Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689.Achtes Buch [Spaltenumbruch]
ihr zu geschwinde; kein Bär zu grausam/ undkein Luchs zu erschrecklich. König Marbod thät auch im Jagen sein eusserstes/ um seine Tapfferkeit sehen zu lassen; und sich derselbigen Jägerin zu bemächtigen; welche mit ihren Pfeilen diese Wildnüs am Wilde arm machte; durch ihre Schönheit und Anmuth aber sie mit unschätzbaren Blumen bereicherte; welche auf ihren Lippen und Wangen viel beständiger/ als in dem Rosen- und Lilgen-Monate blühen. Thußnelde setzte nach Erlegung eines Thieres alsofort dem andern nach; Marbod aber verlohr niemahls die Spur dieser wunderwürdigen Hindin; welche nichts minder die Vollkom- menheit derselben/ welche Hercules dem Euri- stheus liefferte/ übertraff; als er von einem grös- seren Wütterich/ nehmlich der Liebe zu dersel- ben Einholung angereitzet ward; und mein- te so viel Steine in ihr Liebes-Bret eingesetzt zu haben; so viel wilde Thiere er in ihrem Ange- sichte erlegte. Weil er aber stets nur ein Auge auf diese/ das andere aber auf Thußnelden hat- te; als nach welcher seine eigene Seele auff die Jagt zoh; versahe es Marbod bey Verfolgung eines Bären: daß er mit dem Pferde stürtzte; und von diesem wegen seiner Verletzung so viel mehr verbitterten Thiere auffs grimmigste ü- berfallen; von der Fürstin Thußnelde aber/ welche einen Wurff-Spieß selbtem mitten durchs Hertze jagte/ zu grossem Glücke entse- tzet; und hierauff auf ein ander Pferd gebracht ward. Marbod/ welcher sich hierdurch ihr das Leben zu dancken verpflichtet erkennte/ hätte ihr gern ein verdientes Danck-Opffer erstattet/ oder vielmehr Gelegenheit gehabt/ ihr die Wunden seines Hertzens zu entdecken; aber diese flüchtige Daphne wolte auch dieser gros- sen Sonne Deutschlands nicht Stand halten; sondern sie rennte in die düstersten Hecken; also: daß sie Marbod bey nahe zwey Stunden ver- gebens suchte. Wie er nun für Mattigkeit lächste/ und sein Pferd für Müdigkeit sich kaum [Spaltenumbruch] bewegen konte/ leitete ihn das Wiegern eines Pferdes auf einen Pfad; welcher ihn kurtz darauff zu eben dem aus einem rauen Felsen springen- den Quell leitete; darauff Thußnelde saß/ und ihren Durst mit diesem kristallenen Wasser leschte. Marbod kriegte mit ihrem ersten An- blicke gleichsam ein neues Leben; sprang also vom Pferde/ umarmete sich bückende ihre Knie; und redete sie alsofort an: Warum fleuchstu so sehr für mir/ du Gebieterin meiner Seele? hast du für Marboden grössere Abscheu/ als für die- ser traurigen Einöde? Wilstu dich aber für Licht und Sonne verstecken/ so mustu/ Sonne des Erd-Kreißes/ dich von dir selbst zu entfer- nen den Anfang machen. Bistu von der Hitze des Mittags gezwungen deine anklebende Zunge mit dieser Eyß-kalten Flut abzuküh- len; so überlege/ was eine verliebte Seele für Pein erdulde; und erquicke sie aus Erbarm- nüs nur mit einer Hand voll deiner holdseligen Gewogenheit. Glaube: daß der Blitz deiner Augen mein loderndes Hertze nicht anders/ als die Glut die um selbte schwermende Mücken schon eingeäschert habe; wenn aber du vom Balsam deiner Gegen-Liebe nur wenig Tropf- fen in diese Asche fallen läst; wird es als ein neu- er Fenix daraus lebhaffter/ als vor gezeuget werden. Vollkommene Göttin! sey nicht ein- samer/ als diese Wildnüs; noch unbarmhertzi- ger/ als diese Felsen; in dem jene meine Ge- sellschafft so willig verträget; diese aber uns beyde nicht erdürsten lassen. Sorge nicht: daß meine Liebe die Flüchtigkeit dieser Bach/ sondern die Aehnligkeit des ewigen Feuers ha- be. Jch habe vor dir nur eine/ wiewol dir nicht vergleichliche Fürstin lieb gewonnen; und es hat meine Flamme nichts/ als der Todt aus- leschen können; der ihr zwar das Tacht der erblichenen Marmeline entzogen hat; Gleich- wol aber lebet ihr Gedächtnüs in meinem ihr gewiedmeten Gemüthe; und unserer beyder Geister ver gessen nicht auch noch so viel reiner sich
Achtes Buch [Spaltenumbruch]
ihr zu geſchwinde; kein Baͤr zu grauſam/ undkein Luchs zu erſchrecklich. Koͤnig Marbod thaͤt auch im Jagen ſein euſſerſtes/ um ſeine Tapfferkeit ſehen zu laſſen; und ſich derſelbigen Jaͤgerin zu bemaͤchtigen; welche mit ihren Pfeilen dieſe Wildnuͤs am Wilde arm machte; durch ihre Schoͤnheit und Anmuth aber ſie mit unſchaͤtzbaren Blumen bereicherte; welche auf ihren Lippen und Wangen viel beſtaͤndiger/ als in dem Roſen- und Lilgen-Monate bluͤhen. Thußnelde ſetzte nach Erlegung eines Thieres alſofort dem andern nach; Marbod aber verlohr niemahls die Spur dieſer wunderwuͤrdigen Hindin; welche nichts minder die Vollkom- menheit derſelben/ welche Hercules dem Euri- ſtheus liefferte/ uͤbertraff; als er von einem groͤſ- ſeren Wuͤtterich/ nehmlich der Liebe zu derſel- ben Einholung angereitzet ward; und mein- te ſo viel Steine in ihr Liebes-Bret eingeſetzt zu haben; ſo viel wilde Thiere er in ihrem Ange- ſichte erlegte. Weil er aber ſtets nur ein Auge auf dieſe/ das andere aber auf Thußnelden hat- te; als nach welcher ſeine eigene Seele auff die Jagt zoh; verſahe es Marbod bey Verfolgung eines Baͤren: daß er mit dem Pferde ſtuͤrtzte; und von dieſem wegen ſeiner Verletzung ſo viel mehr verbitterten Thiere auffs grimmigſte uͤ- berfallen; von der Fuͤrſtin Thußnelde aber/ welche einen Wurff-Spieß ſelbtem mitten durchs Hertze jagte/ zu groſſem Gluͤcke entſe- tzet; und hierauff auf ein ander Pferd gebracht ward. Marbod/ welcher ſich hierdurch ihr das Leben zu dancken verpflichtet erkennte/ haͤtte ihr gern ein verdientes Danck-Opffer erſtattet/ oder vielmehr Gelegenheit gehabt/ ihr die Wunden ſeines Hertzens zu entdecken; aber dieſe fluͤchtige Daphne wolte auch dieſer groſ- ſen Sonne Deutſchlands nicht Stand halten; ſondern ſie rennte in die duͤſterſten Hecken; alſo: daß ſie Marbod bey nahe zwey Stunden ver- gebens ſuchte. Wie er nun fuͤr Mattigkeit laͤchſte/ und ſein Pferd fuͤr Muͤdigkeit ſich kaum [Spaltenumbruch] bewegen konte/ leitete ihn das Wiegern eines Pferdes auf einẽ Pfad; welcher ihn kurtz darauff zu eben dem aus einem rauen Felſen ſpringen- den Quell leitete; darauff Thußnelde ſaß/ und ihren Durſt mit dieſem kriſtallenen Waſſer leſchte. Marbod kriegte mit ihrem erſten An- blicke gleichſam ein neues Leben; ſprang alſo vom Pferde/ umarmete ſich buͤckende ihre Knie; und redete ſie alſofort an: Warum fleuchſtu ſo ſehr fuͤr mir/ du Gebieterin meiner Seele? haſt du fuͤr Marboden groͤſſere Abſcheu/ als fuͤr die- ſer traurigen