Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689.Arminius und Thußnelda. [Spaltenumbruch]
gröste Theil seines hinterlegten verunehrensolte. Und es ist viel ärger/ um den Tod zu vermeiden/ also leben: daß man des Lebens nicht würdig ist; als dem Tode selbst in die Ar- men rennen/ wenn man nur den Ruhm ver- läst: daß man länger zu leben würdig gewest wäre. Sintemahl ohne diß das Glücke benei- det/ die Lebenden gescholten werden; die Un- glücklichen aber Mitleiden/ die Todten Ehren- Seulen erlangen. Segesthes ward hierüber mehr/ als vorher niemals entrüstet; und nach dem er seinen Degen halb ausgezogen/ iedoch bald wieder stürmerisch in die Scheide gestossen hat- te; brach er noch derogestalt aus: Du solst deine Hartnäckigkeit ärger/ als du dir träumen läst/ büssen. Denn wer seiner Gefahr spottet/ dessen spottet sie bald wieder. Hiermit entbrach er sich mit höchster Ungedult aus dem Zimmer/ und lag dem Könige Marbod an/ ihm selbst zum besten die Cattische Hertzogin aus seinem Reiche/ seine ungehorsame Tochter aber in ein strenges Gefängnüs zu schaffen. Beydes ward auch derogestalt in wenigen Tagen vollstreckt; in dem die Hertzogin Erdmuth biß an die Saa- le geführet/ Thußnelde aber in ein unter dem Sudetischen Gebürge auf einem hohen Stein- Felsen gelegenes Schloß gantz einsam einge- sperret ward. Von diesem/ meldete die Gräfin von der Lippe/ habe ich umständlichen Bericht geben können. Weil ich nun das Glücke hatte mit Thußnelden/ wiewol nicht an einem Orte/ eine Gefangene abzugeben; Die Unwissenheit aber bey niemanden vermuthlicher und verant- wortlicher/ als bey Eingekerckerten ist/ als wird Fürst Adgandester den Verfolg so viel glaub- haffter nachtragen können. Dieser fand sich alsofort darein/ und fieng an: Ehe Thußnelde noch so feste verschlossen ward/ kam Tiberius nach Meyntz/ Stertinius aber verständigte ihn alles/ was sich mit ihr begeben hatte. Wor- auff Tiberius vom Könige Marbod zwar die Abfolgung seiner Braut höflich suchte; Sege- sthen aber einen nachdencklichen Dräu-Brieff [Spaltenumbruch] schrieb; und im Fall er ihm nicht zum Besitz seiner Tochter verhülffe/ ihm rund heraus sag- te: daß er ihn nicht allein des geschenckten Lan- des zwischen dem Meyn/ der Saale/ und dem Brunnen der Weser an dem Gabretischen Ge- bürge/ sondern auch seines an der Emß ererb- ten Hertzogthums entsetzen wolte. Segesthes/ wie eiffrig er vor für König Marbods Heyrath gearbeitet/ so bestürtzt war er itzt. Denn die hefftigsten Bewegungen der Begierden sind doch ein unfehlbares Kennzeichen der grösten Gemüths-Ohnmacht. Daher er entweder aus Furcht/ oder wenigstens zum Scheine beym Marbod anhielt dem Stertinius und Silius/ welcher nunmehr aus gleichmäßiger Furcht für den Tiberius reden muste/ die ohne diß zu seiner Liebe allem Ansehen nach unbewegliche Thußnelde folgen zu lassen. Marbod aber ant- wortete ihnen ins gesamt: daß ein König/ der ihm liesse den Purper seines Ansehens/ und sei- ne Braut abtrotzen/ seine Schwäche zeigte/ und Anlaß gäbe/ ihn auch vollends seines Reichs/ ja seines Lebens zu