Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689.

Bild:
<< vorherige Seite

Arminius und Thußnelda.
[Spaltenumbruch] und andere Wiedersetzligkeiten nicht verdü-
stern; als welcher erbötig wäre ihm nicht nur
seine Freyheit und alles abgenommene wieder
zu erstatten/ sondern auch alle Beleidigung mit
dem Schwamme ewiger Vergessenheit auszu-
leschen. Segesthes/ welcher vom Hertzog Herr-
mann die grausamste Ausübung der Rache wieder
sich besorgt hatte/ ward durch die erstere Ent-
bindung zwar etlicher massen aus dem Kum-
mer gesetzt; wiewol die Erkäntnüs seiner Schuld
ihm immer im Gedächtnüße/ und daher die
Beysorge der Straffe noch auff dem Hertzen
lag; durch diß letztere Anbieten aber so beschä-
met: daß er antwortete: Er wäre in wenig Ta-
gen von dem großmüthigen Herrmann zwey-
mahl überwunden worden; aber dieser letztere
Sieg übertreffe alle seine vorhergehende. Denn
jene Siege erstreckten sich nur über die eusserli-
chen Glieder; seine Begnadigung aber über
sein des Segesthens Gemüthe/ ja über sich
selbst. Seine Beleidigung überwiege das
Gewichte aller Verzeihung; Herrmanns Gü-
te aber übermeisterte auch die Unversohnligkeit
selbst. Nichts schlimmers und gefährlichers
wäre/ als zu dem Bösen einen Zug/ und für
dem Guten einen Eckel haben; Gleichwol aber
hätte er/ doch wüste er nicht aus was für Ver-
blendung oder Zauberey/ so sehr in der schädli-
chen Freundschafft der Römer sein Unglück/ als
die Mücken in dem Feuer ihren Tod gesucht.
Ja es hätte an dem Fürsten Herrmann nichts
so tugendhafftes geleuchtet; welches er nicht für
einen verführischen Jrrwisch an gesehen. Nun-
mehr aber erweichte ihm die Leitseligkeit dieses
wolthätigen Uberwinders sein eisernes Hertze;
und seine Klugheit zündete ihm durch die Ge-
geneinanderhaltung der Römischen Mord-
Schreiben ein soches Licht an: daß er von nun
an ihre Gemeinschafft verdammen/ und ihre
Freundschafft abschweren müste. Wenn ihn
Hertzog Herrmann nunmehr würdigte für sei-
nen Schweher anzunehmen/ wolte er sich be-
[Spaltenumbruch] mühen sein Diener zu seyn. Wenn er ihn aber
so gar mit dem Abgewonnenen beschencken wol-
te/ würde er ihm hingegen die Herrschafft über
sein Gemüthe einräumen. Diese durch den
Fürsten Jubil überbrachte Erklärung verur-
sachte bey dem Cheruskischen Hertzoge und
Thußnelden eine solche Vergnügung: daß sie
bald darauf Segesthen im Zimmer heimsuch-
ten/ und die/ welche allererst mehr als eine
Tod-Feindschafft gegen einander ausgeübt
hatten/ einander brüderlich umarmten. Ja Se-
gesthes selbst verordnete: daß das Feld bey Hen-
neberg zu einem unausleschlichen Gedächtnüs-
se der von Hertzog Herrmann darauff ausgeüb-
ten Heldenthaten den Nahmen Herrmanns-
feld ewig führen solte. Einen so grossen Vor-
zug hat die Tugend für den Lastern: daß je-
ner ihre eigene Feinde Lorber-Kräntze auffzu-
setzen; diese aber auch von denen/ die sie gleich
lieben/ verdammt werden müssen. Die Ver-
träuligkeit zwischen diesen Neuversöhnten ver-
mehrte sich alle Tage/ und Segesthes selbst ver-
anlaste den Cheruskischen Hertzog: daß er bey
denen verwirrten und also alles Gepränge
leicht entpehrenden Zeiten sein Beylager als-
bald zu Henneberg vollziehen solte. Alleine
Thußnelde selbst hielt um desselbten Auffschub
beweglich an; weil sie vorher ein gewisses Ge-
lübde in dem Tanfanischen Heiligthume abzu-
gelten hätte. Wiewol nun Hertzog Herrmann
sie gerne eines andern beredet hätte/ ihr auch
die unvermutheten Umschlagungen der Gele-
genheit/ welche man keinmahl aus den Händen
lassen solte/ und die veränderliche Beschaffenheit
der Gemüther mit dieser Erinnerung einhielt:
daß wer seine Genesung auff andere Zeit ver-
schiebt/ zur Zeit der Noth derselben ins gemein
entpehren müsse; lehnte sie doch solches mit ih-
rer gelobten Andacht bescheidentlich ab; und be-
wehrete: daß man nichts gewinne/ wenn man
schon etwas zu seinen Händen brächte; nichts
aber verliere/ was man der Hand Gottes auff-

zuheben

Arminius und Thußnelda.
