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Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689.

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Arminius und Thußnelda.
[Spaltenumbruch] kommenen Neigungen nichts minder merck-
liche Nachahmungen vernünfftiger Schlüsse
von sich blicken ließen/ in dem sie bald nach der
Geburt die gifftigen Kräuter von den gesun-
den auszuschälen; den Schatten ihrer Feinde
zu fliehen; die Bienen so ordentlich eingetheilte
Gemächer/ die Spinnen so künstliche Netze/
die Papegoyen so vorsichtige Nester zu bauen
wüsten; ja die Hunde durch ihre bewehrte Treue
Masanißens Leibwache zu werden; die Stör-
che durch Aufachselung ihrer schwachen Eltern
den Ruhm des danckbaren Eneas; die Tauben
durch ihre betrübte Einsamkeit das Lob einer
Artemisie verdienten; so könte man so viel we-
niger denen natürlichen Regungen/ welche doch
in diesen Thieren nur unvollkommen seyn
solten/ ihren Preiß gar absprechen. Das Haupt
wäre freylich wol das Schloß der Vernunfft/
und der Sitz der Klugheit; aber das Hertze/ dar-
innen alle Regungen walleten/ hätte gleichwol
auch kein geringes Theil an rühmlichen Ent-
schlüßungen. Unser Leben würde ein rechtes
Eben-Vild des todten Meeres abgeben/ und
wie dis sonder Bewegung und Fische/ also jenes
ohne einiges Thun und Nutzen seyn/ wenn uns
die Gemüths-Regungen nicht von der erbärm-
lichen Schlaffsucht aufmunterten; ja das be-
trübte Leben uns verzuckerten; welches sonst
eine unaufhörliche Betrachtung unsers Elen-
des seyn würde. Führte man doch eines Uber-
wünders herrlich aufgeputztes Pferd mit in
dem Siegs-Gepränge auf; man behienge ein
aus einer See-Schlacht rückkehrendes Siegs-
Schiff mit köstlichen Tapeten; man stürtzte
die Waffen der Helden in Tempeln auf; da
doch diese nur Werckzeuge der Siegenden ge-
west wären. Warumb solte man denn die so
edlen Regungen des Gemüthes; welche in sich
selbst eine mehrere Lebhafftigkeit/ mit der Ver-
nunfft und Tugend auch eine nähere Verwand-
nüs hätten/ so gar unter die Banck stossen?
[Spaltenumbruch] Zwar wäre nicht zu läugnen: daß selbte einen
Menschen nichts minder in einen Affen zu ver-
stellen/ als in ihm einen Löwen vorzubilden ver-
möchten; sie wären aber des so heilsamen Mit-
telmaaßes und einer klugen Abtheilung aller-
dings fähig/ und also ihrer Eigenschafft nach
zur Vollkommenheit geschickter als zum Ge-
brechen. Die Natur brächte selten und kein-
mal vorsetzlich/ sondern durch frembden Zufall
und Hindernüs/ oder Unvermögen/ Kriepel
und Zwerge ans Licht; was für Lust solte sie
denn haben mit denen Regungen allezeit Miß-
geburten des Gemüthes zu gebehren? Zu was
Ende solte sie für den Leib so sorgfältig/ für die
Seele so unachtsam/ oder vielmehr grausam
seyn? da doch jener nur die Herberge/ diese
die Herrscherin in dem Menschen wäre. Die
Tugend hätte zwar in sich ihre Lebhafftigkeit
und Vollkommenheit/ wie die Sonne; aber
beyde müsten etwas haben außer sich/ in wel-
chem sie ihre Würckungen auslassen könten;
wo man sie nicht zu einer unbeseelten Seule
sonder Armen und Füsse zu einer müßigen
Fliegen-Fängerin machen; oder ihre Wür-
ckung nur in Träume und Einbildungen ver-
wandeln wolte. Denn GOtt alleine wäre
ein Kreiß der Vollkommenheit; welcher in sich
alles begrieffe/ und alles dessen/ was außer
ihm/ ohne Abgang entpehren könte. Diesem-
nach die Vernunfft eben so sehr die theils zu heff-
tigen/ theils zu todten Neigungen des Willens
zu Erreichung des in der Tugend allein befind-
lichen Mittelpuncts/ als der Leib eine gewisse
Abtheilung der Schwerde und Leichtigkeit/ des-
selben Gesundheit eine richtige Vermischung
der Wärmbde und Kälte/ die Welt theils Feuer
und Lufft/ theils Erde und Wasser/ und die
Jahres-Zeit nichts minder hitzigen Sonnen-
Schein/ als kühlende Regen/ Winde und
Schnee zu Erlangung ihres rechten Maasses
bedörfften. Ja diese Neigungen liessen nicht

nur
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Arminius und Thußnelda.
