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Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689.

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Achtes Buch
[Spaltenumbruch] durch die in allen Arten des Liebreitzes den Mei-
ster spielende Julia aber derogestalt bezaubert: dz
er keinen Tag ließ vorbey gehen; in welchem er
nicht in den Mecenatischen Garten Juliens
Geilheit seine Leibes-Kräfften aufopfferte; al-
len seinen Witz aber dahin verwendete; wie er
sich und Julien zur Römischen Herrschafft em-
por heben möchte; als die sich öffentlich gegen
ihm heraus ließ: Sie wünschte die Glückselig-
keit Tulliens zu geniessen; und sie scheute sich
nicht mit trockenen Augen über ihres Vaters
blutige Leiche die bestürtzten Pferde zu jagen;
wenn sie nur den Julius Antonius zugleich als
ihren Ehmann und Kayser grüssen könte. Zwi-
schen diesen Berathschlagungen fiel das der Flo-
ra zu Ehren gehaltene Feyer ein; da denn Ju-
lius Antonius aus dem Tempel unterschiedene
vornehme Römer/ und sein Ehweib Servilia
Julien und ander edles Frauen-Zimmer mit
sich in die Servilischen Gärte zur Mahlzeit
nahm. Weil nun an diesem Tage fast ieder-
man der Ehrbarkeit den Zaum schiessen ließ/
und die Laster gleichsam keine Schande waren;
gleich als wenn gewisse Zeit eben so wol das
Böse gut/ als unreiffe Früchte reiff zu machen
mächtig wäre; bediente diese Gesellschafft sich
unter diesem Scheine nicht geringer Freyheit.
Julius Antonius redete mit Julien ab: daß sie
bey einbrechender Nacht in dem Eck-Zimmer
des eussersten Lusthauses ihrer gewohnten Lust
sich bedienen wolten. Dieser kam auffbestimmte
Zeit in das Lust-Hauß; ward daselbst an der
Stiegen von der vermeinten Julia mit der em-
pfindlichsten Umarmung und vielen Küssen be-
willkommt/ und empor in ein Zimmer geführt;
da sie denn eine gute Stunde mit einander ihre
Lust büßeten; iedoch weil sie in dem nechsten
Zimmer darbey Leute vermerckten/ kein Wort
mit einander wechselten. Zuletzt/ als sie beyde
gesättiget zu seyn vermeinten/ und Julius An-
tonius vom Bette auffstund; fieng die vermeinte
Julia an: Mein allerliebster Schatz/ Lepidus;
[Spaltenumbruch] wenn und wo werde ich dein mit so vieler Ver-
gnügung wieder genüssen? Julius Antonius
erkennte nunmehr an ihrer Stimme: daß diß
nicht Julia/ sondern sein eigenes Ehweib Ser-
vilia war; welche nichts minder/ als er/ in ihrer
Liebe betrogen worden. Er schwieg eine gu-
te Weile stille; in dem er wegen selbst eigener
Gemüths-Verwirrung nicht wuste/ was er
entschlüssen solte. Er verstand zwar ihre Un-
treu und Verständnüs mit dem Lepidus/ wel-
cher des berühmten Lepidus mit des Brutus
Schwester erzeugter Sohn/ und nebst dem
Fürsten Herrmann oberster Hauptmann der
Kayserlichen Leib-Wache war. Aber er traute
sich doch an Servilien diß nicht zu verdammen
noch zu straffen; was er durch eigenes Begin-
nen billigte. Nach vielem Nachdencken ant-
wortete er: Du bist betrogen Servilia; du hast
keinen Lepidus/ sondern deinen Antonius um-
armet; und deine heutige Vergnügung hat dich
gelehret: daß die blosse Einbildung fremdes
Wasser zu Zucker mache. Servilia/ welcher
ihr Gewissen sagte: daß ein Ehweib keuscher/
als ihr Mann zu seyn verbunden wäre/ bebte
und zitterte für Furcht und Schrecken; und
sahe immer/ wenn Antonius ihr seinen Degen
durch den Leib treiben würde. Er aber fuhr fort:
Jch verzeihe dir/ Servilia/ nicht nur zum Zeug-
nüs meiner Liebe dein Verbrechen; sondern er-
laube dir auch: daß/ weil du dir am Lepidus
was angenehmers ersehen zu haben meinest; daß
du ohne Scheu meiner deine Vergnügung bey
ihm such en magst; iedoch mit dem Bedinge:
daß du mich euch beyde in eurer Liebe beysam-
men betreten lässest; nicht: daß ich ihm deßwe-
gen einiges Unheil zufügen wolle; son-
dern: daß ich ihn hierdurch mir zu einem wich-
tigen Anschlage verbinden könne. Servilia
fiel dem Antonius zu Fusse/ danckte für seine
Begnadigung; und versprach seinem Befehl
treulich nachzukommen. Jnzwischen war Ju-
lia durch eine irrsame Verwechselung in die

