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Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689.

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Anderes Buch
[Spaltenumbruch] da ein Fürst zum Begräbnisse seiner Ehebreche-
rin mehr Weyrauch und Balsam verbrauchet/
als ein Jahr dessen in der Welt wächst. Wir
Deutschen wusten nichts als von güldner Frey-
heit/ konten die Laster nicht nennen/ und die wir itzt
den Römern nachthun/ als wir auff Rasen Tisch
hielten/ und in Stroh- Hütten wohneten/ da
wir die Eingeweide unserer Gebürge nicht
durchwühleten/ und die geitzigen Fremden in
den Adern Gold zu suchen veranlaßten/ da wir
bey Entzündung unserer Wälder Ertzt gefun-
den hatten. Urtheilet diesem nach/ was dieser
Herrligkeit für Elend/ wie viel diesem Weitzen
Spreu anklebe; und gläubet/ daß wie die Ra-
tur keines Künstlers darff/ die nöthigen Sachen
gemein/ die üppigen sauer zu erlangen sind/ also
die Natur Gott und der Tugend nicht unsers
Wollebens halber den Menschen so tieffsinnig
gemacht/ und den Verstand verliehen habe.
Fürst Zeno lächelte/ und wendete sich zum Rhe-
metalces/ meldende: Jch sehe wohl/ Marcomir
ist ein Weltweiser von der Secte des Zeno/ und
er würde mit dem Diogenes schon den Becher
wegwerffen/ wann er iemand aus seinem Hand-
Teller trincken sehe. Allein ich lasse mich nicht
bereden/ daß die Götter die Tugend zur Straf-
fe des Leibes in die Welt geschickt haben/ daß der
Schluß der Vernunfft auff eigenes Ungemach
ziele/ daß die Wollust alleine des Viehes Gut
sey/ daß das Wesen der Tugend in Bitterkeit
bestehe/ daß sie nichts als Wasser trincken/ auff
Disteln gehen/ im Siechhause liegen und in Be-
gräbnissen wohnen dörffe. Sondern ich bin
vielmehr der Meinung/ daß der Gebrauch
von dem Mißbrauche zu unterscheiden/ die Ro-
sen nicht zu vertilgen sind/ weil die Spinne
Gifft draus sauget/ und die Artzneyen nicht zu
verbieten/ weil die Boßhafften selbte zur Ver-
gifftung mißbrauchen/ ja daß es ein Theil der
Weißheit sey/ sich der unschuldigen Wollust
ohne Laster gebrauchen. Und/ wie es nicht
vermuthlich/ daß die Natur so viel köstliche
[Spaltenumbruch] Sachen entweder umsonst/ oder nur zur Er-
getzligkeit der Boßhafften geschaffen; also ist
die Reinigkeit solcher Dinge nicht wegen Un-
mäßigkeit der Verschwender zu verdammen.
Mecenas lag allerdings tugendhafft auff Da-
masten und Sammet/ und versteckte seine
Klugheit mit grösserm Nutzen des gemeinen
Wesens unter den Schatten seiner kostbaren
Lustgärten/ wenn er den Käyser August von dem
rauhen Weg der strengen Gerechtigkeit und
Blutstürtzung abhielt/ und mit vielerley Kurtz-
weilen ihn zu einer sanfften Herrschafft anleite-
te/ wenn er mit seinen Wolthaten ihm die Welt
zum Schuldner machte/ mit seiner Auffrich-
tigkeit verursachte/ daß der vermummte Hoff
seine Larven weglegte/ mit seiner Freygebigkeit
die Begierde der Geitzigen überlegte/ wenn er
sein Haus mit kostbaren Gemählden/ mit künst-
lichen Bildern aus Corinthischem Ertzte/ mit
Cristallinen Geschirren nicht zu seiner Hof-
fart Abgötterey ausputzte/ sondern daß er dem/
welcher etwas dran lobte/ was zu verehren hatte.
Womit er sicherlich tugendhaffter verfuhr/ als
jener Weltweise/ der alle Menschen zu ihren ei-
genen Feinden machen wolte/ ihnen selbst nicht
allein nichts gutes zu thun/ sondern ihnen Durst/
Hunger/ Frost/ Marter/ ja Strick und Messer
einlobte. Alleine nachdem uns Marcomir so
viel gutes von dem alten einfältigen Deutsch-
lande rühmet/ diese zwölff Bilder aber grösten
theils nicht dieser Zeit Kinder zu seyn schie-
nen/ so wünschten wir wohl von ihrer gerühmten
Glückseligkeit Wissenschafft und Theil zu ha-
ben. Es sind/ antwortete Malovend/ zwölff
oberste Feldherren Deutschlands/ und zwar alle
Hertzog Herrmanns Voreltern; So viel ih-
rer kein Fürstliches Geschlechte aus seinem
Hause zu zehlenhat. Und ich muß gestehen/
daß ob wohl die Cherusker Hertzoge meinem
Geschlechte/ daraus ich entsprossen/ stets auff-
sätzig gewest/ doch ihre Thaten für andern ruhm-
würdig zu achten sind. Zeno fing hierauff an:

