Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689.

Bild:
<< vorherige Seite

Achtes Buch
[Spaltenumbruch] ihr zu geschwinde; kein Bär zu grausam/ und
kein Luchs zu erschrecklich. König Marbod
thät auch im Jagen sein eusserstes/ um seine
Tapfferkeit sehen zu lassen; und sich derselbigen
Jägerin zu bemächtigen; welche mit ihren
Pfeilen diese Wildnüs am Wilde arm machte;
durch ihre Schönheit und Anmuth aber sie mit
unschätzbaren Blumen bereicherte; welche auf
ihren Lippen und Wangen viel beständiger/
als in dem Rosen- und Lilgen-Monate blühen.
Thußnelde setzte nach Erlegung eines Thieres
alsofort dem andern nach; Marbod aber verlohr
niemahls die Spur dieser wunderwürdigen
Hindin; welche nichts minder die Vollkom-
menheit derselben/ welche Hercules dem Euri-
stheus liefferte/ übertraff; als er von einem grös-
seren Wütterich/ nehmlich der Liebe zu dersel-
ben Einholung angereitzet ward; und mein-
te so viel Steine in ihr Liebes-Bret eingesetzt
zu haben; so viel wilde Thiere er in ihrem Ange-
sichte erlegte. Weil er aber stets nur ein Auge
auf diese/ das andere aber auf Thußnelden hat-
te; als nach welcher seine eigene Seele auff die
Jagt zoh; versahe es Marbod bey Verfolgung
eines Bären: daß er mit dem Pferde stürtzte;
und von diesem wegen seiner Verletzung so viel
mehr verbitterten Thiere auffs grimmigste ü-
berfallen; von der Fürstin Thußnelde aber/
welche einen Wurff-Spieß selbtem mitten
durchs Hertze jagte/ zu grossem Glücke entse-
tzet; und hierauff auf ein ander Pferd gebracht
ward. Marbod/ welcher sich hierdurch ihr das
Leben zu dancken verpflichtet erkennte/ hätte
ihr gern ein verdientes Danck-Opffer erstattet/
oder vielmehr Gelegenheit gehabt/ ihr die
Wunden seines Hertzens zu entdecken; aber
diese flüchtige Daphne wolte auch dieser gros-
sen Sonne Deutschlands nicht Stand halten;
sondern sie rennte in die düstersten Hecken; also:
daß sie Marbod bey nahe zwey Stunden ver-
gebens suchte. Wie er nun für Mattigkeit
lächste/ und sein Pferd für Müdigkeit sich kaum
[Spaltenumbruch] bewegen konte/ leitete ihn das Wiegern eines
Pferdes auf einen Pfad; welcher ihn kurtz darauff
zu eben dem aus einem rauen Felsen springen-
den Quell leitete; darauff Thußnelde saß/ und
ihren Durst mit diesem kristallenen Wasser
leschte. Marbod kriegte mit ihrem ersten An-
blicke gleichsam ein neues Leben; sprang also
vom Pferde/ umarmete sich bückende ihre Knie;
und redete sie alsofort an: Warum fleuchstu so
sehr für mir/ du Gebieterin meiner Seele? hast
du für Marboden grössere Abscheu/ als für die-
ser traurigen Einöde? Wilstu dich aber für
Licht und Sonne verstecken/ so mustu/ Sonne
des Erd-Kreißes/ dich von dir selbst zu entfer-
nen den Anfang machen. Bistu von der Hitze
des Mittags gezwungen deine anklebende
Zunge mit dieser Eyß-kalten Flut abzuküh-
len; so überlege/ was eine verliebte Seele für
Pein erdulde; und erquicke sie aus Erbarm-
nüs nur mit einer Hand voll deiner holdseligen
Gewogenheit. Glaube: daß der Blitz deiner
