Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689.

Bild:
<< vorherige Seite

Arminius und Thußnelda.
[Spaltenumbruch] einem ansehnlichen und tapffern Marckmän-
nischen Soldaten/ so hefftig in den Nacken ver-
wundet: daß er von häuffiger Verblutung kaum
die Kräfften auff dem Pferde zu bleiben/ und
sich gegen die ihn anfallenden zu beschirmen be-
hielt. Wenig Cherusker waren auch/ die nicht
drey oder mehr Wunden bekommen hatten;
Bodendorff/ Bardeleben/ Meysenburg/ Spie-
gel/ Kampen/ Mingerode/ Heym/ Reden/ Bu-
ren/ Bodenhausen/ Zwydorn/ Hermßdorff/
und über sechzig andere hatten schon auch ihren
Helden-Geist/ wiewol nach Aufopfferung wol
siebenmahl so vieler Feinde aus geblasen. Die
übrigen Cherusker waren so im Gedrange: daß
sie schienen verlohren zu seyn; als dem Grafen
von Lingen Gnesebeck mit fünffhundert Che-
ruskern zu Hülffe/ wie auch ein ander unbe-
kandter Ritter mit tausend Hermundurern an
den Meyn-Furth kam/ und dem Ritter Stern-
berg in Rücken gieng; also dem in der eusser-
sten Noth steckenden Herrmann auf der einen
Seite Lufft machte. Wenige Zeit darnach
schwemmeten andere fünffhundert Cherusker
oberhalb/ und so viel Hermundurer unterhalb
über den Meyn/ wormit sich das Blat an allen
Orten wendete/ indem nicht nur der rings her-
um besetzte Malzan erlöset/ die Caßuarier auch
in die Flucht getrieben; sondern die Marck-
männer von dem Hertzog Herrmann/ dem Füh-
rer der Hermundurer/ und dem Grafen von
Lingen an dem Flusse in die Mitte eingeschlos-
sen/ und biß auf wenig sich in das Gebürge
Flüchtende und dreyhundert Gefangene nie-
dergemacht wurden. Als nun alles vorbey/
Hertzog Herrmann aber/ ob ihm diese Hülffe
vom Himmel gefallen wäre/ bekümmert war/
sonderlich/ weil die Hermundurer ja des Kö-
nigs Marbod Unterthanen waren/ kam ihr
Führer/ nahm den Helm mit sonderbarer Ehr-
erbietung gegen den Cheruskischen Hertzog
vom Haupte; welchen er denn für den vertrie-
benen Fürsten der Hermundurer Jubil erkenn-
[Spaltenumbruch] te/ und als seinen vertrauten Freund und Noth-
helffer vertraulich umarmte; wordurch ihm denn
ein genungsames Licht aufgesteckt ward. Sin-
temahl ihm gar wol bewust war: daß dieser vom
Marbod seines Landes entsetzte Fürst/ bey der
zwischen den Marckmännern und Römern sich
entspinnender Zwietracht/ zwey tausend ver-
triebene Hermundurer/ nebst tausend freywil-
ligen Cheruskern zusammen gezogen/ und dem
Tiberius wieder den Marbod beyzustehen sich
biß an die Donau gezogen hatten. Worauf nun-
mehr Jubil erzehlte: daß als er nach dem zwi-
schen dem Tiberius und Marbod gemachten
Vergleiche seinen Weg wieder in Nieder-
Deutschland hätte nehmen wollen; er nicht nur
diesen Tag das Glücke gehabt gegen den Her-
tzog Herrmann die unvergeltbare Wolthat sei-
ner Aufnehmung/ nach dem sonst die Unglück-
seligen keine Freunde oder Bekandten zu haben
pflegten/ durch einen geringen Beystand zu
vergelten; sondern auch seinem Tod - Feinde
sein werthestes Kleinod abzunehmen/ und dar-
bey ein paar tausend Marckmännern das Licht
auszuleschen; welches beydes ihm zu zeigen er
den Hertzog Herrmann über den Meyn auff die
über und über mit Leichen bedeckte Wallstatt
führte/ und daselbst ihm die von tausend Her-
mundurern und Cheruskern verwahrte Für-
stin Adelgund des Marbods Tochter/ als eine
Gefangene zeigte; auch den Ritter Gnesebeck
wegen seiner Tapfferkeit rühmete. Hertzog
Herrmann/ welcher auff Maltzans Bericht in-
zwischen seine Thußnelde wieder aus dem
Walde zu suchen Befehl ertheilt hatte/ erzeig-
te der Fürstin Adelgund alle Höfligkeit/ und ein
Mitleiden über ihrem Unglücke; welches sie
nach Vernehmung/ wer er wäre/ mit einer be-
sondern Anmuth/ und ohne das geringste
Merckmahl einiger Furcht oder Schreckens
annahm/ auch auff Befragen ihm Nachricht
gab: daß sie Marbod mit drey tausend Marck-
männern der Fürstin Thußnelde biß an den

Meyn

Arminius und Thußnelda.