Einoͤde? Wilſtu dich aber fuͤr Licht und Sonne verſtecken/ ſo muſtu/ Sonne des Erd-Kreißes/ dich von dir ſelbſt zu entfer- nen den Anfang machen. Biſtu von der Hitze des Mittags gezwungen deine anklebende Zunge mit dieſer Eyß-kalten Flut abzukuͤh- len; ſo uͤberlege/ was eine verliebte Seele fuͤr Pein erdulde; und erquicke ſie aus Erbarm- nuͤs nur mit einer Hand voll deiner holdſeligen Gewogenheit. Glaube: daß der Blitz deiner Augen mein loderndes Hertze nicht anders/ als die Glut die um ſelbte ſchwermende Muͤcken ſchon eingeaͤſchert habe; wenn aber du vom Balſam deiner Gegen-Liebe nur wenig Tropf- fen in dieſe Aſche fallen laͤſt; wird es als ein neu- er Fenix daraus lebhaffter/ als vor gezeuget werden. Vollkommene Goͤttin! ſey nicht ein- ſamer/ als dieſe Wildnuͤs; noch unbarmhertzi- ger/ als dieſe Felſen; in dem jene meine Ge- ſellſchafft ſo willig vertraͤget; dieſe aber uns beyde nicht erduͤrſten laſſen. Sorge nicht: daß meine Liebe die Fluͤchtigkeit dieſer Bach/ ſondern die Aehnligkeit des ewigen Feuers ha- be. Jch habe vor dir nur eine/ wiewol dir nicht vergleichliche Fuͤrſtin lieb gewonnen; und es hat meine Flamme nichts/ als der Todt aus- leſchen koͤnnen; der ihr zwar das Tacht der erblichenen Marmeline entzogen hat; Gleich- wol aber lebet ihr Gedaͤchtnuͤs in meinem ihr gewiedmeten Gemuͤthe; und unſerer beyder Geiſter ver geſſen nicht auch noch ſo viel reiner ſich
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f1340" n="1274[1276]"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Achtes Buch</hi></fw><lb/><cb/> ihr zu geſchwinde; kein Baͤr zu grauſam/ und<lb/> kein Luchs zu erſchrecklich. Koͤnig Marbod<lb/> thaͤt auch im Jagen ſein euſſerſtes/ um ſeine<lb/> Tapfferkeit ſehen zu laſſen; und ſich derſelbigen<lb/> Jaͤgerin zu bemaͤchtigen; welche mit ihren<lb/> Pfeilen dieſe Wildnuͤs am Wilde arm machte;<lb/> durch ihre Schoͤnheit und Anmuth aber ſie mit<lb/> unſchaͤtzbaren Blumen bereicherte; welche auf<lb/> ihren Lippen und Wangen viel beſtaͤndiger/<lb/> als in dem Roſen- und Lilgen-Monate bluͤhen.<lb/> Thußnelde ſetzte nach Erlegung eines Thieres<lb/> alſofort dem andern nach; Marbod aber verlohr<lb/> niemahls die Spur dieſer wunderwuͤrdigen<lb/> Hindin; welche nichts minder die Vollkom-<lb/> menheit derſelben/ welche Hercules dem Euri-<lb/> ſtheus liefferte/ uͤbertraff; als er von einem groͤſ-<lb/> ſeren Wuͤtterich/ nehmlich der Liebe zu derſel-<lb/> ben Einholung angereitzet ward; und mein-<lb/> te ſo viel Steine in ihr Liebes-Bret eingeſetzt<lb/> zu haben; ſo viel wilde Thiere er in ihrem Ange-<lb/> ſichte erlegte. Weil er aber ſtets nur ein Auge<lb/> auf dieſe/ das andere aber auf Thußnelden hat-<lb/> te; als nach welcher ſeine eigene Seele auff die<lb/> Jagt zoh; verſahe es Marbod bey Verfolgung<lb/> eines Baͤren: daß er mit dem Pferde ſtuͤrtzte;<lb/> und von dieſem wegen ſeiner Verletzung ſo viel<lb/> mehr verbitterten Thiere auffs grimmigſte uͤ-<lb/> berfallen; von der Fuͤrſtin Thußnelde aber/<lb/> welche einen Wurff-Spieß ſelbtem mitten<lb/> durchs Hertze jagte/ zu groſſem Gluͤcke entſe-<lb/> tzet; und hierauff auf ein ander Pferd gebracht<lb/> ward. Marbod/ welcher ſich hierdurch ihr das<lb/> Leben zu dancken