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Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689.

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Achtes Buch
[Spaltenumbruch] mehr ein Stein zu dem Friedens-Grunde mit
den Cheruskern gelegt ward. Uber welcher
Friedens-Hoffnung Tiberius zum andern mal
die Bür germeister-Würde und den Nahmen
eines Römischen Feldherrn erwarb; dem Au-
gust aber zu Ehren der Monat/ in welchem er
das erste mahl Bür germeister worden war/ sei-
nen Nahmen bekam.

Als Herrmann nun derogestalt gleichsam
dem Kayser und dem Glücke in der Sch[e]s saß;
zohe das Verhängnüs an dem Himmel eine
trübe Wolcke zusammen; welche allen seinen
Wolstand hätte einäschern können; wenn nicht
feine Unschuld ihren Schlag auf ein ander
Haupt gewendet hätte. Die geile Terentia
hatte mit ihrem Zauber-Liede dem wunderschö-
nen Herrmann lange Zeit in Ohren gelegen;
mit ihren hefftigen Liebesreitzungen aber bey
ihm nichts als höflichen Schertz erworben.
Weil sie nun nicht begreiffen konte: daß dieser
junge Fürst/ dem Liebe und Anmuth aus den
Augen sah/ und zwar in denselben Jahren: da
das aufjährende Geblüte gleichsam auch ge-
frorne Menschen aufthauet/ aus blossem Triebe
der Tugend gegen ihren Liebreitz/ welcher auch
den Kayser bezaubert hatte/ so unempfindlich
seyn könte; vermochten ihre Gedancken ihr
nichts so seltzames fürbilden; in welchem sie
nicht die Ursache seiner Kaltsinnigkeit er grü-
beln wolte. Wenn ihr einkam: daß er sie als
allzu alt/ oder nicht schön genung/ verschmähe-
te/ wolte sie bey nahe von Sinnen kommen.
Denn keiner verdammten Seele Pein kan die/
welche eine verschmähete Frau erduldet/ über-
treffen. Wenn ihr aber wieder das so vortheil-
haffte Urthel einfiel/ welches Fürst Herrmann
mehrmahls für sie gefällt hatte; liebkosete sie
wieder ihrer süssen Hoffnung/ und raffte/ wie
zuvor/ alle Waffen des Liebreitzes ihn zu fässeln/
also itzt alle scharffsinnige Gedancken zusammen
hinter das Geheimnüs seines Hertzens zu kom-
men. Wie sie nun einmahl auf des Mecenas
[Spaltenumbruch] Tiburtinischem Vorwerge der Meyen-Lust
genaßen; und sie des Morgens früh vor Auff-
gang der Sonnen sich auff dem über die mar-
melnen Gewölber gepflantzten und meist mit
ausländischen Gewächsen besetzten Lustgarten
er gieng; hörte sie in dem Thale gegen den Fluß
Anio eine annehmliche Stimme; welcher sie
sich gemächlich näherte; sonderlich/ als ihr selb-
te ie mehr und mehr bekandt fürkam/ und sie
endlich für des Fürsten Herrmanns erkennte;
welcher aus einem Grichischen Schau-Spiele
in der Person des auff der Helena Raub sin-
enden/ und mit ihm selbst streitenden Paris
gleich nachfolgende Reymen sang:

Der Sporn der Liebe reitzet mich/
Allein mich hemmt der Zaum der Ehren.
Sie meiden ist mein Hertzens-Stich/
Sie lieben/ Seel' und Freund verjehren.
Ja/ wie soll ich und ein solch Weib
Vermengen Lieb' und Hertz zusammen/
Die täglich ihren schnöden Leib
Aufo[p]ffert eines andern Flammen?
Denn/ liebt sie gleich nur einen Herrn
Von hoher Würd' und vielen Gaben;
So mag ich doch auch Jupitern
Selbst nicht zum Neben-Buhler haben.

