Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689.Achtes Buch [Spaltenumbruch]
tete; oder uns die Natur selbst ungeschickt mach-te selbigem länger Folge zu leisten. Zu geschwei- gen: daß/ weil das Verhängnüs in seinem Lauffe gantz unveränderlich/ in seiner Stren- gigkeit unerbittlich wäre; so wenig durch Ge- lübde/ als durch die Opfferung weißer Lämmer- Köpffe diß/ was der Himmel schon über uns beschlossen/ abgelehnet werden könte. Machte sie ihr aber noch ihres Gelübdes halber ein Ge- wissen; wäre er erböthig statt ihrer fünff hun- dert andere Jungfrauen ewiger Keuschheit zu wiedmen/ und also der von ihr verehrten Gott- heit die Pflicht mit Wucher zu erstatten. An welcher Vertretung sie so viel weniger zu zweif- seln hätte; weil er als zugleich oberster Priester der Marckmänner das Band aller Gelübde aufzulösen befugt wäre. Thußnelda hörte die- sen von dem Rauche der Begierden gantz ver- bländeten Vortrag mit nicht mindern Unwil- len/ als Aergernüs an; daher sie ihm nicht ohne Hefftigkeit begegnete: Wenn GOtt uner bitt- lich; unser Unglücke gantz unablehnlich wäre; müste man nicht nur die Gelübde/ sondern alle Gottesfurcht aus der Welt verbannen. Des Verhängnüsses Schlüsse hätten nichts minder ihre Beschrenckung/ als die Handlungen der sterblichen Menschen; und es hielte GOtt mehrmahls die zum Schlagen schon gezückte Hand zurücke; wenn die Boß heiten sich durch An- dacht für ihm demüthigten. Da aber auch der Ausschlag der Dinge bereit für unser Geburt von dem Verhängnüße unveränderlich bestimmt wäre; rührte doch auch unser Gebet und Gelübde von seinem Zwange her; als ein undachbleiblicher Werckzeug/ der den Ausschlag dieser Fürsehung verbesserte; und also denen Lasterhaften ein schlimmes/ denen Frommen ein gutes Urthel zu wege bräch- te. Das Gelübde der Keuschheit könte auch nur denen unnatürlich vorkommen/ welche wie das wilde Vieh ihren Begierden keinen Kapzaum der Vernunfft anzulegen wüsten; und gleich- [s]am als gantz andere Geschöpffe von tugend- hafften Gemüthern so weit/ als unver nünfftige [Spaltenumbruch] Thiere vom menschlichen Geschlechte entfernet wären. Denn zwischen GOtt und einer durch Gelübde ihm verlobten Seele geschehe eine ge- nauere Vermählung/ als durch irrdische Hey- raths-schlüsse zwischen zwey Ehleuten. Daher hätte in der Andacht die Vertretung durch fremde so wenig/ als im Eh-Bette statt; und würden nicht nur seine fünff hundert/ sondern hundert tausend genöthigte Jung frauen bey GOtt nichts minder für Wechsel-Bälge/ als sie für eine Abtrünnige und Eydbrüchige ge- halten/ ihr Verbündnüs aber von keinem frem- den Priester/ sondern nur von der Gottheit/ der sie sich verlobt hätte/ auffgelöset werden. Kö- nig Marbod setzte hierauf aber mahls mit allen ersinnlichsten Liebkosungen/ und halb-verzweif- felten Bezeugungen an Thußnelden; aber sie lehnte sie mit einer hertzhafften Großmüthigkeit ab; beschloß auch ihre Abmahnung mit diesen Worten: Jhre Seele würde sich ehe dem Ge- spenste/ welches auch die hertzhafftesten nicht mit unverwendeten Augen ansehen