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Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689.

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Arminius und Thußnelda.
[Spaltenumbruch] wie ein Scheit/ oder als ein von dem Blitz ent-
feelter Leichnam. Endlich erholete er sich ein
wenig; und nach dem er dem Saturnin zu Fuße
gefallen/ bat er nur um sein Leben; welches er
nach dem Kriegs-Rechte; weil er als ein Haupt-
mann über hundert Kriegs-Knechte ohne seiner
Befehlhaber Bewilligung diß fürgenommen/
verlohren zu haben bekennte. Ausser dem aber
meinte er genungsam entschuldigt zu seyn; weil
Tiberius selbst ihm nicht diese Wahrsage-
rin (welche für kurtzer Zeit in Rom gewest wä-
re/ und dem Augustus etliche Wahrsagungen in
seinen Arm eingeschnitten hätte) um sein und
des Kaysers Begebnüsse zu befragen befohlen
hätte. Diesen Fragen hätte er aus Vorwitz
seiner Buhlschafft/ und aus sonderbahrer Ver-
bindligkeit des Saturnins künfftiges Glück zu
vernehmen beygesetzt. Denn er wäre Scri-
bonius; welcher unter dem Saturnin zum er-
sten den Kriegs-Gürtel umgemacht/ auch von
ihm itzige Staffel erlangt/ auff des Kaysers
Befehl aber von dieser berühmten Wahrsage-
rin/ welche mit denen tieffsinnigsten Druyden
in verträulicher Gemeinschafft lebte/ und un-
geachtet der ihr vom Kayser und Livien zu Rom
verordneten herrlichen Verpflegung/ doch die-
ses wegen vieler zu der Wahrsagung bewehr-
ter Kräuter berühmte Gebürge mit denen Lieb-
ligkeiten Jtaliens nicht hätte ver wechseln wol-
len/ so gar unterschiedene Geheimnüße/ die
ihm die Chaldeer nicht zu eröffnen gewüßt/
erlernet hätte. Saturnin antwortete ihm: Es
solte zwar für dißmahl seinem Verbrechen die
Straffe nach gesehen seyn; er solte sich aber fort-
hin entweder dieses Aberglaubens/ oder des
Krieges enteussern. Er kam hierauff zwar
mit dem Hertzog Herrmann in die Stallung/
und die Jagt gieng mit Erlegung vieler Bä-
ren und wilder Schweine glücklich ab; aber
Saturnin war allezeit in tieffen Gedancken;
ob ihm schon Hertzog Herrmann durch vor ge-
[Spaltenumbruch] bildete Eitelkeit der Zauberey alle Traurigkeit
auszureden sich eusserst bearbeitete. Ja es
wurtzelte in dem Gemüthe des Saturnins ein
un versöhnlicher Haß wieder den Tiberius; hin-
gegen eine nicht geringe Gewogenheit gegen
die von ihm gedrückte Deutschen ein. Weil
doch das menschliche Gemüthe dem schwerlich
hold bleiben kan/ von dem es seinen Untergang
zu besorgen hat; und die neu-angesponnene
Feindschafft die ältere nicht nur verdüstert/ son-
dern auch verursacht: daß man sich auff dieser
ihre Seite schlägt. Diesemnach denn die Chau-
tzen und andere gleichsam gefässelte Deutschen
vom Saturnin nicht als Uberwundene/ son-
dern als Bunds-Genossen gehalten; und des
Tiberius wieder die Cherusker zu Rom ange-
sponnene Anschläge durch Saturnins Vor-
schrifften zu Wasser gemacht wurden. Nach-
dem auch Saturnin die Römischen Waffen
von Deutschland unmöglich gar abhalten kon-
te; brachte er es doch beym Kayser so weit: daß
selbte von dem Fürsten Herrmann abgelehnt/
und gegen den über die Römische Hoheit einen
all zugrossen Schatten abwerffenden Marbod
zu gebrauchen bestimmt wurden.

Die Fürstin Thußnelda lebte inzwischen bey
der Cattischen Hertzogin des Fürsten Arpus
Gemahlin so verborgen: daß Segesthes und
Tiberius das wenigste von ihrem Auffenthalt
erfahren konten. Gleich wol aber unterhielt sie
den Fürsten Herrmann mit ihrer holdseligen
Brieff-Wechselung. Und ob wol dieser die
zwischen ihnen beschlossene und vom Sege-
sthes zweymahl beliebte Heyrath zu voll zie-
hen bey Thußnelden beweglich anhielt; so
machte doch diese fromme Heldin wegen
besorgten väterlichen Unwillens allerhand
Schwerigkeit/ und Hertzog Arpus/ welcher
durch Thußneldens Vermittelung mit dem
Cheruskischen Hertzoge verträuliche Freund-
schafft aufrichtete/ wiederrieth solches noch zur