[Spaltenumbruch] und andere Wiederſetzligkeiten nicht verduͤ-
ſtern; als welcher erboͤtig waͤre ihm nicht nur
ſeine Freyheit und alles abgenommene wieder
zu erſtatten/ ſondern auch alle Beleidigung mit
dem Schwamme ewiger Vergeſſenheit auszu-
leſchen. Segeſthes/ welcher vom Hertzog Herr-
mañ die grauſamſte Ausuͤbung der Rache wiedeꝛ
ſich beſorgt hatte/ ward durch die erſtere Ent-
bindung zwar etlicher maſſen aus dem Kum-
mer geſetzt; wiewol die Erkaͤntnuͤs ſeineꝛ Schuld
ihm immer im Gedaͤchtnuͤße/ und daher die
Beyſorge der Straffe noch auff dem Hertzen
lag; durch diß letztere Anbieten aber ſo beſchaͤ-
met: daß er antwortete: Er waͤre in wenig Ta-
gen von dem großmuͤthigen Herrmann zwey-
mahl uͤberwunden worden; aber dieſer letztere
Sieg uͤbertreffe alle ſeine vorhergehende. Deñ
jene Siege erſtreckten ſich nur uͤber die euſſerli-
chen Glieder; ſeine Begnadigung aber uͤber
ſein des Segeſthens Gemuͤthe/ ja uͤber ſich
ſelbſt. Seine Beleidigung uͤberwiege das
Gewichte aller Verzeihung; Herrmanns Guͤ-
te aber uͤbermeiſterte auch die Unverſohnligkeit
ſelbſt. Nichts ſchlimmers und gefaͤhrlichers
waͤre/ als zu dem Boͤſen einen Zug/ und fuͤr
dem Guten einen Eckel haben; Gleichwol aber
haͤtte er/ doch wuͤſte er nicht aus was fuͤr Ver-
blendung oder Zauberey/ ſo ſehr in der ſchaͤdli-
chen Freundſchafft der Roͤmer ſein Ungluͤck/ als
die Muͤcken in dem Feuer ihren Tod geſucht.
Ja es haͤtte an dem Fuͤrſten Herrmann nichts
ſo tugendhafftes geleuchtet; welches er nicht fuͤr
einen verfuͤhriſchen Jrrwiſch an geſehen. Nun-
mehr aber erweichte ihm die Leitſeligkeit dieſes
wolthaͤtigen Uberwinders ſein eiſernes Hertze;
und ſeine Klugheit zuͤndete ihm durch die Ge-
geneinanderhaltung der Roͤmiſchen Mord-
Schreiben ein ſoches Licht an: daß er von nun
an ihre Gemeinſchafft verdammen/ und ihre
Freundſchafft abſchweren muͤſte. Wenn ihn
Hertzog Herrmann nunmehr wuͤrdigte fuͤr ſei-
nen Schweher anzunehmen/ wolte er ſich be-
[Spaltenumbruch] muͤhen ſein Diener zu ſeyn. Wenn er ihn aber
ſo gar mit dem Abgewonnenen beſchencken wol-
te/ wuͤrde er ihm hingegen die Herrſchafft uͤber
ſein Gemuͤthe einraͤumen. Dieſe durch den
Fuͤrſten Jubil uͤberbrachte Erklaͤrung verur-
ſachte bey dem Cheruskiſchen Hertzoge und
Thußnelden eine ſolche Vergnuͤgung: daß ſie
bald darauf Segeſthen im Zimmer heimſuch-
ten/ und die/ welche allererſt mehr als eine
Tod-Feindſchafft gegen einander ausgeuͤbt
hatten/ einander bruͤderlich umarmten. Ja Se-
geſthes ſelbſt verordnete: daß das Feld bey Hen-
neberg zu einem unausleſchlichen Gedaͤchtnuͤſ-
ſe der von Hertzog Herrmann darauff ausgeuͤb-
ten Heldenthaten den Nahmen Herrmanns-
feld ewig fuͤhren ſolte. Einen ſo groſſen Vor-
zug hat die Tugend fuͤr den Laſtern: daß je-
ner ihre eigene Feinde Lorber-Kraͤntze auffzu-
ſetzen; dieſe aber auch von denen/ die ſie gleich
