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Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689.

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Arminius und Thußnelda.
[Spaltenumbruch] schauen solten. Denn aller Armen und Waf-
fen regten sich. Es geschahen so viel Einbrü-
che und Begegnungen; gleichwol aber blieb alles
in wol erkenntlicher Ordnung. Endlich brach
Hertzog Herrmann mit seinen Rittern entwe-
der durch überlegene Tugend/ oder aus höfli-
cher Ehrerbietung des Hertzog Arpus und sei-
ner Ritter so weit ein: daß er den Römischen
Adler ergrief/ und selbten gegen Thußneldens
Bilde neigte. Worüber sich aber ein neues
Gethöne von denen lieblichsten Säiten-Spie-
len an statt der rauen vorher schreyenden Hör-
ner hören ließ; wormit die Gerechtigkeit auf
einem g[o]ldenen von vier weissen Pferden gezo-
genen Wagen mitten zwischen die Streitenden
gerennet kam/ und hierdurch einen unvermu-
theten Stillestand der Waffen machte. Sie
war gantz anders als sonst ins gemein ausgerü-
stet. Denn sie hatte auf dem Haupte eine
Nacht-Eule das Bild der Weißheit. Sinte-
mahl die Gerechtigkeit in dem Gemüthe der
Menschen nichts anders als die Weißheit ist.
An statt des schwerdtes/ oder des mit Ruthen
umwundenen Richtbeiles/ welches nichts min-
der der Gerechtigkeit/ als der Bürgermeister
zu Rom Kennzeichen zu seyn pfleget/ hatte sie
einen mit Schlangen umwundenen Herold-
Stab/ als das Merckmaal der Eintracht; weil
die Gerechtigkeit in den Häusern oder in bür-
gerlichen Dingen nichts als die Eintracht/ und
mit dem Schwerdte mehr einer grausamen
Atropos/ als einer so holden Tugend ähnlich ist;
oder auch/ weil die gegen einander gestellte
Schlangen nicht nur den Friede/ nemlich die
Gerechtigkeit des gemeinen Wesens und der
Herr;schafften; sondern auch das Dräuen gegen
die Widerspenstigen fürbildet. Westhalben
denn auch auf ihrer Schoos ein Horn des Uber-
flusses lag. Uberdis hatte sie neben der gemei-
nen Wage in der lincken Hand einen ertztenen
weiten Ring das Zeichen der Versehung/ als
welche im Himmel ebenfals nichts anders als
[Spaltenumbruch] die Gerechtigkeit ist. Also stellte sie sich recht
gegen die Römische aufs neue geschlossene
Schlacht-Ordnung/ und fieng mit einer scharf-
fen doch annehmlichen Stimme folgender Weise
an zu singen:

Jhr Römer steckt die Waffen ein;
Tiber laß deinen Zorn verschwinden;
Wer Deutschland meint zu überwinden/
Weiß nicht: daß Donan und der Rhein
Der Röm'schen Siege Gräntz-Maal seyn.
Bist du Tiber ein Herr der Welt;
So werde nicht ein Knecht des Neides/
Ein Stiffter deines eignen Leides.
Weil/ wenn der Mißgunst was gefällt/
Sie ihr nur Mängel selbst ausstellt.
Mein Urthel ist fürlängst gefällt/
Fürst Herrmann sey nur werth Thußneldens/
Und sie so eines grossen Heldens.
Wer nun was anders möglich hält/
Gläubt kein Verhängnüs in der Welt.
Eh wird der Sternen Bär den Fuß
Von Mitternacht nach Sud verrücken/
Eh dir dein Vorsatz wird gelücken;
Weil aller Welt Macht doch den Schluß
Des Himmels übernehmen muß.

So bald dieser Gesang' geendiget war/ fieng
das gantze Römische Heer gleichsam durch ein
Feld-Geschrey an zu ruffen: Niemand ist Thuß-
neldens würdiger als Herrmann. Worauf
selbtes denn auch unter dem Gethöne der K[r]um-
hörner in guter Ordnung aus dem Schauplatze
abzoh; alle Römisch gekleidete aber gegen dem
an der Spitze der Deutschen zu Pferde halten-
den Feldherrn ihre Waffen und Kriegs-Zeichen
neigten. Kurtz hierauf aber erschien ein Herold
in den Schauplatz/ welcher im Nahmen des
fürgebildeten Tiberius den Feldherrn mit sei-
nem Kriegs-Volcke und den gantzen Hof unte[r]
seine Zelten zu Gaste einlud; weil er als ein
Frembdling sie bequemer nicht zu bewirthen
wüste. Wohin beyde/ und fürnemlich das
Fürstliche Frauen-Zimmer zu Wagen mit
grösserem Gepränge/ als vorige Tage folgten;

