Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689.Arminius und Thußnelda. [Spaltenumbruch]
ren; aus welchem sie ohne Enderung ihrer har-ten Erklärung nicht ohne Spott zu kommen be- dräuet ward. Er hatte diesen Kreiß aber noch nicht halb vollendet; als eine Natter unverse- hens empor sprang/ und den König in die Hand stach: daß er darüber den Degen fallen ließ. Thußnelde/ welche wol wuste: daß aus der Noth eine Tugend/ und aus einem blossen Zufalle ein Bewehrung seiner Meinung/ oder gar ein Wunderwerck zu machen die gröste Klugheit wäre; machte ihr diese Begebnüs also fort nü- tze/ und fieng an: Siehestu wol/ Marbod; daß die Götter das ihnen angethane Unrecht selbst rächen; wenn Menschen solches nicht thun wol- len oder können. Weil aber Marbod hierüber nicht nur erstummete/ sondern als wenn er von der Hand GOttes gerühret wäre/ erstarrete; war Thußnelde um ihres Beleidigers Gene- sung bekümmert. Wie sie denn ein denen Nat- tern schier gleich gebildetes Kraut abropffte/ sol- ches mit einem Steine zerklitschte/ und dem Marbod aufband; weil sie von der Artzney zwar keine eigentliche/ iedoch so viel Wissenschafft hatte: daß die Natur unterschiedenen Kräutern eusserliche Merckmaale/ worzu sie dienende Artzneyen sind/ eingepreget/ und deßwegen das für die Schlangen-Bisse dienende Schlangen- Kraut/ den Schlangen die dem Miltze heilsame Kapern gleich gebildet; und das dem brennen- den Krebse abhelffende Erd-Beeren-Kraut mit einem absondern Feuer und Röthe bezeichnet habe. Marbod ließ diese Verbindung zwar ge- schehen/ seine zitter nden Glieder aber waren mit Schrecken/ und sein Antlitz mit Schamrö- the angefüllet; welche Farbe hier nicht die frohe Morgenröthe der aufgehenden/ sondern die traurige Abendröthe der verfallenen Tugend- Sonne war; daher er auch sonder Abschied und Verlierung einigen Wortes sich zu Pferdesetz- te/ und spornstr eichs in das dickste Gepüsche verbarg; gleich als wenn er noch von tausend Nattern verfolgt würde. Denn die Furcht hat [Spaltenumbruch] das gröste Leibzeichen unter allen Gemüthsre- gungen; sie ist zwar die glaub haffteste/ aber auch die schlimmste Rathgeberin ihres Gemüthes/ und die ärgste Verbländerin der Augen; Denn sie siehet/ was gar nicht ist; sie machet aus nichts et- was/ und aus einer Ameiße einen Krocodil. Der Fürstin Thußnelde hingegen war ein grosser Stein vom Hertzen geweltzet. Denn weil sie Marbods plötzliche Veränderung für eine Würckung des Aberglaubens hielt/ nichts aber mehr/ als dieser/ die Gemüther der Menschen umkehren kan; glaubte sie: daß Marbods so lich- ten Loh brennende Liebe schon wieder zu Wasser worden wäre. Weßwegen sie sich noch einmal aus dem frischen Quell er quickte/ und sonder einiges Bedencken wieder zu der Cattischen Hertzogin zu kehren gedachte. Sie ritt einen kurtzen Weg durchs Gehöltze/ als sie auf eine gedrückte Strasse gerieth/ und bald darauf ein Geräusche gegen ihr ankommender Reuterey vernahm; welcher sie auszuweichen nicht für nöthig achte- te/ weil sie die