lieben/ verdammt werden muͤſſen. Die Ver-
traͤuligkeit zwiſchen dieſen Neuverſoͤhnten ver-
mehrte ſich alle Tage/ und Segeſthes ſelbſt ver-
anlaſte den Cheruskiſchen Hertzog: daß er bey
denen verwirrten und alſo alles Gepraͤnge
leicht entpehrenden Zeiten ſein Beylager als-
bald zu Henneberg vollziehen ſolte. Alleine
Thußnelde ſelbſt hielt um deſſelbten Auffſchub
beweglich an; weil ſie vorher ein gewiſſes Ge-
luͤbde in dem Tanfaniſchen Heiligthume abzu-
gelten haͤtte. Wiewol nun Hertzog Herrmann
ſie gerne eines andern beredet haͤtte/ ihr auch
die unvermutheten Umſchlagungen der Gele-
genheit/ welche man keinmahl aus den Haͤnden
laſſen ſolte/ und die veraͤnderliche Beſchaffenheit
der Gemuͤther mit dieſer Erinnerung einhielt:
daß wer ſeine Geneſung auff andere Zeit ver-
ſchiebt/ zur Zeit der Noth derſelben ins gemein
entpehren muͤſſe; lehnte ſie doch ſolches mit ih-
rer gelobten Andacht beſcheidentlich ab; und be-
wehrete: daß man nichts gewinne/ wenn man
ſchon etwas zu ſeinen Haͤnden braͤchte; nichts
aber verliere/ was man der Hand Gottes auff-

zuheben
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f1377" n="1311[1313]"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Arminius und Thußnelda.</hi></fw><lb/><cb/>
und andere Wieder&#x017F;etzligkeiten nicht verdu&#x0364;-<lb/>
&#x017F;tern; als welcher erbo&#x0364;tig wa&#x0364;re ihm nicht nur<lb/>
&#x017F;eine Freyheit und alles abgenommene wieder<lb/>
zu er&#x017F;tatten/ &#x017F;ondern auch alle Beleidigung mit<lb/>
dem Schwamme ewiger Verge&#x017F;&#x017F;enheit auszu-<lb/>
le&#x017F;chen. Sege&#x017F;thes/ welcher vom Hertzog Herr-<lb/>
man&#x0303; die grau&#x017F;am&#x017F;te Ausu&#x0364;bung der Rache wiede&#xA75B;<lb/>
&#x017F;ich be&#x017F;orgt hatte/ ward durch die er&#x017F;tere Ent-<lb/>
bindung zwar etlicher ma&#x017F;&#x017F;en aus dem Kum-<lb/>
mer ge&#x017F;etzt; wiewol die Erka&#x0364;ntnu&#x0364;s &#x017F;eine&#xA75B; Schuld<lb/>
ihm immer im Geda&#x0364;chtnu&#x0364;ße/ und daher die<lb/>
Bey&#x017F;orge der Straffe noch auff dem Hertzen<lb/>
lag; durch diß letztere Anbieten aber &#x017F;o be&#x017F;cha&#x0364;-<lb/>
met: daß er antwortete: Er wa&#x0364;re in wenig Ta-<lb/>
gen von dem großmu&#x0364;thigen Herrmann zwey-<lb/>
mahl u&#x0364;berwunden worden; aber die&#x017F;er letztere<lb/>
Sieg u&#x0364;bertreffe alle &#x017F;eine vorhergehende. Den&#x0303;<lb/>
jene Siege er&#x017F;treckten &#x017F;ich nur u&#x0364;ber die eu&#x017F;&#x017F;erli-<lb/>
chen Glieder; &#x017F;eine Begnadigung aber u&#x0364;ber<lb/>
&#x017F;ein des Sege&#x017F;thens Gemu&#x0364;the/ ja u&#x0364;ber &#x017F;ich<lb/>
&#x017F;elb&#x017F;t. Seine Beleidigung u&#x0364;berwiege das<lb/>
Gewichte aller Verzeihung; Herrmanns Gu&#x0364;-<lb/>
te aber u&#x0364;bermei&#x017F;terte auch die Unver&#x017F;ohnligkeit<lb/>