[Spaltenumbruch] einem anſehnlichen und tapffern Marckmaͤn-
niſchen Soldaten/ ſo hefftig in den Nacken ver-
wundet: daß er von haͤuffiger Verblutung kaum
die Kraͤfften auff dem Pferde zu bleiben/ und
ſich gegen die ihn anfallenden zu beſchirmen be-
hielt. Wenig Cherusker waren auch/ die nicht
drey oder mehr Wunden bekommen hatten;
Bodendorff/ Bardeleben/ Meyſenburg/ Spie-
gel/ Kampen/ Mingerode/ Heym/ Reden/ Bu-
ren/ Bodenhauſen/ Zwydorn/ Hermßdorff/
und uͤber ſechzig andere hatten ſchon auch ihren
Helden-Geiſt/ wiewol nach Aufopfferung wol
ſiebenmahl ſo vieler Feinde aus geblaſen. Die
uͤbrigen Cherusker waren ſo im Gedrange: daß
ſie ſchienen verlohren zu ſeyn; als dem Grafen
von Lingen Gneſebeck mit fuͤnffhundert Che-
ruskern zu Huͤlffe/ wie auch ein ander unbe-
kandter Ritter mit tauſend Hermundurern an
den Meyn-Furth kam/ und dem Ritter Stern-
berg in Ruͤcken gieng; alſo dem in der euſſer-
ſten Noth ſteckenden Herrmann auf der einen
Seite Lufft machte. Wenige Zeit darnach
ſchwemmeten andere fuͤnffhundert Cherusker
oberhalb/ und ſo viel Hermundurer unterhalb
uͤber den Meyn/ wormit ſich das Blat an allen
Orten wendete/ indem nicht nur der rings her-
um beſetzte Malzan erloͤſet/ die Caßuarier auch
in die Flucht getrieben; ſondern die Marck-
maͤnner von dem Hertzog Herrmann/ dem Fuͤh-
rer der Hermundurer/ und dem Grafen von
Lingen an dem Fluſſe in die Mitte eingeſchloſ-
ſen/ und biß auf wenig ſich in das Gebuͤrge
Fluͤchtende und dreyhundert Gefangene nie-
dergemacht wurden. Als nun alles vorbey/
Hertzog Herrmann aber/ ob ihm dieſe Huͤlffe
vom Himmel gefallen waͤre/ bekuͤmmert war/
ſonderlich/ weil die Hermundurer ja des Koͤ-
nigs Marbod Unterthanen waren/ kam ihr
Fuͤhrer/ nahm den Helm mit ſonderbarer Ehr-
erbietung gegen den Cheruskiſchen Hertzog
vom Haupte; welchen er denn fuͤr den vertrie-
benen Fuͤrſten der Hermundurer Jubil erkenn-
[Spaltenumbruch] te/ und als ſeinen vertrauten Freund und Noth-
helffer vertraulich umarmte; wordurch ihm deñ
ein genungſames Licht aufgeſteckt ward. Sin-
temahl ihm gar wol bewuſt war: daß dieſer vom
Marbod ſeines Landes entſetzte Fuͤrſt/ bey der
zwiſchen den Marckmaͤnnern und Roͤmern ſich
entſpinnender Zwietracht/ zwey tauſend ver-
triebene Hermundurer/ nebſt tauſend freywil-
ligen Cheruskern zuſammen gezogen/ und dem
Tiberius wieder den Marbod beyzuſtehen ſich
biß an die Donau gezogen hatten. Worauf nun-
mehr Jubil erzehlte: daß als er nach dem zwi-
ſchen dem Tiberius und Marbod gemachten
Vergleiche ſeinen Weg wieder in Nieder-
Deutſchland haͤtte nehmen wollen; er nicht nur
dieſen Tag das Gluͤcke gehabt gegen den Her-
tzog Herrmann die unvergeltbare Wolthat ſei-
