Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689.Arminius und Thußnelda. [Spaltenumbruch]
weil das Ansehen die Seele des Gebietens/ einverächtlicher Herrscher aber mehr eine todte Leiche/ als ein Fürst ist; meinte ich wegen die- ser Zumuthungen meinem Reiche schon abge- storben/ und denen Unterthanen vorzustehen allzu ohnmächtig zu seyn. Daher ich/ unge- achtet alles Einredens/ und vieler hierüber ver- gossener Thränen/ den festen Schluß machte Thron und Zepter abzutreten/ und die Ein- samkeit der Alironischen Frauen zu erkiesen. Viel weise Leute haben die Ausschlagung ei- ner angetragenen Königs-Würde für eine fast unüberwindliche Anfechtung/ und die solcher Enteusserung mächtig wären/ für Riesen von einem grossen Hertzen/ und einem gesunden Kopffe gehalten; welche ohne Verblendung der Vernunfft/ und ohne Verwirrung des Ge- müthes einen solchen empfindlichen Dampff ü- berhin gehen liessen. Aber diese Versuchung reichet der nicht das Wasser; welche bey ange- ziel[t]er Vonsichstossung der höchsten Würde/ nach welcher sonst alle Seelen seuffzen/ ein ed- les Gemüthe anficht. Jch aber kan sonder ei- telen Ruhm wol sagen: daß ich meinen Königs- Krantz mit weniger Gemüths-Veränderung/ als einen Püschel verwelckter Rosen von mir geworffen/ und die Meinigen/ denen es zweif- fels-frey mehr um ihre/ als meine Erniedri- gung leid war/ gescholten habe; wie sie den Grund und den seichten Schein meiner Ent- schlüssung nicht zu unterscheiden wüsten; und für rathsamer hielten an geschmacken Speisen sich zu tode/ als durch eckelhaffte Rhabarber ge- sund essen. Wiewol ich nun die herrlichste Ge- legenheit hatte in meinem verlassenen Reiche dem Alironischen Gottesdienste beyzupflichten; traute ich mir doch nicht zu den Glantz der ver- lohrnen Hoheit ohne Aergernüs täglich für Au- gen zu haben; sondern entschloß mich zu denen in dem Belgischen Gallien an dem Fluße Sa- bis und der Maaß eingesessenen Cimbern/ oder nunmehr so genennten Aduatichern zu bege- [Spaltenumbruch] ben. Daselbst ward ich zwar von meinen al- ten Lands Leuten freundlich angenommen/ und höflich unterhalten; ich selbst aber weiß nicht ei- gentlich zu sagen/ durch was für einen Zug ich mich in die Entfernung von meinem sonst so geliebten Vaterlande noch immer mehr verlieb- te. Gleichwol aber halff hierzu der Aduati- schen Wahrsagerinnen selbsteigene Anleitung; welche nicht nur mir am heilsamsten/ sondern ih- nen ins gesamt am rühmlichsten zu seyn ver- meinten/ wenn ich mich zu Rom/ als in dem Gesichte der gantzen Welt in ihre Einsamkeit einsperrete; gleich als wenn der Gottesfurcht noch eiteles Gepränge anständig; und dersel- ben/ welche für Purper einen leinenen Kittel zu erkiesen bestimmt hätte/ das vorwitzige Auffsehen des unvernünfftigen Pöfels etwas dienlich wä- re. Nichts