&#x017F;elb&#x017F;t. Nichts &#x017F;chlimmers und gefa&#x0364;hrlichers<lb/>
wa&#x0364;re/ als zu dem Bo&#x0364;&#x017F;en einen Zug/ und fu&#x0364;r<lb/>
dem Guten einen Eckel haben; Gleichwol aber<lb/>
ha&#x0364;tte er/ doch wu&#x0364;&#x017F;te er nicht aus was fu&#x0364;r Ver-<lb/>
blendung oder Zauberey/ &#x017F;o &#x017F;ehr in der &#x017F;cha&#x0364;dli-<lb/>
chen Freund&#x017F;chafft der Ro&#x0364;mer &#x017F;ein Unglu&#x0364;ck/ als<lb/>
die Mu&#x0364;cken in dem Feuer ihren Tod ge&#x017F;ucht.<lb/>
Ja es ha&#x0364;tte an dem Fu&#x0364;r&#x017F;ten Herrmann nichts<lb/>
&#x017F;o tugendhafftes geleuchtet; welches er nicht fu&#x0364;r<lb/>
einen verfu&#x0364;hri&#x017F;chen Jrrwi&#x017F;ch an ge&#x017F;ehen. Nun-<lb/>
mehr aber erweichte ihm die Leit&#x017F;eligkeit die&#x017F;es<lb/>
woltha&#x0364;tigen Uberwinders &#x017F;ein ei&#x017F;ernes Hertze;<lb/>
und &#x017F;eine Klugheit zu&#x0364;ndete ihm durch die Ge-<lb/>
geneinanderhaltung der Ro&#x0364;mi&#x017F;chen Mord-<lb/>
Schreiben ein &#x017F;oches Licht an: daß er von nun<lb/>
an ihre Gemein&#x017F;chafft verdammen/ und ihre<lb/>
Freund&#x017F;chafft ab&#x017F;chweren mu&#x0364;&#x017F;te. Wenn ihn<lb/>
Hertzog Herrmann nunmehr wu&#x0364;rdigte fu&#x0364;r &#x017F;ei-<lb/>
nen Schweher anzunehmen/ wolte er &#x017F;ich be-<lb/><cb/>
mu&#x0364;hen &#x017F;ein Diener zu &#x017F;eyn. Wenn er ihn aber<lb/>
&#x017F;o gar mit dem Abgewonnenen be&#x017F;chencken wol-<lb/>
te/ wu&#x0364;rde er ihm hingegen die Herr&#x017F;chafft u&#x0364;ber<lb/>
&#x017F;ein Gemu&#x0364;the einra&#x0364;umen. Die&#x017F;e durch den<lb/>
Fu&#x0364;r&#x017F;ten Jubil u&#x0364;berbrachte Erkla&#x0364;rung verur-<lb/>
&#x017F;achte bey dem Cheruski&#x017F;chen Hertzoge und<lb/>
Thußnelden eine &#x017F;olche Vergnu&#x0364;gung: daß &#x017F;ie<lb/>
bald darauf Sege&#x017F;then im Zimmer heim&#x017F;uch-<lb/>
ten/ und die/ welche allerer&#x017F;t mehr als eine<lb/>
Tod-Feind&#x017F;chafft gegen einander ausgeu&#x0364;bt<lb/>
hatten/ einander bru&#x0364;derlich umarmten. Ja Se-<lb/>
ge&#x017F;thes &#x017F;elb&#x017F;t verordnete: daß das Feld bey Hen-<lb/>
neberg zu einem unausle&#x017F;chlichen Geda&#x0364;chtnu&#x0364;&#x017F;-<lb/>
&#x017F;e der von Hertzog Herrmann darauff ausgeu&#x0364;b-<lb/>
ten Heldenthaten den Nahmen Herrmanns-<lb/>
feld ewig fu&#x0364;hren &#x017F;olte. Einen &#x017F;o gro&#x017F;&#x017F;en Vor-<lb/>
zug hat die Tugend fu&#x0364;r den La&#x017F;tern: daß je-<lb/>
ner ihre eigene Feinde Lorber-Kra&#x0364;ntze auffzu-<lb/>
&#x017F;etzen; die&#x017F;e aber auch von denen/ die &#x017F;ie gleich<lb/>
lieben/ verdammt werden mu&#x0364;&#x017F;&#x017F;en. Die Ver-<lb/>
tra&#x0364;uligkeit zwi&#x017F;chen die&#x017F;en Neuver&#x017F;o&#x0364;hnten ver-<lb/>
mehrte &#x017F;ich alle Tage/ und Sege&#x017F;thes &#x017F;elb&#x017F;t ver-<lb/>