ner Aufnehmung/ nach dem ſonſt die Ungluͤck-
ſeligen keine Freunde oder Bekandten zu haben
pflegten/ durch einen geringen Beyſtand zu
vergelten; ſondern auch ſeinem Tod - Feinde
ſein wertheſtes Kleinod abzunehmen/ und dar-
bey ein paar tauſend Marckmaͤnnern das Licht
auszuleſchen; welches beydes ihm zu zeigen er
den Hertzog Herꝛmann uͤber den Meyn auff die
uͤber und uͤber mit Leichen bedeckte Wallſtatt
fuͤhrte/ und daſelbſt ihm die von tauſend Her-
mundurern und Cheruskern verwahrte Fuͤr-
ſtin Adelgund des Marbods Tochter/ als eine
Gefangene zeigte; auch den Ritter Gneſebeck
wegen ſeiner Tapfferkeit ruͤhmete. Hertzog
Herrmann/ welcher auff Maltzans Bericht in-
zwiſchen ſeine Thußnelde wieder aus dem
Walde zu ſuchen Befehl ertheilt hatte/ erzeig-
te der Fuͤrſtin Adelgund alle Hoͤfligkeit/ und ein
Mitleiden uͤber ihrem Ungluͤcke; welches ſie
nach Vernehmung/ wer er waͤre/ mit einer be-
ſondern Anmuth/ und ohne das geringſte
Merckmahl einiger Furcht oder Schreckens
annahm/ auch auff Befragen ihm Nachricht
gab: daß ſie Marbod mit drey tauſend Marck-
maͤnnern der Fuͤrſtin Thußnelde biß an den

Meyn
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f1369" n="1303[1305]"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Arminius und Thußnelda.</hi></fw><lb/><cb/>
einem an&#x017F;ehnlichen und tapffern Marckma&#x0364;n-<lb/>
ni&#x017F;chen Soldaten/ &#x017F;o hefftig in den Nacken ver-<lb/>
wundet: daß er von ha&#x0364;uffiger Verblutung kaum<lb/>
die Kra&#x0364;fften auff dem Pferde zu bleiben/ und<lb/>
&#x017F;ich gegen die ihn anfallenden zu be&#x017F;chirmen be-<lb/>
hielt. Wenig Cherusker waren auch/ die nicht<lb/>
drey oder mehr Wunden bekommen hatten;<lb/>
Bodendorff/ Bardeleben/ Mey&#x017F;enburg/ Spie-<lb/>
gel/ Kampen/ Mingerode/ Heym/ Reden/ Bu-<lb/>
ren/ Bodenhau&#x017F;en/ Zwydorn/ Hermßdorff/<lb/>
und u&#x0364;ber &#x017F;echzig andere hatten &#x017F;chon auch ihren<lb/>
Helden-Gei&#x017F;t/ wiewol nach Aufopfferung wol<lb/>
&#x017F;iebenmahl &#x017F;o vieler Feinde aus gebla&#x017F;en. Die<lb/>
u&#x0364;brigen Cherusker waren &#x017F;o im Gedrange: daß<lb/>
&#x017F;ie &#x017F;chienen verlohren zu &#x017F;eyn; als dem Grafen<lb/>
von Lingen Gne&#x017F;ebeck mit fu&#x0364;nffhundert Che-<lb/>
ruskern zu Hu&#x0364;lffe/ wie auch ein ander unbe-<lb/>
kandter Ritter mit tau&#x017F;end Hermundurern an<lb/>
den Meyn-Furth kam/ und dem Ritter Stern-<lb/>
berg in Ru&#x0364;cken gieng; al&#x017F;o dem in der eu&#x017F;&#x017F;er-<lb/>
&#x017F;ten Noth &#x017F;teckenden Herrmann auf der einen<lb/>
Seite Lufft machte. Wenige Zeit darnach<lb/>
&#x017F;chwemmeten andere fu&#x0364;nffhundert Cherusker<lb/>