berauben. Sintemahl die An- tastung seines Zepters nur die angendmmene Hoheit eines Fürstens/ ohne die ihrer so viel hun- dert tausend ver gnügt lebten/ die Bekränckung aber seines Hertzens ihn als einen Menschen beleidigte/ welchen er nicht ausziehen könte. Weil er nun Thußnelden fahren zu lassen nicht verantwortlich/ Stertinius aber anderer Gestalt etwas bündiges zu schlüssen nicht für thulich hielt/ musten Segesthes/ Silius und Sterti- nius nach etlicher Monate vergeblicher Hand- lung nur unverrichteter Sachen Abschied neh- men; wiewol Segesthes dem Tiberius nicht traute/ sondern unter einem scheinbaren Vor- wand seinen Weg durch das Land der Her- mundurer zum Quintilius Varus einrichtete/ um ihm selbten bey so verwirrtem Zustande zum Freunde zu machen. König Marbod/ der bey solcher Beschaffenheit den Krieg mit den Römern für Augen sah/ und nach der Richt-Schnur der Staats-Klugheit wol ver- Ersterl Theil. A a a a a a a a
Arminius und Thußnelda. [Spaltenumbruch]
groͤſte Theil ſeines hinterlegten verunehrenſolte. Und es iſt viel aͤrger/ um den Tod zu vermeiden/ alſo leben: daß man des Lebens nicht wuͤrdig iſt; als dem Tode ſelbſt in die Ar- men rennen/ wenn man nur den Ruhm ver- laͤſt: daß man laͤnger zu leben wuͤrdig geweſt waͤre. Sintemahl ohne diß das Gluͤcke benei- det/ die Lebenden geſcholten werden; die Un- gluͤcklichen aber Mitleiden/ die Todten Ehren- Seulen erlangen. Segeſthes ward hieruͤber mehr/ als vorher niemals entruͤſtet; uñ nach dem er ſeinen Degen halb ausgezogen/ iedoch bald wieder ſtuͤrmeriſch in die Scheide geſtoſſen hat- te; brach er noch derogeſtalt aus: Du ſolſt deine Hartnaͤckigkeit aͤrger/ als du dir traͤumen laͤſt/ buͤſſen. Denn wer ſeiner Gefahr ſpottet/ deſſen ſpottet ſie bald wieder. Hiermit entbrach er ſich mit hoͤchſter Ungedult aus dem Zimmer/ und lag dem Koͤnige Marbod an/ ihm ſelbſt zum beſten die Cattiſche Hertzogin aus ſeinem Reiche/ ſeine ungehorſame Tochter aber in ein ſtrenges Gefaͤngnuͤs zu ſchaffen. Beydes ward auch derogeſtalt in wenigen Tagen vollſtreckt; in dem die Hertzogin Erdmuth biß an die Saa- le gefuͤhret/ Thußnelde aber in ein unter dem Sudetiſchen Gebuͤrge auf einem hohen Stein- Felſen gelegenes Schloß gantz einſam einge- ſperret ward. Von dieſem/ meldete die Graͤfin von der Lippe/ habe ich umſtaͤndlichen Bericht geben koͤnnen. Weil ich nun das Gluͤcke hatte mit Thußnelden/ wiewol nicht an einem Orte/ eine Gefangene abzugeben; Die Unwiſſenheit aber bey niemanden vermuthlicher und verant- wortlicher/ als bey Eingekerckerten iſt/ als wird Fuͤrſt Adgandeſter den Verfolg ſo viel glaub- haffter nachtragen koͤnnen. Dieſer fand ſich alſofort darein/ und fieng an: Ehe Thußnelde noch ſo feſte verſchloſſen ward/ kam Tiberius nach Meyntz/ Stertinius aber verſtaͤndigte ihn alles/ was ſich mit ihr begeben hatte. Wor- auff Tiberius vom Koͤnige Marbod zwar die Abfolgung ſeiner Braut hoͤflich ſuchte; Sege- ſthen aber einen nachdencklichen Draͤu-Brieff [Spaltenumbruch] ſchrieb; und im Fall er ihm nicht zum Beſitz ſeiner Tochter verhuͤlffe/ ihm rund heraus