desto weniger waren diese kluge Frauen bey mir in so grossem Ansehen: daß ich alle ihre Worte für Göttliche Offenbahrungen/ und ihren Rath für überirrdische Leitung an- nahm. Jch kam also nach Rom/ und zwar zu der Zeit/ wenn die Sonne in Wider tritt/ und da die Vestalischen Jungfrauen das ewige Feu- er aus denen in einem Wasser-Becken zusam- men schüssenden Sonnen-Strahlen anzuzün- den pflegen. Unter denen Vestalischen Prie- sterinnen war die andere in der Würde die Cim- brische; welche über die Alironische Jungfrauen die Aufsicht hat/ und für alle Ausländer die An- dacht verrichtet. Diese waren vom Marius zu dem Vestalischen Heiligthume gelassen worden. Denn ob wol nach seiner den Cimbern versetzten Niederlage ihr Frauenzimmer; weil ihm in das Vestalische Heiligthum sich einzuschlüssen verweigert ward; nach einer hertzhafften und verzweiffelten Gegenwehr sich/ aus Beysor- ge verunehret zu werden/ fast alle eigenhän- dig tödteten; hatte doch Marius bey Durch- brechung der Cimbrischen Wagenburg das Glücke die wunderschöne Tochter des Kö- nigs Bojorichs Hiarnen/ welche so sehr von denen Erster Theil. F f f f f f f f
Arminius und Thußnelda. [Spaltenumbruch]
weil das Anſehen die Seele des Gebietens/ einveraͤchtlicher Herrſcher aber mehr eine todte Leiche/ als ein Fuͤrſt iſt; meinte ich wegen die- ſer Zumuthungen meinem Reiche ſchon abge- ſtorben/ und denen Unterthanen vorzuſtehen allzu ohnmaͤchtig zu ſeyn. Daher ich/ unge- achtet alles Einredens/ und vieler hieruͤber ver- goſſener Thraͤnen/ den feſten Schluß machte Thron und Zepter abzutreten/ und die Ein- ſamkeit der Alironiſchen Frauen zu erkieſen. Viel weiſe Leute haben die Ausſchlagung ei- ner angetragenen Koͤnigs-Wuͤrde fuͤr eine faſt unuͤberwindliche Anfechtung/ und die ſolcher Enteuſſerung maͤchtig waͤren/ fuͤr Rieſen von einem groſſen Hertzen/ und einem geſunden Kopffe gehalten; welche ohne Verblendung der Vernunfft/ und ohne Verwirrung des Ge- muͤthes einen ſolchen empfindlichen Dampff uͤ- berhin gehen lieſſen. Aber dieſe Verſuchung reichet der nicht das Waſſer; welche bey ange- ziel[t]er Vonſichſtoſſung der hoͤchſten Wuͤrde/ nach welcher ſonſt alle Seelen ſeuffzen/ ein ed- les Gemuͤthe anficht. Jch aber kan ſonder ei- telen Ruhm wol ſagen: daß ich meinen Koͤnigs- Krantz mit weniger Gemuͤths-Veraͤnderung/ als einen Puͤſchel verwelckter Roſen von mir geworffen/ und die Meinigen/ denen es zweif- fels-frey mehr um ihre/ als meine Erniedri- gung leid war/ geſcholten habe; wie ſie den Grund und den ſeichten Schein meiner Ent- ſchluͤſſung nicht zu unterſcheiden wuͤſten; und fuͤr rathſamer hielten an geſchmacken Speiſen ſich zu tode/ als durch eckelhaffte Rhabarber ge- ſund eſſen. Wiewol ich nun die herrlichſte Ge- legenheit hatte in meinem verlaſſenen Reiche dem Alironiſchen Gottesdienſte