Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689.

Bild:
<< vorherige Seite

Achtes Buch
[Spaltenumbruch] verstund lincks und recht zu seyn/ auch mit zwey-
en Antlitzen vor und hinter sich zu sehen/ kehrte
nunmehr seine Deichsel gantz anderwerts hin;
schloß noch selbigen Tag mit denen heimlich an-
wesenden Gesandten der Pannonier und Dal-
matier das verlangte Bündnüs; und bewegte
den Quaden-König Vannius zu einer ansehn-
lichen Kriegs-Bereitschafft. Hingegen schlieff
Tiberius auch nicht/ sondern stellte sich so wol
selbst/ als durch den Sentius Saturnin und
Silius in gute Verfassung. Welche über aus
grosse Krieges-Rüstung der Römer dem Quin-
tilius Varus so viel mehr Gelegenheit gab die
Cherusker/ Bructerer/ Sicambrer/ Catten und
andere Völcker zwischen dem Rhein und der
Elbe auffs eusserste zu drücken. Sintemahl
sie sich theils für der grossen Römischen Macht
nicht rücken dorfften; theils ihre Ungedult ver-
schmertzen musten/ um dieses wieder den Mar-
bod auff ziehende Gewitter nicht ihnen auf den
Hals zu ziehen. Jnsonderheit aber beseuffzete
Hertzog Herrmann/ dem die Fürstin Erdmuth
Thußneldens Gefahr und Gefängnüs um-
ständlich berichtet hatte/ sein und seines Vater-
landes Nothstand. Wie er nun einst des Nachts
diesen schwermüthigen Gedancken nach hieng/
kam ein langer weisser Geist bey hellem Mon-
den-Schein für sein Bette; er grieff ihn bey der
Hand/ und redete ihn mit diesen gantz verständ-
lichen Worten an: Es ist Zeit/ Herrmann/
daß du deiner ertrinckenden Thußnelde zu
Hülffe kommst. Herrmann/ der ohne diß et-
liche Stunden gantz wache war/ und diß für
keinen Traum annehmen konte; antwortete oh-
ne Bedencken: Jch wils thun; stand auch von
Stund an auff; nahm drey der bewehrtesten
Ritter zu sich; und ritt mit selbten in Jäger-
Tracht noch für Tage fort; nach dem er mich
mit wenigen Worten zu seinem Stadthalter
verordnete/ und beredete: daß er in unauff-
schieblichen Reichs-Geschäfften den Hertzog
Jngviomer ins geheim/ und ohne des Quinti-
[Spaltenumbruch] lius Varus Vorbewust heimsuchen müste. Er
lenckte aber bald gegen der Saale/ all wo er sich
und seine Gefärthen wie Marck männer aus-
kleidete. Keiner unter diesen wuste/ wohin sein
Anschlag wäre/ ja Herrmann selbst nicht; in
dem Vertrauen: daß weil der Himmel sein
Auffwecker gewest wäre/ würde er auch sein
Wegweiser seyn. Zumahl ihm die Cattische
Hertzogin zwar: daß Thußnelde auf einem
Berg-Schlosse gefangen sässe/ nicht aber den
eigentlichen Ort zu wissen gemacht hatte. Herr-
mann setzte seinen Weg gleich wol durch das Ge-
biete der Hermundurer gegen Marbod-Stadt/
allwo er etwas gewisses zu vernehmen hoffte/
getrost fort. Also kam er an der Elbe nahe an
das Sudetische Gebürge; und ob zwar in einem
dicken Walde ihn ein erschreckliches Donner-
Wetter überfiel/ ließ er sich doch an der Reise
nichts auff halten. Denn ihm ahnte etwas un-
gemeines/ und sein Hertz sagte ihm ein abson-
deres Ebentheuer wah[r]. Nach des gantzen
Tages verdrüßlicher Reise brachte sie der Weg
gerade an den Elbe-Strom; da sie denn theils
der Mangel eines Abweges/ theils die sie nun-
mehr überfallende stockfinstere Nacht an diesem
Ufer zu bleiben nöthigte. Der offtere Blitz
zeigte ihnen zwar auff der andern Seite des
Flusses etwas Strom auff ein hohes Gebäue;
aber in Mangel der Schiffe konten sie dahin
nicht gelangen; sondern die breiten Aeste etli-
cher dicken Bäume must[e]n ihnen für ein Dach
dienen. Das Gewitter schien fast gar verzogen
zu seyn/ als ein erschrecklicher Schlag/ darvon
nicht nur sie/ sondern der Erd-Boden erbeb-
te/ in vorerwähntes hohe Gebäue in Gestalt
einer langen Feuer Seule einschlug; worauff
denn alsofort der Himmel sich ausklärte/ und
der Mohnde ihrem Augenmaße nach über die
Erde empor kam. Herrmann befahl hierauf
seinen Gefärthen etwan einen andern Weg/
oder eine Hütte zur Ubernachtung zu suchen.
