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Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689.

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Arminius und Thußnelda.
[Spaltenumbruch] wehnte Cattische Hertzogin gleichsam ohne die
annehmliche Thußnelde nicht leben konte; ver-
ursachten: daß diese jener Reise-Gefärthin
war; Wiewol sie/ um so viel unbekandter zu
bleiben/ nur die Stelle einer adelichen Jung-
frau bekleidete. König Marbod/ so bald er von
der Dahinkunfft einer so grossen Fürstin Nach-
richt erhielt; ließ selbte mit allerhand Noth-
durfft und Erfrischungen versorgen. Der Rit-
ter/ welcher diß überbrachte/ wuste seinem Kö-
nige den grossen Helden-Geist und die Klugheit
dieser Fürstin/ wie auch die Schönheit ihres
Frauenzimmers nicht genungsam zu rühmen;
Daher er unter dem Vorwand einer Jagt mit
wenig Edelleuten unbekandter Weise in diesen
warmen Brunnen kam. Und weil die Fürstin
mit dem andern Frauenzimmer in einem rund
gewölbten Saale badete/ worinnen ein von
weissem Marmel gemachtes Behältnüs durch
verborgene Röhren das vorhin eine gantze
Nacht abgekühlte Wasser in sich bekam/ nach
selbiger Landes-Art aber dieser Platz dem Vor-
witz aller dahin kommenden unverschlossen
stand/ kriegte Marbod diß/ was er verlangte/
unschwer zu Gesichte. Aber so leicht die Rose
zwischen andern Blumen/ ein Diamant un-
ter andern Edelgesteinen/ der Mohnde bey an-
dern Sternen zu erkiesen ist; so geschwinde fiel
dem Könige für andern die unver gleichliche
Gestalt Thußneldens ins Gesichte; oder die
Liebe kroch vielmehr durch diese zwey Pforten
ihm in das innerste seiner Seele. Der Schnee
ihrer zarten Glieder steckte in diesen nicht so
wol von unter-irrdischem Schwefel/ als von
ihren lodernden Anmuths-Strahlen erhitztem
Wasser Marbods Hertze mit unausleschlichen
Flammen an. Sein Gemüthe beklagte: daß
sein Leib allzu wenig Augen hätte sich durch An-
schauen einer mehr/ als irrdischen Schönheit zu
ersättigen. Je mehr er aber sie anschauete; so
viel mehr ward sein Verstand verfinstert/ und
sein Geist entseelet. Denn die Schönen ver-
[Spaltenumbruch] bländen mit ihrem Glantze wie die Sonne/ und
tödten mit ihrer Lebhafftigkeit/ wie das Feuer.
Ja Marbod war in einem Augenblicke schier
gantz ausser sich. Denn seine Seele hatte ihr
eine andere Wohnstatt nehmlich den herrlichen
Tempel dieser himmlischen Fürstin er wehlet;
und es schiene von seinem Leben nichts/ als die
Empfindligkeit grössester Schmertzen übrig
geblieben zu seyn. Weil er nun seine eigene
Ohnmacht an sich erkennte; war er will ens/ sich
nicht/ wie er wol anfangs ihm fürgesetzt hatte/
erkennen zu geben; sondern zu Verhütung sei-
ner Schwachheit sich wieder zu entfernen. Aber
Thußneldens Anmuth zohe seine Augen mit
unsichtbaren Ketten nachdrücklicher/ als der
Nordische Angel-Stern die Magnet-Nadel
an sich. Daher er nach Art derselben Welt-
weisen/ welche nur um die Sonne anzuschauen
gebohren zu seyn vermeinten/ sein Gesichte nie
von ihr verwendete/ auch von dar zu scheiden
sich nicht über winden konte/ biß die Zeichen zum
Ausbaden durch eine Glocke gegeben/ und alle
Zuschauer zu entweichen genöthiget wurden.
Unter wehrender Ankleidung des Frauenzim-
mers erholte sich Marbod gleichwol so viel: daß
er unter dem Nahmen eines vom Könige um
ihre Gesundheit zu vernehmen abgeschickten
Marckmännischen Ritters bey dem Heraus-
gehen der Hertzogin den Saum des Rockes/ ih-
rem Frauen-Zimmer aber die Hand zu küssen
Erlaubnüs bat. Es wäre aber diese Vermes-
senheit dem Könige bald übel gerathen; weil er
bey Anrührung Thußneldens schneeweißer
Hand gantz erstarrete; also daß er mit genauer
Noth/ iedoch nicht ohne Anmerckung seiner
Veränderung/ so wol seiner Gefärthen/ als der
Hertzogin denen folgenden Fräulein die aus-
gebetene Ehrerbietung bezeigen konte. Weß-
wegen auch die Fürstin Erdmuth bald darauf
mit Thußnelden/ als sie an der Bach auf einer
Wiesen sich ergiengen/ schertzte; und ihr/ wie
sie eine Marckmännische Land-Frau so bald

