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Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689.

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Arminius und Thußnelda.
[Spaltenumbruch] Bey so gestalten Sachen ward ich/ fuhr die im
Nahmen der Fürstin Tirchanis redende Asbla-
ste fort/ als eine Königin daselbst wie ein Wun-
derwerck angenommen. August selbst zohe mir
entgegen/ verehrte mich als eine Halb-Göttin/
vergrösserte mir zu Liebe die Einkommen der
Vestalischen Jungfrauen/ versetzte diesen Got-
tesdienst aus dem alten schlechten nach der Ge-
stalt der Erd-Kugel rundgebauten Tempel des
Numa/ in sein eigenes darzu eingeweihetes
Hauß/ zierte es mit Marmel/ Gold und Edel-
gesteinen aus/ verstattete ihnen/ wie vogtbaren
Haußmüttern im siebenden Jahre ihres Alters
schon einen letzten Willen zu machen/ eignete
selbten die Freyheiten zu/ welche die haben/ die
drey Kinder gebohren/ ja er gelobte unter sei-
nen Basen die erste die beste/ die das hierzu er-
forderte Alter erreichen würde/ in eben diß Hei-
ligthum zu wiedmen. Jch fand mich eine ziem-
liche Zeit darinnen überaus vergnügt/ und in ei-
ner erwünschten Gemüths-Ruh. Nach dem
aber meine Schwestern mir die rechten Heim-
ligkeiten ihres Gottesdienstes entdeckten; ward
ich gewahr: daß auch die Cimbrischen Jung-
frauen von der Reinigkeit unsers Vaterlandes
weit abgewiechen/ und ihr Glaube mit denen
Griechischen Getichten/ mit denen Persischen
und Römischen Aberglauben vermischt war; in
dem sie wieder unsere/ und ihre alte Gewonheit
ein Bild der Vesta/ welches in der lincken Hand
eine Fackel/ in der rechten eine Opffer-Schüs-
sel hielt/ und vor sich eine Drommel stehen hat-
te/ auf das Altar gesetzt hatten; und solches nicht
etwan als ein Bild der Göttlichen Eigenschaff-
ten/ sondern als einen wesentlichen GOtt ver-
ehrten; ja aus iedem Geschöpffe schier einen ab-
sondern GOtt machten. Weil nun diß den
ersten Grund-Stein des Cimbrischen Glau-
bens/ nehmlich die Einigkeit Gottes über einen
Hauffen zu werffen schien/ und mir über diß ein-
fiel: daß die keuschen Frauen/ welche schon ein-
mahl geheyrathet hatten/ wieder die Gewonheit
[Spaltenumbruch] der Cimbern und Griechen zu Bedienung der
Vesta unfähig seyn solten; hingegen sie nach
dreyßig-jähriger Bedienung der Vesta sich des
geweiheten Lebens gar entbrechen möchten; ü-
brigens aber die heiligen Jungfrauen bey allzu
zartem/ und ihre Fähigkeit zu prüfen nicht fä-
higem Alter (in dem keine unter sechs noch über
zehen Jahr ihres Alters dazu kam) erkieset/ und
nicht nur/ wenn sie kranck wurden/ sich aus dem
Heiligthume begeben/ sondern auch/ ausser ih-
rem Beschluß/ mit beyderley Geschlechte Ge-
meinschafft haben/ ja denen Fechtern und
Schauspielern zusehen; die Männer auch zwar
darinnen nicht übernachten/ aber täglich aus-
und eingehen dorfften/ also ihre Keuschheit und
Reinigkeit mehrmahls nicht wenig befleckt
ward/ und als ein unnützer Aberglaube übrig
blieb: daß sie nur schneeweiße Kleider tragen/
sich alles Blumwercks und Balsams enteussern/
ihnen auch die Haare abschneiden lassen musten.