oberhalb/ und &#x017F;o viel Hermundurer unterhalb<lb/>
u&#x0364;ber den Meyn/ wormit &#x017F;ich das Blat an allen<lb/>
Orten wendete/ indem nicht nur der rings her-<lb/>
um be&#x017F;etzte Malzan erlo&#x0364;&#x017F;et/ die Caßuarier auch<lb/>
in die Flucht getrieben; &#x017F;ondern die Marck-<lb/>
ma&#x0364;nner von dem Hertzog Herrmann/ dem Fu&#x0364;h-<lb/>
rer der Hermundurer/ und dem Grafen von<lb/>
Lingen an dem Flu&#x017F;&#x017F;e in die Mitte einge&#x017F;chlo&#x017F;-<lb/>
&#x017F;en/ und biß auf wenig &#x017F;ich in das Gebu&#x0364;rge<lb/>
Flu&#x0364;chtende und dreyhundert Gefangene nie-<lb/>
dergemacht wurden. Als nun alles vorbey/<lb/>
Hertzog Herrmann aber/ ob ihm die&#x017F;e Hu&#x0364;lffe<lb/>
vom Himmel gefallen wa&#x0364;re/ beku&#x0364;mmert war/<lb/>
&#x017F;onderlich/ weil die Hermundurer ja des Ko&#x0364;-<lb/>
nigs Marbod Unterthanen waren/ kam ihr<lb/>
Fu&#x0364;hrer/ nahm den Helm mit &#x017F;onderbarer Ehr-<lb/>
erbietung gegen den Cheruski&#x017F;chen Hertzog<lb/>
vom Haupte; welchen er denn fu&#x0364;r den vertrie-<lb/>
benen Fu&#x0364;r&#x017F;ten der Hermundurer Jubil erkenn-<lb/><cb/>
te/ und als &#x017F;einen vertrauten Freund und Noth-<lb/>
helffer vertraulich umarmte; wordurch ihm den&#x0303;<lb/>
ein genung&#x017F;ames Licht aufge&#x017F;teckt ward. Sin-<lb/>
temahl ihm gar wol bewu&#x017F;t war: daß die&#x017F;er vom<lb/>
Marbod &#x017F;eines Landes ent&#x017F;etzte Fu&#x0364;r&#x017F;t/ bey der<lb/>
zwi&#x017F;chen den Marckma&#x0364;nnern und Ro&#x0364;mern &#x017F;ich<lb/>
ent&#x017F;pinnender Zwietracht/ zwey tau&#x017F;end ver-<lb/>
triebene Hermundurer/ neb&#x017F;t tau&#x017F;end freywil-<lb/>
ligen Cheruskern zu&#x017F;ammen gezogen/ und dem<lb/>
Tiberius wieder den Marbod beyzu&#x017F;tehen &#x017F;ich<lb/>
biß an die Donau gezogen hatten. Worauf nun-<lb/>
mehr Jubil erzehlte: daß als er nach dem zwi-<lb/>
&#x017F;chen dem Tiberius und Marbod gemachten<lb/>
Vergleiche &#x017F;einen Weg wieder in Nieder-<lb/>
Deut&#x017F;chland ha&#x0364;tte nehmen wollen; er nicht nur<lb/>
die&#x017F;en Tag das Glu&#x0364;cke gehabt gegen den Her-<lb/>
tzog Herrmann die unvergeltbare Wolthat &#x017F;ei-<lb/>
ner Aufnehmung/ nach dem &#x017F;on&#x017F;t die Unglu&#x0364;ck-<lb/>
&#x017F;eligen keine Freunde oder Bekandten zu haben<lb/>
pflegten/ durch einen geringen Bey&#x017F;tand zu<lb/>
vergelten; &#x017F;ondern auch &#x017F;einem Tod - Feinde<lb/>
&#x017F;ein werthe&#x017F;tes Kleinod abzunehmen/ und dar-<lb/>
bey ein paar tau&#x017F;end Marckma&#x0364;nnern das Licht<lb/>
auszule&#x017F;chen; welches beydes ihm zu zeigen er<lb/>
den Hertzog Her&#xA75B;mann u&#x0364;ber den Meyn auff die<lb/>
