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Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689.

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[Spaltenumbruch] wolten; sondern auch frembdes Urthel; in-
dem der Pöfel mehrmals auf die Tugend das
Messer wetzte; und den Lasterhafften Ehren-
Maale aufthürmete/ oder nach dem Beyspiele
der Ephesier durch offentlichen Ausruff den
ruhmwürdigen Hermodor und alle ehrliche
Bürger aus der Stadt verbannte. Zu
Athen hätte nicht allein die Hure Leena ein/
sondern der unwürdige Demetrius Phalereus
so viel Seulen erlanget/ als Tage im Jahre
wären. Welchen unzeitigen Uberfluß dersel-
ben Urheber doch selbst bald verdammet; und
daraus Nacht-Scherben machen/ oder zum
minsten sie mit Kothe überziehen lassen. Die
Kunst fühlte sich hierdurch angegrieffen/ ver-
sätzte also: Sie liesse dem Eigendünckel und
der Ehrsucht ihre Vertheidigung; ihre eigene
aber bestünde darinnen: daß sie über die Ver-
dienste der Helden nicht zu urtheilen/ sondern
dis/ was man ihr angäbe/ nur ohne Tadel
auszumachen hätte. Da man aber sonst
keine andere Bilder als der Leena und des
Demetrius zu tadeln wüste/ würde sie wenig
scheltbares gearbeitet haben. Sintemal jene
bis auf den Tod die grausamste Peinigung
ausgestanden/ ehe sie des Harmodius für die
Freyheit des Vaterlandes vorhabende An-
schläge verrathen wollen. Demetrius aber
habe seine Seulen/ wo nicht vorher/ doch her-
nach verdienet; als er aus Egypten noch das
ihn verweisende Athen beschencket. Wegen
der gegenwärtigen Herrmanns-Seule aber
würde sie Deutschland als ihre Anweiserin
vertreten müssen; niemand aber hierbey ihr
einige Eitelkeit beymessen können. Die Kunst
vergnügte sich an der Ehre ihres Gehorsams;
und finde man an den wenigsten Seulen den
Nahmen des Werckmeisters. Der einige
Theodor/ der den Samischen Jrrgarten mit
mehr als tausend Seulen gebauet/ hätte nur
in eine einige sein Bild/ jedoch so klein und so
[Spaltenumbruch] wenig sichtbar gegossen: daß ihn und den bey-
gefügten Wagen mit vier Pferden eine einige
Fliege hätte bedecken können. Deutschland
nam alsbald das Wort von ihr/ und hielt den
Barden ein: Es wäre zwar wahr: daß Ehr-
sucht und Heucheley die Gedächtnüs-Seulen
zu gemein machte; daß es eine Thorheit wäre
sich selbst oder Unwürdige damit beehren; und
daß so denn diese unzeitige Hoffart zeitlich in
Rauch vergienge. Alleine der Uberfluß be-
nehme eines Dinges innerlicher Güte nichts;
und der Mißbrauch könte dem nützlichen Ge-
brauche keinen Abbruch thun. Denn sonst
würde man auch die Sonne zu schelten ha-
ben: daß sie so offt schiene/ und nichts minder
Frösche und Kefer/ als Menschen beseelte.
Unverdiente Ehren-Maale kriegten bald den
Wurmstich/ wenn sie gleich mit Zeder-Oel
überfirnßet wären; der Blitz zermalmete sie;
ob sie schon Lorber-Kräntze überschatteten; und
das durchs Feuer unversehrliche Gold würde
unschwer zu Asche verbrennt. Wo sie aber
die Tugend zum Fusse hätten; überstünden sie
alles Ungewitter der Zeit und des Neides.
Xerxes hätte die ersten und einfältigen Seu-
len des verdienten Harmodius/ und Aristogi-
tons als ein seltzamer Schatz in Persien ge-
führet; und der grosse Alexander selbte als
ein Heiligthum nach Athen zurücke geschickt.
Die fast bäurischen Gemächte des ersten Roms;
die zu Pferde sitzende Clelia aus schlechtem
Steine wären noch zu Rom in grösserm An-
sehn; als der seiner Kunst wegen unschätzbare
ertztene Hund in dem Heiligthume der Juno/
und das Wunder-Bild des mit sampt seinen
Kindern von einer Schlange umbwundenen
Laocoons; und die nur drey Füsse hohen
Bilder des Romulus und Numa würden
mehr verehrt/ als der viertzig Ellen hohe
Hercules zu Tarent/ der dreißig Fuß ho-
he Apollo zu Rom/ die siebentzig Ellen-

