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Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689.

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Arminius und Thußnelda.
[Spaltenumbruch] gen den Silius/ weil Segesthes selbst aus
Schamröthe über seiner Beleidigung vom Für-
sten Herrmann sich zu beurlauben Bedencken
trug/ sich erklärte: er wüste zwar: daß Sege-
sthes ihn auffs ärgste anzufeinden nicht ablassen
würde; weil es der Beleidiger Eigenschafft
wäre den Beleidigten gram zu seyn/ und der un-
verdiente Haß der hefftigste wäre; er wolte aber
aus Liebe des Vaterlandes nicht nur alle Ra-
che/ sondern alles Unrecht vergessen/ und ein
Beyspiel seyn: daß nicht alle den hassen/ wel-
chen sie vorher fürchten müssen. Sintemahl
er für eine Pflicht grosser Gemüther hielte
nicht allein denen guten/ und Freunden/ so lan-
ge sie diß sind/ wol zu thun; sondern auch den
Bösen und Feinden/ damit sie es zu seyn auff-
hören.

Hertzog Herrmann war kaum aus seinem
Gefängnüße zu Henneberg erlediget/ und von
fünffhundert Cheruskischen Edelleuten/ welche
hingegen Segesthens Gemahlin und Sohn
eben so viel Caßuariern an dem Fulde-Strome
aushändigten/ angenommen/ als zwey tausend
Marckmännische Edelleute zu Henneberg an-
kamen die Fürstin Thußnelde abermahls dem
Könige Marbod zuzuführen; Worvon Hertzog
Herrmann in seinem ersten Nachtläger durch
einen Cattischen Edelmann Nachricht bekam.
Worüber er so bekümmert ward: daß er seine
Freyheit mehr für Verlust/ als für Gewinn
schätzte. Er trug seinen Kummer seinen Che-
ruskern vor; welche zwar diese Fürstin aus der
Marckmänner Händen zu reissen ihr Leben und
Blut feil boten; aber die kaum erlangte Freyheit
ihres Hertzogs auffs neue in so augenscheinliche
Gefahr zu setzen beym Vaterlande für unver-
antwortlich hielten; sonder lich weil Herrmann
mit anbrechendem Tage Kundschafft bekam:
daß noch zweytausend Caßuarier Thußnelden
biß an den Fichtelberg/ den Vater vier berühm-
ter Flüsse/ begleiten solten/ alwo der Ritter Bercka
mit zehntausend Marckmännern sie zu bewill-
[Spaltenumbruch] kommen fertig stünde/ und der Aufbruch den
andern Tag geschehen solte. Hertzog Herrmann
hingegen sagte: Er müste gestehen: daß mit so
kleiner Macht der zehnmahl grössern eine Beu-
te abzuschlagen nicht ohne Gefahr zu seyn schie-
ne. Alleine/ alle Gefährligkeiten auffs Gewich-
te legen wäre nur eine Klugheit der Verzagten;
und also sein Vorsatz zu sterben/ oder die zu ero-
bern/ ohne welche sein Leben ihm ohne diß eitel
Verdruß seyn würde. Hiermit bewarb er sich
um etliche Schützen/ die des Gabretischen Ge-
bürges Gelegenheit wol wusten/ und ihn mit
seinem Volcke durch allerhand bedeckte We-
ge gegen Sud-Ost dahin leiteten/ wo allem
Vermuthen nach die Marckmänner mit Thuß-
nelden ihren Rückweg nehmen würden. Nach
zweyen Tagen theilte er seine Cherusker in zwey
Theil/ er selbst stellte sich an einen verdeckten
Ort nahe an einen durch den Meyn gehenden
Furth/ wodurch eines ihm in die Hände fallen-
den Marckmannes Berichte nach/ folgenden
Tag zur rechten Hand des Flusses Thußnelde
folgen solte. Daher er daselbst ausruhete/ und
auf denen Tannen-Gipffeln fleißige Schild-
Wache halten ließ. Den andern Hauffen setzte
er unter dem Grafen von Lingen über den
Strom zur lincken Hand. Den dritten Tag
zwey Stunden nach der Sonnen Aufgange
kam vom Lingen/ Roßwurm/ ein Cheruskischer
Ritter mit verhengtem Zügel zum Hertzoge
Herrmann/ ihn berichtende: daß eine viertel
Meilweges von seinem Stande er ein Schla-
gen zwischen etlichen tausend Mann wahrneh-
me; Und hätten zwey seiner auf Marckmänni-
sche Art gekleidete Reuter/ die er auf Kundschaft
sich selbten nähern lassen/ für gewiß berichtet:
daß sie darunter Cherusker erkennt hätten. Herr-
mann ließ ihm alsofort befehlen: daß er den Rit-
ter Gnesebeck mit hundert Pferden dahin gehen
und die Gewißheit erforschen lassen solte. Er
hatte aber kaum diesen abgefertiget; als seine
Wache ihm von einer Tanne die Nachricht gab;

die
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Arminius und Thußnelda.
[Spaltenumbruch] gen den Silius/ weil Segeſthes ſelbſt aus
Schamroͤthe uͤber ſeiner Beleidigung vom Fuͤr-
ſten Herrmann ſich zu beurlauben Bedencken
trug/ ſich erklaͤrte: er wuͤſte zwar: daß Sege-
ſthes ihn auffs aͤrgſte anzufeinden nicht ablaſſen
wuͤrde; weil es der Beleidiger Eigenſchafft
waͤre den Beleidigten gram zu ſeyn/ und der un-
verdiente Haß der hefftigſte waͤre; er wolte aber
aus Liebe des Vaterlandes nicht nur alle Ra-
che/ ſondern alles Unrecht vergeſſen/ und ein
Beyſpiel ſeyn: daß nicht alle den haſſen/ wel-
chen ſie vorher fuͤrchten muͤſſen. Sintemahl
er fuͤr eine Pflicht groſſer Gemuͤther hielte
nicht allein denen guten/ und Freunden/ ſo lan-
ge ſie diß ſind/ wol zu thun; ſondern auch den
Boͤſen und Feinden/ damit ſie es zu ſeyn auff-
hoͤren.