werden

Arminius und Thußnelda.
[Spaltenumbruch] wehnte Cattiſche Hertzogin gleichſam ohne die
annehmliche Thußnelde nicht leben konte; ver-
urſachten: daß dieſe jener Reiſe-Gefaͤrthin
war; Wiewol ſie/ um ſo viel unbekandter zu
bleiben/ nur die Stelle einer adelichen Jung-
frau bekleidete. Koͤnig Marbod/ ſo bald er von
der Dahinkunfft einer ſo groſſen Fuͤrſtin Nach-
richt erhielt; ließ ſelbte mit allerhand Noth-
durfft und Erfriſchungen verſorgen. Der Rit-
ter/ welcher diß uͤberbrachte/ wuſte ſeinem Koͤ-
nige den groſſen Helden-Geiſt und die Klugheit
dieſer Fuͤrſtin/ wie auch die Schoͤnheit ihres
Frauenzimmers nicht genungſam zu ruͤhmen;
Daher er unter dem Vorwand einer Jagt mit
wenig Edelleuten unbekandter Weiſe in dieſen
warmen Brunnen kam. Und weil die Fuͤrſtin
mit dem andern Frauenzimmer in einem rund
gewoͤlbten Saale badete/ worinnen ein von
weiſſem Marmel gemachtes Behaͤltnuͤs durch
verborgene Roͤhren das vorhin eine gantze
Nacht abgekuͤhlte Waſſer in ſich bekam/ nach
ſelbiger Landes-Art aber dieſer Platz dem Vor-
witz aller dahin kommenden unverſchloſſen
ſtand/ kriegte Marbod diß/ was er verlangte/
unſchwer zu Geſichte. Aber ſo leicht die Roſe
zwiſchen andern Blumen/ ein Diamant un-
ter andern Edelgeſteinen/ der Mohnde bey an-
dern Sternen zu erkieſen iſt; ſo geſchwinde fiel
dem Koͤnige fuͤr andern die unver gleichliche
Geſtalt Thußneldens ins Geſichte; oder die
Liebe kroch vielmehr durch dieſe zwey Pforten
ihm in das innerſte ſeiner Seele. Der Schnee
ihrer zarten Glieder ſteckte in dieſen nicht ſo
wol von unter-irrdiſchem Schwefel/ als von
ihren lodernden Anmuths-Strahlen erhitztem
Waſſer Marbods Hertze mit unausleſchlichen
Flammen an. Sein Gemuͤthe beklagte: daß
ſein Leib allzu wenig Augen haͤtte ſich durch An-
ſchauen einer mehr/ als irrdiſchen Schoͤnheit zu
erſaͤttigen. Je mehr er aber ſie anſchauete; ſo
viel mehr ward ſein Verſtand verfinſtert/ und
ſein Geiſt entſeelet. Denn die Schoͤnen ver-
[Spaltenumbruch] blaͤnden mit ihrem Glantze wie die Sonne/ und
toͤdten mit ihrer Lebhafftigkeit/ wie das Feuer.
Ja Marbod war in einem Augenblicke ſchier
gantz auſſer ſich. Denn ſeine Seele hatte ihr
eine andere Wohnſtatt nehmlich den herrlichen
Tempel dieſer himmliſchen Fuͤrſtin er wehlet;
und es ſchiene von ſeinem Leben nichts/ als die
Empfindligkeit groͤſſeſter Schmertzen uͤbrig
geblieben zu ſeyn. Weil er nun ſeine eigene
Ohnmacht an ſich erkennte; war er will ens/ ſich
nicht/ wie er wol anfangs ihm fuͤrgeſetzt hatte/
erkennen zu geben; ſondern zu Verhuͤtung ſei-
ner Schwachheit ſich wieder zu entfernen. Aber
Thußneldens Anmuth zohe ſeine Augen mit
unſichtbaren Ketten nachdruͤcklicher/ als der
Nordiſche Angel-Stern die Magnet-Nadel
an ſich. Daher er nach Art derſelben Welt-
weiſen/ welche nur um die Sonne anzuſchauen
gebohren zu ſeyn vermeinten/ ſein Geſichte nie
von ihr verwendete/ auch von dar zu ſcheiden
ſich nicht uͤber winden konte/ biß die Zeichen zum
Ausbaden durch eine Glocke gegeben/ und alle
Zuſchauer zu entweichen genoͤthiget wurden.
Unter wehrender Ankleidung des Frauenzim-
mers erholte ſich Marbod gleichwol ſo viel: daß
er unter dem Nahmen eines vom Koͤnige um
ihre Geſundheit zu vernehmen abgeſchickten
Marckmaͤnniſchen Ritters bey dem Heraus-
gehen der Hertzogin den Saum des Rockes/ ih-
rem Frauen-Zimmer aber die Hand zu kuͤſſen
Erlaubnuͤs bat. Es waͤre aber dieſe Vermeſ-
ſenheit dem Koͤnige bald uͤbel gerathen; weil er
bey Anruͤhrung Thußneldens ſchneeweißer
Hand gantz erſtarrete; alſo daß er mit genauer
Noth/ iedoch nicht ohne Anmerckung ſeiner
Veraͤnderung/ ſo wol ſeiner Gefaͤrthen/ als der
Hertzogin denen folgenden Fraͤulein die aus-
gebetene Ehrerbietung bezeigen konte. Weß-
wegen auch die Fuͤrſtin Erdmuth bald darauf
mit Thußnelden/ als ſie an der Bach auf einer
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ſie eine Marckmaͤnniſche Land-Frau ſo bald

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Zitationshilfe: Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689, S. 1271[1273]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lohenstein_feldherr01_1689/1337>, abgerufen am 23.11.2024.