Diesemnach fieng ich an unser Priesterin über
ein- und anderm meine Bedencken zu eröff-
nen/ und aus denen ältesten Büchern meinen
Gegen-Satz zu behaupten. Welches eine Wei-
le zwar zwischen uns verborgen blieb; aber die
von meinen Meynungen ziemlich eingenom-
mene Priesterin verschnaptesich gegen der Rö-
mischen Auffseherin Occia; welche dieses dem
Kayser/ als zugleich oberstem Priester nicht ver-
schweigen dorffte. Dieses bewegte ihn: daß er
alsbald/ ausser wenigen Sibyllinischen Bü-
chern/ alle andere/ und zwar derer über zwey-
tausend zu aller unser empfindlichem Leidwesen
öffentlich verbrennen/ jene aber noch darzu in
zwey güldene Schachteln verschlüssen/ und in
den Fuß des Palatinischen Apollo verstecken
ließ. Wiewol nun die Römische Priesterin
Occia dieses darmit abzulehnen meinte: daß ein
kluger Fürst die Glaubens-Zwistigkeiten in der
ersten Blüte dämpffen müste; weil hierinnen
die Neuigkeit nichts minder die Gemüther/ als
ein neuer Stern die Augen an sich lockte/ aber

auch
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Arminius und Thußnelda.
[Spaltenumbruch] Bey ſo geſtalten Sachen ward ich/ fuhr die im
Nahmen der Fuͤrſtin Tirchanis redende Asbla-
ſte fort/ als eine Koͤnigin daſelbſt wie ein Wun-
derwerck angenommen. Auguſt ſelbſt zohe mir
entgegen/ verehrte mich als eine Halb-Goͤttin/
vergroͤſſerte mir zu Liebe die Einkommen der
Veſtaliſchen Jungfrauen/ verſetzte dieſen Got-
tesdienſt aus dem alten ſchlechten nach der Ge-
ſtalt der Erd-Kugel rundgebauten Tempel des
Numa/ in ſein eigenes darzu eingeweihetes
Hauß/ zierte es mit Marmel/ Gold und Edel-
geſteinen aus/ verſtattete ihnen/ wie vogtbaren
Haußmuͤttern im ſiebenden Jahre ihres Alters
ſchon einen letzten Willen zu machen/ eignete
ſelbten die Freyheiten zu/ welche die haben/ die
drey Kinder gebohren/ ja er gelobte unter ſei-
nen Baſen die erſte die beſte/ die das hierzu er-
forderte Alter erreichen wuͤrde/ in eben diß Hei-
ligthum zu wiedmen. Jch fand mich eine ziem-
liche Zeit darinnen uͤberaus vergnuͤgt/ und in ei-
ner erwuͤnſchten Gemuͤths-Ruh. Nach dem
aber meine Schweſtern mir die rechten Heim-
ligkeiten ihres Gottesdienſtes entdeckten; ward
ich gewahr: daß auch die Cimbriſchen Jung-
frauen von der Reinigkeit unſers Vaterlandes
weit abgewiechen/ und ihr Glaube mit denen
Griechiſchen Getichten/ mit denen Perſiſchen
und Roͤmiſchen Aberglauben vermiſcht war; in
dem ſie wieder unſere/ und ihre alte Gewonheit
ein Bild der Veſta/ welches in der lincken Hand
eine Fackel/ in der rechten eine Opffer-Schuͤſ-
ſel hielt/ und vor ſich eine Drommel ſtehen hat-
te/ auf das Altar geſetzt hatten; und ſolches nicht
etwan als ein Bild der Goͤttlichen Eigenſchaff-
ten/ ſondern als einen weſentlichen GOtt ver-
ehrten; ja aus iedem Geſchoͤpffe ſchier einen ab-
ſondern GOtt machten. Weil nun diß den
erſten Grund-Stein des Cimbriſchen Glau-
bens/ nehmlich die Einigkeit Gottes uͤber einen
Hauffen zu werffen ſchien/ und miꝛ uͤber diß ein-
fiel: daß die keuſchen Frauen/ welche ſchon ein-
mahl geheyrathet hatten/ wieder die Gewonheit
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Veſta unfaͤhig ſeyn ſolten; hingegen ſie nach
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geweiheten Lebens gar entbrechen moͤchten; uͤ-
brigens aber die heiligen Jungfrauen bey allzu
zartem/ und ihre Faͤhigkeit zu pruͤfen nicht faͤ-
higem Alter (in dem keine unter ſechs noch uͤber
zehen Jahr ihres Alters dazu kam) erkieſet/ und
nicht nur/ wenn ſie kranck wurden/ ſich aus dem
Heiligthume begeben/ ſondern auch/ auſſer ih-
rem Beſchluß/ mit beyderley Geſchlechte Ge-
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und eingehen dorfften/ alſo ihre Keuſchheit und
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ward/ und als ein unnuͤtzer Aberglaube uͤbrig
blieb: daß ſie nur ſchneeweiße Kleider tragen/
ſich alles Blumwercks und Balſams enteuſſern/
ihnen auch die Haare abſchneiden laſſen muſten.