beyzupflichten; traute ich mir doch nicht zu den Glantz der ver- lohrnen Hoheit ohne Aergernuͤs taͤglich fuͤr Au- gen zu haben; ſondern entſchloß mich zu denen in dem Belgiſchen Gallien an dem Fluße Sa- bis und der Maaß eingeſeſſenen Cimbern/ oder nunmehr ſo genennten Aduatichern zu bege- [Spaltenumbruch] ben. Daſelbſt ward ich zwar von meinen al- ten Lands Leuten freundlich angenommen/ und hoͤflich unterhalten; ich ſelbſt aber weiß nicht ei- gentlich zu ſagen/ durch was fuͤr einen Zug ich mich in die Entfernung von meinem ſonſt ſo geliebten Vaterlande noch immer mehr verlieb- te. Gleichwol aber halff hierzu der Aduati- ſchen Wahrſagerinnen ſelbſteigene Anleitung; welche nicht nur mir am heilſamſten/ ſondern ih- nen ins geſamt am ruͤhmlichſten zu ſeyn ver- meinten/ wenn ich mich zu Rom/ als in dem Geſichte der gantzen Welt in ihre Einſamkeit einſperrete; gleich als wenn der Gottesfurcht noch eiteles Gepraͤnge anſtaͤndig; und derſel- ben/ welche fuͤr Purper einen leinenen Kittel zu erkieſen beſtim̃t haͤtte/ das vorwitzige Auffſehen des unvernuͤnfftigen Poͤfels etwas dienlich waͤ- re. Nichts deſto weniger waren dieſe kluge Frauen bey mir in ſo groſſem Anſehen: daß ich alle ihre Worte fuͤr Goͤttliche Offenbahrungen/ und ihren Rath fuͤr uͤberirrdiſche Leitung an- nahm. Jch kam alſo nach Rom/ und zwar zu der Zeit/ wenn die Sonne in Wider tritt/ und da die Veſtaliſchen Jungfrauen das ewige Feu- er aus denen in einem Waſſer-Becken zuſam- men ſchuͤſſenden Sonnen-Strahlen anzuzuͤn- den pflegen. Unter denen Veſtaliſchen Prie- ſterinnen war die andere in der Wuͤrde die Cim- briſche; welche uͤber die Alironiſche Jungfrauen die Aufſicht hat/ und fuͤr alle Auslaͤnder die An- dacht verrichtet. Dieſe waren vom Marius zu dem Veſtaliſchen Heiligthume gelaſſen woꝛden. Denn ob wol nach ſeiner den Cimbern verſetzten Niederlage ihr Frauenzimmer; weil ihm in das Veſtaliſche Heiligthum ſich einzuſchluͤſſen verweigert ward; nach einer hertzhafften und verzweiffelten Gegenwehr ſich/ aus Beyſor- ge verunehret zu werden/ faſt alle eigenhaͤn- dig toͤdteten; hatte doch Marius bey Durch- brechung der Cimbriſchen Wagenburg das Gluͤcke die wunderſchoͤne Tochter des Koͤ- nigs Bojorichs Hiarnen/ welche ſo ſehr von denen Erſter Theil. F f f f f f f f
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Arminius und Thußnelda.
weil das Anſehen die Seele des Gebietens/ ein
veraͤchtlicher Herrſcher aber mehr eine todte
Leiche/ als ein Fuͤrſt iſt; meinte ich wegen die-
ſer Zumuthungen meinem Reiche ſchon abge-
ſtorben/ und denen Unterthanen vorzuſtehen
allzu ohnmaͤchtig zu ſeyn. Daher ich/ unge-
achtet alles Einredens/ und vieler hieruͤber ver-
goſſener Thraͤnen/ den feſten Schluß machte
Thron und Zepter abzutreten/ und die Ein-
ſamkeit der Alironiſchen Frauen zu erkieſen.