Armen

Achtes Buch
[Spaltenumbruch] durch die in allen Arten des Liebreitzes den Mei-
ſter ſpielende Julia aber derogeſtalt bezaubert: dz
er keinen Tag ließ vorbey gehen; in welchem er
nicht in den Mecenatiſchen Garten Juliens
Geilheit ſeine Leibes-Kraͤfften aufopfferte; al-
len ſeinen Witz aber dahin verwendete; wie er
ſich und Julien zur Roͤmiſchen Herrſchafft em-
por heben moͤchte; als die ſich oͤffentlich gegen
ihm heraus ließ: Sie wuͤnſchte die Gluͤckſelig-
keit Tulliens zu genieſſen; und ſie ſcheute ſich
nicht mit trockenen Augen uͤber ihres Vaters
blutige Leiche die beſtuͤrtzten Pferde zu jagen;
wenn ſie nur den Julius Antonius zugleich als
ihren Ehmann und Kayſer gruͤſſen koͤnte. Zwi-
ſchen dieſen Berathſchlagungen fiel das der Flo-
ra zu Ehren gehaltene Feyer ein; da denn Ju-
lius Antonius aus dem Tempel unterſchiedene
vornehme Roͤmer/ und ſein Ehweib Servilia
Julien und ander edles Frauen-Zimmer mit
ſich in die Serviliſchen Gaͤrte zur Mahlzeit
nahm. Weil nun an dieſem Tage faſt ieder-
man der Ehrbarkeit den Zaum ſchieſſen ließ/
und die Laſter gleichſam keine Schande waren;
gleich als wenn gewiſſe Zeit eben ſo wol das
Boͤſe gut/ als unreiffe Fruͤchte reiff zu machen
maͤchtig waͤre; bediente dieſe Geſellſchafft ſich
unter dieſem Scheine nicht geringer Freyheit.
Julius Antonius redete mit Julien ab: daß ſie
bey einbrechender Nacht in dem Eck-Zimmer
des euſſerſten Luſthauſes ihrer gewohnten Luſt
ſich bedienen wolten. Dieſer kam auffbeſtimmte
Zeit in das Luſt-Hauß; ward daſelbſt an der
Stiegen von der vermeinten Julia mit der em-
pfindlichſten Umarmung und vielen Kuͤſſen be-
willkommt/ und empor in ein Zimmer gefuͤhrt;
da ſie denn eine gute Stunde mit einander ihre
Luſt buͤßeten; iedoch weil ſie in dem nechſten
Zimmer darbey Leute vermerckten/ kein Wort
mit einander wechſelten. Zuletzt/ als ſie beyde
geſaͤttiget zu ſeyn vermeinten/ und Julius An-
tonius vom Bette auffſtund; fieng die vermeinte
Julia an: Mein allerliebſter Schatz/ Lepidus;
[Spaltenumbruch] wenn und wo werde ich dein mit ſo vieler Ver-
gnuͤgung wieder genuͤſſen? Julius Antonius
erkennte nunmehr an ihrer Stimme: daß diß
nicht Julia/ ſondern ſein eigenes Ehweib Ser-
vilia war; welche nichts minder/ als er/ in ihrer
Liebe betrogen worden. Er ſchwieg eine gu-
te Weile ſtille; in dem er wegen ſelbſt eigener
Gemuͤths-Verwirrung nicht wuſte/ was er
entſchluͤſſen ſolte. Er verſtand zwar ihre Un-
treu und Verſtaͤndnuͤs mit dem Lepidus/ wel-
cher des beruͤhmten Lepidus mit des Brutus
Schweſter erzeugter Sohn/ und nebſt dem
Fuͤrſten Herrmann oberſter Hauptmann der
Kayſerlichen Leib-Wache war. Aber er traute
ſich doch an Servilien diß nicht zu verdammen
noch zu ſtraffen; was er durch eigenes Begin-
nen billigte. Nach vielem Nachdencken ant-
wortete er: Du biſt betrogen Servilia; du haſt
keinen Lepidus/ ſondern deinen Antonius um-
armet; und deine heutige Vergnuͤgung hat dich
gelehret: daß die bloſſe Einbildung fremdes
Waſſer zu Zucker mache. Servilia/ welcher
ihr Gewiſſen ſagte: daß ein Ehweib keuſcher/
als ihr Mann zu ſeyn verbunden waͤre/ bebte
und zitterte fuͤr Furcht und Schrecken; und
ſahe immer/ wenn Antonius ihr ſeinen Degen
durch den Leib treiben wuͤrde. Er aber fuhr fort:
Jch verzeihe dir/ Servilia/ nicht nur zum Zeug-
nuͤs meiner Liebe dein Verbrechen; ſondern er-
laube dir auch: daß/ weil du dir am Lepidus
was angenehmeꝛs erſehen zu haben meineſt; daß
du ohne Scheu meiner deine Vergnuͤgung bey
ihm ſuch en magſt; iedoch mit dem Bedinge:
daß du mich euch beyde in eurer Liebe beyſam-
men betreten laͤſſeſt; nicht: daß ich ihm deßwe-
gen einiges Unheil zufuͤgen wolle; ſon-
dern: daß ich ihn hierdurch mir zu einem wich-
tigen Anſchlage verbinden koͤnne. Servilia
fiel dem Antonius zu Fuſſe/ danckte fuͤr ſeine
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lia durch eine irrſame Verwechſelung in die

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Zitationshilfe: Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689, S. 1226[1228]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lohenstein_feldherr01_1689/1292>, abgerufen am 23.11.2024.