Ankommenden für Marbods Jä- ger hielt. Sie ward aber kurtz darauf/ iedoch so spar: daß sie nicht mehr ausweichen konte/ der Römischen Tracht gewahr; mit welcher die mei- sten bekleidet waren. Nach dem sie iedoch auch Deutsche darunter erblickte/ und in Marbods Gebiete sich von den Römern keiner Gewalt- That versah/ ritte sie getrost auff sie zu. Sie war etwan drey Schritte von ihnen entfernet; als der im ersten Gliede zwischen zweyen Rö- mern reitende Deutsche sie mit diesen barten Worten anfuhr; Finde ich dich in dieser Wü- steney/ du Ungehorsame? Fasset alsofort die Boßhaffte: daß sie ihrem Vater nicht mehr entfliehen könne. Diese Worte waren Thuß- nelden kein so harter Donnerschlag/ als das zornige Antlitz ihres ergrimmten Vaters; als aus welchem sie alsofort den Sege- sthes erkennte. Sintemahl dieser in Ge- sandtschafft des Kaysers Augustus nebst dem Cajus Silus/ welcher in Ober- Deutsch- Y y y y y y y 3
Arminius und Thußnelda. [Spaltenumbruch]
ren; aus welchem ſie ohne Enderung ihrer har-ten Erklaͤrung nicht ohne Spott zu kom̃en be- draͤuet ward. Er hatte dieſen Kreiß aber noch nicht halb vollendet; als eine Natter unverſe- hens empor ſprang/ und den Koͤnig in die Hand ſtach: daß er daruͤber den Degen fallen ließ. Thußnelde/ welche wol wuſte: daß aus der Noth eine Tugend/ und aus einem bloſſen Zufalle ein Bewehrung ſeiner Meinung/ oder gar ein Wunderwerck zu machen die groͤſte Klugheit waͤre; machte ihr dieſe Begebnuͤs alſo fort nuͤ- tze/ und fieng an: Sieheſtu wol/ Marbod; daß die Goͤtter das ihnen angethane Unrecht ſelbſt raͤchen; wenn Menſchen ſolches nicht thun wol- len oder koͤnnen. Weil aber Marbod hieruͤber nicht nur erſtummete/ ſondern als wenn er von der Hand GOttes geruͤhret waͤre/ erſtarrete; war Thußnelde um ihres Beleidigers Gene- ſung bekuͤmmert. Wie ſie denn ein denen Nat- tern ſchier gleich gebildetes Kraut abropffte/ ſol- ches mit einem Steine zerklitſchte/ und dem Marbod aufband; weil ſie von der Artzney zwar keine eigentliche/ iedoch ſo viel Wiſſenſchafft hatte: daß die Natur unterſchiedenen Kraͤutern euſſerliche Merckmaale/ worzu ſie dienende Artzneyen ſind/ eingepreget/ und deßwegen das fuͤr die Schlangen-Biſſe dienende Schlangen- Kraut/ den Schlangen die dem Miltze heilſame Kapern gleich gebildet; und das dem brennen- den Krebſe abhelffende Erd-Beeren-Kraut mit einem abſondern Feuer und Roͤthe bezeichnet habe. Marbod ließ dieſe Verbindung zwar ge- ſchehen/ ſeine zitter nden Glieder aber waren mit Schrecken/ und ſein Antlitz mit Schamroͤ- the angefuͤllet; welche Farbe hier nicht die frohe Morgenroͤthe der aufgehenden/ ſondern die traurige Abendroͤthe der verfallenen Tugend- Sonne war; daher er auch ſonder Abſchied und Verlierung einigen Wortes ſich zu Pferdeſetz- te/ und ſpornſtr eichs in das dickſte Gepuͤſche verbarg; gleich als wenn er noch von tauſend Nattern verfolgt wuͤrde. Denn die Furcht hat [Spaltenumbruch] das groͤſte Leibzeichen unter allen Gemuͤthsre- gungen; ſie iſt zwar die glaub haffteſte/ aber