Dieſemnach fieng ich an unſer Prieſterin uͤber
ein- und anderm meine Bedencken zu eroͤff-
nen/ und aus denen aͤlteſten Buͤchern meinen
Gegen-Satz zu behaupten. Welches eine Wei-
le zwar zwiſchen uns verborgen blieb; aber die
von meinen Meynungen ziemlich eingenom-
mene Prieſterin verſchnapteſich gegen der Roͤ-
miſchen Auffſeherin Occia; welche dieſes dem
Kayſer/ als zugleich oberſtem Prieſter nicht ver-
ſchweigen dorffte. Dieſes bewegte ihn: daß er
alsbald/ auſſer wenigen Sibylliniſchen Buͤ-
chern/ alle andere/ und zwar derer uͤber zwey-
tauſend zu aller unſer empfindlichem Leidweſen
oͤffentlich verbrennen/ jene aber noch darzu in
zwey guͤldene Schachteln verſchluͤſſen/ und in
den Fuß des Palatiniſchen Apollo verſtecken
ließ. Wiewol nun die Roͤmiſche Prieſterin
Occia dieſes darmit abzulehnen meinte: daß ein
kluger Fuͤrſt die Glaubens-Zwiſtigkeiten in der
erſten Bluͤte daͤmpffen muͤſte; weil hierinnen
die Neuigkeit nichts minder die Gemuͤther/ als
ein neuer Stern die Augen an ſich lockte/ aber

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[1331[1333]/1399] Arminius und Thußnelda. Bey ſo geſtalten Sachen ward ich/ fuhr die im Nahmen der Fuͤrſtin Tirchanis redende Asbla- ſte fort/ als eine Koͤnigin daſelbſt wie ein Wun- derwerck angenommen. Auguſt ſelbſt zohe mir entgegen/ verehrte mich als eine Halb-Goͤttin/ vergroͤſſerte mir zu Liebe die Einkommen der Veſtaliſchen Jungfrauen/ verſetzte dieſen Got- tesdienſt aus dem alten ſchlechten nach der Ge- ſtalt der Erd-Kugel rundgebauten Tempel des Numa/ in ſein eigenes darzu eingeweihetes Hauß/ zierte es mit Marmel/ Gold und Edel- geſteinen aus/ verſtattete ihnen/ wie vogtbaren Haußmuͤttern im ſiebenden Jahre ihres Alters ſchon einen letzten Willen zu machen/ eignete ſelbten die Freyheiten zu/ welche die haben/ die drey Kinder gebohren/ ja er gelobte unter ſei- nen Baſen die erſte die beſte/ die das hierzu er- forderte Alter erreichen wuͤrde/ in eben diß Hei- ligthum zu wiedmen. Jch fand mich eine ziem- liche Zeit darinnen uͤberaus vergnuͤgt/ und in ei- ner erwuͤnſchten Gemuͤths-Ruh. Nach dem aber meine Schweſtern mir die rechten Heim- ligkeiten ihres Gottesdienſtes entdeckten; ward ich gewahr: daß auch die Cimbriſchen Jung- frauen von der Reinigkeit unſers Vaterlandes weit abgewiechen/ und ihr Glaube mit denen Griechiſchen Getichten/ mit denen Perſiſchen und Roͤmiſchen Aberglauben vermiſcht war; in dem ſie wieder unſere/ und ihre alte Gewonheit ein Bild der Veſta/ welches in der lincken Hand eine Fackel/ in der rechten eine Opffer-Schuͤſ- ſel hielt/ und vor ſich eine Drommel ſtehen hat- te/ auf das Altar geſetzt hatten; und ſolches