könten/ als dem Marbod sich vermählen; und in seiner Gewalt möchte es vielleicht wol bestehen/ einmahl ihr todtes Gerippe/ nimmermehr aber ihren be- seelten Leib zu umarmen. Marbod wütete nun nicht mehr nur für Liebe/ sondern er schäumte für Verzweiffelung und Grimm. Denn wie Liebe und Glücke ins gemein einen so starcken Trieb haben: daß sie alle Pfosten der Vernunfft aus ihren Angeln zu heben mächtig sind; also ist insonderheit die Liebe gekrönter Häupter sehr unleidlich/ und die Zärtlig keit ih- rer zu überwinden gewohnten Hertzen kan un- schwer auffs empfindlichste verwundet werden. Daher er seinen Degen entblöste; die gantz un- gewaffnete Thußnelda aber/ welche alle ihre Pfeile und Wurffspieße verschossen/ den Degen auch im Gestrittig verlohren hatte/ einen tödt- lichen Streich zu empfangen vermeinte/ und daher auf allen Fall solchen mit dem leeren Bo- gen so viel möglich zu versetzen gedachte. Alleine Marbod fieng an um sie einen Kreiß zu schar- ren;
Achtes Buch [Spaltenumbruch]
tete; oder uns die Natur ſelbſt ungeſchickt mach-te ſelbigem laͤnger Folge zu leiſten. Zu geſchwei- gen: daß/ weil das Verhaͤngnuͤs in ſeinem Lauffe gantz unveraͤnderlich/ in ſeiner Stren- gigkeit unerbittlich waͤre; ſo wenig durch Ge- luͤbde/ als durch die Opfferung weißer Laͤm̃er- Koͤpffe diß/ was der Himmel ſchon uͤber uns beſchloſſen/ abgelehnet werden koͤnte. Machte ſie ihr aber noch ihres Geluͤbdes halber ein Ge- wiſſen; waͤre er erboͤthig ſtatt ihrer fuͤnff hun- dert andere Jungfrauen ewiger Keuſchheit zu wiedmen/ und alſo der von ihr verehrten Gott- heit die Pflicht mit Wucher zu erſtatten. An welcher Vertretung ſie ſo viel weniger zu zweif- ſeln haͤtte; weil er als zugleich oberſter Prieſter der Marckmaͤnner das Band aller Geluͤbde aufzuloͤſen befugt waͤre. Thußnelda hoͤrte die- ſen von dem Rauche der Begierden gantz ver- blaͤndeten Vortrag mit nicht mindern Unwil- len/ als Aergernuͤs an; daher ſie ihm nicht ohne Hefftigkeit begegnete: Wenn GOtt uner bitt- lich; unſer Ungluͤcke gantz unablehnlich waͤre; muͤſte man nicht nur die Geluͤbde/ ſondern alle Gottesfurcht aus der Welt verbannen. Des Verhaͤngnuͤſſes Schluͤſſe haͤtten nichts minder ihre Beſchrenckung/ als die Handlungen der ſterblichen Menſchen; und es hielte GOtt mehrmahls die zum Schlagen ſchon gezuͤckte Hand zuruͤcke; weñ die Boß heiten ſich duꝛch An- dacht fuͤr ihm demuͤthigten. Da aber auch der Ausſchlag der Dinge bereit fuͤr unſer Geburt von dem Verhaͤngnuͤße unveraͤnderlich beſtim̃t waͤre; ruͤhrte doch auch unſeꝛ Gebet und Geluͤbde von ſeinem Zwange her; als ein uñachbleiblicher Werckzeug/ der den Ausſchlag dieſer Fuͤrſehung veꝛbeſſeꝛte; uñ alſo denẽ Laſteꝛhaften ein ſchlim̃es/ denen From̃en ein gutes Urthel zu wege braͤch- te. Das Geluͤbde der Keuſchheit koͤnte auch nur denen unnatuͤrlich vorkommen/ welche wie das wilde Vieh ihren Begierden keinen Kapzaum der Vernunfft anzulegen wuͤſten; und gleich- [ſ]am als gantz andere Geſchoͤpffe von tugend- hafften Gemuͤthern ſo weit/ als unver nuͤnfftige [Spaltenumbruch] Thiere vom