Zeit
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Arminius und Thußnelda.
[Spaltenumbruch] wie ein Scheit/ oder als ein von dem Blitz ent-
feelter Leichnam. Endlich erholete er ſich ein
wenig; und nach dem er dem Saturnin zu Fuße
gefallen/ bat er nur um ſein Leben; welches er
nach dem Kriegs-Rechte; weil er als ein Haupt-
mann uͤber hundert Kriegs-Knechte ohne ſeiner
Befehlhaber Bewilligung diß fuͤrgenommen/
verlohren zu haben bekennte. Auſſer dem aber
meinte er genungſam entſchuldigt zu ſeyn; weil
Tiberius ſelbſt ihm nicht dieſe Wahrſage-
rin (welche fuͤr kurtzer Zeit in Rom geweſt waͤ-
re/ und dem Auguſtus etliche Wahrſagungen in
ſeinen Arm eingeſchnitten haͤtte) um ſein und
des Kayſers Begebnuͤſſe zu befragen befohlen
haͤtte. Dieſen Fragen haͤtte er aus Vorwitz
ſeiner Buhlſchafft/ und aus ſonderbahrer Ver-
bindligkeit des Saturnins kuͤnfftiges Gluͤck zu
vernehmen beygeſetzt. Denn er waͤre Scri-
bonius; welcher unter dem Saturnin zum er-
ſten den Kriegs-Guͤrtel umgemacht/ auch von
ihm itzige Staffel erlangt/ auff des Kayſers
Befehl aber von dieſer beruͤhmten Wahrſage-
rin/ welche mit denen tieffſinnigſten Druyden
in vertraͤulicher Gemeinſchafft lebte/ und un-
geachtet der ihr vom Kayſer und Livien zu Rom
verordneten herrlichen Verpflegung/ doch die-
ſes wegen vieler zu der Wahrſagung bewehr-
ter Kraͤuter beruͤhmte Gebuͤrge mit denen Lieb-
ligkeiten Jtaliens nicht haͤtte ver wechſeln wol-
len/ ſo gar unterſchiedene Geheimnuͤße/ die
ihm die Chaldeer nicht zu eroͤffnen gewuͤßt/
erlernet haͤtte. Saturnin antwortete ihm: Es
ſolte zwar fuͤr dißmahl ſeinem Verbrechen die
Straffe nach geſehen ſeyn; er ſolte ſich aber fort-
hin entweder dieſes Aberglaubens/ oder des
Krieges enteuſſern. Er kam hierauff zwar
mit dem Hertzog Herrmann in die Stallung/
und die Jagt gieng mit Erlegung vieler Baͤ-
ren und wilder Schweine gluͤcklich ab; aber
Saturnin war allezeit in tieffen Gedancken;
ob ihm ſchon Hertzog Herrmann durch vor ge-
[Spaltenumbruch] bildete Eitelkeit der Zauberey alle Traurigkeit
auszureden ſich euſſerſt bearbeitete. Ja es
wurtzelte in dem Gemuͤthe des Saturnins ein
un verſoͤhnlicher Haß wieder den Tiberius; hin-
gegen eine nicht geringe Gewogenheit gegen
die von ihm gedruͤckte Deutſchen ein. Weil
doch das menſchliche Gemuͤthe dem ſchwerlich
hold bleiben kan/ von dem es ſeinen Untergang
zu beſorgen hat; und die neu-angeſponnene
Feindſchafft die aͤltere nicht nur verduͤſtert/ ſon-
dern auch verurſacht: daß man ſich auff dieſer
ihre Seite ſchlaͤgt. Dieſemnach denn die Chau-
tzen und andere gleichſam gefaͤſſelte Deutſchen
vom Saturnin nicht als Uberwundene/ ſon-
dern als Bunds-Genoſſen gehalten; und des
Tiberius wieder die Cherusker zu Rom ange-
ſponnene Anſchlaͤge durch Saturnins Vor-
ſchrifften zu Waſſer gemacht wurden. Nach-
dem auch Saturnin die Roͤmiſchen Waffen
von Deutſchland unmoͤglich gar abhalten kon-
te; brachte er es doch beym Kayſer ſo weit: daß
ſelbte von dem Fuͤrſten Herrmann abgelehnt/
und gegen den uͤber die Roͤmiſche Hoheit einen
all zugroſſen Schatten abwerffenden Marbod
zu gebrauchen beſtimmt wurden.

Die Fuͤrſtin Thußnelda lebte inzwiſchen bey
der Cattiſchen Hertzogin des Fuͤrſten Arpus
Gemahlin ſo verborgen: daß Segeſthes und
Tiberius das wenigſte von ihrem Auffenthalt
erfahren konten. Gleich wol aber unterhielt ſie
den Fuͤrſten Herrmann mit ihrer holdſeligen
Brieff-Wechſelung. Und ob wol dieſer die
zwiſchen ihnen beſchloſſene und vom Sege-
ſthes zweymahl beliebte Heyrath zu voll zie-
hen bey Thußnelden beweglich anhielt; ſo
machte doch dieſe fromme Heldin wegen
beſorgten vaͤterlichen Unwillens allerhand
Schwerigkeit/ und Hertzog Arpus/ welcher
durch Thußneldens Vermittelung mit dem
Cheruskiſchen Hertzoge vertraͤuliche Freund-
ſchafft aufrichtete/ wiederrieth ſolches noch zur

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Zitationshilfe: Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689, S. 1269[1271]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lohenstein_feldherr01_1689/1335>, abgerufen am 07.05.2024.