anla&#x017F;te den Cheruski&#x017F;chen Hertzog: daß er bey<lb/>
denen verwirrten und al&#x017F;o alles Gepra&#x0364;nge<lb/>
leicht entpehrenden Zeiten &#x017F;ein Beylager als-<lb/>
bald zu Henneberg vollziehen &#x017F;olte. Alleine<lb/>
Thußnelde &#x017F;elb&#x017F;t hielt um de&#x017F;&#x017F;elbten Auff&#x017F;chub<lb/>
beweglich an; weil &#x017F;ie vorher ein gewi&#x017F;&#x017F;es Ge-<lb/>
lu&#x0364;bde in dem Tanfani&#x017F;chen Heiligthume abzu-<lb/>
gelten ha&#x0364;tte. Wiewol nun Hertzog Herrmann<lb/>
&#x017F;ie gerne eines andern beredet ha&#x0364;tte/ ihr auch<lb/>
die unvermutheten Um&#x017F;chlagungen der Gele-<lb/>
genheit/ welche man keinmahl aus den Ha&#x0364;nden<lb/>
la&#x017F;&#x017F;en &#x017F;olte/ und die vera&#x0364;nderliche Be&#x017F;chaffenheit<lb/>
der Gemu&#x0364;ther mit die&#x017F;er Erinnerung einhielt:<lb/>
daß wer &#x017F;eine Gene&#x017F;ung auff andere Zeit ver-<lb/>
&#x017F;chiebt/ zur Zeit der Noth der&#x017F;elben ins gemein<lb/>
entpehren mu&#x0364;&#x017F;&#x017F;e; lehnte &#x017F;ie doch &#x017F;olches mit ih-<lb/>
rer gelobten Andacht be&#x017F;cheidentlich ab; und be-<lb/>
wehrete: daß man nichts gewinne/ wenn man<lb/>
&#x017F;chon etwas zu &#x017F;einen Ha&#x0364;nden bra&#x0364;chte; nichts<lb/>
aber verliere/ was man der Hand Gottes auff-<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">zuheben</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[1311[1313]/1377] Arminius und Thußnelda. und andere Wiederſetzligkeiten nicht verduͤ- ſtern; als welcher erboͤtig waͤre ihm nicht nur ſeine Freyheit und alles abgenommene wieder zu erſtatten/ ſondern auch alle Beleidigung mit dem Schwamme ewiger Vergeſſenheit auszu- leſchen. Segeſthes/ welcher vom Hertzog Herr- mañ die grauſamſte Ausuͤbung der Rache wiedeꝛ ſich beſorgt hatte/ ward durch die erſtere Ent- bindung zwar etlicher maſſen aus dem Kum- mer geſetzt; wiewol die Erkaͤntnuͤs ſeineꝛ Schuld ihm immer im Gedaͤchtnuͤße/ und daher die Beyſorge der Straffe noch auff dem Hertzen lag; durch diß letztere Anbieten aber ſo beſchaͤ- met: daß er antwortete: Er waͤre in wenig Ta- gen von dem großmuͤthigen Herrmann zwey- mahl uͤberwunden worden; aber dieſer letztere Sieg uͤbertreffe alle ſeine vorhergehende. Deñ jene Siege erſtreckten ſich nur uͤber die euſſerli- chen Glieder; ſeine Begnadigung aber uͤber ſein des Segeſthens Gemuͤthe/ ja uͤber ſich ſelbſt. Seine Beleidigung uͤberwiege das Gewichte aller Verzeihung; Herrmanns Guͤ- te aber uͤbermeiſterte auch die Unverſohnligkeit ſelbſt. Nichts ſchlimmers und gefaͤhrlichers waͤre/ als zu dem Boͤſen einen Zug/ und fuͤr dem Guten einen Eckel haben; Gleichwol aber haͤtte er/ doch wuͤſte er nicht aus was fuͤr Ver- blendung oder Zauberey/ ſo ſehr in der ſchaͤdli- chen Freundſchafft der Roͤmer ſein Ungluͤck/ als die Muͤcken in dem Feuer ihren Tod geſucht. Ja es