Augen mein loderndes Hertze nicht anders/ als
die Glut die um selbte schwermende Mücken
schon eingeäschert habe; wenn aber du vom
Balsam deiner Gegen-Liebe nur wenig Tropf-
fen in diese Asche fallen läst; wird es als ein neu-
er Fenix daraus lebhaffter/ als vor gezeuget
werden. Vollkommene Göttin! sey nicht ein-
samer/ als diese Wildnüs; noch unbarmhertzi-
ger/ als diese Felsen; in dem jene meine Ge-
sellschafft so willig verträget; diese aber uns
beyde nicht erdürsten lassen. Sorge nicht:
daß meine Liebe die Flüchtigkeit dieser Bach/
sondern die Aehnligkeit des ewigen Feuers ha-
be. Jch habe vor dir nur eine/ wiewol dir
nicht vergleichliche Fürstin lieb gewonnen; und
es hat meine Flamme nichts/ als der Todt aus-
leschen können; der ihr zwar das Tacht der
erblichenen Marmeline entzogen hat; Gleich-
wol aber lebet ihr Gedächtnüs in meinem ihr
gewiedmeten Gemüthe; und unserer beyder
Geister ver gessen nicht auch noch so viel reiner

sich

Achtes Buch
[Spaltenumbruch] ihr zu geſchwinde; kein Baͤr zu grauſam/ und
kein Luchs zu erſchrecklich. Koͤnig Marbod
thaͤt auch im Jagen ſein euſſerſtes/ um ſeine
Tapfferkeit ſehen zu laſſen; und ſich derſelbigen
Jaͤgerin zu bemaͤchtigen; welche mit ihren
Pfeilen dieſe Wildnuͤs am Wilde arm machte;
durch ihre Schoͤnheit und Anmuth aber ſie mit
unſchaͤtzbaren Blumen bereicherte; welche auf
ihren Lippen und Wangen viel beſtaͤndiger/
als in dem Roſen- und Lilgen-Monate bluͤhen.
Thußnelde ſetzte nach Erlegung eines Thieres
alſofort dem andern nach; Marbod aber verlohr
niemahls die Spur dieſer wunderwuͤrdigen
Hindin; welche nichts minder die Vollkom-
menheit derſelben/ welche Hercules dem Euri-
ſtheus liefferte/ uͤbertraff; als er von einem groͤſ-
ſeren Wuͤtterich/ nehmlich der Liebe zu derſel-
ben Einholung angereitzet ward; und mein-
te ſo viel Steine in ihr Liebes-Bret eingeſetzt
zu haben; ſo viel wilde Thiere er in ihrem Ange-
ſichte erlegte. Weil er aber ſtets nur ein Auge
auf dieſe/ das andere aber auf Thußnelden hat-
te; als nach welcher ſeine eigene Seele auff die
Jagt zoh; verſahe es Marbod bey Verfolgung
eines Baͤren: daß er mit dem Pferde ſtuͤrtzte;
und von dieſem wegen ſeiner Verletzung ſo viel
mehr verbitterten Thiere auffs grimmigſte uͤ-
berfallen; von der Fuͤrſtin Thußnelde aber/
welche einen Wurff-Spieß ſelbtem mitten
durchs Hertze jagte/ zu groſſem Gluͤcke entſe-
tzet; und hierauff auf ein ander Pferd gebracht
ward. Marbod/ welcher ſich hierdurch ihr das
Leben zu dancken verpflichtet erkennte/ haͤtte
ihr gern ein verdientes Danck-Opffer erſtattet/
oder vielmehr Gelegenheit gehabt/ ihr die
Wunden ſeines Hertzens zu entdecken; aber
dieſe fluͤchtige Daphne wolte auch dieſer groſ-
ſen Sonne Deutſchlands nicht Stand halten;
ſondern ſie rennte in die duͤſterſten Hecken; alſo:
daß ſie Marbod bey nahe zwey Stunden ver-
gebens ſuchte. Wie er nun fuͤr Mattigkeit
laͤchſte/ und ſein Pferd fuͤr Muͤdigkeit ſich kaum
[Spaltenumbruch] bewegen konte/ leitete ihn das Wiegern eines