Fürst Herrmann hätte Zweiffels-frey weiter
gesungen; wenn er nicht durch einen aus der
Tieffe des Hertzens geholeten Seuffzer von
Terentien wäre gestöret worden. Denn diß
für Liebe brennende Weib meinte nun die Aus-
legung des ihr zeither verborgenen Räthsels
aus dem Munde des allzu verschlossenen Herr-
manns gehört zu haben; dessen Gedancken sie
aus einer süssen Uberredung antichtete: daß er
mit dem Kayser eyferte/ und Terentien entwe-
der gar nicht/ oder nicht halb besitzen wolte. Sie
bereuete aber alsobald den Vorwitz ihres unzei-
tigen Seuffzers/ oder vielmehr das Unvermö-
gen: daß sie mit ihren Gemüths-Bewegungen
so gar nicht hinter dem Berge halten könte;
sonderlich/ als sie diese in ihren Ohren mehr als

himm-

Achtes Buch
[Spaltenumbruch] mehr ein Stein zu dem Friedens-Grunde mit
den Cheruskern gelegt ward. Uber welcher
Friedens-Hoffnung Tiberius zum andern mal
die Buͤr germeiſter-Wuͤrde und den Nahmen
eines Roͤmiſchen Feldherrn erwarb; dem Au-
guſt aber zu Ehren der Monat/ in welchem er
das erſte mahl Buͤr germeiſter worden war/ ſei-
nen Nahmen bekam.

Als Herrmann nun derogeſtalt gleichſam
dem Kayſer und dem Gluͤcke in der Sch[e]s ſaß;
zohe das Verhaͤngnuͤs an dem Himmel eine
truͤbe Wolcke zuſammen; welche allen ſeinen
Wolſtand haͤtte einaͤſchern koͤnnen; wenn nicht
feine Unſchuld ihren Schlag auf ein ander
Haupt gewendet haͤtte. Die geile Terentia
hatte mit ihrem Zauber-Liede dem wunderſchoͤ-
nen Herrmann lange Zeit in Ohren gelegen;
mit ihren hefftigen Liebesreitzungen aber bey
ihm nichts als hoͤflichen Schertz erworben.
Weil ſie nun nicht begreiffen konte: daß dieſer
junge Fuͤrſt/ dem Liebe und Anmuth aus den
Augen ſah/ und zwar in denſelben Jahren: da
das aufjaͤhrende Gebluͤte gleichſam auch ge-
frorne Menſchen aufthauet/ aus bloſſem Triebe
der Tugend gegen ihren Liebreitz/ welcher auch
den Kayſer bezaubert hatte/ ſo unempfindlich
ſeyn koͤnte; vermochten ihre Gedancken ihr
nichts ſo ſeltzames fuͤrbilden; in welchem ſie
nicht die Urſache ſeiner Kaltſinnigkeit er gruͤ-
beln wolte. Wenn ihr einkam: daß er ſie als
allzu alt/ oder nicht ſchoͤn genung/ verſchmaͤhe-
te/ wolte ſie bey nahe von Sinnen kommen.
Denn keiner verdammten Seele Pein kan die/
welche eine verſchmaͤhete Frau erduldet/ uͤber-
treffen. Wenn ihr aber wieder das ſo vortheil-
haffte Urthel einfiel/ welches Fuͤrſt Herrmann
mehrmahls fuͤr ſie gefaͤllt hatte; liebkoſete ſie
wieder ihrer ſuͤſſen Hoffnung/ und raffte/ wie
zuvor/ alle Waffen des Liebreitzes ihn zu faͤſſeln/
alſo itzt alle ſcharffſinnige Gedancken zuſammen
hinter das Geheimnuͤs ſeines Hertzens zu kom-
men. Wie ſie nun einmahl auf des Mecenas
[Spaltenumbruch] Tiburtiniſchem Vorwerge der Meyen-Luſt
genaßen; und ſie des Morgens fruͤh vor Auff-
gang der Sonnen ſich auff dem uͤber die mar-
melnen Gewoͤlber gepflantzten und meiſt mit
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er gieng; hoͤrte ſie in dem Thale gegen den Fluß
Anio eine annehmliche Stimme; welcher ſie
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te ie mehr und mehr bekandt fuͤrkam/ und ſie
endlich fuͤr des Fuͤrſten Herrmanns erkennte;
welcher aus einem Grichiſchen Schau-Spiele
in der Perſon des auff der Helena Raub ſin-
enden/ und mit ihm ſelbſt ſtreitenden Paris
gleich nachfolgende Reymen ſang:

Der Sporn der Liebe reitzet mich/
Allein mich hemmt der Zaum der Ehren.
Sie meiden iſt mein Hertzens-Stich/
Sie lieben/ Seel’ und Freund verjehren.
Ja/ wie ſoll ich und ein ſolch Weib
Vermengen Lieb’ und Hertz zuſammen/
Die taͤglich ihren ſchnoͤden Leib
Aufo[p]ffert eines andern Flammen?
Denn/ liebt ſie gleich nur einen Herrn
Von hoher Wuͤrd’ und vielen Gaben;
So mag ich doch auch Jupitern
Selbſt nicht zum Neben-Buhler haben.

Fuͤrſt Herrmann haͤtte Zweiffels-frey weiter
geſungen; wenn er nicht durch einen aus der
Tieffe des Hertzens geholeten Seuffzer von
Terentien waͤre geſtoͤret worden. Denn diß
fuͤr Liebe brennende Weib meinte nun die Aus-
legung des ihr zeither verborgenen Raͤthſels
aus dem Munde des allzu verſchloſſenen Herr-
manns gehoͤrt zu haben; deſſen Gedancken ſie
aus einer ſuͤſſen Uberredung antichtete: daß er
mit dem Kayſer eyferte/ und Terentien entwe-
der gar nicht/ oder nicht halb beſitzen wolte. Sie
bereuete aber alſobald den Vorwitz ihres unzei-
tigen Seuffzers/ oder vielmehr das Unvermoͤ-
gen: daß ſie mit ihren Gemuͤths-Bewegungen
ſo gar nicht hinter dem Berge halten koͤnte;
ſonderlich/ als ſie dieſe in ihren Ohren mehr als

