Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689.Arminius und Thußnelda. [Spaltenumbruch]
ten beym erstern dem Fürsten Herrmann derRömer Herrschenssucht/ und die aus ihrer U- berwündung auch denen Cheruskern unzweif- felbar zuwachsende Dienstbarkeit vor Augen; als welche von Römern sich keiner andern Gna- de/ als am letzten gefressen zu werden/ versehen möchten. So viel augenscheinliche Beyspie- le: daß nach dem die Fürsten mit den Römern stets einzelicht gefochten/ die halbe Welt unters Joch verfallen wäre/ solten doch denen Cherus- kern die Augen aufthun/ daß sie mit ihnen wieder aller Feind in Gemeinschafft der rechtmäßigen Gegen wehre träten. Aber auch dieses war nicht genung: daß Hertzog Herrmann seinen Vor- satz sich vorher in sich selbst zu befestigen/ ehe er mit den Römern bräche/ geändert/ oder seine Furcht und Abneigung von den Römern hätte mercken lassen. Sintemahl er vernünfftig vor- her sahe: daß König Marbod/ welcher gegen die Cheruskische Macht mehr keine Eyversucht zu fassen Ursache hatte/ die Longobarden un- möglich Hülff-loß/ und die Römer über der Elbe festen Fuß setzen lassen könte. Uber diß erwog er: wie das sonst so beschwerliche Unglück diese tröstliche Eigenschafft habe: daß es nichts minder viel Mitleider/ als der verfinsterte Mohnde viel Anschauer habe; also gar: daß zu- weilen die/ welche einen bey seinem scheinenden Glücks-Stern gar zur Eule gehabt haben; ihn bey seinem Nothstande als einen edlen Fenix bejammern. Mit welcher unnützen Gewo- genheit das veränderliche Glücke gleichsam die Scharte seines verterblichen Hasses auswetzen wolte. Wiewol zuweilen einige mehr aus ed- ler/ als kluger Entschlüssung sich auf die Seite der Unglücklichen schlügen; und den Dorn in ihre Hand stächen/ den sie ihrem Nachbar aus der Zehe gezogen hätten. Wormit er theils seiner Räthe frühzeitige Anschläge ablehnte; theils die Longobardischen Gesandten ver- gnügte/ auch durch Betheuerung seiner Ge- wogenheit ihre Freundschafft erhielt/ und sie [Spaltenumbruch] selbst zum Erkäntnüs brachte: daß sein Zustand nicht vertrüge/ sich in ihre Gefährligkeit zu vertieffen. Hingegen erhielt er hier durch des Kaysers Gewogenheit; und hemmte darmit dem neidischen Tiberius den Ziegel; welcher nach der Gelegenheit sich an ihn zu reiben be- gieriger/ als ein Fisch nach der Lufft schnapte. Welche Vorsicht denn die Sicherheit seiner Herrschafft ohne die minste Verkleinerung sei- ner Auffrichtigkeit unterbaute. Denn ob wol der köstliche Purper-Rock eines Fürsten ohne einigen Fleck des Betruges seyn soll; und kein Sonnen-Staub einiger Untugend so klein seyn kan/ welchen man nicht so reinen Gestirnen ansehe; als Fürsten seyn sollen; so ist doch ih- nen unverwehret: daß sie denenselben/ welche sie in ein Unglücks-Garn arglistig zu verwi- ckeln trachten/ ein ander Gesichte weisen/ als ihr Hertze ist; oder vernünfftig verbergen/ was sie im Schilde führen. Sintemahl ein kluger Herrscher zwar sich mit keiner Lügen behelffen soll; aber für einem ieden sein Hertz auszu- schütten nicht schuldig; und einen Betrüger mit seinem eigenen Netze zu fangen wol be- rechtiget ist. Alle diese Klugheit bekleidete Her- tzog Herrmann mit einer angenommenen Ein- falt; gleich als wenn er des Tiberius gefährli- che Anschläge/ und die denen Cheruskern hier- aus erwachsende Gefahr nicht ergründete. Wenn ihm auch schon ein und ander selbte für- zustellen vermeinte/ fertigte er selbten darmit ab: daß nichts weiter das Ziel der Wahrheit verfehlte/ als Argwohn. Dieser bildete ihm ins gemein unzeitig ein: daß die gantze Welt sich wieder ihn rüstete/ nicht anders als die Schif- fenden vermeinten; alle Gebürge lieffen von ihnen zurücke. Jn Staats-Sachen gäben auch Zwerg-Bäume einen Riesen-Schat- ten hoher Cedern von sich; sonderlich/ wenn die Sonne eines Reiches auff- oder zu Golde gienge; welchen die allzusorg- fältigen meist für dem wahrhafften We- sen Erster Theil. X x x x x x x
Arminius und Thußnelda. [Spaltenumbruch]
ten beym erſtern dem Fuͤrſten Herrmann derRoͤmer Herrſchensſucht/ und die aus ihrer U- berwuͤndung auch denen Cheruskern unzweif- felbar zuwachſende Dienſtbarkeit vor Augen; als welche von Roͤmern ſich keiner andern Gna- de/ als am letzten gefreſſen zu werden/ verſehen moͤchten. So viel augenſcheinliche Beyſpie- le: daß nach dem die Fuͤrſten mit den Roͤmern ſtets einzelicht gefochten/ die halbe Welt unters Joch verfallen waͤre/ ſolten doch denen Cherus- kern die Augen aufthun/ daß ſie mit ihnẽ wieder aller Feind in Gemeinſchafft der rechtmaͤßigen Gegen wehre traͤten. Aber auch dieſes war nicht genung: daß Hertzog Herrmann ſeinen Vor- ſatz ſich vorher in ſich ſelbſt zu befeſtigen/ ehe er mit den Roͤmern braͤche/ geaͤndert/ oder ſeine Furcht und Abneigung von den Roͤmern haͤtte mercken laſſen. Sintemahl er vernuͤnfftig vor- her ſahe: daß Koͤnig Marbod/ welcher gegen die Cheruskiſche Macht mehr keine Eyverſucht zu faſſen Urſache hatte/ die Longobarden un- moͤglich Huͤlff-loß/ und die Roͤmer uͤber der Elbe feſten Fuß ſetzen laſſen koͤnte. Uber diß erwog er: wie das ſonſt ſo beſchwerliche Ungluͤck dieſe troͤſtliche Eigenſchafft habe: daß es nichts minder viel Mitleider/ als der verfinſterte Mohnde viel Anſchauer habe; alſo gar: daß zu- weilen die/ welche einen bey ſeinem ſcheinenden Gluͤcks-Stern gar zur Eule gehabt haben; ihn bey ſeinem Nothſtande als einen edlen Fenix bejammern. Mit welcher unnuͤtzen Gewo- genheit das veraͤnderliche Gluͤcke gleichſam die Scharte ſeines verterblichen Haſſes auswetzen wolte. Wiewol zuweilen einige mehr aus ed- ler/ als kluger Entſchluͤſſung ſich auf die Seite der Ungluͤcklichen ſchluͤgen; und den Dorn in ihre Hand ſtaͤchen/ den ſie ihrem Nachbar aus der Zehe gezogen haͤtten. Wormit er theils ſeiner Raͤthe fruͤhzeitige Anſchlaͤge ablehnte; theils die Longobardiſchen Geſandten ver- gnuͤgte/ auch durch Betheuerung ſeiner Ge- wogenheit ihre Freundſchafft erhielt/ und ſie [Spaltenumbruch] ſelbſt zum Erkaͤntnuͤs brachte: daß ſein Zuſtand nicht vertruͤge/ ſich in ihre Gefaͤhrligkeit zu vertieffen. Hingegen erhielt er hier durch des Kayſers Gewogenheit; und hemmte darmit dem neidiſchen Tiberius den Ziegel; welcher nach der Gelegenheit ſich an ihn zu reiben be- gieriger/ als ein Fiſch nach der Lufft ſchnapte. Welche Vorſicht denn die Sicherheit ſeiner Herrſchafft ohne die minſte Verkleinerung ſei- ner Auffrichtigkeit unterbaute. Denn ob wol der koͤſtliche Purper-Rock eines Fuͤrſten ohne einigen Fleck des Betruges ſeyn ſoll; und kein Sonnen-Staub einiger Untugend ſo klein ſeyn kan/ welchen man nicht ſo reinen Geſtirnen anſehe; als Fuͤrſten ſeyn ſollen; ſo iſt doch ih- nen unverwehret: daß ſie denenſelben/ welche ſie in ein Ungluͤcks-Garn argliſtig zu verwi- ckeln trachten/ ein ander Geſichte weiſen/ als ihr Hertze iſt; oder vernuͤnfftig verbergen/ was ſie im Schilde fuͤhren. Sintemahl ein kluger Herrſcher zwar ſich mit keiner Luͤgen behelffen ſoll; aber fuͤr einem ieden ſein Hertz auszu- ſchuͤtten nicht ſchuldig; und einen Betruͤger mit ſeinem eigenen Netze zu fangen wol be- rechtiget iſt. Alle dieſe Klugheit bekleidete Her- tzog Herrmann mit einer angenommenen Ein- falt; gleich als wenn er des Tiberius gefaͤhrli- che Anſchlaͤge/ und die denen Cheruskern hier- aus erwachſende Gefahr nicht ergruͤndete. Wenn ihm auch ſchon ein und ander ſelbte fuͤr- zuſtellen vermeinte/ fertigte er ſelbten darmit ab: daß nichts weiter das Ziel der Wahrheit verfehlte/ als Argwohn. Dieſer bildete ihm ins gemein unzeitig ein: daß die gantze Welt ſich wieder ihn ruͤſtete/ nicht anders als die Schif- fenden vermeinten; alle Gebuͤrge lieffen von ihnen zuruͤcke. Jn Staats-Sachen gaͤben auch Zwerg-Baͤume einen Rieſen-Schat- ten hoher Cedern von ſich; ſonderlich/ wenn die Sonne eines Reiches auff- oder zu Golde gienge; welchen die allzuſorg- faͤltigen meiſt fuͤr dem wahrhafften We- ſen Erſter Theil. X x x x x x x
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Arminius und Thußnelda.
ten beym erſtern dem Fuͤrſten Herrmann der
Roͤmer Herrſchensſucht/ und die aus ihrer U-
berwuͤndung auch denen Cheruskern unzweif-
felbar zuwachſende Dienſtbarkeit vor Augen;
als welche von Roͤmern ſich keiner andern Gna-
de/ als am letzten gefreſſen zu werden/ verſehen
moͤchten. So viel augenſcheinliche Beyſpie-
le: daß nach dem die Fuͤrſten mit den Roͤmern
ſtets einzelicht gefochten/ die halbe Welt unters
Joch verfallen waͤre/ ſolten doch denen Cherus-
kern die Augen aufthun/ daß ſie mit ihnẽ wieder
aller Feind in Gemeinſchafft der rechtmaͤßigen
Gegen wehre traͤten. Aber auch dieſes war nicht
genung: daß Hertzog Herrmann ſeinen Vor-
ſatz ſich vorher in ſich ſelbſt zu befeſtigen/ ehe er
mit den Roͤmern braͤche/ geaͤndert/ oder ſeine
Furcht und Abneigung von den Roͤmern haͤtte
mercken laſſen. Sintemahl er vernuͤnfftig vor-
her ſahe: daß Koͤnig Marbod/ welcher gegen
die Cheruskiſche Macht mehr keine Eyverſucht