u&#x0364;ber und u&#x0364;ber mit Leichen bedeckte Wall&#x017F;tatt<lb/>
fu&#x0364;hrte/ und da&#x017F;elb&#x017F;t ihm die von tau&#x017F;end Her-<lb/>
mundurern und Cheruskern verwahrte Fu&#x0364;r-<lb/>
&#x017F;tin Adelgund des Marbods Tochter/ als eine<lb/>
Gefangene zeigte; auch den Ritter Gne&#x017F;ebeck<lb/>
wegen &#x017F;einer Tapfferkeit ru&#x0364;hmete. Hertzog<lb/>
Herrmann/ welcher auff Maltzans Bericht in-<lb/>
zwi&#x017F;chen &#x017F;eine Thußnelde wieder aus dem<lb/>
Walde zu &#x017F;uchen Befehl ertheilt hatte/ erzeig-<lb/>
te der Fu&#x0364;r&#x017F;tin Adelgund alle Ho&#x0364;fligkeit/ und ein<lb/>
Mitleiden u&#x0364;ber ihrem Unglu&#x0364;cke; welches &#x017F;ie<lb/>
nach Vernehmung/ wer er wa&#x0364;re/ mit einer be-<lb/>
&#x017F;ondern Anmuth/ und ohne das gering&#x017F;te<lb/>
Merckmahl einiger Furcht oder Schreckens<lb/>
annahm/ auch auff Befragen ihm Nachricht<lb/>
gab: daß &#x017F;ie Marbod mit drey tau&#x017F;end Marck-<lb/>
ma&#x0364;nnern der Fu&#x0364;r&#x017F;tin Thußnelde biß an den<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">Meyn</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[1303[1305]/1369] Arminius und Thußnelda. einem anſehnlichen und tapffern Marckmaͤn- niſchen Soldaten/ ſo hefftig in den Nacken ver- wundet: daß er von haͤuffiger Verblutung kaum die Kraͤfften auff dem Pferde zu bleiben/ und ſich gegen die ihn anfallenden zu beſchirmen be- hielt. Wenig Cherusker waren auch/ die nicht drey oder mehr Wunden bekommen hatten; Bodendorff/ Bardeleben/ Meyſenburg/ Spie- gel/ Kampen/ Mingerode/ Heym/ Reden/ Bu- ren/ Bodenhauſen/ Zwydorn/ Hermßdorff/ und uͤber ſechzig andere hatten ſchon auch ihren Helden-Geiſt/ wiewol nach Aufopfferung wol ſiebenmahl ſo vieler Feinde aus geblaſen. Die uͤbrigen Cherusker waren ſo im Gedrange: daß ſie ſchienen verlohren zu ſeyn; als dem Grafen von Lingen Gneſebeck mit fuͤnffhundert Che- ruskern zu Huͤlffe/ wie auch ein ander unbe- kandter Ritter mit tauſend Hermundurern an den Meyn-Furth kam/ und dem Ritter Stern- berg in Ruͤcken gieng; alſo dem in der euſſer- ſten Noth ſteckenden Herrmann auf der einen Seite Lufft machte. Wenige Zeit darnach ſchwemmeten andere fuͤnffhundert Cherusker oberhalb/ und ſo viel Hermundurer unterhalb uͤber den Meyn/ wormit ſich das Blat an allen Orten wendete/ indem nicht nur der rings her- um beſetzte Malzan erloͤſet/ die Caßuarier auch in die Flucht getrieben; ſondern die Marck- maͤnner von dem Hertzog Herrmann/ dem Fuͤh- rer der Hermundurer/ und dem Grafen von Lingen an dem Fluſſe in die Mitte eingeſchloſ- ſen/ und biß auf wenig ſich in das Gebuͤrge Fluͤchtende und