auch die ſchlim̃ſte Rathgeberin ihres Gemuͤthes/ und die aͤrgſte Verblaͤnderin der Augen; Denn ſie ſiehet/ was gar nicht iſt; ſie machet aus nichts et- was/ und aus einer Ameiße einen Krocodil. Der Fuͤrſtin Thußnelde hingegen war ein groſſer Stein vom Hertzen geweltzet. Denn weil ſie Marbods ploͤtzliche Veraͤnderung fuͤr eine Wuͤrckung des Aberglaubens hielt/ nichts aber mehr/ als dieſer/ die Gemuͤther der Menſchen umkehren kan; glaubte ſie: daß Marbods ſo lich- ten Loh brennende Liebe ſchon wieder zu Waſſer wordẽ waͤre. Weßwegẽ ſie ſich noch einmal aus dem friſchen Quell er quickte/ und ſonder einiges Bedencken wieder zu der Cattiſchen Hertzogin zu kehren gedachte. Sie ritt einen kurtzen Weg durchs Gehoͤltze/ als ſie auf eine gedruͤckte Straſſe gerieth/ und bald darauf ein Geraͤuſche gegen ihr ankommender Reuterey vernahm; welcher ſie auszuweichen nicht fuͤr noͤthig achte- te/ weil ſie die Ankommenden fuͤr Marbods Jaͤ- ger hielt. Sie ward aber kurtz darauf/ iedoch ſo ſpar: daß ſie nicht mehr ausweichen konte/ der Roͤmiſchen Tracht gewahr; mit welcher die mei- ſten bekleidet waren. Nach dem ſie iedoch auch Deutſche darunter erblickte/ und in Marbods Gebiete ſich von den Roͤmern keiner Gewalt- That verſah/ ritte ſie getroſt auff ſie zu. Sie war etwan drey Schritte von ihnen entfernet; als der im erſten Gliede zwiſchen zweyen Roͤ- mern reitende Deutſche ſie mit dieſen barten Worten anfuhr; Finde ich dich in dieſer Wuͤ- ſteney/ du Ungehorſame? Faſſet alſofort die Boßhaffte: daß ſie ihrem Vater nicht mehr entfliehen koͤnne. Dieſe Worte waren Thuß- nelden kein ſo harter Donnerſchlag/ als das zornige Antlitz ihres ergrimmten Vaters; als aus welchem ſie alſofort den Sege- ſthes erkennte. Sintemahl dieſer in Ge- ſandtſchafft des Kayſers Auguſtus nebſt dem Cajus Silus/ welcher in Ober- Deutſch- Y y y y y y y 3
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Arminius und Thußnelda.
ren; aus welchem ſie ohne Enderung ihrer har-
ten Erklaͤrung nicht ohne Spott zu kom̃en be-
draͤuet ward. Er hatte dieſen Kreiß aber noch
nicht halb vollendet; als eine Natter unverſe-
hens empor ſprang/ und den Koͤnig in die Hand
ſtach: daß er daruͤber den Degen fallen ließ.
Thußnelde/ welche wol wuſte: daß aus der Noth
eine Tugend/ und aus einem bloſſen Zufalle ein
Bewehrung ſeiner Meinung/ oder gar ein
Wunderwerck zu machen die groͤſte Klugheit
waͤre; machte ihr dieſe Begebnuͤs alſo fort nuͤ-
tze/ und fieng an: Sieheſtu wol/ Marbod; daß
die Goͤtter das ihnen angethane Unrecht ſelbſt
raͤchen; wenn Menſchen ſolches nicht thun wol-
len oder koͤnnen. Weil aber Marbod hieruͤber
nicht nur erſtummete/ ſondern als wenn er von
der Hand GOttes geruͤhret waͤre/ erſtarrete;
war Thußnelde um ihres Beleidigers Gene-
ſung bekuͤmmert. Wie ſie denn ein denen Nat-
tern ſchier gleich gebildetes Kraut abropffte/ ſol-
ches mit einem Steine zerklitſchte/ und dem
Marbod aufband; weil ſie von der Artzney zwar
keine eigentliche/ iedoch ſo viel Wiſſenſchafft
hatte: daß die Natur unterſchiedenen Kraͤutern