Pferdes auf einẽ Pfad; welcher ihn kurtz darauff
zu eben dem aus einem rauen Felſen ſpringen-
den Quell leitete; darauff Thußnelde ſaß/ und
ihren Durſt mit dieſem kriſtallenen Waſſer
leſchte. Marbod kriegte mit ihrem erſten An-
blicke gleichſam ein neues Leben; ſprang alſo
vom Pferde/ umarmete ſich buͤckende ihre Knie;
und redete ſie alſofort an: Warum fleuchſtu ſo
ſehr fuͤr mir/ du Gebieterin meiner Seele? haſt
du fuͤr Marboden groͤſſere Abſcheu/ als fuͤr die-
ſer traurigen Einoͤde? Wilſtu dich aber fuͤr
Licht und Sonne verſtecken/ ſo muſtu/ Sonne
des Erd-Kreißes/ dich von dir ſelbſt zu entfer-
nen den Anfang machen. Biſtu von der Hitze
des Mittags gezwungen deine anklebende
Zunge mit dieſer Eyß-kalten Flut abzukuͤh-
len; ſo uͤberlege/ was eine verliebte Seele fuͤr
Pein erdulde; und erquicke ſie aus Erbarm-
nuͤs nur mit einer Hand voll deiner holdſeligen
Gewogenheit. Glaube: daß der Blitz deiner
Augen mein loderndes Hertze nicht anders/ als
die Glut die um ſelbte ſchwermende Muͤcken
ſchon eingeaͤſchert habe; wenn aber du vom
Balſam deiner Gegen-Liebe nur wenig Tropf-
fen in dieſe Aſche fallen laͤſt; wird es als ein neu-
er Fenix daraus lebhaffter/ als vor gezeuget
werden. Vollkommene Goͤttin! ſey nicht ein-
ſamer/ als dieſe Wildnuͤs; noch unbarmhertzi-
ger/ als dieſe Felſen; in dem jene meine Ge-
ſellſchafft ſo willig vertraͤget; dieſe aber uns
beyde nicht erduͤrſten laſſen. Sorge nicht:
daß meine Liebe die Fluͤchtigkeit dieſer Bach/
ſondern die Aehnligkeit des ewigen Feuers ha-
be. Jch habe vor dir nur eine/ wiewol dir
nicht vergleichliche Fuͤrſtin lieb gewonnen; und
es hat meine Flamme nichts/ als der Todt aus-
leſchen koͤnnen; der ihr zwar das Tacht der
erblichenen Marmeline entzogen hat; Gleich-
wol aber lebet ihr Gedaͤchtnuͤs in meinem ihr
gewiedmeten Gemuͤthe; und unſerer beyder
Geiſter ver geſſen nicht auch noch ſo viel reiner

ſich
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f1340" n="1274[1276]"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Achtes Buch</hi></fw><lb/><cb/>
ihr zu ge&#x017F;chwinde; kein Ba&#x0364;r zu grau&#x017F;am/ und<lb/>
kein Luchs zu er&#x017F;chrecklich. Ko&#x0364;nig Marbod<lb/>
tha&#x0364;t auch im Jagen &#x017F;ein eu&#x017F;&#x017F;er&#x017F;tes/ um &#x017F;eine<lb/>
Tapfferkeit &#x017F;ehen zu la&#x017F;&#x017F;en; und &#x017F;ich der&#x017F;elbigen<lb/>
Ja&#x0364;gerin zu bema&#x0364;chtigen; welche mit ihren<lb/>
Pfeilen die&#x017F;e Wildnu&#x0364;s am Wilde arm machte;<lb/>
durch ihre Scho&#x0364;nheit und Anmuth aber &#x017F;ie mit<lb/>
un&#x017F;cha&#x0364;tzbaren Blumen bereicherte; welche auf<lb/>
ihren Lippen und Wangen viel be&#x017F;ta&#x0364;ndiger/<lb/>
als in dem Ro&#x017F;en- und Lilgen-Monate blu&#x0364;hen.<lb/>
Thußnelde &#x017F;etzte nach Erlegung eines Thieres<lb/>
al&#x017F;ofort dem andern nach; Marbod aber verlohr<lb/>
niemahls die Spur die&#x017F;er wunderwu&#x0364;rdigen<lb/>
Hindin; welche nichts minder die Vollkom-<lb/>
menheit der&#x017F;elben/ welche Hercules dem Euri-<lb/>
&#x017F;theus liefferte/ u&#x0364;bertraff; als er von einem gro&#x0364;&#x017F;-<lb/>
&#x017F;eren Wu&#x0364;tterich/ nehmlich der Liebe zu der&#x017F;el-<lb/>
ben Einholung angereitzet ward; und mein-<lb/>
te &#x017F;o viel Steine in ihr Liebes-Bret einge&#x017F;etzt<lb/>
zu haben; &#x017F;o viel wilde Thiere er in ihrem Ange-<lb/>
&#x017F;ichte erlegte. Weil er aber &#x017F;tets nur ein Auge<lb/>
auf die&#x017F;e/ das andere aber auf Thußnelden hat-<lb/>
te; als nach welcher &#x017F;eine eigene Seele auff die<lb/>
Jagt zoh; ver&#x017F;ahe es Marbod bey Verfolgung<lb/>
eines Ba&#x0364;ren: daß er mit dem Pferde &#x017F;tu&#x0364;rtzte;<lb/>
und von die&#x017F;em wegen &#x017F;einer Verletzung &#x017F;o viel<lb/>
mehr verbitterten Thiere auffs grimmig&#x017F;te u&#x0364;-<lb/>
berfallen; von der Fu&#x0364;r&#x017F;tin Thußnelde aber/<lb/>
welche einen Wurff-Spieß &#x017F;elbtem mitten<lb/>
durchs Hertze jagte/ zu gro&#x017F;&#x017F;em Glu&#x0364;cke ent&#x017F;e-<lb/>
tzet; und hierauff auf ein ander Pferd gebracht<lb/>
ward. Marbod/ welcher &#x017F;ich hierdurch ihr das<lb/>
Leben zu dancken verpflichtet erkennte/ ha&#x0364;tte<lb/>
ihr gern ein verdientes Danck-Opffer er&#x017F;tattet/<lb/>
oder vielmehr Gelegenheit gehabt/ ihr die<lb/>
Wunden &#x017F;eines Hertzens zu entdecken; aber<lb/>
die&#x017F;e flu&#x0364;chtige Daphne wolte auch die&#x017F;er gro&#x017F;-<lb/>
&#x017F;en Sonne Deut&#x017F;chlands nicht Stand halten;<lb/>
&#x017F;ondern &#x017F;ie rennte in die du&#x0364;&#x017F;ter&#x017F;ten Hecken; al&#x017F;o:<lb/>
daß &#x017F;ie Marbod bey nahe zwey Stunden ver-<lb/>
gebens &#x017F;uchte. Wie er nun fu&#x0364;r Mattigkeit<lb/>
la&#x0364;ch&#x017F;te/ und &#x017F;ein Pferd fu&#x0364;r Mu&#x0364;digkeit &#x017F;ich kaum<lb/><cb/>
bewegen konte/ leitete ihn das Wiegern eines<lb/>
Pferdes auf eine&#x0303; Pfad; welcher ihn kurtz darauff<lb/>
zu eben dem aus einem rauen Fel&#x017F;en &#x017F;pringen-<lb/>
den Quell leitete; darauff Thußnelde &#x017F;aß/ und<lb/>
ihren Dur&#x017F;t mit die&#x017F;em kri&#x017F;tallenen Wa&#x017F;&#x017F;er<lb/>
le&#x017F;chte. Marbod kriegte mit ihrem er&#x017F;ten An-<lb/>
blicke gleich&#x017F;am ein neues Leben; &#x017F;prang al&#x017F;o<lb/>
vom Pferde/ umarmete &#x017F;ich bu&#x0364;ckende ihre Knie;<lb/>
und redete &#x017F;ie al&#x017F;ofort an: Warum fleuch&#x017F;tu &#x017F;o<lb/>
&#x017F;ehr fu&#x0364;r mir/ du Gebieterin meiner Seele? ha&#x017F;t<lb/>
du fu&#x0364;r Marboden gro&#x0364;&#x017F;&#x017F;ere Ab&#x017F;cheu/ als fu&#x0364;r die-<lb/>
&#x017F;er traurigen Eino&#x0364;de? Wil&#x017F;tu dich aber fu&#x0364;r<lb/>
Licht und Sonne ver&#x017F;tecken/ &#x017F;o mu&#x017F;tu/ Sonne<lb/>
des Erd-Kreißes/ dich von dir &#x017F;elb&#x017F;t zu entfer-<lb/>
nen den Anfang machen. Bi&#x017F;tu von der Hitze<lb/>
des Mittags gezwungen deine anklebende<lb/>
Zunge mit die&#x017F;er Eyß-kalten Flut abzuku&#x0364;h-<lb/>