ſag- te: daß er ihn nicht allein des geſchenckten Lan- des zwiſchen dem Meyn/ der Saale/ und dem Brunnen der Weſer an dem Gabretiſchen Ge- buͤrge/ ſondern auch ſeines an der Emß ererb- ten Hertzogthums entſetzen wolte. Segeſthes/ wie eiffrig er vor fuͤr Koͤnig Marbods Heyrath gearbeitet/ ſo beſtuͤrtzt war er itzt. Denn die hefftigſten Bewegungen der Begierden ſind doch ein unfehlbares Kennzeichen der groͤſten Gemuͤths-Ohnmacht. Daher er entweder aus Furcht/ oder wenigſtens zum Scheine beym Marbod anhielt dem Stertinius und Silius/ welcher nunmehr aus gleichmaͤßiger Furcht fuͤr den Tiberius reden muſte/ die ohne diß zu ſeiner Liebe allem Anſehen nach unbewegliche Thußnelde folgen zu laſſen. Marbod aber ant- wortete ihnen ins geſamt: daß ein Koͤnig/ der ihm lieſſe den Purper ſeines Anſehens/ und ſei- ne Braut abtrotzen/ ſeine Schwaͤche zeigte/ und Anlaß gaͤbe/ ihn auch vollends ſeines Reichs/ ja ſeines Lebens zu berauben. Sintemahl die An- taſtung ſeines Zepters nur die angendmmene Hoheit eines Fuͤrſtens/ ohne die ihrer ſo viel hun- dert tauſend ver gnuͤgt lebten/ die Bekraͤnckung aber ſeines Hertzens ihn als einen Menſchen beleidigte/ welchen er nicht ausziehen koͤnte. Weil er nun Thußnelden fahren zu laſſen nicht verantwoꝛtlich/ Steꝛtinius abeꝛ andereꝛ Geſtalt etwas buͤndiges zu ſchluͤſſen nicht fuͤr thulich hielt/ muſten Segeſthes/ Silius und Sterti- nius nach etlicher Monate vergeblicher Hand- lung nur unverrichteter Sachen Abſchied neh- men; wiewol Segeſthes dem Tiberius nicht traute/ ſondern unter einem ſcheinbaren Vor- wand ſeinen Weg durch das Land der Her- mundurer zum Quintilius Varus einrichtete/ um ihm ſelbten bey ſo verwirrtem Zuſtande zum Freunde zu machen. Koͤnig Marbod/ der bey ſolcher Beſchaffenheit den Krieg mit den Roͤmern fuͤr Augen ſah/ und nach der Richt-Schnur der Staats-Klugheit wol ver- Erſterl Theil. A a a a a a a a
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Arminius und Thußnelda.
groͤſte Theil ſeines hinterlegten verunehren
ſolte. Und es iſt viel aͤrger/ um den Tod zu
vermeiden/ alſo leben: daß man des Lebens
nicht wuͤrdig iſt; als dem Tode ſelbſt in die Ar-
men rennen/ wenn man nur den Ruhm ver-
laͤſt: daß man laͤnger zu leben wuͤrdig geweſt
waͤre. Sintemahl ohne diß das Gluͤcke benei-
det/ die Lebenden geſcholten werden; die Un-
gluͤcklichen aber Mitleiden/ die Todten Ehren-
Seulen erlangen. Segeſthes ward hieruͤber
mehr/ als vorher niemals entruͤſtet; uñ nach dem
er ſeinen Degen halb ausgezogen/ iedoch bald
wieder ſtuͤrmeriſch in die Scheide geſtoſſen hat-
te; brach er noch derogeſtalt aus: Du ſolſt deine
Hartnaͤckigkeit aͤrger/ als du dir traͤumen laͤſt/
buͤſſen. Denn wer ſeiner Gefahr ſpottet/ deſſen
ſpottet ſie bald wieder. Hiermit entbrach er
ſich mit hoͤchſter Ungedult aus dem Zimmer/
und lag dem Koͤnige Marbod an/ ihm ſelbſt
zum beſten die Cattiſche Hertzogin aus ſeinem
Reiche/ ſeine ungehorſame Tochter aber in ein
ſtrenges Gefaͤngnuͤs zu ſchaffen. Beydes ward
auch derogeſtalt in wenigen Tagen vollſtreckt;
in dem die Hertzogin Erdmuth biß an die Saa-