weil
Erster Theil. K k k k k k k k

Arminius und Thußnelda.
[Spaltenumbruch] ſchauen ſolten. Denn aller Armen und Waf-
fen regten ſich. Es geſchahen ſo viel Einbruͤ-
che und Begegnungẽ; gleichwol aber blieb alles
in wol erkenntlicher Ordnung. Endlich brach
Hertzog Herrmann mit ſeinen Rittern entwe-
der durch uͤberlegene Tugend/ oder aus hoͤfli-
cher Ehrerbietung des Hertzog Arpus und ſei-
ner Ritter ſo weit ein: daß er den Roͤmiſchen
Adler ergrief/ und ſelbten gegen Thußneldens
Bilde neigte. Woruͤber ſich aber ein neues
Gethoͤne von denen lieblichſten Saͤiten-Spie-
len an ſtatt der rauen vorher ſchreyenden Hoͤr-
ner hoͤren ließ; wormit die Gerechtigkeit auf
einem g[o]ldenen von vier weiſſen Pferden gezo-
genen Wagen mitten zwiſchen die Streitenden
gerennet kam/ und hierdurch einen unvermu-
theten Stilleſtand der Waffen machte. Sie
war gantz anders als ſonſt ins gemein ausgeruͤ-
ſtet. Denn ſie hatte auf dem Haupte eine
Nacht-Eule das Bild der Weißheit. Sinte-
mahl die Gerechtigkeit in dem Gemuͤthe der
Menſchen nichts anders als die Weißheit iſt.
An ſtatt des ſchwerdtes/ oder des mit Ruthen
umwundenen Richtbeiles/ welches nichts min-
der der Gerechtigkeit/ als der Buͤrgermeiſter
zu Rom Kennzeichen zu ſeyn pfleget/ hatte ſie
einen mit Schlangen umwundenen Herold-
Stab/ als das Merckmaal der Eintracht; weil
die Gerechtigkeit in den Haͤuſern oder in buͤr-
gerlichen Dingen nichts als die Eintracht/ und
mit dem Schwerdte mehr einer grauſamen
Atropos/ als einer ſo holden Tugend aͤhnlich iſt;
oder auch/ weil die gegen einander geſtellte
Schlangen nicht nur den Friede/ nemlich die
Gerechtigkeit des gemeinen Weſens und der
Herr;ſchafften; ſondern auch das Draͤuen gegen
die Widerſpenſtigen fuͤrbildet. Weſthalben
denn auch auf ihrer Schoos ein Horn des Uber-
fluſſes lag. Uberdis hatte ſie neben der gemei-
nen Wage in der lincken Hand einen ertztenen
weiten Ring das Zeichen der Verſehung/ als
welche im Himmel ebenfals nichts anders als
[Spaltenumbruch] die Gerechtigkeit iſt. Alſo ſtellte ſie ſich recht
gegen die Roͤmiſche aufs neue geſchloſſene
Schlacht-Ordnung/ und fieng mit einer ſcharf-
fen doch annehmlichen Stim̃e folgender Weiſe
an zu ſingen:

Jhr Roͤmer ſteckt die Waffen ein;
Tiber laß deinen Zorn verſchwinden;
Wer Deutſchland meint zu uͤberwinden/
Weiß nicht: daß Donan und der Rhein
Der Roͤm’ſchen Siege Graͤntz-Maal ſeyn.
Biſt du Tiber ein Herr der Welt;
So werde nicht ein Knecht des Neides/
Ein Stiffter deines eignen Leides.
Weil/ wenn der Mißgunſt was gefaͤllt/
Sie ihr nur Maͤngel ſelbſt ausſtellt.
Mein Urthel iſt fuͤrlaͤngſt gefaͤllt/
Fuͤrſt Herrmann ſey nur werth Thußneldens/
Und ſie ſo eines groſſen Heldens.
Wer nun was anders moͤglich haͤlt/
Glaͤubt kein Verhaͤngnuͤs in der Welt.
Eh wird der Sternen Baͤr den Fuß
Von Mitternacht nach Sud verruͤcken/
Eh dir dein Vorſatz wird geluͤcken;
Weil aller Welt Macht doch den Schluß
Des Himmels uͤbernehmen muß.

So bald dieſer Geſang’ geendiget war/ fieng
das gantze Roͤmiſche Heer gleichſam durch ein
Feld-Geſchꝛey an zu ꝛuffen: Niemand iſt Thuß-
neldens wuͤrdiger als Herrmann. Worauf
ſelbtes denn auch unter dem Gethoͤne der K[ꝛ]um-
hoͤrner in guter Ordnung aus dem Schauplatze
abzoh; alle Roͤmiſch gekleidete aber gegen dem
an der Spitze der Deutſchen zu Pferde halten-
den Feldherꝛn ihre Waffen und Kriegs-Zeichen
neigten. Kurtz hierauf aber erſchien ein Herold
in den Schauplatz/ welcher im Nahmen des
fuͤrgebildeten Tiberius den Feldherrn mit ſei-
nem Kriegs-Volcke und den gantzen Hof unte[r]
ſeine Zelten zu Gaſte einlud; weil er als ein
Frembdling ſie bequemer nicht zu bewirthen
wuͤſte. Wohin beyde/ und fuͤrnemlich das
Fuͤrſtliche Frauen-Zimmer zu Wagen mit
groͤſſerem Gepraͤnge/ als vorige Tage folgten;

weil
Erſter Theil. K k k k k k k k
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Zitationshilfe: Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689, S. 1361[1363]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lohenstein_feldherr01_1689/1429>, abgerufen am 23.11.2024.