nicht etwan als ein Bild der Goͤttlichen Eigenſchaff- ten/ ſondern als einen weſentlichen GOtt ver- ehrten; ja aus iedem Geſchoͤpffe ſchier einen ab- ſondern GOtt machten. Weil nun diß den erſten Grund-Stein des Cimbriſchen Glau- bens/ nehmlich die Einigkeit Gottes uͤber einen Hauffen zu werffen ſchien/ und miꝛ uͤber diß ein- fiel: daß die keuſchen Frauen/ welche ſchon ein- mahl geheyrathet hatten/ wieder die Gewonheit der Cimbern und Griechen zu Bedienung der Veſta unfaͤhig ſeyn ſolten; hingegen ſie nach dreyßig-jaͤhriger Bedienung der Veſta ſich des geweiheten Lebens gar entbrechen moͤchten; uͤ- brigens aber die heiligen Jungfrauen bey allzu zartem/ und ihre Faͤhigkeit zu pruͤfen nicht faͤ- higem Alter (in dem keine unter ſechs noch uͤber zehen Jahr ihres Alters dazu kam) erkieſet/ und nicht nur/ wenn ſie kranck wurden/ ſich aus dem Heiligthume begeben/ ſondern auch/ auſſer ih- rem Beſchluß/ mit beyderley Geſchlechte Ge- meinſchafft haben/ ja denen Fechtern und Schauſpielern zuſehen; die Maͤnner auch zwar darinnen nicht uͤbernachten/ aber taͤglich aus- und eingehen dorfften/ alſo ihre Keuſchheit und Reinigkeit mehrmahls nicht wenig befleckt ward/ und als ein unnuͤtzer Aberglaube uͤbrig blieb: daß ſie nur ſchneeweiße Kleider tragen/ ſich alles Blumwercks und Balſams enteuſſern/ ihnen auch die Haare abſchneiden laſſen muſten. Dieſemnach fieng ich an unſer Prieſterin uͤber ein- und anderm meine Bedencken zu eroͤff- nen/ und aus denen aͤlteſten Buͤchern meinen Gegen-Satz zu behaupten. Welches eine Wei- le zwar zwiſchen uns verborgen blieb; aber die von meinen Meynungen ziemlich eingenom- mene Prieſterin verſchnapteſich gegen der Roͤ- miſchen Auffſeherin Occia; welche dieſes dem Kayſer/ als zugleich oberſtem Prieſter nicht ver- ſchweigen dorffte. Dieſes bewegte ihn: daß er alsbald/ auſſer wenigen Sibylliniſchen Buͤ- chern/ alle andere/ und zwar derer uͤber zwey- tauſend zu aller unſer empfindlichem Leidweſen oͤffentlich verbrennen/ jene aber noch darzu in zwey guͤldene Schachteln verſchluͤſſen/ und in den Fuß des Palatiniſchen Apollo verſtecken ließ. Wiewol nun die Roͤmiſche Prieſterin Occia dieſes darmit abzulehnen meinte: daß ein kluger Fuͤrſt die Glaubens-Zwiſtigkeiten in der erſten Bluͤte daͤmpffen muͤſte; weil hierinnen die Neuigkeit nichts minder die Gemuͤther/ als ein neuer Stern die Augen an ſich lockte/ aber auch F f f f f f f f 2

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Zitationshilfe: Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689, S. 1331[1333]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lohenstein_feldherr01_1689/1399>, abgerufen am 23.11.2024.