le gefuͤhret/ Thußnelde aber in ein unter dem
Sudetiſchen Gebuͤrge auf einem hohen Stein-
Felſen gelegenes Schloß gantz einſam einge-
ſperret ward. Von dieſem/ meldete die Graͤfin
von der Lippe/ habe ich umſtaͤndlichen Bericht
geben koͤnnen. Weil ich nun das Gluͤcke hatte
mit Thußnelden/ wiewol nicht an einem Orte/
eine Gefangene abzugeben; Die Unwiſſenheit
aber bey niemanden vermuthlicher und verant-
wortlicher/ als bey Eingekerckerten iſt/ als wird
Fuͤrſt Adgandeſter den Verfolg ſo viel glaub-
haffter nachtragen koͤnnen. Dieſer fand ſich
alſofort darein/ und fieng an: Ehe Thußnelde
noch ſo feſte verſchloſſen ward/ kam Tiberius
nach Meyntz/ Stertinius aber verſtaͤndigte
ihn alles/ was ſich mit ihr begeben hatte. Wor-
auff Tiberius vom Koͤnige Marbod zwar die
Abfolgung ſeiner Braut hoͤflich ſuchte; Sege-
ſthen aber einen nachdencklichen Draͤu-Brieff
ſchrieb; und im Fall er ihm nicht zum Beſitz
ſeiner Tochter verhuͤlffe/ ihm rund heraus ſag-
te: daß er ihn nicht allein des geſchenckten Lan-
des zwiſchen dem Meyn/ der Saale/ und dem
Brunnen der Weſer an dem Gabretiſchen Ge-
buͤrge/ ſondern auch ſeines an der Emß ererb-
ten Hertzogthums entſetzen wolte. Segeſthes/
wie eiffrig er vor fuͤr Koͤnig Marbods Heyrath
gearbeitet/ ſo beſtuͤrtzt war er itzt. Denn die
hefftigſten Bewegungen der Begierden ſind
doch ein unfehlbares Kennzeichen der groͤſten
Gemuͤths-Ohnmacht. Daher er entweder
aus Furcht/ oder wenigſtens zum Scheine beym
Marbod anhielt dem Stertinius und Silius/
welcher nunmehr aus gleichmaͤßiger Furcht
fuͤr den Tiberius reden muſte/ die ohne diß zu
ſeiner Liebe allem Anſehen nach unbewegliche
Thußnelde folgen zu laſſen. Marbod aber ant-
wortete ihnen ins geſamt: daß ein Koͤnig/ der
ihm lieſſe den Purper ſeines Anſehens/ und ſei-
ne Braut abtrotzen/ ſeine Schwaͤche zeigte/ und
Anlaß gaͤbe/ ihn auch vollends ſeines Reichs/ ja
ſeines Lebens zu berauben. Sintemahl die An-
taſtung ſeines Zepters nur die angendmmene
Hoheit eines Fuͤrſtens/ ohne die ihrer ſo viel hun-
dert tauſend ver gnuͤgt lebten/ die Bekraͤnckung
aber ſeines Hertzens ihn als einen Menſchen
beleidigte/ welchen er nicht ausziehen koͤnte.
Weil er nun Thußnelden fahren zu laſſen nicht
verantwoꝛtlich/ Steꝛtinius abeꝛ andereꝛ Geſtalt
etwas buͤndiges zu ſchluͤſſen nicht fuͤr thulich
hielt/ muſten Segeſthes/ Silius und Sterti-
nius nach etlicher Monate vergeblicher Hand-
lung nur unverrichteter Sachen Abſchied neh-
men; wiewol Segeſthes dem Tiberius nicht
traute/ ſondern unter einem ſcheinbaren Vor-
wand ſeinen Weg durch das Land der Her-
mundurer zum Quintilius Varus einrichtete/
um ihm ſelbten bey ſo verwirrtem Zuſtande
zum Freunde zu machen. Koͤnig Marbod/
der bey ſolcher Beſchaffenheit den Krieg mit
den Roͤmern fuͤr Augen ſah/ und nach der
Richt-Schnur der Staats-Klugheit wol
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Zitationshilfe: | Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689, S. 1289[1291]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lohenstein_feldherr01_1689/1355>, abgerufen am 17.07.2024. |