verpflichtet erkennte/ haͤtte<lb/> ihr gern ein verdientes Danck-Opffer erſtattet/<lb/> oder vielmehr Gelegenheit gehabt/ ihr die<lb/> Wunden ſeines Hertzens zu entdecken; aber<lb/> dieſe fluͤchtige Daphne wolte auch dieſer groſ-<lb/> ſen Sonne Deutſchlands nicht Stand halten;<lb/> ſondern ſie rennte in die duͤſterſten Hecken; alſo:<lb/> daß ſie Marbod bey nahe zwey Stunden ver-<lb/> gebens ſuchte. Wie er nun fuͤr Mattigkeit<lb/> laͤchſte/ und ſein Pferd fuͤr Muͤdigkeit ſich kaum<lb/><cb/> bewegen konte/ leitete ihn das Wiegern eines<lb/> Pferdes auf einẽ Pfad; welcher ihn kurtz darauff<lb/> zu eben dem aus einem rauen Felſen ſpringen-<lb/> den Quell leitete; darauff Thußnelde ſaß/ und<lb/> ihren Durſt mit dieſem kriſtallenen Waſſer<lb/> leſchte. Marbod kriegte mit ihrem erſten An-<lb/> blicke gleichſam ein neues Leben; ſprang alſo<lb/> vom Pferde/ umarmete ſich buͤckende ihre Knie;<lb/> und redete ſie alſofort an: Warum fleuchſtu ſo<lb/> ſehr fuͤr mir/ du Gebieterin meiner Seele? haſt<lb/> du fuͤr Marboden groͤſſere Abſcheu/ als fuͤr die-<lb/> ſer traurigen Einoͤde? Wilſtu dich aber fuͤr<lb/> Licht und Sonne verſtecken/ ſo muſtu/ Sonne<lb/> des Erd-Kreißes/ dich von dir ſelbſt zu entfer-<lb/> nen den Anfang machen. Biſtu von der Hitze<lb/> des Mittags gezwungen deine anklebende<lb/> Zunge mit dieſer Eyß-kalten Flut abzukuͤh-<lb/> len; ſo uͤberlege/ was eine verliebte Seele fuͤr<lb/> Pein erdulde; und erquicke ſie aus Erbarm-<lb/> nuͤs nur mit einer Hand voll deiner holdſeligen<lb/> Gewogenheit. Glaube: daß der Blitz deiner<lb/> Augen mein loderndes Hertze nicht anders/ als<lb/> die Glut die um ſelbte ſchwermende Muͤcken<lb/> ſchon eingeaͤſchert habe; wenn aber du vom<lb/> Balſam deiner Gegen-Liebe nur wenig Tropf-<lb/> fen in dieſe Aſche fallen laͤſt; wird es als ein neu-<lb/> er Fenix daraus lebhaffter/ als vor gezeuget<lb/> werden. Vollkommene Goͤttin! ſey nicht ein-<lb/> ſamer/ als dieſe Wildnuͤs; noch unbarmhertzi-<lb/> ger/ als dieſe Felſen; in dem jene meine Ge-<lb/> ſellſchafft ſo willig vertraͤget; dieſe aber uns<lb/> beyde nicht erduͤrſten laſſen. Sorge nicht:<lb/> daß meine Liebe die Fluͤchtigkeit dieſer Bach/<lb/> ſondern die Aehnligkeit des ewigen Feuers ha-<lb/> be. Jch habe vor dir nur eine/ wiewol dir<lb/> nicht vergleichliche Fuͤrſtin lieb gewonnen; und<lb/> es hat meine Flamme nichts/ als der Todt aus-<lb/> leſchen koͤnnen; der ihr zwar das Tacht der<lb/> erblichenen Marmeline entzogen hat; Gleich-<lb/> wol aber lebet ihr Gedaͤchtnuͤs in meinem ihr<lb/> gewiedmeten Gemuͤthe; und unſerer beyder<lb/> Geiſter ver geſſen nicht auch noch ſo viel reiner<lb/> <fw place="bottom" type="catch">ſich</fw><lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [1274[1276]/1340]
Achtes Buch
ihr zu geſchwinde; kein Baͤr zu grauſam/ und
kein Luchs zu erſchrecklich. Koͤnig Marbod
thaͤt auch im Jagen ſein euſſerſtes/ um ſeine
Tapfferkeit ſehen zu laſſen; und ſich derſelbigen
Jaͤgerin zu bemaͤchtigen; welche mit ihren
Pfeilen dieſe Wildnuͤs am Wilde arm machte;
durch ihre Schoͤnheit und Anmuth aber ſie mit
unſchaͤtzbaren Blumen bereicherte; welche auf
ihren Lippen und Wangen viel beſtaͤndiger/
als in dem Roſen- und Lilgen-Monate bluͤhen.