[Spaltenumbruch] kommenen Neigungen nichts minder merck-
liche Nachahmungen vernuͤnfftiger Schluͤſſe
von ſich blicken ließen/ in dem ſie bald nach der
Geburt die gifftigen Kraͤuter von den geſun-
den auszuſchaͤlen; den Schatten ihrer Feinde
zu fliehen; die Bienen ſo ordentlich eingetheilte
Gemaͤcher/ die Spinnen ſo kuͤnſtliche Netze/
die Papegoyen ſo vorſichtige Neſter zu bauen
wuͤſten; ja die Hunde durch ihre bewehꝛte Treue
Maſanißens Leibwache zu werden; die Stoͤr-
che durch Aufachſelung ihrer ſchwachen Eltern
den Ruhm des danckbaren Eneas; die Tauben
durch ihre betruͤbte Einſamkeit das Lob einer
Artemiſie verdienten; ſo koͤnte man ſo viel we-
niger denen natuͤrlichen Regungen/ welche doch
in dieſen Thieren nur unvollkommen ſeyn
ſolten/ ihren Preiß gar abſprechen. Das Haupt
waͤre freylich wol das Schloß der Vernunfft/
und der Sitz der Klugheit; aber das Hertze/ dar-
innen alle Regungen walleten/ haͤtte gleichwol
auch kein geringes Theil an ruͤhmlichen Ent-
ſchluͤßungen. Unſer Leben wuͤrde ein rechtes
Eben-Vild des todten Meeres abgeben/ und
wie dis ſonder Bewegung und Fiſche/ alſo jenes
ohne einiges Thun und Nutzen ſeyn/ wenn uns
die Gemuͤths-Regungen nicht von der erbaͤrm-
lichen Schlaffſucht aufmunterten; ja das be-
truͤbte Leben uns verzuckerten; welches ſonſt
eine unaufhoͤrliche Betrachtung unſers Elen-
des ſeyn wuͤrde. Fuͤhrte man doch eines Ubeꝛ-
wuͤnders herrlich aufgeputztes Pferd mit in
dem Siegs-Gepraͤnge auf; man behienge ein
aus einer See-Schlacht ruͤckkehrendes Siegs-
Schiff mit koͤſtlichen Tapeten; man ſtuͤrtzte
die Waffen der Helden in Tempeln auf; da
doch dieſe nur Werckzeuge der Siegenden ge-
weſt waͤren. Warumb ſolte man denn die ſo
edlen Regungen des Gemuͤthes; welche in ſich
ſelbſt eine mehrere Lebhafftigkeit/ mit der Ver-
nunfft und Tugend auch eine naͤhere Veꝛwand-
nuͤs haͤtten/ ſo gar unter die Banck ſtoſſen?
[Spaltenumbruch] Zwar waͤre nicht zu laͤugnen: daß ſelbte einen
Menſchen nichts minder in einen Affen zu ver-
ſtellen/ als in ihm einen Loͤwen vorzubilden ver-
moͤchten; ſie waͤren aber des ſo heilſamen Mit-
telmaaßes und einer klugen Abtheilung aller-
dings faͤhig/ und alſo ihrer Eigenſchafft nach
zur Vollkommenheit geſchickter als zum Ge-
brechen. Die Natur braͤchte ſelten und kein-
mal vorſetzlich/ ſondern durch frembden Zufall
und Hindernuͤs/ oder Unvermoͤgen/ Kriepel
und Zwerge ans Licht; was fuͤr Luſt ſolte ſie
denn haben mit denen Regungen allezeit Miß-
geburten des Gemuͤthes zu gebehren? Zu was
Ende ſolte ſie fuͤr den Leib ſo ſorgfaͤltig/ fuͤr die
Seele ſo unachtſam/ oder vielmehr grauſam
ſeyn? da doch jener nur die Herberge/ dieſe
die Herrſcherin in dem Menſchen waͤre. Die
Tugend haͤtte zwar in ſich ihre Lebhafftigkeit
und Vollkommenheit/ wie die Sonne; aber
beyde muͤſten etwas haben außer ſich/ in wel-
chem ſie ihre Wuͤrckungen auslaſſen koͤnten;
wo man ſie nicht zu einer unbeſeelten Seule
ſonder Armen und Fuͤſſe zu einer muͤßigen
Fliegen-Faͤngerin machen; oder ihre Wuͤr-
ckung nur in Traͤume und Einbildungen ver-
wandeln wolte. Denn GOtt alleine waͤre
ein Kreiß der Vollkommenheit; welcher in ſich
alles begrieffe/ und alles deſſen/ was außer
ihm/ ohne Abgang entpehren koͤnte. Dieſem-
nach die Vernunfft eben ſo ſehr die theils zu heff-
tigen/ theils zu todten Neigungen des Willens
zu Erreichung des in der Tugend allein befind-
lichen Mittelpuncts/ als der Leib eine gewiſſe
Abtheilung der Schwerde und Leichtigkeit/ deſ-
ſelben Geſundheit eine richtige Vermiſchung
der Waͤrmbde und Kaͤlte/ die Welt theils Feuer
und Lufft/ theils Erde und Waſſer/ und die
Jahres-Zeit nichts minder hitzigen Sonnen-
Schein/ als kuͤhlende Regen/ Winde und
Schnee zu Erlangung ihres rechten Maaſſes
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[1349[1351]/1417] Arminius und Thußnelda. kommenen Neigungen nichts minder merck- liche Nachahmungen vernuͤnfftiger Schluͤſſe von ſich blicken ließen/ in dem ſie bald nach der Geburt die gifftigen Kraͤuter von den geſun- den auszuſchaͤlen; den Schatten ihrer Feinde zu fliehen; die Bienen ſo ordentlich eingetheilte Gemaͤcher/ die Spinnen ſo kuͤnſtliche Netze/ die Papegoyen ſo vorſichtige Neſter zu bauen wuͤſten; ja die Hunde durch ihre bewehꝛte Treue Maſanißens Leibwache zu werden; die Stoͤr- che durch Aufachſelung ihrer ſchwachen Eltern den Ruhm des danckbaren Eneas; die Tauben durch ihre betruͤbte Einſamkeit das Lob einer Artemiſie verdienten; ſo koͤnte man ſo viel we- niger denen natuͤrlichen Regungen/ welche doch in dieſen Thieren nur unvollkommen ſeyn ſolten/ ihren Preiß gar abſprechen. Das Haupt waͤre freylich wol das Schloß der Vernunfft/ und der Sitz der Klugheit; aber das Hertze/ dar- innen alle Regungen walleten/ haͤtte gleichwol auch kein geringes Theil an ruͤhmlichen Ent- ſchluͤßungen. Unſer Leben wuͤrde ein rechtes Eben-Vild des todten Meeres