zu faſſen Urſache hatte/ die Longobarden un-
moͤglich Huͤlff-loß/ und die Roͤmer uͤber der
Elbe feſten Fuß ſetzen laſſen koͤnte. Uber diß
erwog er: wie das ſonſt ſo beſchwerliche Ungluͤck
dieſe troͤſtliche Eigenſchafft habe: daß es nichts
minder viel Mitleider/ als der verfinſterte
Mohnde viel Anſchauer habe; alſo gar: daß zu-
weilen die/ welche einen bey ſeinem ſcheinenden
Gluͤcks-Stern gar zur Eule gehabt haben; ihn
bey ſeinem Nothſtande als einen edlen Fenix
bejammern. Mit welcher unnuͤtzen Gewo-
genheit das veraͤnderliche Gluͤcke gleichſam die
Scharte ſeines verterblichen Haſſes auswetzen
wolte. Wiewol zuweilen einige mehr aus ed-
ler/ als kluger Entſchluͤſſung ſich auf die Seite
der Ungluͤcklichen ſchluͤgen; und den Dorn in
ihre Hand ſtaͤchen/ den ſie ihrem Nachbar aus
der Zehe gezogen haͤtten. Wormit er theils
ſeiner Raͤthe fruͤhzeitige Anſchlaͤge ablehnte;
theils die Longobardiſchen Geſandten ver-
gnuͤgte/ auch durch Betheuerung ſeiner Ge-
wogenheit ihre Freundſchafft erhielt/ und ſie
ſelbſt zum Erkaͤntnuͤs brachte: daß ſein Zuſtand
nicht vertruͤge/ ſich in ihre Gefaͤhrligkeit zu
vertieffen. Hingegen erhielt er hier durch des
Kayſers Gewogenheit; und hemmte darmit
dem neidiſchen Tiberius den Ziegel; welcher
nach der Gelegenheit ſich an ihn zu reiben be-
gieriger/ als ein Fiſch nach der Lufft ſchnapte.
Welche Vorſicht denn die Sicherheit ſeiner
Herrſchafft ohne die minſte Verkleinerung ſei-
ner Auffrichtigkeit unterbaute. Denn ob wol
der koͤſtliche Purper-Rock eines Fuͤrſten ohne
einigen Fleck des Betruges ſeyn ſoll; und kein
Sonnen-Staub einiger Untugend ſo klein ſeyn
kan/ welchen man nicht ſo reinen Geſtirnen
anſehe; als Fuͤrſten ſeyn ſollen; ſo iſt doch ih-
nen unverwehret: daß ſie denenſelben/ welche
ſie in ein Ungluͤcks-Garn argliſtig zu verwi-
ckeln trachten/ ein ander Geſichte weiſen/ als
ihr Hertze iſt; oder vernuͤnfftig verbergen/ was
ſie im Schilde fuͤhren. Sintemahl ein kluger
Herrſcher zwar ſich mit keiner Luͤgen behelffen
ſoll; aber fuͤr einem ieden ſein Hertz auszu-
ſchuͤtten nicht ſchuldig; und einen Betruͤger
mit ſeinem eigenen Netze zu fangen wol be-
rechtiget iſt. Alle dieſe Klugheit bekleidete Her-
tzog Herrmann mit einer angenommenen Ein-
falt; gleich als wenn er des Tiberius gefaͤhrli-
che Anſchlaͤge/ und die denen Cheruskern hier-
aus erwachſende Gefahr nicht ergruͤndete.
Wenn ihm auch ſchon ein und ander ſelbte fuͤr-
zuſtellen vermeinte/ fertigte er ſelbten darmit
ab: daß nichts weiter das Ziel der Wahrheit
verfehlte/ als Argwohn. Dieſer bildete ihm ins
gemein unzeitig ein: daß die gantze Welt ſich
wieder ihn ruͤſtete/ nicht anders als die Schif-
fenden vermeinten; alle Gebuͤrge lieffen von
ihnen zuruͤcke. Jn Staats-Sachen gaͤben
auch Zwerg-Baͤume einen Rieſen-Schat-
ten hoher Cedern von ſich; ſonderlich/
wenn die Sonne eines Reiches auff- oder
zu Golde gienge; welchen die allzuſorg-
faͤltigen meiſt fuͤr dem wahrhafften We-
ſen
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