Viel weiſe Leute haben die Ausſchlagung ei-
ner angetragenen Koͤnigs-Wuͤrde fuͤr eine faſt
unuͤberwindliche Anfechtung/ und die ſolcher
Enteuſſerung maͤchtig waͤren/ fuͤr Rieſen von
einem groſſen Hertzen/ und einem geſunden
Kopffe gehalten; welche ohne Verblendung
der Vernunfft/ und ohne Verwirrung des Ge-
muͤthes einen ſolchen empfindlichen Dampff uͤ-
berhin gehen lieſſen. Aber dieſe Verſuchung
reichet der nicht das Waſſer; welche bey ange-
zielter Vonſichſtoſſung der hoͤchſten Wuͤrde/
nach welcher ſonſt alle Seelen ſeuffzen/ ein ed-
les Gemuͤthe anficht. Jch aber kan ſonder ei-
telen Ruhm wol ſagen: daß ich meinen Koͤnigs-
Krantz mit weniger Gemuͤths-Veraͤnderung/
als einen Puͤſchel verwelckter Roſen von mir
geworffen/ und die Meinigen/ denen es zweif-
fels-frey mehr um ihre/ als meine Erniedri-
gung leid war/ geſcholten habe; wie ſie den
Grund und den ſeichten Schein meiner Ent-
ſchluͤſſung nicht zu unterſcheiden wuͤſten; und
fuͤr rathſamer hielten an geſchmacken Speiſen
ſich zu tode/ als durch eckelhaffte Rhabarber ge-
ſund eſſen. Wiewol ich nun die herrlichſte Ge-
legenheit hatte in meinem verlaſſenen Reiche
dem Alironiſchen Gottesdienſte beyzupflichten;
traute ich mir doch nicht zu den Glantz der ver-
lohrnen Hoheit ohne Aergernuͤs taͤglich fuͤr Au-
gen zu haben; ſondern entſchloß mich zu denen
in dem Belgiſchen Gallien an dem Fluße Sa-
bis und der Maaß eingeſeſſenen Cimbern/ oder
nunmehr ſo genennten Aduatichern zu bege-
ben. Daſelbſt ward ich zwar von meinen al-
ten Lands Leuten freundlich angenommen/ und
hoͤflich unterhalten; ich ſelbſt aber weiß nicht ei-
gentlich zu ſagen/ durch was fuͤr einen Zug ich
mich in die Entfernung von meinem ſonſt ſo
geliebten Vaterlande noch immer mehr verlieb-
te. Gleichwol aber halff hierzu der Aduati-
ſchen Wahrſagerinnen ſelbſteigene Anleitung;
welche nicht nur mir am heilſamſten/ ſondern ih-
nen ins geſamt am ruͤhmlichſten zu ſeyn ver-
meinten/ wenn ich mich zu Rom/ als in dem
Geſichte der gantzen Welt in ihre Einſamkeit
einſperrete; gleich als wenn der Gottesfurcht
noch eiteles Gepraͤnge anſtaͤndig; und derſel-
ben/ welche fuͤr Purper einen leinenen Kittel zu
erkieſen beſtim̃t haͤtte/ das vorwitzige Auffſehen
des unvernuͤnfftigen Poͤfels etwas dienlich waͤ-
re. Nichts deſto weniger waren dieſe kluge
Frauen bey mir in ſo groſſem Anſehen: daß ich
alle ihre Worte fuͤr Goͤttliche Offenbahrungen/
und ihren Rath fuͤr uͤberirrdiſche Leitung an-
nahm. Jch kam alſo nach Rom/ und zwar zu
der Zeit/ wenn die Sonne in Wider tritt/ und
da die Veſtaliſchen Jungfrauen das ewige Feu-
er aus denen in einem Waſſer-Becken zuſam-
men ſchuͤſſenden Sonnen-Strahlen anzuzuͤn-
den pflegen. Unter denen Veſtaliſchen Prie-
ſterinnen war die andere in der Wuͤrde die Cim-
briſche; welche uͤber die Alironiſche Jungfrauen
die Aufſicht hat/ und fuͤr alle Auslaͤnder die An-
dacht verrichtet. Dieſe waren vom Marius zu
dem Veſtaliſchen Heiligthume gelaſſen woꝛden.
Denn ob wol nach ſeiner den Cimbern verſetzten
Niederlage ihr Frauenzimmer; weil ihm in
das Veſtaliſche Heiligthum ſich einzuſchluͤſſen
verweigert ward; nach einer hertzhafften und
verzweiffelten Gegenwehr ſich/ aus Beyſor-
ge verunehret zu werden/ faſt alle eigenhaͤn-
dig toͤdteten; hatte doch Marius bey Durch-
brechung der Cimbriſchen Wagenburg das
Gluͤcke die wunderſchoͤne Tochter des Koͤ-
nigs Bojorichs Hiarnen/ welche ſo ſehr von
denen
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