len; &#x017F;o u&#x0364;berlege/ was eine verliebte Seele fu&#x0364;r<lb/>
Pein erdulde; und erquicke &#x017F;ie aus Erbarm-<lb/>
nu&#x0364;s nur mit einer Hand voll deiner hold&#x017F;eligen<lb/>
Gewogenheit. Glaube: daß der Blitz deiner<lb/>
Augen mein loderndes Hertze nicht anders/ als<lb/>
die Glut die um &#x017F;elbte &#x017F;chwermende Mu&#x0364;cken<lb/>
&#x017F;chon eingea&#x0364;&#x017F;chert habe; wenn aber du vom<lb/>
Bal&#x017F;am deiner Gegen-Liebe nur wenig Tropf-<lb/>
fen in die&#x017F;e A&#x017F;che fallen la&#x0364;&#x017F;t; wird es als ein neu-<lb/>
er Fenix daraus lebhaffter/ als vor gezeuget<lb/>
werden. Vollkommene Go&#x0364;ttin! &#x017F;ey nicht ein-<lb/>
&#x017F;amer/ als die&#x017F;e Wildnu&#x0364;s; noch unbarmhertzi-<lb/>
ger/ als die&#x017F;e Fel&#x017F;en; in dem jene meine Ge-<lb/>
&#x017F;ell&#x017F;chafft &#x017F;o willig vertra&#x0364;get; die&#x017F;e aber uns<lb/>
beyde nicht erdu&#x0364;r&#x017F;ten la&#x017F;&#x017F;en. Sorge nicht:<lb/>
daß meine Liebe die Flu&#x0364;chtigkeit die&#x017F;er Bach/<lb/>
&#x017F;ondern die Aehnligkeit des ewigen Feuers ha-<lb/>
be. Jch habe vor dir nur eine/ wiewol dir<lb/>
nicht vergleichliche Fu&#x0364;r&#x017F;tin lieb gewonnen; und<lb/>
es hat meine Flamme nichts/ als der Todt aus-<lb/>
le&#x017F;chen ko&#x0364;nnen; der ihr zwar das Tacht der<lb/>
erblichenen Marmeline entzogen hat; Gleich-<lb/>
wol aber lebet ihr Geda&#x0364;chtnu&#x0364;s in meinem ihr<lb/>
gewiedmeten Gemu&#x0364;the; und un&#x017F;erer beyder<lb/>
Gei&#x017F;ter ver ge&#x017F;&#x017F;en nicht auch noch &#x017F;o viel reiner<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">&#x017F;ich</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[1274[1276]/1340] Achtes Buch ihr zu geſchwinde; kein Baͤr zu grauſam/ und kein Luchs zu erſchrecklich. Koͤnig Marbod thaͤt auch im Jagen ſein euſſerſtes/ um ſeine Tapfferkeit ſehen zu laſſen; und ſich derſelbigen Jaͤgerin zu bemaͤchtigen; welche mit ihren Pfeilen dieſe Wildnuͤs am Wilde arm machte; durch ihre Schoͤnheit und Anmuth aber ſie mit unſchaͤtzbaren Blumen bereicherte; welche auf ihren Lippen und Wangen viel beſtaͤndiger/ als in dem Roſen- und Lilgen-Monate bluͤhen. Thußnelde ſetzte nach Erlegung eines Thieres alſofort dem andern nach; Marbod aber verlohr niemahls die Spur dieſer wunderwuͤrdigen Hindin; welche nichts minder die Vollkom- menheit derſelben/ welche Hercules dem Euri- ſtheus liefferte/ uͤbertraff; als er von einem groͤſ- ſeren Wuͤtterich/ nehmlich der Liebe zu derſel- ben Einholung angereitzet ward; und mein- te ſo viel Steine in ihr Liebes-Bret eingeſetzt zu haben; ſo viel wilde Thiere er in ihrem Ange- ſichte erlegte. Weil er aber ſtets nur ein Auge auf dieſe/ das andere aber auf Thußnelden hat- te; als nach welcher ſeine eigene Seele auff die Jagt zoh; verſahe es Marbod bey Verfolgung eines Baͤren: daß er mit dem Pferde ſtuͤrtzte; und von dieſem wegen ſeiner Verletzung ſo viel mehr verbitterten Thiere auffs grimmigſte