Wie er nun derogestalt gantz alleine an der El-

be

Achtes Buch
[Spaltenumbruch] verſtund lincks und recht zu ſeyn/ auch mit zwey-
en Antlitzen vor und hinter ſich zu ſehen/ kehrte
nunmehr ſeine Deichſel gantz anderwerts hin;
ſchloß noch ſelbigen Tag mit denen heimlich an-
weſenden Geſandten der Pannonier und Dal-
matier das verlangte Buͤndnuͤs; und bewegte
den Quaden-Koͤnig Vannius zu einer anſehn-
lichen Kriegs-Bereitſchafft. Hingegen ſchlieff
Tiberius auch nicht/ ſondern ſtellte ſich ſo wol
ſelbſt/ als durch den Sentius Saturnin und
Silius in gute Verfaſſung. Welche uͤber aus
groſſe Krieges-Ruͤſtung der Roͤmer dem Quin-
tilius Varus ſo viel mehr Gelegenheit gab die
Cherusker/ Bructerer/ Sicambrer/ Catten und
andere Voͤlcker zwiſchen dem Rhein und der
Elbe auffs euſſerſte zu druͤcken. Sintemahl
ſie ſich theils fuͤr der groſſen Roͤmiſchen Macht
nicht ruͤcken dorfften; theils ihre Ungedult ver-
ſchmertzen muſten/ um dieſes wieder den Mar-
bod auff ziehende Gewitter nicht ihnen auf den
Hals zu ziehen. Jnſonderheit aber beſeuffzete
Hertzog Herrmann/ dem die Fuͤrſtin Erdmuth
Thußneldens Gefahr und Gefaͤngnuͤs um-
ſtaͤndlich berichtet hatte/ ſein und ſeines Vater-
landes Nothſtand. Wie er nun einſt des Nachts
dieſen ſchwermuͤthigen Gedancken nach hieng/
kam ein langer weiſſer Geiſt bey hellem Mon-
den-Schein fuͤr ſein Bette; er grieff ihn bey der
Hand/ und redete ihn mit dieſen gantz verſtaͤnd-
lichen Worten an: Es iſt Zeit/ Herrmann/
daß du deiner ertrinckenden Thußnelde zu
Huͤlffe kommſt. Herrmann/ der ohne diß et-
liche Stunden gantz wache war/ und diß fuͤr
keinen Traum annehmen konte; antwortete oh-
ne Bedencken: Jch wils thun; ſtand auch von
Stund an auff; nahm drey der bewehrteſten
Ritter zu ſich; und ritt mit ſelbten in Jaͤger-
Tracht noch fuͤr Tage fort; nach dem er mich
mit wenigen Worten zu ſeinem Stadthalter
verordnete/ und beredete: daß er in unauff-
ſchieblichen Reichs-Geſchaͤfften den Hertzog
Jngviomer ins geheim/ und ohne des Quinti-
[Spaltenumbruch] lius Varus Vorbewuſt heimſuchen muͤſte. Er
lenckte aber bald gegen der Saale/ all wo er ſich
und ſeine Gefaͤrthen wie Marck maͤnner aus-
kleidete. Keiner unter dieſen wuſte/ wohin ſein
Anſchlag waͤre/ ja Herrmann ſelbſt nicht; in
dem Vertrauen: daß weil der Himmel ſein
Auffwecker geweſt waͤre/ wuͤrde er auch ſein
Wegweiſer ſeyn. Zumahl ihm die Cattiſche
Hertzogin zwar: daß Thußnelde auf einem
Berg-Schloſſe gefangen ſaͤſſe/ nicht aber den
eigentlichen Ort zu wiſſen gemacht hatte. Herꝛ-
mann ſetzte ſeinen Weg gleich wol durch das Ge-
biete der Hermundurer gegen Marbod-Stadt/
allwo er etwas gewiſſes zu vernehmen hoffte/
getroſt fort. Alſo kam er an der Elbe nahe an
das Sudetiſche Gebuͤrge; und ob zwar in einem
dicken Walde ihn ein erſchreckliches Donner-
Wetter uͤberfiel/ ließ er ſich doch an der Reiſe
nichts auff halten. Denn ihm ahnte etwas un-
gemeines/ und ſein Hertz ſagte ihm ein abſon-
deres Ebentheuer wah[r]. Nach des gantzen
Tages verdruͤßlicher Reiſe brachte ſie der Weg
gerade an den Elbe-Strom; da ſie denn theils
der Mangel eines Abweges/ theils die ſie nun-
mehr uͤberfallende ſtockfinſtere Nacht an dieſem
Ufer zu bleiben noͤthigte. Der offtere Blitz
zeigte ihnen zwar auff der andern Seite des
Fluſſes etwas Strom auff ein hohes Gebaͤue;
aber in Mangel der Schiffe konten ſie dahin
nicht gelangen; ſondern die breiten Aeſte etli-
cher dicken Baͤume muſt[e]n ihnen fuͤr ein Dach
dienen. Das Gewitter ſchien faſt gar verzogen
zu ſeyn/ als ein erſchrecklicher Schlag/ darvon
nicht nur ſie/ ſondern der Erd-Boden erbeb-
te/ in vorerwaͤhntes hohe Gebaͤue in Geſtalt
einer langen Feuer Seule einſchlug; worauff
denn alſofort der Himmel ſich ausklaͤrte/ und
der Mohnde ihrem Augenmaße nach uͤber die
Erde empor kam. Herrmann befahl hierauf
ſeinen Gefaͤrthen etwan einen andern Weg/
oder eine Huͤtte zur Ubernachtung zu ſuchen.
Wie er nun derogeſtalt gantz alleine an der El-

be
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f1356" n="1290[1292]"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Achtes Buch</hi></fw><lb/><cb/>
ver&#x017F;tund lincks und recht zu &#x017F;eyn/ auch mit zwey-<lb/>
en Antlitzen vor und hinter &#x017F;ich zu &#x017F;ehen/ kehrte<lb/>
nunmehr &#x017F;eine Deich&#x017F;el gantz anderwerts hin;<lb/>
&#x017F;chloß noch &#x017F;elbigen Tag mit denen heimlich an-<lb/>
we&#x017F;enden Ge&#x017F;andten der Pannonier und Dal-<lb/>
matier das verlangte Bu&#x0364;ndnu&#x0364;s; und bewegte<lb/>
den Quaden-Ko&#x0364;nig Vannius zu einer an&#x017F;ehn-<lb/>
lichen Kriegs-Bereit&#x017F;chafft. Hingegen &#x017F;chlieff<lb/>
Tiberius auch nicht/ &#x017F;ondern &#x017F;tellte &#x017F;ich &#x017F;o wol<lb/>
&#x017F;elb&#x017F;t/ als durch den Sentius Saturnin und<lb/>
Silius in gute Verfa&#x017F;&#x017F;ung. Welche u&#x0364;ber aus<lb/>
gro&#x017F;&#x017F;e Krieges-Ru&#x0364;&#x017F;tung der Ro&#x0364;mer dem Quin-<lb/>
tilius Varus &#x017F;o viel mehr Gelegenheit gab die<lb/>
Cherusker/ Bructerer/ Sicambrer/ Catten und<lb/>
andere Vo&#x0364;lcker zwi&#x017F;chen dem Rhein und der<lb/>
Elbe auffs eu&#x017F;&#x017F;er&#x017F;te zu dru&#x0364;cken. Sintemahl<lb/>
&#x017F;ie &#x017F;ich theils fu&#x0364;r der gro&#x017F;&#x017F;en Ro&#x0364;mi&#x017F;chen Macht<lb/>
nicht ru&#x0364;cken dorfften; theils ihre Ungedult ver-<lb/>
&#x017F;chmertzen mu&#x017F;ten/ um die&#x017F;es wieder den Mar-<lb/>
bod auff ziehende Gewitter nicht ihnen auf den<lb/>
Hals zu ziehen. Jn&#x017F;onderheit aber be&#x017F;euffzete<lb/>
Hertzog Herrmann/ dem die Fu&#x0364;r&#x017F;tin Erdmuth<lb/>
Thußneldens Gefahr und Gefa&#x0364;ngnu&#x0364;s um-<lb/>
&#x017F;ta&#x0364;ndlich berichtet hatte/ &#x017F;ein und &#x017F;eines Vater-<lb/>
landes Noth&#x017F;tand. Wie er nun ein&#x017F;t des Nachts<lb/>
die&#x017F;en &#x017F;chwermu&#x0364;thigen Gedancken nach hieng/<lb/>
kam ein langer wei&#x017F;&#x017F;er Gei&#x017F;t bey hellem Mon-<lb/>
den-Schein fu&#x0364;r &#x017F;ein Bette; er grieff ihn bey der<lb/>
Hand/ und redete ihn mit die&#x017F;en gantz ver&#x017F;ta&#x0364;nd-<lb/>
lichen Worten an: Es i&#x017F;t Zeit/ Herrmann/<lb/>
daß du deiner ertrinckenden Thußnelde zu<lb/>
Hu&#x0364;lffe komm&#x017F;t. Herrmann/ der ohne diß et-<lb/>
liche Stunden gantz wache war/ und diß fu&#x0364;r<lb/>
keinen Traum annehmen konte; antwortete oh-<lb/>
ne Bedencken: Jch wils thun; &#x017F;tand auch von<lb/>
Stund an auff; nahm drey der bewehrte&#x017F;ten<lb/>
Ritter zu &#x017F;ich; und ritt mit &#x017F;elbten in Ja&#x0364;ger-<lb/>
Tracht noch fu&#x0364;r Tage fort; nach dem er mich<lb/>
mit wenigen Worten zu &#x017F;einem Stadthalter<lb/>
verordnete/ und beredete: daß er in unauff-<lb/>
&#x017F;chieblichen Reichs-Ge&#x017F;cha&#x0364;fften den Hertzog<lb/>
Jngviomer ins geheim/ und ohne des Quinti-<lb/><cb/>
lius Varus Vorbewu&#x017F;t heim&#x017F;uchen mu&#x0364;&#x017F;te. Er<lb/>
lenckte aber bald gegen der Saale/ all wo er &#x017F;ich<lb/>
und &#x017F;eine Gefa&#x0364;rthen wie Marck ma&#x0364;nner aus-<lb/>
kleidete. Keiner unter die&#x017F;en wu&#x017F;te/ wohin &#x017F;ein<lb/>
An&#x017F;chlag wa&#x0364;re/ ja Herrmann &#x017F;elb&#x017F;t nicht; in<lb/>
dem Vertrauen: daß weil der Himmel &#x017F;ein<lb/>
Auffwecker gewe&#x017F;t wa&#x0364;re/ wu&#x0364;rde er auch &#x017F;ein<lb/>
Wegwei&#x017F;er &#x017F;eyn. Zumahl ihm die Catti&#x017F;che<lb/>
Hertzogin zwar: daß Thußnelde auf einem<lb/>
Berg-Schlo&#x017F;&#x017F;e gefangen &#x017F;a&#x0364;&#x017F;&#x017F;e/ nicht aber den<lb/>
eigentlichen Ort zu wi&#x017F;&#x017F;en gemacht hatte. Her&#xA75B;-<lb/>
mann &#x017F;etzte &#x017F;einen Weg gleich wol durch das Ge-<lb/>
biete der Hermundurer gegen Marbod-Stadt/<lb/>
allwo er etwas gewi&#x017F;&#x017F;es zu vernehmen hoffte/<lb/>
getro&#x017F;t fort. Al&#x017F;o kam er an der Elbe nahe an<lb/>
das Sudeti&#x017F;che Gebu&#x0364;rge; und ob zwar in einem<lb/>
dicken Walde ihn ein er&#x017F;chreckliches Donner-<lb/>
Wetter u&#x0364;berfiel/ ließ er &#x017F;ich doch an der Rei&#x017F;e<lb/>
nichts auff halten. Denn ihm ahnte etwas un-<lb/>
gemeines/ und &#x017F;ein Hertz &#x017F;agte ihm ein ab&#x017F;on-<lb/>
deres Ebentheuer wah<supplied>r</supplied>. Nach des gantzen<lb/>
Tages verdru&#x0364;ßlicher Rei&#x017F;e brachte &#x017F;ie der Weg<lb/>
gerade an den Elbe-Strom; da &#x017F;ie denn theils<lb/>
der Mangel eines Abweges/ theils die &#x017F;ie nun-<lb/>
mehr u&#x0364;berfallende &#x017F;tockfin&#x017F;tere Nacht an die&#x017F;em<lb/>
Ufer zu bleiben no&#x0364;thigte. Der offtere Blitz<lb/>
zeigte ihnen zwar auff der andern Seite des<lb/>
Flu&#x017F;&#x017F;es etwas Strom auff ein hohes Geba&#x0364;ue;<lb/>
aber in Mangel der Schiffe konten &#x017F;ie dahin<lb/>
nicht gelangen; &#x017F;ondern die breiten Ae&#x017F;te etli-<lb/>
cher dicken Ba&#x0364;ume mu&#x017F;t<supplied>e</supplied>n ihnen fu&#x0364;r ein Dach<lb/>
dienen. Das Gewitter &#x017F;chien fa&#x017F;t gar verzogen<lb/>
zu &#x017F;eyn/ als ein er&#x017F;chrecklicher Schlag/ darvon<lb/>
nicht nur &#x017F;ie/ &#x017F;ondern der Erd-Boden erbeb-<lb/>
te/ in vorerwa&#x0364;hntes hohe Geba&#x0364;ue in Ge&#x017F;talt<lb/>
einer langen Feuer Seule ein&#x017F;chlug; worauff<lb/>
denn al&#x017F;ofort der Himmel &#x017F;ich auskla&#x0364;rte/ und<lb/>
der Mohnde ihrem Augenmaße nach u&#x0364;ber die<lb/>
Erde empor kam. Herrmann befahl hierauf<lb/>
&#x017F;einen Gefa&#x0364;rthen etwan einen andern Weg/<lb/>
oder eine Hu&#x0364;tte zur Ubernachtung zu &#x017F;uchen.<lb/>
Wie er nun deroge&#x017F;talt gantz alleine an der El-<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">be</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[1290[1292]/1356] Achtes Buch verſtund lincks und recht zu ſeyn/ auch mit zwey- en Antlitzen vor und hinter ſich zu ſehen/ kehrte nunmehr ſeine Deichſel gantz anderwerts hin; ſchloß noch ſelbigen Tag mit denen heimlich an- weſenden Geſandten der Pannonier und Dal- matier das verlangte Buͤndnuͤs; und bewegte den Quaden-Koͤnig Vannius zu einer anſehn- lichen Kriegs-Bereitſchafft. Hingegen ſchlieff Tiberius auch nicht/ ſondern ſtellte ſich ſo wol ſelbſt/ als durch den Sentius Saturnin und Silius in gute Verfaſſung. Welche uͤber aus groſſe Krieges-Ruͤſtung der Roͤmer dem Quin- tilius Varus ſo viel mehr Gelegenheit gab die Cherusker/ Bructerer/ Sicambrer/ Catten und andere Voͤlcker zwiſchen dem Rhein und der Elbe auffs euſſerſte zu druͤcken. Sintemahl ſie ſich theils fuͤr der groſſen Roͤmiſchen Macht nicht ruͤcken dorfften; theils ihre Ungedult ver- ſchmertzen muſten/ um dieſes wieder den Mar- bod auff ziehende Gewitter nicht ihnen auf den Hals zu ziehen. Jnſonderheit aber beſeuffzete Hertzog Herrmann/ dem die Fuͤrſtin Erdmuth Thußneldens Gefahr und Gefaͤngnuͤs um- ſtaͤndlich berichtet hatte/ ſein und ſeines Vater- landes Nothſtand. Wie er nun einſt des Nachts dieſen ſchwermuͤthigen Gedancken nach hieng/ kam ein langer weiſſer Geiſt bey hellem Mon- den-Schein fuͤr ſein Bette; er grieff ihn bey der Hand/ und redete ihn mit dieſen gantz verſtaͤnd- lichen Worten an: Es iſt Zeit/ Herrmann/ daß du deiner ertrinckenden Thußnelde zu Huͤlffe kommſt. Herrmann/ der ohne diß et- liche Stunden gantz wache war/ und diß fuͤr keinen Traum annehmen konte; antwortete oh- ne Bedencken: Jch wils thun; ſtand auch von Stund an auff; nahm drey der bewehrteſten Ritter zu ſich; und ritt mit ſelbten in Jaͤger- Tracht noch fuͤr Tage fort; nach dem er mich mit wenigen Worten zu ſeinem Stadthalter verordnete/ und beredete: daß er in unauff- ſchieblichen Reichs-Geſchaͤfften den Hertzog Jngviomer ins geheim/ und ohne des Quinti- lius Varus Vorbewuſt heimſuchen muͤſte. Er lenckte aber bald gegen der Saale/ all wo er ſich und ſeine Gefaͤrthen wie Marck maͤnner aus- kleidete. Keiner unter dieſen wuſte/ wohin ſein Anſchlag waͤre/ ja Herrmann ſelbſt nicht; in dem Vertrauen: daß weil der Himmel ſein Auffwecker geweſt waͤre/ wuͤrde er auch ſein Wegweiſer ſeyn. Zumahl ihm die Cattiſche Hertzogin zwar: daß Thußnelde auf einem Berg-Schloſſe gefangen ſaͤſſe/ nicht aber den eigentlichen Ort zu wiſſen gemacht hatte. Herꝛ- mann ſetzte ſeinen Weg gleich wol durch das Ge- biete der Hermundurer gegen Marbod-Stadt/ allwo er etwas gewiſſes zu vernehmen hoffte/ getroſt fort. Alſo kam er an der Elbe nahe an das Sudetiſche Gebuͤrge; und ob zwar in einem dicken Walde ihn ein erſchreckliches Donner- Wetter uͤberfiel/ ließ er ſich doch an der Reiſe nichts auff halten. Denn ihm ahnte etwas un- gemeines/ und ſein Hertz ſagte ihm ein abſon- deres Ebentheuer wahr. Nach des gantzen Tages verdruͤßlicher Reiſe brachte ſie der Weg gerade an den Elbe-Strom; da ſie denn theils der Mangel eines Abweges/ theils die ſie nun- mehr uͤberfallende ſtockfinſtere Nacht an dieſem Ufer zu bleiben noͤthigte. Der offtere Blitz zeigte ihnen zwar auff der andern Seite des Fluſſes etwas Strom auff ein hohes Gebaͤue; aber in Mangel der Schiffe konten ſie dahin nicht gelangen; ſondern die breiten Aeſte etli- cher dicken Baͤume muſten ihnen fuͤr ein Dach dienen. Das Gewitter ſchien faſt gar verzogen zu ſeyn/ als ein erſchrecklicher Schlag/ darvon nicht nur ſie/ ſondern der Erd-Boden erbeb- te/ in vorerwaͤhntes hohe Gebaͤue in Geſtalt einer langen Feuer Seule einſchlug; worauff denn alſofort der Himmel ſich ausklaͤrte/ und der Mohnde ihrem Augenmaße nach uͤber die Erde empor kam. Herrmann befahl hierauf ſeinen Gefaͤrthen etwan einen andern Weg/ oder eine Huͤtte zur Ubernachtung zu ſuchen. Wie er nun derogeſtalt gantz alleine an der El- be

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/lohenstein_feldherr01_1689
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/lohenstein_feldherr01_1689/1356
Zitationshilfe: Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689, S. 1290[1292]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lohenstein_feldherr01_1689/1356>, abgerufen am 06.05.2024.