euſſerliche Merckmaale/ worzu ſie dienende
Artzneyen ſind/ eingepreget/ und deßwegen das
fuͤr die Schlangen-Biſſe dienende Schlangen-
Kraut/ den Schlangen die dem Miltze heilſame
Kapern gleich gebildet; und das dem brennen-
den Krebſe abhelffende Erd-Beeren-Kraut mit
einem abſondern Feuer und Roͤthe bezeichnet
habe. Marbod ließ dieſe Verbindung zwar ge-
ſchehen/ ſeine zitter nden Glieder aber waren
mit Schrecken/ und ſein Antlitz mit Schamroͤ-
the angefuͤllet; welche Farbe hier nicht die frohe
Morgenroͤthe der aufgehenden/ ſondern die
traurige Abendroͤthe der verfallenen Tugend-
Sonne war; daher er auch ſonder Abſchied und
Verlierung einigen Wortes ſich zu Pferdeſetz-
te/ und ſpornſtr eichs in das dickſte Gepuͤſche
verbarg; gleich als wenn er noch von tauſend
Nattern verfolgt wuͤrde. Denn die Furcht hat
das groͤſte Leibzeichen unter allen Gemuͤthsre-
gungen; ſie iſt zwar die glaub haffteſte/ aber auch
die ſchlim̃ſte Rathgeberin ihres Gemuͤthes/ und
die aͤrgſte Verblaͤnderin der Augen; Denn ſie
ſiehet/ was gar nicht iſt; ſie machet aus nichts et-
was/ und aus einer Ameiße einen Krocodil. Der
Fuͤrſtin Thußnelde hingegen war ein groſſer
Stein vom Hertzen geweltzet. Denn weil ſie
Marbods ploͤtzliche Veraͤnderung fuͤr eine
Wuͤrckung des Aberglaubens hielt/ nichts aber
mehr/ als dieſer/ die Gemuͤther der Menſchen
umkehren kan; glaubte ſie: daß Marbods ſo lich-
ten Loh brennende Liebe ſchon wieder zu Waſſer
wordẽ waͤre. Weßwegẽ ſie ſich noch einmal aus
dem friſchen Quell er quickte/ und ſonder einiges
Bedencken wieder zu der Cattiſchen Hertzogin
zu kehren gedachte. Sie ritt einen kurtzen Weg
durchs Gehoͤltze/ als ſie auf eine gedruͤckte
Straſſe gerieth/ und bald darauf ein Geraͤuſche
gegen ihr ankommender Reuterey vernahm;
welcher ſie auszuweichen nicht fuͤr noͤthig achte-
te/ weil ſie die Ankommenden fuͤr Marbods Jaͤ-
ger hielt. Sie ward aber kurtz darauf/ iedoch
ſo ſpar: daß ſie nicht mehr ausweichen konte/ der
Roͤmiſchen Tracht gewahr; mit welcher die mei-
ſten bekleidet waren. Nach dem ſie iedoch auch
Deutſche darunter erblickte/ und in Marbods
Gebiete ſich von den Roͤmern keiner Gewalt-
That verſah/ ritte ſie getroſt auff ſie zu. Sie
war etwan drey Schritte von ihnen entfernet;
als der im erſten Gliede zwiſchen zweyen Roͤ-
mern reitende Deutſche ſie mit dieſen barten
Worten anfuhr; Finde ich dich in dieſer Wuͤ-
ſteney/ du Ungehorſame? Faſſet alſofort die
Boßhaffte: daß ſie ihrem Vater nicht mehr
entfliehen koͤnne. Dieſe Worte waren Thuß-
nelden kein ſo harter Donnerſchlag/ als das
zornige Antlitz ihres ergrimmten Vaters;
als aus welchem ſie alſofort den Sege-
ſthes erkennte. Sintemahl dieſer in Ge-
ſandtſchafft des Kayſers Auguſtus nebſt
dem Cajus Silus/ welcher in Ober-
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Zitationshilfe: | Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689, S. 1277[1279]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lohenstein_feldherr01_1689/1343>, abgerufen am 17.07.2024. |