bogen

Neuntes Buch
[Spaltenumbruch] wolten; ſondern auch frembdes Urthel; in-
dem der Poͤfel mehrmals auf die Tugend das
Meſſer wetzte; und den Laſterhafften Ehren-
Maale aufthuͤrmete/ oder nach dem Beyſpiele
der Epheſier durch offentlichen Ausruff den
ruhmwuͤrdigen Hermodor und alle ehrliche
Buͤrger aus der Stadt verbannte. Zu
Athen haͤtte nicht allein die Hure Leena ein/
ſondern der unwuͤrdige Demetrius Phalereus
ſo viel Seulen erlanget/ als Tage im Jahre
waͤren. Welchen unzeitigen Uberfluß derſel-
ben Urheber doch ſelbſt bald verdammet; und
daraus Nacht-Scherben machen/ oder zum
minſten ſie mit Kothe uͤberziehen laſſen. Die
Kunſt fuͤhlte ſich hierdurch angegrieffen/ ver-
ſaͤtzte alſo: Sie lieſſe dem Eigenduͤnckel und
der Ehrſucht ihre Vertheidigung; ihre eigene
aber beſtuͤnde darinnen: daß ſie uͤber die Ver-
dienſte der Helden nicht zu urtheilen/ ſondern
dis/ was man ihr angaͤbe/ nur ohne Tadel
auszumachen haͤtte. Da man aber ſonſt
keine andere Bilder als der Leena und des
Demetrius zu tadeln wuͤſte/ wuͤrde ſie wenig
ſcheltbares gearbeitet haben. Sintemal jene
bis auf den Tod die grauſamſte Peinigung
ausgeſtanden/ ehe ſie des Harmodius fuͤr die
Freyheit des Vaterlandes vorhabende An-
ſchlaͤge verrathen wollen. Demetrius aber
habe ſeine Seulen/ wo nicht vorher/ doch her-
nach verdienet; als er aus Egypten noch das
ihn verweiſende Athen beſchencket. Wegen
der gegenwaͤrtigen Herrmanns-Seule aber
wuͤrde ſie Deutſchland als ihre Anweiſerin
vertreten muͤſſen; niemand aber hierbey ihr
einige Eitelkeit beymeſſen koͤnnen. Die Kunſt
vergnuͤgte ſich an der Ehre ihres Gehorſams;
und finde man an den wenigſten Seulen den
Nahmen des Werckmeiſters. Der einige
Theodor/ der den Samiſchen Jrrgarten mit
mehr als tauſend Seulen gebauet/ haͤtte nur
in eine einige ſein Bild/ jedoch ſo klein und ſo
[Spaltenumbruch] wenig ſichtbar gegoſſen: daß ihn und den bey-
gefuͤgten Wagen mit vier Pferden eine einige
Fliege haͤtte bedecken koͤnnen. Deutſchland
nam alsbald das Wort von ihr/ und hielt den
Barden ein: Es waͤre zwar wahr: daß Ehr-
ſucht und Heucheley die Gedaͤchtnuͤs-Seulen
zu gemein machte; daß es eine Thorheit waͤre
ſich ſelbſt oder Unwuͤrdige damit beehren; und
daß ſo denn dieſe unzeitige Hoffart zeitlich in
Rauch vergienge. Alleine der Uberfluß be-
nehme eines Dinges innerlicher Guͤte nichts;
und der Mißbrauch koͤnte dem nuͤtzlichen Ge-
brauche keinen Abbruch thun. Denn ſonſt
wuͤrde man auch die Sonne zu ſchelten ha-
ben: daß ſie ſo offt ſchiene/ und nichts minder
Froͤſche und Kefer/ als Menſchen beſeelte.
Unverdiente Ehren-Maale kriegten bald den
Wurmſtich/ wenn ſie gleich mit Zeder-Oel
uͤberfirnßet waͤren; der Blitz zermalmete ſie;
ob ſie ſchon Lorber-Kraͤntze uͤberſchatteten; und
das durchs Feuer unverſehrliche Gold wuͤrde
unſchwer zu Aſche verbrennt. Wo ſie aber
die Tugend zum Fuſſe haͤtten; uͤberſtuͤnden ſie
alles Ungewitter der Zeit und des Neides.
Xerxes haͤtte die erſten und einfaͤltigen Seu-
len des verdienten Harmodius/ und Ariſtogi-
tons als ein ſeltzamer Schatz in Perſien ge-
fuͤhret; und der groſſe Alexander ſelbte als
ein Heiligthum nach Athen zuruͤcke geſchickt.
Die faſt baͤuriſchen Gemaͤchte des erſten Roms;
die zu Pferde ſitzende Clelia aus ſchlechtem
Steine waͤren noch zu Rom in groͤſſerm An-
ſehn; als der ſeiner Kunſt wegen unſchaͤtzbare
ertztene Hund in dem Heiligthume der Juno/
und das Wunder-Bild des mit ſampt ſeinen
Kindern von einer Schlange umbwundenen
Laocoons; und die nur drey Fuͤſſe hohen
Bilder des Romulus und Numa wuͤrden
mehr verehrt/ als der viertzig Ellen hohe
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he Apollo zu Rom/ die ſiebentzig Ellen-