abgeben/ und wie dis ſonder Bewegung und Fiſche/ alſo jenes ohne einiges Thun und Nutzen ſeyn/ wenn uns die Gemuͤths-Regungen nicht von der erbaͤrm- lichen Schlaffſucht aufmunterten; ja das be- truͤbte Leben uns verzuckerten; welches ſonſt eine unaufhoͤrliche Betrachtung unſers Elen- des ſeyn wuͤrde. Fuͤhrte man doch eines Ubeꝛ- wuͤnders herrlich aufgeputztes Pferd mit in dem Siegs-Gepraͤnge auf; man behienge ein aus einer See-Schlacht ruͤckkehrendes Siegs- Schiff mit koͤſtlichen Tapeten; man ſtuͤrtzte die Waffen der Helden in Tempeln auf; da doch dieſe nur Werckzeuge der Siegenden ge- weſt waͤren. Warumb ſolte man denn die ſo edlen Regungen des Gemuͤthes; welche in ſich ſelbſt eine mehrere Lebhafftigkeit/ mit der Ver- nunfft und Tugend auch eine naͤhere Veꝛwand- nuͤs haͤtten/ ſo gar unter die Banck ſtoſſen? Zwar waͤre nicht zu laͤugnen: daß ſelbte einen Menſchen nichts minder in einen Affen zu ver- ſtellen/ als in ihm einen Loͤwen vorzubilden ver- moͤchten; ſie waͤren aber des ſo heilſamen Mit- telmaaßes und einer klugen Abtheilung aller- dings faͤhig/ und alſo ihrer Eigenſchafft nach zur Vollkommenheit geſchickter als zum Ge- brechen. Die Natur braͤchte ſelten und kein- mal vorſetzlich/ ſondern durch frembden Zufall und Hindernuͤs/ oder Unvermoͤgen/ Kriepel und Zwerge ans Licht; was fuͤr Luſt ſolte ſie denn haben mit denen Regungen allezeit Miß- geburten des Gemuͤthes zu gebehren? Zu was Ende ſolte ſie fuͤr den Leib ſo ſorgfaͤltig/ fuͤr die Seele ſo unachtſam/ oder vielmehr grauſam ſeyn? da doch jener nur die Herberge/ dieſe die Herrſcherin in dem Menſchen waͤre. Die Tugend haͤtte zwar in ſich ihre Lebhafftigkeit und Vollkommenheit/ wie die Sonne; aber beyde muͤſten etwas haben außer ſich/ in wel- chem ſie ihre Wuͤrckungen auslaſſen koͤnten; wo man ſie nicht zu einer unbeſeelten Seule ſonder Armen und Fuͤſſe zu einer muͤßigen Fliegen-Faͤngerin machen; oder ihre Wuͤr- ckung nur in Traͤume und Einbildungen ver- wandeln wolte. Denn GOtt alleine waͤre ein Kreiß der Vollkommenheit; welcher in ſich alles begrieffe/ und alles deſſen/ was außer ihm/ ohne Abgang entpehren koͤnte. Dieſem- nach die Vernunfft eben ſo ſehr die theils zu heff- tigen/ theils zu todten Neigungen des Willens zu Erreichung des in der Tugend allein befind- lichen Mittelpuncts/ als der Leib eine gewiſſe Abtheilung der Schwerde und Leichtigkeit/ deſ- ſelben Geſundheit eine richtige Vermiſchung der Waͤrmbde und Kaͤlte/ die Welt theils Feuer und Lufft/ theils Erde und Waſſer/ und die Jahres-Zeit nichts minder hitzigen Sonnen- Schein/ als kuͤhlende Regen/ Winde und Schnee zu Erlangung ihres rechten Maaſſes bedoͤrfften. Ja dieſe Neigungen lieſſen nicht nur H h h h h h h h 3

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Zitationshilfe: Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689, S. 1349[1351]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lohenstein_feldherr01_1689/1417>, abgerufen am 06.05.2024.