Hertzog Herrmann war kaum aus ſeinem
Gefaͤngnuͤße zu Henneberg erlediget/ und von
fuͤnffhundert Cheruskiſchen Edelleuten/ welche
hingegen Segeſthens Gemahlin und Sohn
eben ſo viel Caßuariern an dem Fulde-Strome
aushaͤndigten/ angenommen/ als zwey tauſend
Marckmaͤnniſche Edelleute zu Henneberg an-
kamen die Fuͤrſtin Thußnelde abermahls dem
Koͤnige Marbod zuzufuͤhren; Worvon Hertzog
Herrmann in ſeinem erſten Nachtlaͤger durch
einen Cattiſchen Edelmann Nachricht bekam.
Woruͤber er ſo bekuͤmmert ward: daß er ſeine
Freyheit mehr fuͤr Verluſt/ als fuͤr Gewinn
ſchaͤtzte. Er trug ſeinen Kummer ſeinen Che-
ruskern vor; welche zwar dieſe Fuͤrſtin aus der
Marckmaͤñer Haͤnden zu reiſſen ihr Leben und
Blut feil boten; aber die kaum erlangte Freyheit
ihres Hertzogs auffs neue in ſo augenſcheinliche
Gefahr zu ſetzen beym Vaterlande fuͤr unver-
antwortlich hielten; ſonder lich weil Herrmann
mit anbrechendem Tage Kundſchafft bekam:
daß noch zweytauſend Caßuarier Thußnelden
biß an den Fichtelberg/ den Vater vier beruͤhm-
teꝛ Fluͤſſe/ begleiten ſoltẽ/ alwo der Ritter Beꝛcka
mit zehntauſend Marckmaͤnnern ſie zu bewill-
[Spaltenumbruch] kommen fertig ſtuͤnde/ und der Aufbruch den
andern Tag geſchehen ſolte. Hertzog Herrmañ
hingegen ſagte: Er muͤſte geſtehen: daß mit ſo
kleiner Macht der zehnmahl groͤſſern eine Beu-
te abzuſchlagen nicht ohne Gefahr zu ſeyn ſchie-
ne. Alleine/ alle Gefaͤhrligkeiten auffs Gewich-
te legen waͤre nur eine Klugheit der Verzagten;
und alſo ſein Vorſatz zu ſterben/ oder die zu ero-
bern/ ohne welche ſein Leben ihm ohne diß eitel
Verdruß ſeyn wuͤrde. Hiermit bewarb er ſich
um etliche Schuͤtzen/ die des Gabretiſchen Ge-
buͤrges Gelegenheit wol wuſten/ und ihn mit
ſeinem Volcke durch allerhand bedeckte We-
ge gegen Sud-Oſt dahin leiteten/ wo allem
Vermuthen nach die Marckmaͤnneꝛ mit Thuß-
nelden ihren Ruͤckweg nehmen wuͤrden. Nach
zweyen Tagen theilte er ſeine Cherusker in zwey
Theil/ er ſelbſt ſtellte ſich an einen verdeckten
Ort nahe an einen durch den Meyn gehenden
Furth/ wodurch eines ihm in die Haͤnde fallen-
den Marckmannes Berichte nach/ folgenden
Tag zur rechten Hand des Fluſſes Thußnelde
folgen ſolte. Daher er daſelbſt ausruhete/ und
auf denen Tannen-Gipffeln fleißige Schild-
Wache halten ließ. Den andern Hauffen ſetzte
er unter dem Grafen von Lingen uͤber den
Strom zur lincken Hand. Den dritten Tag
zwey Stunden nach der Sonnen Aufgange
kam vom Lingen/ Roßwurm/ ein Cheruskiſcher
Ritter mit verhengtem Zuͤgel zum Hertzoge
Herrmann/ ihn berichtende: daß eine viertel
Meilweges von ſeinem Stande er ein Schla-
gen zwiſchen etlichen tauſend Mann wahrneh-
me; Und haͤtten zwey ſeiner auf Marckmaͤnni-
ſche Art gekleidete Reuter/ die er auf Kundſchaft
ſich ſelbten naͤhern laſſen/ fuͤr gewiß berichtet:
daß ſie darunter Cherusker erkeñt haͤtten. Herꝛ-
mann ließ ihm alſofort befehlen: daß er den Rit-
ter Gneſebeck mit hundert Pferden dahin gehen
und die Gewißheit erforſchen laſſen ſolte. Er
hatte aber kaum dieſen abgefertiget; als ſeine
Wache ihm von einer Tanne die Nachricht gab;

die
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Zitationshilfe: Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689, S. 1301[1303]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lohenstein_feldherr01_1689/1367>, abgerufen am 23.11.2024.