menſchlichen Geſchlechte entfernet waͤren. Denn zwiſchen GOtt und einer durch Geluͤbde ihm verlobten Seele geſchehe eine ge- nauere Vermaͤhlung/ als durch irrdiſche Hey- raths-ſchluͤſſe zwiſchen zwey Ehleuten. Daher haͤtte in der Andacht die Vertretung durch fremde ſo wenig/ als im Eh-Bette ſtatt; und wuͤrden nicht nur ſeine fuͤnff hundert/ ſondern hundert tauſend genoͤthigte Jung frauen bey GOtt nichts minder fuͤr Wechſel-Baͤlge/ als ſie fuͤr eine Abtruͤnnige und Eydbruͤchige ge- halten/ ihr Verbuͤndnuͤs aber von keinem frem- den Prieſter/ ſondern nur von der Gottheit/ der ſie ſich verlobt haͤtte/ auffgeloͤſet werden. Koͤ- nig Marbod ſetzte hierauf aber mahls mit allen erſinnlichſten Liebkoſungen/ und halb-verzweif- felten Bezeugungen an Thußnelden; aber ſie lehnte ſie mit einer hertzhafften Großmuͤthigkeit ab; beſchloß auch ihre Abmahnung mit dieſen Worten: Jhre Seele wuͤrde ſich ehe dem Ge- ſpenſte/ welches auch die hertzhaffteſten nicht mit unverwendeten Augen anſehen koͤnten/ als dem Marbod ſich vermaͤhlen; und in ſeiner Gewalt moͤchte es vielleicht wol beſtehen/ einmahl ihr todtes Gerippe/ nimmermehr aber ihren be- ſeelten Leib zu umarmen. Marbod wuͤtete nun nicht mehr nur fuͤr Liebe/ ſondern er ſchaͤumte fuͤr Verzweiffelung und Grimm. Denn wie Liebe und Gluͤcke ins gemein einen ſo ſtarcken Trieb haben: daß ſie alle Pfoſten der Vernunfft aus ihren Angeln zu heben maͤchtig ſind; alſo iſt inſonderheit die Liebe gekroͤnter Haͤupter ſehr unleidlich/ und die Zaͤrtlig keit ih- rer zu uͤberwinden gewohnten Hertzen kan un- ſchwer auffs empfindlichſte verwundet werden. Daher er ſeinen Degen entbloͤſte; die gantz un- gewaffnete Thußnelda aber/ welche alle ihre Pfeile und Wurffſpieße verſchoſſen/ den Degen auch im Geſtrittig verlohren hatte/ einen toͤdt- lichen Streich zu empfangen vermeinte/ und daher auf allen Fall ſolchen mit dem leeren Bo- gen ſo viel moͤglich zu verſetzen gedachte. Alleine Marbod fieng an um ſie einen Kreiß zu ſchar- ren;
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Achtes Buch
tete; oder uns die Natur ſelbſt ungeſchickt mach-
te ſelbigem laͤnger Folge zu leiſten. Zu geſchwei-
gen: daß/ weil das Verhaͤngnuͤs in ſeinem
Lauffe gantz unveraͤnderlich/ in ſeiner Stren-
gigkeit unerbittlich waͤre; ſo wenig durch Ge-
luͤbde/ als durch die Opfferung weißer Laͤm̃er-
Koͤpffe diß/ was der Himmel ſchon uͤber uns
beſchloſſen/ abgelehnet werden koͤnte. Machte
ſie ihr aber noch ihres Geluͤbdes halber ein Ge-
wiſſen; waͤre er erboͤthig ſtatt ihrer fuͤnff hun-
dert andere Jungfrauen ewiger Keuſchheit zu
wiedmen/ und alſo der von ihr verehrten Gott-
heit die Pflicht mit Wucher zu erſtatten. An
welcher Vertretung ſie ſo viel weniger zu zweif-
ſeln haͤtte; weil er als zugleich oberſter Prieſter
der Marckmaͤnner das Band aller Geluͤbde
aufzuloͤſen befugt waͤre. Thußnelda hoͤrte die-
ſen von dem Rauche der Begierden gantz ver-
blaͤndeten Vortrag mit nicht mindern Unwil-
len/ als Aergernuͤs an; daher ſie ihm nicht ohne
Hefftigkeit begegnete: Wenn GOtt uner bitt-