dreyhundert Gefangene nie- dergemacht wurden. Als nun alles vorbey/ Hertzog Herrmann aber/ ob ihm dieſe Huͤlffe vom Himmel gefallen waͤre/ bekuͤmmert war/ ſonderlich/ weil die Hermundurer ja des Koͤ- nigs Marbod Unterthanen waren/ kam ihr Fuͤhrer/ nahm den Helm mit ſonderbarer Ehr- erbietung gegen den Cheruskiſchen Hertzog vom Haupte; welchen er denn fuͤr den vertrie- benen Fuͤrſten der Hermundurer Jubil erkenn- te/ und als ſeinen vertrauten Freund und Noth- helffer vertraulich umarmte; wordurch ihm deñ ein genungſames Licht aufgeſteckt ward. Sin- temahl ihm gar wol bewuſt war: daß dieſer vom Marbod ſeines Landes entſetzte Fuͤrſt/ bey der zwiſchen den Marckmaͤnnern und Roͤmern ſich entſpinnender Zwietracht/ zwey tauſend ver- triebene Hermundurer/ nebſt tauſend freywil- ligen Cheruskern zuſammen gezogen/ und dem Tiberius wieder den Marbod beyzuſtehen ſich biß an die Donau gezogen hatten. Worauf nun- mehr Jubil erzehlte: daß als er nach dem zwi- ſchen dem Tiberius und Marbod gemachten Vergleiche ſeinen Weg wieder in Nieder- Deutſchland haͤtte nehmen wollen; er nicht nur dieſen Tag das Gluͤcke gehabt gegen den Her- tzog Herrmann die unvergeltbare Wolthat ſei- ner Aufnehmung/ nach dem ſonſt die Ungluͤck- ſeligen keine Freunde oder Bekandten zu haben pflegten/ durch einen geringen Beyſtand zu vergelten; ſondern auch ſeinem Tod - Feinde ſein wertheſtes Kleinod abzunehmen/ und dar- bey ein paar tauſend Marckmaͤnnern das Licht auszuleſchen; welches beydes ihm zu zeigen er den Hertzog Herꝛmann uͤber den Meyn auff die uͤber und uͤber mit Leichen bedeckte Wallſtatt fuͤhrte/ und daſelbſt ihm die von tauſend Her- mundurern und Cheruskern verwahrte Fuͤr- ſtin Adelgund des Marbods Tochter/ als eine Gefangene zeigte; auch den Ritter Gneſebeck wegen ſeiner Tapfferkeit ruͤhmete. Hertzog Herrmann/ welcher auff Maltzans Bericht in- zwiſchen ſeine Thußnelde wieder aus dem Walde zu ſuchen Befehl ertheilt hatte/ erzeig- te der Fuͤrſtin Adelgund alle Hoͤfligkeit/ und ein Mitleiden uͤber ihrem Ungluͤcke; welches ſie nach Vernehmung/ wer er waͤre/ mit einer be- ſondern Anmuth/ und ohne das geringſte Merckmahl einiger Furcht oder Schreckens annahm/ auch auff Befragen ihm Nachricht gab: daß ſie Marbod mit drey tauſend Marck- maͤnnern der Fuͤrſtin Thußnelde biß an den Meyn

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/lohenstein_feldherr01_1689
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/lohenstein_feldherr01_1689/1369
Zitationshilfe: Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689, S. 1303[1305]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lohenstein_feldherr01_1689/1369>, abgerufen am 06.05.2024.