Es

Anderes Buch
[Spaltenumbruch] da ein Fuͤrſt zum Begraͤbniſſe ſeiner Ehebreche-
rin mehr Weyrauch und Balſam verbrauchet/
als ein Jahr deſſen in der Welt waͤchſt. Wir
Deutſchen wuſten nichts als von guͤldner Frey-
heit/ konten die Laſter nicht neñen/ und die wir itzt
den Roͤmern nachthun/ als wir auff Raſen Tiſch
hielten/ und in Stroh- Huͤtten wohneten/ da
wir die Eingeweide unſerer Gebuͤrge nicht
durchwuͤhleten/ und die geitzigen Fremden in
den Adern Gold zu ſuchen veranlaßten/ da wir
bey Entzuͤndung unſerer Waͤlder Ertzt gefun-
den hatten. Urtheilet dieſem nach/ was dieſer
Herrligkeit fuͤr Elend/ wie viel dieſem Weitzen
Spreu anklebe; und glaͤubet/ daß wie die Ra-
tur keines Kuͤnſtlers darff/ die noͤthigen Sachen
gemein/ die uͤppigen ſauer zu erlangen ſind/ alſo
die Natur Gott und der Tugend nicht unſers
Wollebens halber den Menſchen ſo tieffſinnig
gemacht/ und den Verſtand verliehen habe.
Fuͤrſt Zeno laͤchelte/ und wendete ſich zum Rhe-
metalces/ meldende: Jch ſehe wohl/ Marcomir
iſt ein Weltweiſer von der Secte des Zeno/ und
er wuͤrde mit dem Diogenes ſchon den Becher
wegwerffen/ wann er iemand aus ſeinem Hand-
Teller trincken ſehe. Allein ich laſſe mich nicht
bereden/ daß die Goͤtter die Tugend zur Straf-
fe des Leibes in die Welt geſchickt haben/ daß der
Schluß der Vernunfft auff eigenes Ungemach
ziele/ daß die Wolluſt alleine des Viehes Gut
ſey/ daß das Weſen der Tugend in Bitterkeit
beſtehe/ daß ſie nichts als Waſſer trincken/ auff
Diſteln gehen/ im Siechhauſe liegen und in Be-
graͤbniſſen wohnen doͤrffe. Sondern ich bin
vielmehr der Meinung/ daß der Gebrauch
von dem Mißbrauche zu unterſcheiden/ die Ro-
ſen nicht zu vertilgen ſind/ weil die Spinne
Gifft draus ſauget/ und die Artzneyen nicht zu
verbieten/ weil die Boßhafften ſelbte zur Ver-
gifftung mißbrauchen/ ja daß es ein Theil der
Weißheit ſey/ ſich der unſchuldigen Wolluſt
ohne Laſter gebrauchen. Und/ wie es nicht
vermuthlich/ daß die Natur ſo viel koͤſtliche
[Spaltenumbruch] Sachen entweder umſonſt/ oder nur zur Er-
getzligkeit der Boßhafften geſchaffen; alſo iſt
die Reinigkeit ſolcher Dinge nicht wegen Un-
maͤßigkeit der Verſchwender zu verdammen.
Mecenas lag allerdings tugendhafft auff Da-
maſten und Sammet/ und verſteckte ſeine
Klugheit mit groͤſſerm Nutzen des gemeinen
Weſens unter den Schatten ſeiner koſtbaren
Luſtgaͤrten/ wenn er den Kaͤyſer Auguſt von dem
rauhen Weg der ſtrengen Gerechtigkeit und
Blutſtuͤrtzung abhielt/ und mit vielerley Kurtz-
weilen ihn zu einer ſanfften Herrſchafft anleite-
te/ wenn er mit ſeinen Wolthaten ihm die Welt
zum Schuldner machte/ mit ſeiner Auffrich-
tigkeit verurſachte/ daß der vermummte Hoff
ſeine Larven weglegte/ mit ſeiner Freygebigkeit
die Begierde der Geitzigen uͤberlegte/ wenn er
ſein Haus mit koſtbaren Gemaͤhlden/ mit kuͤnſt-
lichen Bildern aus Corinthiſchem Ertzte/ mit
Criſtallinen Geſchirren nicht zu ſeiner Hof-
fart Abgoͤtterey ausputzte/ ſondern daß er dem/
welcher etwas dran lobte/ was zu verehren hatte.
Womit er ſicherlich tugendhaffter verfuhr/ als
jener Weltweiſe/ der alle Menſchen zu ihren ei-
genen Feinden machen wolte/ ihnen ſelbſt nicht
allein nichts gutes zu thun/ ſondern ihnen Durſt/
Hunger/ Froſt/ Marter/ ja Strick und Meſſer
einlobte. Alleine nachdem uns Marcomir ſo
viel gutes von dem alten einfaͤltigen Deutſch-
lande ruͤhmet/ dieſe zwoͤlff Bilder aber groͤſten
theils nicht dieſer Zeit Kinder zu ſeyn ſchie-
nen/ ſo wuͤnſchten wir wohl von ihrer geruͤhmten
Gluͤckſeligkeit Wiſſenſchafft und Theil zu ha-
ben. Es ſind/ antwortete Malovend/ zwoͤlff
oberſte Feldherren Deutſchlands/ und zwar alle
Hertzog Herrmanns Voreltern; So viel ih-
rer kein Fuͤrſtliches Geſchlechte aus ſeinem
Hauſe zu zehlenhat. Und ich muß geſtehen/
daß ob wohl die Cheruſker Hertzoge meinem
Geſchlechte/ daraus ich entſproſſen/ ſtets auff-
ſaͤtzig geweſt/ doch ihre Thaten fuͤr andern ruhm-
wuͤrdig zu achten ſind. Zeno fing hierauff an:

Es
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Zitationshilfe: Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689, S. 110. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lohenstein_feldherr01_1689/160>, abgerufen am 22.11.2024.