uͤ- berfallen; von der Fuͤrſtin Thußnelde aber/ welche einen Wurff-Spieß ſelbtem mitten durchs Hertze jagte/ zu groſſem Gluͤcke entſe- tzet; und hierauff auf ein ander Pferd gebracht ward. Marbod/ welcher ſich hierdurch ihr das Leben zu dancken verpflichtet erkennte/ haͤtte ihr gern ein verdientes Danck-Opffer erſtattet/ oder vielmehr Gelegenheit gehabt/ ihr die Wunden ſeines Hertzens zu entdecken; aber dieſe fluͤchtige Daphne wolte auch dieſer groſ- ſen Sonne Deutſchlands nicht Stand halten; ſondern ſie rennte in die duͤſterſten Hecken; alſo: daß ſie Marbod bey nahe zwey Stunden ver- gebens ſuchte. Wie er nun fuͤr Mattigkeit laͤchſte/ und ſein Pferd fuͤr Muͤdigkeit ſich kaum bewegen konte/ leitete ihn das Wiegern eines Pferdes auf einẽ Pfad; welcher ihn kurtz darauff zu eben dem aus einem rauen Felſen ſpringen- den Quell leitete; darauff Thußnelde ſaß/ und ihren Durſt mit dieſem kriſtallenen Waſſer leſchte. Marbod kriegte mit ihrem erſten An- blicke gleichſam ein neues Leben; ſprang alſo vom Pferde/ umarmete ſich buͤckende ihre Knie; und redete ſie alſofort an: Warum fleuchſtu ſo ſehr fuͤr mir/ du Gebieterin meiner Seele? haſt du fuͤr Marboden groͤſſere Abſcheu/ als fuͤr die- ſer traurigen Einoͤde? Wilſtu dich aber fuͤr Licht und Sonne verſtecken/ ſo muſtu/ Sonne des Erd-Kreißes/ dich von dir ſelbſt zu entfer- nen den Anfang machen. Biſtu von der Hitze des Mittags gezwungen deine anklebende Zunge mit dieſer Eyß-kalten Flut abzukuͤh- len; ſo uͤberlege/ was eine verliebte Seele fuͤr Pein erdulde; und erquicke ſie aus Erbarm- nuͤs nur mit einer Hand voll deiner holdſeligen Gewogenheit. Glaube: daß der Blitz deiner Augen mein loderndes Hertze nicht anders/ als die Glut die um ſelbte ſchwermende Muͤcken ſchon eingeaͤſchert habe; wenn aber du vom Balſam deiner Gegen-Liebe nur wenig Tropf- fen in dieſe Aſche fallen laͤſt; wird es als ein neu- er Fenix daraus lebhaffter/ als vor gezeuget werden. Vollkommene Goͤttin! ſey nicht ein- ſamer/ als dieſe Wildnuͤs; noch unbarmhertzi- ger/ als dieſe Felſen; in dem jene meine Ge- ſellſchafft ſo willig vertraͤget; dieſe aber uns beyde nicht erduͤrſten laſſen. Sorge nicht: daß meine Liebe die Fluͤchtigkeit dieſer Bach/ ſondern die Aehnligkeit des ewigen Feuers ha- be. Jch habe vor dir nur eine/ wiewol dir nicht vergleichliche Fuͤrſtin lieb gewonnen; und es hat meine Flamme nichts/ als der Todt aus- leſchen koͤnnen; der ihr zwar das Tacht der erblichenen Marmeline entzogen hat; Gleich- wol aber lebet ihr Gedaͤchtnuͤs in meinem ihr gewiedmeten Gemuͤthe; und unſerer beyder Geiſter ver geſſen nicht auch noch ſo viel reiner ſich

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/lohenstein_feldherr01_1689
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/lohenstein_feldherr01_1689/1340
Zitationshilfe: Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689, S. 1274[1276]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lohenstein_feldherr01_1689/1340>, abgerufen am 07.05.2024.