dieſen guͤlde-
nen Ketten verſchmachten/ als bey mittelmaͤſſi-
gem Gluͤcke ſtoltzer Ruh und edler Freyheit ge-
nuͤſſen. Gleichwol aber koͤnte er obiger Mey-
nung des Fuͤrſten Marcomirs/ daß der ſechſte
Cheruskiſche Feldherr der erſte waͤre/ welcher die
Herrſchafft abgetreten/ entgegen ſetzen/ daß vor
wenigen Jahren eine Koͤnigin der Samojeden
Thinacris/ und ein Koͤnig der Geten Rakimis/
fuͤr langen Zeiten aber Hierulck und Nidotical
zu aller Menſchen Verwunderung Kron und
Zepter von ſich geworffen; welcher letztere doch
den Nahmen eines Herrn und die Anbetung
der Goͤtter von ſeinem Volck vorhero angenom-
men/ und ſeine Eitelkeit mit ſeinen gantz guͤlde-
nen Kleidern und Diamantenen Schuhen an
Tag gegeben/ ja ſeine Herrſchafft fuͤr ein Goͤtt-
liches Geſchencke zu achten gehabt haͤtte; weil
ſie ihm lange vorher von den wahrſagenden
Druyden waͤre angedeutet worden. Marcomir
antwortete: Ob ich wol dieſe vier Begebenhei-
ten fuͤr ſeltzamere Dinge achte/ als die Araber
ihre Phoͤnixe/ und die Jndianer ihre Einhoͤrner;
ſo duͤnckt mich doch/ es ſey nirgend eine gantz
freywillige Entaͤuſerung geweſen. Denn Ni-
dotical ward theils durch ungemeine Unpaͤßlig-
keit/ durch Verwirrung ſeines Gemuͤthes und
feſteingebildete Zerruͤttung ſeines Reichs zu die-
ſer Entſchluͤſſung bracht; Hierulk aber von ihm
hierzu beredet/ oder vielmehr uͤbereilet. Die
Koͤnigin Thinacris entſchloß ſich aus Zwange
hierzu/ weil ſie entweder diß thun/ oder ſich einem
ihrer angebohrnen Freyheit unertraͤglicherm
Geſetze der Vermaͤhlung eines Koͤniges unter-
werffen ſolte/ den nicht ſie zu erkieſen/ ſondern
die Unterthanen ſchon erwehlt hatten. Dahe-
ro hielt ſie es fuͤr rathſamer/ ſich ehe der Herr-
ſchafft uͤber viel tauſend andere zu begeben/ als
ſich eines andern Gewalt zu unterwerffen.
Auch diß letztere halte ich fuͤr ein Wunderwerck/
fing Rhemetalces an. Denn die Ehrſucht ſchaͤ-
met ſich nicht/ umb ihre Herrſchafft zu befeſtigen/
alle knechtiſche Dienſtbarkeit auf ſich zu nehmen.
Alle Larven der Welt waͤren ihr anſtaͤndig/ der
Bettlers-Mantel nicht zu verſchmaͤhlich/ die
Geſtalt der Schlangen nicht zu abſcheulich.
Wenn man andere Regungen als Kinder mahl-
te/ muͤſte man die Begierde zu herrſchen zwar
als eine Rieſin abbilden; gleichwol aber nehme
ſie wie Hercules die Spindel/ wie Apollo den
Hirten-Stab in die Hand. Sie verwandelte
ſich wie Jupiter in einen Ochſen/ wenn ſie da-
durch einen Vortheil zu erlangen hoffte. Koͤnig
Rakimis aber/ fuhr Marcomir fort/ war zu einer
ſo dienſtbaren Herrſchafft zu ungeduldig/ welcher
ſie nicht ſo wol aus Verdruß uͤber ſein Ungluͤ-
cke/ als uͤber verkleinertem Anſehen bey ſeinen
Unterthanen mit dem Ruͤcken auſah. Unge-
achtet dieſes Reich ohne diß dieſer Suͤſſigkeit/
nemlich der ungebundenen Gewalt/ nicht ge-
wohnet/ ſondern ſeine Koͤnige mit vielen Grund-
Geſetzen/ und den Stimmen des faſt unbaͤndi-
gen Adels umbſchraͤncket ſind. Rhemetalces
fuhr heraus: Jch halte denſelben/ welcher nach
frembder Richtſchnur leben muß/ fuͤr keinen
Koͤnig; Sintemal das Herrſchen darinnen
beſtehet/ daß alle einem/ nicht einer allen
von ſeinem Fuͤrnehmen Rechenſchafft giebet.
Jch halte/ ſagte Malovend/ den Rakimis auch
nur fuͤr einen Schatten eines Herrſchers/ der
Geten Herrſchafft aber fuͤr eine unertraͤgliche
Buͤrde/ fuͤr keine Ergetzligkeit. Denn ob ich
wol derſelben Unart nicht billige/ die Wolluſt
und Uppigkeit fuͤr den Lohn ihrer Herrſchafft
halten/
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools
|
URL zu diesem Werk: | https://www.deutschestextarchiv.de/lohenstein_feldherr01_1689 |
URL zu dieser Seite: | https://www.deutschestextarchiv.de/lohenstein_feldherr01_1689/192 |
Zitationshilfe: | Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689, S. 142. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lohenstein_feldherr01_1689/192>, abgerufen am 16.07.2024. |