haͤtte an dem Fuͤrſten Herrmann nichts ſo tugendhafftes geleuchtet; welches er nicht fuͤr einen verfuͤhriſchen Jrrwiſch an geſehen. Nun- mehr aber erweichte ihm die Leitſeligkeit dieſes wolthaͤtigen Uberwinders ſein eiſernes Hertze; und ſeine Klugheit zuͤndete ihm durch die Ge- geneinanderhaltung der Roͤmiſchen Mord- Schreiben ein ſoches Licht an: daß er von nun an ihre Gemeinſchafft verdammen/ und ihre Freundſchafft abſchweren muͤſte. Wenn ihn Hertzog Herrmann nunmehr wuͤrdigte fuͤr ſei- nen Schweher anzunehmen/ wolte er ſich be- muͤhen ſein Diener zu ſeyn. Wenn er ihn aber ſo gar mit dem Abgewonnenen beſchencken wol- te/ wuͤrde er ihm hingegen die Herrſchafft uͤber ſein Gemuͤthe einraͤumen. Dieſe durch den Fuͤrſten Jubil uͤberbrachte Erklaͤrung verur- ſachte bey dem Cheruskiſchen Hertzoge und Thußnelden eine ſolche Vergnuͤgung: daß ſie bald darauf Segeſthen im Zimmer heimſuch- ten/ und die/ welche allererſt mehr als eine Tod-Feindſchafft gegen einander ausgeuͤbt hatten/ einander bruͤderlich umarmten. Ja Se- geſthes ſelbſt verordnete: daß das Feld bey Hen- neberg zu einem unausleſchlichen Gedaͤchtnuͤſ- ſe der von Hertzog Herrmann darauff ausgeuͤb- ten Heldenthaten den Nahmen Herrmanns- feld ewig fuͤhren ſolte. Einen ſo groſſen Vor- zug hat die Tugend fuͤr den Laſtern: daß je- ner ihre eigene Feinde Lorber-Kraͤntze auffzu- ſetzen; dieſe aber auch von denen/ die ſie gleich lieben/ verdammt werden muͤſſen. Die Ver- traͤuligkeit zwiſchen dieſen Neuverſoͤhnten ver- mehrte ſich alle Tage/ und Segeſthes ſelbſt ver- anlaſte den Cheruskiſchen Hertzog: daß er bey denen verwirrten und alſo alles Gepraͤnge leicht entpehrenden Zeiten ſein Beylager als- bald zu Henneberg vollziehen ſolte. Alleine Thußnelde ſelbſt hielt um deſſelbten Auffſchub beweglich an; weil ſie vorher ein gewiſſes Ge- luͤbde in dem Tanfaniſchen Heiligthume abzu- gelten haͤtte. Wiewol nun Hertzog Herrmann ſie gerne eines andern beredet haͤtte/ ihr auch die unvermutheten Umſchlagungen der Gele- genheit/ welche man keinmahl aus den Haͤnden laſſen ſolte/ und die veraͤnderliche Beſchaffenheit der Gemuͤther mit dieſer Erinnerung einhielt: daß wer ſeine Geneſung auff andere Zeit ver- ſchiebt/ zur Zeit der Noth derſelben ins gemein entpehren muͤſſe; lehnte ſie doch ſolches mit ih- rer gelobten Andacht beſcheidentlich ab; und be- wehrete: daß man nichts gewinne/ wenn man ſchon etwas zu ſeinen Haͤnden braͤchte; nichts aber verliere/ was man der Hand Gottes auff- zuheben

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/lohenstein_feldherr01_1689
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/lohenstein_feldherr01_1689/1377
Zitationshilfe: Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689, S. 1311[1313]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lohenstein_feldherr01_1689/1377>, abgerufen am 06.05.2024.