lich; unſer Ungluͤcke gantz unablehnlich waͤre;
muͤſte man nicht nur die Geluͤbde/ ſondern alle
Gottesfurcht aus der Welt verbannen. Des
Verhaͤngnuͤſſes Schluͤſſe haͤtten nichts minder
ihre Beſchrenckung/ als die Handlungen der
ſterblichen Menſchen; und es hielte GOtt
mehrmahls die zum Schlagen ſchon gezuͤckte
Hand zuruͤcke; weñ die Boß heiten ſich duꝛch An-
dacht fuͤr ihm demuͤthigten. Da aber auch der
Ausſchlag der Dinge bereit fuͤr unſer Geburt
von dem Verhaͤngnuͤße unveraͤnderlich beſtim̃t
waͤre; ruͤhrte doch auch unſeꝛ Gebet und Geluͤbde
von ſeinem Zwange her; als ein uñachbleiblicher
Werckzeug/ der den Ausſchlag dieſer Fuͤrſehung
veꝛbeſſeꝛte; uñ alſo denẽ Laſteꝛhaften ein ſchlim̃es/
denen From̃en ein gutes Urthel zu wege braͤch-
te. Das Geluͤbde der Keuſchheit koͤnte auch nur
denen unnatuͤrlich vorkommen/ welche wie das
wilde Vieh ihren Begierden keinen Kapzaum
der Vernunfft anzulegen wuͤſten; und gleich-
ſam als gantz andere Geſchoͤpffe von tugend-
hafften Gemuͤthern ſo weit/ als unver nuͤnfftige
Thiere vom menſchlichen Geſchlechte entfernet
waͤren. Denn zwiſchen GOtt und einer durch
Geluͤbde ihm verlobten Seele geſchehe eine ge-
nauere Vermaͤhlung/ als durch irrdiſche Hey-
raths-ſchluͤſſe zwiſchen zwey Ehleuten. Daher
haͤtte in der Andacht die Vertretung durch
fremde ſo wenig/ als im Eh-Bette ſtatt; und
wuͤrden nicht nur ſeine fuͤnff hundert/ ſondern
hundert tauſend genoͤthigte Jung frauen bey
GOtt nichts minder fuͤr Wechſel-Baͤlge/ als
ſie fuͤr eine Abtruͤnnige und Eydbruͤchige ge-
halten/ ihr Verbuͤndnuͤs aber von keinem frem-
den Prieſter/ ſondern nur von der Gottheit/
der ſie ſich verlobt haͤtte/ auffgeloͤſet werden. Koͤ-
nig Marbod ſetzte hierauf aber mahls mit allen
erſinnlichſten Liebkoſungen/ und halb-verzweif-
felten Bezeugungen an Thußnelden; aber ſie
lehnte ſie mit einer hertzhafften Großmuͤthigkeit
ab; beſchloß auch ihre Abmahnung mit dieſen
Worten: Jhre Seele wuͤrde ſich ehe dem Ge-
ſpenſte/ welches auch die hertzhaffteſten nicht mit
unverwendeten Augen anſehen koͤnten/ als dem
Marbod ſich vermaͤhlen; und in ſeiner Gewalt
moͤchte es vielleicht wol beſtehen/ einmahl ihr
todtes Gerippe/ nimmermehr aber ihren be-
ſeelten Leib zu umarmen. Marbod wuͤtete
nun nicht mehr nur fuͤr Liebe/ ſondern er
ſchaͤumte fuͤr Verzweiffelung und Grimm.
Denn wie Liebe und Gluͤcke ins gemein einen
ſo ſtarcken Trieb haben: daß ſie alle Pfoſten der
Vernunfft aus ihren Angeln zu heben maͤchtig
ſind; alſo iſt inſonderheit die Liebe gekroͤnter
Haͤupter ſehr unleidlich/ und die Zaͤrtlig keit ih-
rer zu uͤberwinden gewohnten Hertzen kan un-
ſchwer auffs empfindlichſte verwundet werden.
Daher er ſeinen Degen entbloͤſte; die gantz un-
gewaffnete Thußnelda aber/ welche alle ihre
Pfeile und Wurffſpieße verſchoſſen/ den Degen
auch im Geſtrittig verlohren hatte/ einen toͤdt-
lichen Streich zu empfangen vermeinte/ und
daher auf allen Fall ſolchen mit dem leeren Bo-
gen ſo viel moͤglich zu verſetzen gedachte. Alleine
Marbod fieng an um ſie einen Kreiß zu ſchar-
ren;
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