bogen
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[1420[1422]/1488] Neuntes Buch wolten; ſondern auch frembdes Urthel; in- dem der Poͤfel mehrmals auf die Tugend das Meſſer wetzte; und den Laſterhafften Ehren- Maale aufthuͤrmete/ oder nach dem Beyſpiele der Epheſier durch offentlichen Ausruff den ruhmwuͤrdigen Hermodor und alle ehrliche Buͤrger aus der Stadt verbannte. Zu Athen haͤtte nicht allein die Hure Leena ein/ ſondern der unwuͤrdige Demetrius Phalereus ſo viel Seulen erlanget/ als Tage im Jahre waͤren. Welchen unzeitigen Uberfluß derſel- ben Urheber doch ſelbſt bald verdammet; und daraus Nacht-Scherben machen/ oder zum minſten ſie mit Kothe uͤberziehen laſſen. Die Kunſt fuͤhlte ſich hierdurch angegrieffen/ ver- ſaͤtzte alſo: Sie lieſſe dem Eigenduͤnckel und der Ehrſucht ihre Vertheidigung; ihre eigene aber beſtuͤnde darinnen: daß ſie uͤber die Ver- dienſte der Helden nicht zu urtheilen/ ſondern dis/ was man ihr angaͤbe/ nur ohne Tadel auszumachen haͤtte. Da man aber ſonſt keine andere Bilder als der Leena und des Demetrius zu tadeln wuͤſte/ wuͤrde ſie wenig ſcheltbares gearbeitet haben. Sintemal jene bis auf den Tod die grauſamſte Peinigung ausgeſtanden/ ehe ſie des Harmodius fuͤr die Freyheit des Vaterlandes vorhabende An- ſchlaͤge verrathen wollen. Demetrius aber habe ſeine Seulen/ wo nicht vorher/ doch her- nach verdienet; als er aus Egypten noch das ihn verweiſende Athen beſchencket. Wegen der gegenwaͤrtigen Herrmanns-Seule aber wuͤrde ſie Deutſchland als ihre Anweiſerin vertreten muͤſſen; niemand aber hierbey ihr einige Eitelkeit beymeſſen koͤnnen. Die Kunſt vergnuͤgte ſich an der Ehre ihres Gehorſams; und finde man an den wenigſten Seulen den Nahmen des Werckmeiſters. Der einige Theodor/ der den Samiſchen Jrrgarten mit mehr als tauſend Seulen gebauet/ haͤtte nur in eine einige ſein Bild/ jedoch ſo klein und ſo wenig ſichtbar gegoſſen: daß ihn und den bey- gefuͤgten Wagen mit vier Pferden eine einige Fliege haͤtte bedecken koͤnnen. Deutſchland nam alsbald das Wort von ihr/ und hielt den Barden ein: Es waͤre zwar wahr: daß Ehr- ſucht und Heucheley die Gedaͤchtnuͤs-Seulen zu gemein machte; daß es eine Thorheit waͤre ſich ſelbſt oder Unwuͤrdige damit beehren; und daß ſo denn dieſe unzeitige Hoffart zeitlich in Rauch vergienge. Alleine der Uberfluß be- nehme eines Dinges innerlicher Guͤte nichts; und der Mißbrauch koͤnte dem nuͤtzlichen Ge- brauche keinen Abbruch thun. Denn ſonſt wuͤrde man auch die Sonne zu ſchelten ha- ben: daß ſie ſo offt ſchiene/ und nichts minder Froͤſche und Kefer/ als Menſchen beſeelte. Unverdiente Ehren-Maale kriegten bald den Wurmſtich/ wenn ſie gleich mit Zeder-Oel uͤberfirnßet waͤren; der Blitz zermalmete ſie; ob ſie ſchon Lorber-Kraͤntze uͤberſchatteten; und das durchs Feuer unverſehrliche Gold wuͤrde unſchwer zu Aſche verbrennt. Wo ſie aber die Tugend zum Fuſſe haͤtten; uͤberſtuͤnden ſie alles Ungewitter der Zeit und des Neides. Xerxes haͤtte die erſten und einfaͤltigen Seu- len des verdienten Harmodius/ und Ariſtogi- tons als ein ſeltzamer Schatz in Perſien ge- fuͤhret; und der groſſe Alexander ſelbte als ein Heiligthum nach Athen zuruͤcke geſchickt. Die faſt baͤuriſchen Gemaͤchte des erſten Roms; die zu Pferde ſitzende Clelia aus ſchlechtem Steine waͤren noch zu Rom in groͤſſerm An- ſehn; als der ſeiner Kunſt wegen unſchaͤtzbare ertztene Hund in dem Heiligthume der Juno/ und das Wunder-Bild des mit ſampt ſeinen Kindern von einer Schlange umbwundenen Laocoons; und die nur drey Fuͤſſe hohen Bilder des Romulus und Numa wuͤrden mehr verehrt/ als der viertzig Ellen hohe Hercules zu Tarent/ der dreißig Fuß ho- he Apollo zu Rom/ die ſiebentzig Ellen- bogen

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Zitationshilfe: Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689, S. 1420[1422]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lohenstein_feldherr01_1689/1488>, abgerufen am 23.11.2024.