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[1218[1220]/1284] Achtes Buch mehr ein Stein zu dem Friedens-Grunde mit den Cheruskern gelegt ward. Uber welcher Friedens-Hoffnung Tiberius zum andern mal die Buͤr germeiſter-Wuͤrde und den Nahmen eines Roͤmiſchen Feldherrn erwarb; dem Au- guſt aber zu Ehren der Monat/ in welchem er das erſte mahl Buͤr germeiſter worden war/ ſei- nen Nahmen bekam. Als Herrmann nun derogeſtalt gleichſam dem Kayſer und dem Gluͤcke in der Sches ſaß; zohe das Verhaͤngnuͤs an dem Himmel eine truͤbe Wolcke zuſammen; welche allen ſeinen Wolſtand haͤtte einaͤſchern koͤnnen; wenn nicht feine Unſchuld ihren Schlag auf ein ander Haupt gewendet haͤtte. Die geile Terentia hatte mit ihrem Zauber-Liede dem wunderſchoͤ- nen Herrmann lange Zeit in Ohren gelegen; mit ihren hefftigen Liebesreitzungen aber bey ihm nichts als hoͤflichen Schertz erworben. Weil ſie nun nicht begreiffen konte: daß dieſer junge Fuͤrſt/ dem Liebe und Anmuth aus den Augen ſah/ und zwar in denſelben Jahren: da das aufjaͤhrende Gebluͤte gleichſam auch ge- frorne Menſchen aufthauet/ aus bloſſem Triebe der Tugend gegen ihren Liebreitz/ welcher auch den Kayſer bezaubert hatte/ ſo unempfindlich ſeyn koͤnte; vermochten ihre Gedancken ihr nichts ſo ſeltzames fuͤrbilden; in welchem ſie nicht die Urſache ſeiner Kaltſinnigkeit er gruͤ- beln wolte. Wenn ihr einkam: daß er ſie als allzu alt/ oder nicht ſchoͤn genung/ verſchmaͤhe- te/ wolte ſie bey nahe von Sinnen kommen. Denn keiner verdammten Seele Pein kan die/ welche eine verſchmaͤhete Frau erduldet/ uͤber- treffen. Wenn ihr aber wieder das ſo vortheil- haffte Urthel einfiel/ welches Fuͤrſt Herrmann mehrmahls fuͤr ſie gefaͤllt hatte; liebkoſete ſie wieder ihrer ſuͤſſen Hoffnung/ und raffte/ wie zuvor/ alle Waffen des Liebreitzes ihn zu faͤſſeln/ alſo itzt alle ſcharffſinnige Gedancken zuſammen hinter das Geheimnuͤs ſeines Hertzens zu kom- men. Wie ſie nun einmahl auf des Mecenas Tiburtiniſchem Vorwerge der Meyen-Luſt genaßen; und ſie des Morgens fruͤh vor Auff- gang der Sonnen ſich auff dem uͤber die mar- melnen Gewoͤlber gepflantzten und meiſt mit auslaͤndiſchen Gewaͤchſen beſetzten Luſtgarten er gieng; hoͤrte ſie in dem Thale gegen den Fluß Anio eine annehmliche Stimme; welcher ſie ſich gemaͤchlich naͤherte; ſonderlich/ als ihr ſelb- te ie mehr und mehr bekandt fuͤrkam/ und ſie endlich fuͤr des Fuͤrſten Herrmanns erkennte; welcher aus einem Grichiſchen Schau-Spiele in der Perſon des auff der Helena Raub ſin- enden/ und mit ihm ſelbſt ſtreitenden Paris gleich nachfolgende Reymen ſang: Der Sporn der Liebe reitzet mich/ Allein mich hemmt der Zaum der Ehren. Sie meiden iſt mein Hertzens-Stich/ Sie lieben/ Seel’ und Freund verjehren. Ja/ wie ſoll ich und ein ſolch Weib Vermengen Lieb’ und Hertz zuſammen/ Die taͤglich ihren ſchnoͤden Leib Aufopffert eines andern Flammen? Denn/ liebt ſie gleich nur einen Herrn Von hoher Wuͤrd’ und vielen Gaben; So mag ich doch auch Jupitern Selbſt nicht zum Neben-Buhler haben. Fuͤrſt Herrmann haͤtte Zweiffels-frey weiter geſungen; wenn er nicht durch einen aus der Tieffe des Hertzens geholeten Seuffzer von Terentien waͤre geſtoͤret worden. Denn diß fuͤr Liebe brennende Weib meinte nun die Aus- legung des ihr zeither verborgenen Raͤthſels aus dem Munde des allzu verſchloſſenen Herr- manns gehoͤrt zu haben; deſſen Gedancken ſie aus einer ſuͤſſen Uberredung antichtete: daß er mit dem Kayſer eyferte/ und Terentien entwe- der gar nicht/ oder nicht halb beſitzen wolte. Sie bereuete aber alſobald den Vorwitz ihres unzei- tigen Seuffzers/ oder vielmehr das Unvermoͤ- gen: daß ſie mit ihren Gemuͤths-Bewegungen ſo gar nicht hinter dem Berge halten koͤnte; ſonderlich/ als ſie dieſe in ihren Ohren mehr als himm-

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Zitationshilfe: Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689, S. 1218[1220]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lohenstein_feldherr01_1689/1284>, abgerufen am 18.05.2024.