Thußnelde ſetzte nach Erlegung eines Thieres
alſofort dem andern nach; Marbod aber verlohr
niemahls die Spur dieſer wunderwuͤrdigen
Hindin; welche nichts minder die Vollkom-
menheit derſelben/ welche Hercules dem Euri-
ſtheus liefferte/ uͤbertraff; als er von einem groͤſ-
ſeren Wuͤtterich/ nehmlich der Liebe zu derſel-
ben Einholung angereitzet ward; und mein-
te ſo viel Steine in ihr Liebes-Bret eingeſetzt
zu haben; ſo viel wilde Thiere er in ihrem Ange-
ſichte erlegte. Weil er aber ſtets nur ein Auge
auf dieſe/ das andere aber auf Thußnelden hat-
te; als nach welcher ſeine eigene Seele auff die
Jagt zoh; verſahe es Marbod bey Verfolgung
eines Baͤren: daß er mit dem Pferde ſtuͤrtzte;
und von dieſem wegen ſeiner Verletzung ſo viel
mehr verbitterten Thiere auffs grimmigſte uͤ-
berfallen; von der Fuͤrſtin Thußnelde aber/
welche einen Wurff-Spieß ſelbtem mitten
durchs Hertze jagte/ zu groſſem Gluͤcke entſe-
tzet; und hierauff auf ein ander Pferd gebracht
ward. Marbod/ welcher ſich hierdurch ihr das
Leben zu dancken verpflichtet erkennte/ haͤtte
ihr gern ein verdientes Danck-Opffer erſtattet/
oder vielmehr Gelegenheit gehabt/ ihr die
Wunden ſeines Hertzens zu entdecken; aber
dieſe fluͤchtige Daphne wolte auch dieſer groſ-
ſen Sonne Deutſchlands nicht Stand halten;
ſondern ſie rennte in die duͤſterſten Hecken; alſo:
daß ſie Marbod bey nahe zwey Stunden ver-
gebens ſuchte. Wie er nun fuͤr Mattigkeit
laͤchſte/ und ſein Pferd fuͤr Muͤdigkeit ſich kaum
bewegen konte/ leitete ihn das Wiegern eines
Pferdes auf einẽ Pfad; welcher ihn kurtz darauff
zu eben dem aus einem rauen Felſen ſpringen-
den Quell leitete; darauff Thußnelde ſaß/ und
ihren Durſt mit dieſem kriſtallenen Waſſer
leſchte. Marbod kriegte mit ihrem erſten An-
blicke gleichſam ein neues Leben; ſprang alſo
vom Pferde/ umarmete ſich buͤckende ihre Knie;
und redete ſie alſofort an: Warum fleuchſtu ſo
ſehr fuͤr mir/ du Gebieterin meiner Seele? haſt
du fuͤr Marboden groͤſſere Abſcheu/ als fuͤr die-
ſer traurigen Einoͤde? Wilſtu dich aber fuͤr
Licht und Sonne verſtecken/ ſo muſtu/ Sonne
des Erd-Kreißes/ dich von dir ſelbſt zu entfer-
nen den Anfang machen. Biſtu von der Hitze
des Mittags gezwungen deine anklebende
Zunge mit dieſer Eyß-kalten Flut abzukuͤh-
len; ſo uͤberlege/ was eine verliebte Seele fuͤr
Pein erdulde; und erquicke ſie aus Erbarm-
nuͤs nur mit einer Hand voll deiner holdſeligen
Gewogenheit. Glaube: daß der Blitz deiner
Augen mein loderndes Hertze nicht anders/ als
die Glut die um ſelbte ſchwermende Muͤcken
ſchon eingeaͤſchert habe; wenn aber du vom
Balſam deiner Gegen-Liebe nur wenig Tropf-
fen in dieſe Aſche fallen laͤſt; wird es als ein neu-
er Fenix daraus lebhaffter/ als vor gezeuget
werden. Vollkommene Goͤttin! ſey nicht ein-
ſamer/ als dieſe Wildnuͤs; noch unbarmhertzi-
ger/ als dieſe Felſen; in dem jene meine Ge-
ſellſchafft ſo willig vertraͤget; dieſe aber uns
beyde nicht erduͤrſten laſſen. Sorge nicht:
daß meine Liebe die Fluͤchtigkeit dieſer Bach/
ſondern die Aehnligkeit des ewigen Feuers ha-
be. Jch habe vor dir nur eine/ wiewol dir
nicht vergleichliche Fuͤrſtin lieb gewonnen; und
es hat meine Flamme nichts/ als der Todt aus-
leſchen koͤnnen; der ihr zwar das Tacht der
erblichenen Marmeline entzogen hat; Gleich-
wol aber lebet ihr Gedaͤchtnuͤs in meinem ihr
gewiedmeten Gemuͤthe; und unſerer beyder
Geiſter ver geſſen nicht auch noch ſo viel reiner
ſich
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |